Religionsforschung als Beruf?

Guten Abend,

während meines Austauschjahrs in Indien (nach der 10. Klasse, ich habe also noch viel Zeit) ist mir der Gedanke gekommen, dass ich nach meinem Abi Religionswissenschaft, Religionsphilosophie oder etwas ähnliches studieren könnte.
Ich kenne nämlich viele Leute mit interessanten Religionen/Glauben und liebe es, mit ihnen zu diskutieren.
Der Punkt ist, dass ich nicht wirklich weiß, was ich danach damit anfangen könnte/ dass man das Fach anscheinend nur in Kombination studieren könnte.
Ich stelle mir meinen Beruf so vor, dass ich Bücher lese, Reisen mache (Israel/Asien/Indien), mit Leuten diskutiere und so Informationen über Religionen zusammentrage und vergleiche. Ich möchte gerne forschen, also was auf eigene Faust herausfinden, anstatt weiterzugeben, was andere herausfanden, oder irgendwelchen detaillierten Anweisungen zu folgen. Ich möchte Muster der Religionen herausfinden, Religion vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachten, die Vereinbarkeit von Religion und Naturwissenschaft testen, den Wandel und die Abspaltungen der Religionen/Glauben/Philosophien erforschen, vielleicht meinen gut argumentierten Senf zu Sachen wie der Kopftuchdiskussion dazugeben. Auch Lehren kann ich mir vorstellen, aber bitte nicht so einseitig wie Religionslehrerin oder eben Diakonin/ Pastorin.

Die Frage ist, gibt es so einen Beruf? Wie komme ich dahin? Lohnt sich das überhaupt? Könnte ich „nebenbei“ noch Kinder großziehen?

Danke im Voraus
Viviane

Hallo VivaViola,

wahrscheinlich ist es Dir auch wohl mit Ethnologie/Kulturwissenschaften oder Geschichte, weil es dank denen oft gute Jobs gibt, Reli-Wiss. wäre dann als Nebenfach denkbar. Alternative: Dich irgendwo ankoppeln, womit Du leben kannst, ohne voll einzusteigen, also z. B. Philosophie oder Theologie mit Schwerpt. Religionswissenschaft und Anthropologie studieren, währenddessen Beziehungen zu Forschungsprojekten im Bereich Ethnologie/Kulturwissenschaften knüpfen und dort Absprungmöglichkeiten suchen.

Von meinen Kollegen (kath. Theologie) kann ich sagen, dass viele den Weg in „fremde“ Berufsfelder gefunden haben (z. B. Medien, Personalführung, Archäologie, Kulturenforschung, Ethnologie, Lehramt auch in anderen Fächern sofern Zusatzausbildung, Psychologie sofern Zusatzausbildung, vereinzelt Arbeit als Ethiker oder sogar als Verantwortliche/-r für interreligiösen Dialog). Das sind namentlich Fälle, die mit der Kirchlichkeit/Tradition oder deren Anforderungen (Männerpriestertum, Zölibat, oder auch Einseitigkeit im Unterricht) nicht besonders heiss befreundet sind. Es sind aber wenngleich viele, so doch immer auch Einzelfälle.

Gruss
Mike (kath. Theologe)

Hallo Dahinden und Vivaviola!

wahrscheinlich ist es Dir auch wohl mit
Ethnologie/Kulturwissenschaften oder Geschichte, weil es dank
denen oft gute Jobs gibt, Reli-Wiss. wäre dann als Nebenfach
denkbar.

Also bezüglich Ethnologie habe ich in meinem Bekanntenkreis mehrere Beispiele, dass es mit Jobs da nicht weit her ist. Die joben bei Sozialeinrichtungen, in Asylantenheimen, geben Nachhilfeunterricht usw., aber wo gibt es außerhalb des Wissenschaftsbereiches Jobs für Ehtnologen?

Meiner Meinung nach wäre aber z.B. ein Lehramtsstudium für Geschichte und Theologie eine Möglichkeit. Religionswissenschaftlichen Schwerpunkt zu setzen, ist beim Studium ja durchaus möglich. Die Schüler höherer Klassen im Gymnasium würden sich sicher freuen, mehr über andere Religionen zu erfahren.

Von meinen Kollegen (kath. Theologie) kann ich sagen, dass
viele den Weg in „fremde“ Berufsfelder gefunden haben (z. B.
Medien, Personalführung, Archäologie, Kulturenforschung,
Ethnologie, Lehramt auch in anderen Fächern sofern
Zusatzausbildung, Psychologie sofern Zusatzausbildung,
vereinzelt Arbeit als Ethiker oder sogar als
Verantwortliche/-r für interreligiösen Dialog). Das sind
namentlich Fälle, die mit der Kirchlichkeit/Tradition oder
deren Anforderungen (Männerpriestertum, Zölibat, oder auch
Einseitigkeit im Unterricht) nicht besonders heiss befreundet
sind. Es sind aber wenngleich viele, so doch immer auch
Einzelfälle.

Das kann ich nur unterstreichen! Viele Menschen lernen erst während des Studiums, während eines Praktikums oder während eines Ferienjobs ihre „wahre Berufung“ kennen, und es ist sicher kein Nachteil, nicht im studierten Fach tätig zu sein. Und Priester, die ihren Job nicht mehr ausüben, sind ganz besonders erfindungsreich, was die nachfolgende Tägigkeit anbelangt. Ich kenne einen, der ist sogar in den diplomatischen Dienst seines Heimatlandes eingetreten.

Dahinden, ich würde an Deiner Stelle überlegen, welche sonstigen Interesse ich sonst noch habe und erst dann nachdenken, wie ich das mit Religionswissenschaft verbinden kann.

Liebe Grüße

Waldi

Danke waldieter für die Berichtigung/Ergänzung
Danke, ja, das stimmt wohl.

Ethnologie hatte ich auch eher als Durchlauferhitzer gedacht, weil z. B. Archäologie zu weit weg ist. Ich habe mal vage davon gehört, dass der universitäre Verbrauch an Ethnologen immerhin den der Theologen zu übersteigen scheint, kann das aber nicht garantieren. Ausseruniversitär dürftest Du Recht behalten bis auf jemand, der das Gleiche macht wie Dein Ex-Priester: Diplomatie samt zugehörigen Fremdsprachen. Dort wären die Fächer also beide nicht völlig top, aber auch nicht unmöglich.

Gruss
Mike

Hi

Lass dich nicht verarschen und studiere, so du nicht reges interesse am Christentum hast, auf keinen Fall Theologie mit Relwiss!

Das ist Mist. Sowas lohnt sich nur wenn du Gläubig bist und Christ, ansonsten wirst du dir über die bias nur die Haare raufen.

Religionswissenschaft ist LÄNGST ein eigenständiges Fach und hat sich schon vor 20 Jahren vom Fuchtel der Theologie befreit, auch wenn diese teilweise versucht diesen wiederzuerlangen (Hamburg).

Bei Religionswissenschaft geht es um die Erforschung der Religion auf neutraler Basis, als Forscher bist du primär in der Außenperspektive, kannt aber natürlich die Innenperspektive anderer untersuchen.

Bei der Theologischen Religionswissenschaft blickst du immer aus Sicht des Christentums auf andere Religionen und das hat oft etwas wertendes und vergleichendes, was in der Religionswissenschaft eigentlich nichts zu suchen hat.

Religionswissenschaft kannst du als Hauptfach im Rahmen von Zweifach Bachelors studieren. Als Zweitfach bieten sich Kulturwissenschaften (z.B. Indologie in deinem Fall) an oder Sozialwissenschaften, Geschichte, Sprachen. Von Philo würde ich in der Kombi abraten da das Studium sonst schnell zu abstrakt für den Arbeitsmarkt wird.

So wie du dich anhörst wärst du wohl in Richtung Forschung durchaus gut aufgehoben, aber nur wenige Studenten schaffen es später mal einen Job in der Forschung zu bekommen bzw. an der Uni zu bleiben.

Als Religionswissenschaftler hast du keinen definiten Beruf, kannst mit Ergeiz aber bei Museen, Bildungseinrichtungen,Verlagen, im sozialen Bereich und durchaus bei Firmen (Stichwort Kompetenztraining) unterkommen.

In die Forschung kommt man durch BA und MA Studium, dem eine Promotion folgt mit möglicht vielen Publikationen (für die du Forschen musst), Teinahme an Forschungsprojekten und evtl. Einbindung in einen Lehrstuhl.

Es stimmt, dass man auch von reinen Kulturwissenschaften u.ä. zur Religionswissenschaft kommen kann, wenn du aber jetzt schon weißt, dass du das willst, macht ein Umweg keinen Sinn.

Als Akademikerin hast du, auch wenn du wahrscheinlich später loslegst, in D noch mit die besten Chancen Kinder großzuziehen.

lg
Kate

Andere Meinung
Guten Tag Viviane,

in meiner Weltanschauung basiert meine persönliche Religionsforschung auf der Basis von Evolutionspsychologie, Soziobiologie und Psychologie, zuzüglich der aktuellen Neurowissenschaften.

Die Frage ist, gibt es so einen Beruf?

Als offiziell geschützte Berufsbezeichnung derzeit nicht.

Wie komme ich dahin?

Such dir einen Schwerpunkt, also ob du es auf Grundlage der Theologie, Antropologie, Sozialwissenschaft, Evolutionsforschung, Neurowissenschaften, … uvam. aufziehen möchtest. Danach informieren und breitbandig studieren.

Lohnt sich das überhaupt?

Derzeit mehr denn je, zumindest in der westlichen Welt. Selbst wenn solche Bücher „Der Gotteswahn“ (Richard Dawkins), „Den Bann brechen“ (Daniel Dennett), „Darwins Cathedral“ (David Sloan Wilson), „Religion explained“ (Pascal Boyer) oder „Das Ende des Glauben“ (Sam Harris) nur einen winzigen Bruchteil des komplexen Gebildes, dass wir als „Religion“ bezeichnen und fälschlicherweise denken, damit wäre jedem klar worum es geht, versuchen darzustellen, so birgt es dennoch zumindest für diese Autoren genügent Frucht um ein auskömmliches Leben zu bestreiten. Neben ihren eigenlichen Deputaten.

Abgesehen davon, dass wir natürlich auch das alles aus unserer westlichen Sicht des Monotheismus, der Post-Aufklärung, uvam. gefärbt sehen.

Könnte ich „nebenbei“ noch Kinder großziehen?

Es gibt z.B. den Beruf des Wissenschaftsjournalisten, der zwar auch auf Tagungen reisen sollte, sonst aber Literatur und Kontakte zur Recherche nutzen kann. Wobei ein grundlegendes Fundament der journalistischen Recherche- und Darstellungstechniken nötig ist.

Arvid Leyh kriegt das wohl als engagierter Vater auch hin und macht neben seiner wissenschaftsjournalistischer Tätigkeit auch immer noch seinen wunderbaren Podcast „Braincast“ weiter. Zumindest auf Deutsch.

Lesetipp: „Gott, Gene und Gehirn: Warum Glaube nützt - Die Evolution der Religiosität“ (Rüdiger Vaas, Michael Blume)

Hmm.

Was sich auf jeden Fall anbietet ist eine breite Kenntnis an Sprachen. Und eben nicht nur der gängigen westlichen Sprachen.

Gruß

Stefan