Rentner in die Krankenkasse

Guten Tag,

mein Vater war überwiegend freiberuflich tätig und bekommt nun Rente aus den Zeiten als Angestellter. Durch Scheidung nur die Hälfte, die andere Hälfte meine Mutter.

Er ist nicht Kunde einer Krankenkasse. Bei Beginn seiner freiberuflichen Tätigkeit (aus einer Arbeitslosigkeit heraus) wurde ihm von der AOK telefonisch mitgeteilt, er müsse als „Selbstständiger“ monatlich mindestens 300 € bezahlen. Das war nicht drin. Also zahlte er Arztrechnungen selbst.

Als seine Einnahmen stabiler wurden, hat er sich nochmals erkundigt. Nun sollte er Beiträge für viele Jahre rückwirkend zahlen, ohne dass er versichert war. Das war wieder nicht drin.

Nun hat er Hilfe zum Lebensunterhalt, also Aufstockung beantragt. Dazu soll er seine Krankenkasse angeben wg. Zuschuss. Wie kommt er zu einer Krankenversicherung?

Gruß, Peter

Die Stiftung Warentest hat sich damit mal befaßt, hier 2 Links dazu:


Mußtv selbst abwägen Ob Dein Vater darunter fallen könnte wieder in eine gesetzliche GKV zu kommen oder ob nur eine private bleibt.
Und da noch was von der Verbraucherzentrale:
https://www.vzhh.de/themen/gesundheit-patientenschutz/krankenversicherung/ohne-krankenversicherung-was-tun

ramses90

Sicherheitshalber nachgefragt:
Es geht um Deutschland und dein Vater war auch stets in Deutschland gemeldet?

Da gibt es doch seit 12 Jahren eine Krankenversicherunspflicht, wie kann das passiert sein?

Hallo ramses90,

aus deinem ersten Link:

„Nicht jeder hat die Wahl, ob er sich gesetzlich oder privat kranken­versichert. Viele sind sogenannte Pflicht­mitglieder der gesetzlichen Kranken­versicherung, zum Beispiel Arbeitnehmer mit einem Gehalt, das eine fest­gelegte Grenze nicht über­schreitet. Andere haben die Wahl: Sie können sich freiwil­lig für eine Krankenkasse entscheiden“.

Also hatte mein Vater die Wahl, keine Versicherung abzuschließen? Da steht nämlich noch die Aussage im Raum, jeder sei dazu verpflichtet. Seine Überlegung: Entweder er zahlt an die KV und ist in ein, zwei Jahren pleite (die treiben das ja gnadenlos ein), oder er legt einen eigenen Topf für Schadensfälle an. Wenn es dann hart kommt, ist er erst in ungewisser Zukunft pleite.

Aus deinem zweiten Link:

„Privatversicherten ab 55 Jahren ist der Zutritt zur gesetzlichen Kasse auf den üblichen Wegen meist versperrt. Auf Umwegen geht es aber doch:”

Sagt nichts aus über Unversicherte.

Danke für deine Links.

Aus deinem dritten Link, Verbraucherzentrale Hamburg e. V.:

„Rund 61.000 Menschen in Deutschland haben trotz einer Versicherungspflicht keine Krankenversicherung."

Da ist sie wieder, die Versicherungspflicht. Er hatte damals (als es 300 € mtl. kosten sollte) recherchiert, dass diese Pflicht für Selbstständige nicht besteht. Seit wann besteht die Pflicht? Ach so, ein paar Absätze weiter:

„Seit 2007 gilt für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und seit 2009 für die private Krankenversicherung (PKV) eine allgemeine Versicherungspflicht.“

Merkwürdig formuliert, für wen gilt was?

„Tut man das nicht (Pflichtversicherung), muss man nachzahlen, selbst für mehrere Jahre rückwirkend. Zwar nicht immer den vollen Betrag, aber trotzdem kann das einige tausend Euro ausmachen. Und den vollen Versicherungsschutz genießt man erst wieder, wenn sämtliche Beitragsschulden, Verzugszinsen und Säumniszuschläge nachgezahlt worden sind oder eine Ratenzahlung vereinbart wurde.“

Er befürchtet, schon bei Nachfrage zur Kasse gebeten zu werden in unbekannter Höhe. Wenn eine KK rückwirkend Ansprüche hat, wird sie nicht zögern … Solange er das aus seinem privaten Risiko-Topf zahlen kann, wäre eine Lösung in Sicht. Ratenzahlung ausgeschlossen bei Sozialhilfe (bzw. Aufstockung zum Mindestsatz).

„Seit 1. Januar 2019 können sich Selbstständige für etwas mehr als 160 Euro im Monat freiwillig versichern. Doch dazu kommen noch die Beiträge für Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.“

Ist vermutlich (Pf, Re, Ar unbekannt) eine vollkommen andere Nummer als 300 € mtl. Davon weiß er offenbar nichts. Arbeitslosenversicherung für Selbstständige?

Kann jemand noch Genaueres schreiben?

Ja und ja. Diese „Pflicht“ galt wohl noch nicht für Selbstständige, als er sich damals erkundigte. Welches Jahr das war und ob er die aktuellsten Informationen hatte, weiß ich nicht.

Und dann - typisch mein Vater - nichts anfassen, der ganze Berg könnte abrutschen und ihn mit Schulden erschlagen. Und wie ich jetzt selbst lese, sind die „Vorschriften“ ja auch eher blümerant als belastbar.

Übrigens:

Wieso kann ich nach 13 min meinen Beitrag bearbeiten, aber nach einem eingefügten Wort kommt beim Abschicken die Meldung „zu spät“?

Bitte selbst einfügen: … ja auch eher blümerant formuliert als belastbar.

Bißchen mußte auch selbst dazu tun!
hier nochwas von warentest.


Das Einfachste wäre demzufolge wohl wenn er sich einen versicherungspflichtigen Job ergattert.
ramses90

Servus,

Du hast nicht die einschlägigen Vorschriften gelesen, sondern ein paar zu dem Thema veröffentlichte Artikel.

Die Vorschrift zur allgemeinen Krankenversicherungspflicht ist durchaus eindeutig formuliert, es geht um § 193 VVG - hier, lies mal:

https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__193.html

Und lass Dich nicht von § 5 SGB V verwirren - der bezieht sich nur auf die gesetzliche Krankenversicherung.

Schöne Grüße

MM

„(4) Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. “

Oha, welcher Betrag ist das denn? Da hat mein Vater wohl zu Recht vermutet, dass er finanziell ausblutet.

Wann entsteht die Pflicht? Aus „Absatz 3 Satz 1“ kann ich das nicht entnehmen.

Wie kommt’s?

Da steht:

(3) Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet (…)

Also entsteht diese Pflicht in dem Moment, wo jemand beginnt, eine Person mit Wohnsitz im Inland zu sein.

Schöne Grüße

MM

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Jemand genug Rücklagen für medizinische Notfälle geschaffen, aber bekommt trotzdem Sozialhilfe???
Da stimmt doch was nicht an der Geschichte.

Wer sich so einen „Risiko-Topf“ geschaffen hat, der für eine Herzoperation oder eine Chemotherapie ausreichen würde, der dürfte über die nachzuzahlenden Beiträge doch lachen.

Unter 1 Million Euro Vermögen würde ICH niemals auf eine KV verzichten. Wobei das für manche Krankheiten auch nicht reicht.

auf Grund dieser -telefonischer- Info hat er einfach gedacht… nö… dann halt nicht? und er bekam nie eine Benachrichtigung der Krankenkasse?

Sorry das erscheint wenig glaubwürdig… …

Gruß
Fronk

Servus,

das ist sehr gut möglich und durchaus plausibel.

Die allgemeine Krankenversicherungspflicht gibt es nämlich in D erst seit März 2007, und bis zu diesem Zeitpunkt wurden bisher Pflichtversicherte wie z.B. Bezieher von ALG I auf die schlichte Angabe hin, dass sie selbständig tätig seien, künftig von der bisherigen Krankenkasse in Ruhe gelassen. Eine systematische Filterung von Versicherungsverläufen aus der Vergangenheit gab es bei Änderung der Rahmenbedingungen 2007 nicht. Da nun nicht wenige Leute schon ein bisselchen mehr als fünfzehn Jahre im Berufsleben stehen, ist es gut möglich, dass der Mann zu den vielen gehört, die zu Beginn der allgemeinen Krankenversicherungspflicht an dieser vorbeigerutscht sind und jetzt vor einem gewaltigen Berg von aufgelaufenen KV-Beiträgen stehen, an dem kaum ein Weg vorbei führt - abgesehen von der Verlegung des Wohnsitzes in ein Land, in dem der Grundsatz „Jeder stirbt für sich allein“ noch konsequenter befolgt wird.

Das einzige, was an der Schilderung des Sachverhalts unglaubwürdig ist, ist die Angabe, es sei eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt worden. Die Begriffe selbständige Tätigkeit, gewerbliche Tätigkeit und freiberufliche Tätigkeit werden jedoch sehr oft verwechselt, und der Unterschied spielt im vorliegenden Zusammenhang überhaupt keine Rolle.

Schöne Grüße

MM

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bzw. - das ist im vorliegenden Fall wahrscheinlich ganz wichtig, wie ich eben anlässlich der Anmerkung von @Fronk gemerkt habe - im Monat März 2007, nämlich mit Beginn der allgemeinen KV-Pflicht in Deutschland.

Das ist übrigens der Grund für diese auf den ersten Blick merkwürdig geschraubt klingende Formulierung - ohne sie hätte ein Mordsapparat von viel geschraubteren Übergangsbestimmungen aufgesetzt werden müssen.

Schöne Grüße

MM

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Hallo,
Es besteht keine Krankenversicherungspflicht in diesem Fall, sondern eine Pflicht zur Krankenversicherung, ein kleiner aber bedeutender Unterschied.
Wenn also die GKV wegen der fehlenden Voraussetzungen nicht in Frage kommt, muss es eben eine PKV sein.
Dass es immer noch so viele , meist (ehemalig) Selbstaendige gibt, liegt daran, dass dieser Personenkreis nicht erfasst werden konnte.
Gruß
Czauderna