Römische Säule


Hallo zusammen,

in Side (Türkei) habe ich auf den römischen Säulen (Basen) folgendes gesehen: in der Mitte ein Loch und dann halbdiagonal eine Fuge (ein Kanal) .

Weist jemand wofür die Fugen sind?

Hallo,
die „Fugen“ brauchte man für die Verbindung von Säulenfuß und Säulenschaft bzw. Säulentrommel durch einen Metalldübel mittels Bleiverguss. Es handelt sich also um Gusskanäle. Zitat von hier:

Der Schaft einer Säule kann monolithisch aus einem Teil gearbeitet sein, ist bei größeren Säulen aber meist aus mehreren sogenannten Säulentrommeln zusammengesetzt. In der Antike waren die Lagerflächen der Trommeln dabei meist planparallel gearbeitet und im Randbereich mit einer Anathyrosis versehen, um durch absoluten Fugenschluss größtmögliche Standfestigkeit zu gewährleisten. In archaischer Zeit wurden die Säulentrommeln durch einen mittigen langen Holzdübel in Bleiverguss verbunden. Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. kamen mehrteilige Dübelformen auf, die aus in die Trommelmitte eingelassenen bronzenen Einlassstücken meist quadratischen Querschnitts bestanden, die ihrerseits hölzerne oder metallene Dübel aufnahmen und so die Trommeln verbanden. Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde diese Dübelform abgelöst durch runde Mitteldübel meist aus Metall im Bleiverguss, die an den Seiten um Scheibendübel oder Eisendornen ergänzt wurden.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo!

Wie muss ich mir das praktisch vorstellen ?
Man schichte die Säulentrommeln aufeinander und ein mittiger Dorn aus Holz oder Metall zentriert es. Und wozu braucht man dann diese Rinne und warum ist die Rinne (Bild rechts) nicht bis zum Rand durchgezogen ?

Man kann doch von oben Blei eingießen, also nach jeder Trommelscheibe. Praktischer geht es doch gar nicht .
Sind die Rillen etwa Entlüftungen ? Aber auch da frage ich mich warum geht sie nicht bis zum Rand durch.
Einzige Erklärung für mich wäre, die nächste Trommelscheibe ist kleiner und die Rille schaut hinterher immer noch raus.

MfG
duck313

Hallo,

Grundsätzlich ja. Das technische Problem ist, dass das „Dübelloch“ nicht so exakt gearbeitet werden kann, dass der Holz- oder Metalldübel einen direkten Kraftschluss mit dem Werkstück hat. Deswegen das zusätzliche Ausgießen mit Blei, das für eben diesen Kraftschluss sorgt.

Wie das genau praktisch umgesetzt wurde, ist nicht abschließend geklärt. Marcus Vitruvius Pollio erwähnt in De architectura libri decem 10.2.11 zwar das Bleigussverfahren (dessen Erfindung er Chersiphron und Metagenes, den Architekten des ersten Artemisions in Ephesos zuschreibt), gibt aber keine genauere Beschreibung davon. Gem. Wolfgang Müller-Wiener (Griechisches Bauwesen in der Antike, Beck, 1988) wurde das geschmolzene Blei nach Zusammenfügen der Werkstücke und des Dübels (der provisorisch durch kleine Holzkeile mittig fixiert war) von außen durch die Gusskanäle eingegossen. Jean-Pierre Adam (Roman Building: Materials and Techniques, Routledge, 2005) hingegen vertritt die Theorie, die Dübellöcher seien zunächst mit Blei ausgegossen und die Dübel in das noch flüssige Blei eingesetzt worden. Die Kanäle dienten somit dem Überlauf.

Das zweite Bild spräche für diese Theorie - wobei natürlich auch die darauf gesetzte Säulentrommel einen kurzen Gusskanal gehabt haben könnte, der sich mit dem unteren teilweise überdeckte.

Wäre eine merkwürdige Säule …

Im Gegentum - unpraktischer geht’s nicht. Dazu müsste man die komplette Säulentrommel längs durchbohren - aufwendig und mühsam. Die Dübellöcher wurden mit Meißeln geschlagen, damit geht das schon gar nicht.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Ach so, die Löcher sind Sacklöcher und gehen nicht durch. Gut dann wäre es so weit klar, es muss von den Rillen aus Blei eingefüllt werden. Nur wie ?
Das untere Sackloch füllen ist einfach, aber das obere ? Dazu müsste man den Flüssigbleispiegel bis OK Sackloch 2 anheben.
Wie ?
Man bringst außen einen Gießkanal aus Ton oder ähnlich an, der mindestens die Höhe der halben 2. Trommel hat. Dort eingegossen steigt das Blei, nachdem es die untere Trommel aufüllt, ausreichend hoch in die 2. Trommel und vergießt den Zapfen auch dort.
Wo die verdrängte Luft bleibt ? Fugenspalt ?

Auch nicht schwieriger. Das obere Werkstück einfach umdrehen (man arbeitete da mit Holzgerüst und Flaschenzug), Dübel eingießen, Blei aushärten lassen. Deswegen benötigt das untere Auflager des Werkstücks auch keinen Gusskanal, der ist immer auf dem oberen Auflager. Wieder umdrehen und das Werkstück mitsamt dem Dübel auf das untere aufsetzen und ausrichten. Wenn das untere Dübelloch mit flüssigem Blei gefüllt ist, fließt überschüssiges Blei durch den Kanal ab (Theorie Adam). Oder es wird nach dem Ausrichten flüssiges Blei durch den Kanal eingegossen (Theorie Müller-Wiener).

Du siehst da ein Problem, wo keines ist. Steinerne Auflager so zu bearbeiten, dass sie luftdicht abschließen (absolut plan schleifen und polieren), ist noch heute ziemlich aufwendig. Versuch das mal mit einem Meißel hinzukriegen …

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Theorie also.
Ob das schon jemand praktisch nachgeprüft hat ?

Gut, dass man zuerst den Dübel oben eingießt, Stück umdreht und auf den unteren Ring setzt erscheint schlüssig. Dann gießt man über die Rille das untere Loch aus.
Aber unten z.B. halbvoll füllen und dann den Block mit dem schon festsitzendem Anker ins flüssige Blei ablassen ? Das erscheint mir nicht schlüssig. Das Blei kühlt sehr schnell ab.

Übrigens, wenn die Theorie besagt, das überschüssige(genauer das vom Anker verdrängte) Blei fließt über die Rinne ab, so müsste man ja an noch stehenden Säulen diesen gefüllten Bleistrang finden. Denn nachträglich kann man ihn nicht entfernen, bzw. müsste es nicht.

Ist schon interessant das Thema. Gibt ja so einen Teilbereich der Archäologie der sich mit dem Nachbau mit historischen Mitteln und Methoden befasst.

Danke! Ist schon interessant. Ich habe natürlich auch weiter im Internet gesucht. Habe folgende Theorie gefunden. (überschüssige „Mörtel“ in Rinne ?)

Du hast hier eine ziemlich erschöpfende Auskunft bekommen inklusive Verweis auf aktuelle (1988 bzw. 2005) Fachliteratur, mit der man das bei Interesse vertiefen kann. Delargadette lebte 1762 - 1805(!) und entsprechend veraltet und überholt ist das, was er geschrieben hat. Das mit dem Kalkmörtel ist längst widerlegt; es gibt jede Menge Funde von metallenen Dübeln (Eisen oder auch Messing) mit anhaftendem Blei, die (von Vitruv mal abgesehen) den Bleiverguss als Verfahren belegen. Das (der Bleiverguss) ist keine Theorie, sondern archäologisch eindeutig nachgewiesen. Theorien (die von mir angeführten) gibt es lediglich hinsichtlich der exakten Ausführung des Verfahrens.

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