ist religion nicht eine art ersatzperspektive die jeder
braucht, obwohl sich niemand daran hällt.
Interessanterweise haben sich Religion und Glauben seit Beginn der Moderne in den Industriestaaten grundlegend gewandelt. Und mit diesem Wandel hat sich auch die Sichtweise und Erklärung verändert, wie wir heute Religion i.A. verstehen. Die Aufklärung setzte der Religion die Wissenschaft gegenüber, die beide als Erklärungsmatrix für die Welt und als moralische Grundlage für Entscheidungen dienen. Dem Glauben gegenüber setzten die „Befreier aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (frei nach Kant) das logische, reproduzierbare Wissen. In Folge dieser Entwicklung wurde Religion und Glauben zur Privatsache der Bürger erklärt (obwohl sie weiterhin, aber verdeckt öffentlichen Einfluss haben). Das ist aber nicht über all auf der Welt so. Ein Beispiel für die starke Wirkung von Religion auf öffentliche Entscheidungen, findet sich z.B. in manchen Erscheinungsformen des Islams. Damit ist auch die Stellung von Religion in der Gesellschaft grundlegend anders, als bei uns und kaum jemand käme auf die Idee, Religion als Auswirkung von Drogenkonsum zu beschreiben.
Was ich damit sagen will?
Religion ist ein zu kompliziertes Thema, als dass es sich mit ein, zwei rationalistischen Argumenten („Religion ist Opium für das Volk“ (K.Marx), „Die Religion stützt sich vor allen und hauptsächlich auf die Angst.“ (Bertrand Russell)) begründen lässt, vor allem, weil diese Argumente aus dem Kampfgeist gegen eine übermächtige Kirche entstanden sind.
Eine heute (in der Postmoderne) oft vertretene Position, besagt, dass unsere heutige Religion der Kapitalismus ist – den der Glaube an den Konsum am Leben erhält. Oder eine andere besagt, dass die Wissenschaft die Religion nicht verdrängt, sondern sie mit der gleichen Funktion einfach ersetzt hat.
ich erinnere nur an die unterschiede der neuen und der alten
bibel.
???
Verstehe ich nicht. Aber man kann das Neue Testament durchaus als Erneuerungsbewegung verstehen, welches die überlebten Regeln des A.T. an die damalige politische, soziale und wirtschaftliche Situation angepasst hat. Demzufolge ist das N.T. ähnlich zu betrachten, wie gegenwärtige Pfingstlerbewegungen innerhalb des Christentums, oder die Erneuerungsbewegungen im Islam (welche wir heute vorurteilsbeladen als „fundamentalistisch“ bezeichnen).
will nicht jeder einer gruppe sich zuordnen, aufgrund das der
mensch ein herdentier ist?
Ist er das? Oder ist das ein (zu)einfacher Erklärungsversuch für extrem dynamische, wandelbare, ungreifbare Prozesse, die das Verhalten zwischen Menschen regulieren.
Ja, jeder Mensch will sich wohl von anderen unterscheiden und wird von anderen unterschieden, er sucht reale oder vorgestellte Gruppierungen bei denen er Gemeinsamkeiten entdecken kann. Trotzdem kann er sich jederzeit von der Gruppe abwenden oder einer neuen beitreten, er ist kein Sklave der Gruppierung, sondern jemand, der sich seine Eigenständigkeit zu jedem Zeitpunkt neu erschafft, indem er sich abgrenzt. Heute bist du Protestant im Gegensatz zum Katholiken, Morgen (zusammen mit dem Katholiken) Christ im Gegensatz zum Buddhisten. Und Übermorgen bist du Taxifahrer (zusammen mit dem Katholiken, dem Protestanten und dem Zen-Buddhisten) gegenüber einem Busfahrer.
Grüsse,
Phil