Kapitalismus und Islam
Hi.
Gewalt im Monotheismus:
aber die KULTURELLEN Vorteile beschrieb Walter Benjamin: „Für uns sind in den letzten Jahrhunderten die alten Religionen geborsten. Aber ich glaube nicht so folgenlos, dass wir uns der Aufklärung harmlos freuen dürfen. Eine Religion band Mächte, deren freies Wirken zu fürchten ist.“
Ich mag Benjamin, aber letztere Sentenz scheint mir in die falsche Richtung zu zielen. Er scheint den Irrtum vieler Intellektueller zu begehen, welche Religion mit christlichem Monotheismus gleichsetzen. Das ist ein grober Fehlschluss. In Bezug auf den Monotheismus ist Benjamins Aussage aber sicher richtig.
Im nachgelassenen Werk „Kapitalismus als Religion“ schreibt Benjamin (im Fragment 74)
Gottes Transzendenz ist gefallen. Aber er ist nicht tot, er ist ins Menschenschicksal einbezogen. Dieser Durchgang des Planeten Mensch durch das Haus der Verzweiflung in der absoluten Einsamkeit seiner Bahn ist das Ethos, das Nietzsche bestimmt. Dieser Mensch ist der Übermensch, der erste, der die kapitalistische Religion erkennend zu erfüllen beginnt
Schon Marx hat den kapitalistischen Warenfetischismus mit dem Glauben an den Christengott verglichen. Ähnlich wie der Produzent der Ware sich von seinem Produkt beherrschen lässt, dieses also quasi magische Eigenschaften annimmt, so beherrscht das Denkprodukt „Gott“ den Menschen.
Von daher würde ich Benjamins Aussagen, die ich zu diesem Thema nur fragmentarisch kenne, so deuten, dass er genau den Aspekt, der für das monotheistische Denken charakteristisch ist (Macht und Abhängigkeit), für eine Kraft hält, die, entbunden von ihrem religiösen Kontext, sich ein anderes Betätigungsfeld sucht: eben den kapitalistischen Markt, der bestimmt wird durch Abhängigkeitsverhältnisse und deren psychologische Verschleierung durch die Warenfetischisierung (Konsumidiotie) sowie dessen Steigerung, den Geldfetischismus (Geld als magische Macht, die den Waren ´Seele´ gibt, über den Gebrauchswert hinaus).
Der erste Kapitalismustheoretiker Adam Smith ist mit seiner Lehre von der „Unsichtbaren Hand“, die den Markt reguliert, das beste Beispiel für eine Synthese von Christlichkeit und Kapitalismus. Es ist zwar umstritten, ob Adam damit die „Hand Gottes“ meinte, aber die Analogie zwischen regulierender Hand und christlicher Prädestination ist sehr naheliegend.
Würde Benjamin heute leben, wäre er vielleicht weniger pessimistisch, trotz des global wuchernden Kapitalismus im Zeichen der militärisch-industriellen Komplexe (also der fatalen Vernetzung von Militär, Industrie und Politik, wobei letztere die Forderungen ersterer nur abnickt und umsetzt). Zumindest würde er erkennen, dass der Monotheismus nicht die einzige relevante Religionsform ist, wenngleich er in Gestalt des Islam weiterhin ein humanitäres Sicherheitsrisiko globalen Ausmaßes darstellt und insofern das Negativ-Erbe der christlichen Theokratie angetreten hat. Bekanntlich hat das Christentum nicht nur den Kapitalismus, sondern auch den Islam hervorgebracht (beides nicht willentlich, klar). So ist es kein Zufall, dass diese sich so unverträglich wie Katz und Maus gegenüberstehen. Beider Fetischisierungsstrategien widersprechen sich kontradiktorisch: Hier ist Gott das Absolute und dort das Geld. Eine Harmonie erscheint unmöglich. Der Kapitalismus kann vieles kaufen, fast alles, aber nicht Allah. Dieser Superfetisch liegt außerhalb seiner Reichweite.
Chan