Rolle der EU-Kommission

Hallo,

bekanntlich wird aktuell heftig über den neuen Kommissionspräsidenten diskutiert. Mal abgesehen davon, wer es nun wird, zeigt doch der teils heftige Einsatz von Merkel, Cameron und anderen Spitzenpolitikern, wie viel Bedeutung diesem Amt beigemessen wird.

Früher schien mir der Präsident eher unscheinbar. Ich weiß es nicht, aber vielleicht haben sich die früheren Präsidenten auch eher zurückgehalten. Oder sie hatten sich einfach erstmal um die Grundlagen zu kümmern, bevor sich der Geist eines echten Regierens entwickelt hat, wie er sich mittlerweile bei Barroso oder Reding bemerkbar macht. En passant hat sich die EU-Kommission zu einer Art Europaregierung entwickelt. Das Gerede von mehr Europa und weniger Nationalstaaten wird diesen Trend, sofern dies eintritt, weiter verstärken.

Müssten demzufolge nicht Fragen wie die nach einer Machtbeschränkung stärker in den Vordergrund rücken? Von der Frage der demokratischen Legitimation möchte ich gar nicht sprechen. Wie soll zukünftig der Grundsatz der Subsidiarität gehandhabt werden, wenn für die EU-Kommission de facto keine Grenzen bestehen, was sie alles aufgreifen darf?

Gruß
Ultra

Hallo Ultra,

bekanntlich wird aktuell heftig über den neuen
Kommissionspräsidenten diskutiert. Mal abgesehen davon, wer es
nun wird, zeigt doch der teils heftige Einsatz von Merkel,
Cameron und anderen Spitzenpolitikern, wie viel Bedeutung
diesem Amt beigemessen wird.

Wieso Merkel? Die hielt sich doch bislang brav zurück und wollte im europäischen Geist einen Kandidaten präsentieren. Der Hauptquerulant ist hier Cameron (->UKIP). Ihm zur Seite stehen Fredrik Reinfeldt (Schweden, lib.-konservativ) und Mark Rutte (Niederlande, dito). Juncker ist nun einmal ein Befürworter von mehr EU. Cameron kann das innenpolitisch gar nicht gebrauchen.

Das Problem liegt in der Struktur. Die Staats- und Regierungschefs (SRC) schlagen (wie Du weisst) dem EP einen Kandidaten vor. Wählen wird dann das EP, welches sich mehrheitlich schon lange darauf festgelegt hat, dass Juncker zur Wahl vorgeschlagen werden soll. Dieses Prozedere des Vorschlagsrechts der SRC ist ein Geburtsfehler der EU und mittlerweile ein undemokratischer „Atavismus“.

En passant hat sich die EU-Kommission zu einer Art Europaregierung entwickelt. Das
Gerede von mehr Europa und weniger Nationalstaaten wird diesen Trend, sofern dies :eintritt, weiter verstärken.

Nein, die Kommission hat das legislative Vorschlagsrecht und wacht auch über die Einhaltung der Verträge (Kontrollrecht, vgl. aktuell deutsches EEG). Das EP stimmt aber über „Gesetze“ ab. Somit ist das demokratische Prinzip „in etwa“ gewahrt. Die Kommission ist national besetzt (pro Mitgliedsland ein Mitglied oin der Kommission). Würde das EP institutionell gestärkt, so wäre weniger Macht der Nationalstaaten das Ergebnis. Immerhin sitzen dort 96 Mitglieder aus D, aber nur 11 aus Kroatien. Du kannst Dir vorstellen, dass gerade die kleineren Länder kein Interessse am Machtverlust hätten.

Müssten demzufolge nicht Fragen wie die nach einer
Machtbeschränkung stärker in den Vordergrund rücken? Von der
Frage der demokratischen Legitimation möchte ich gar nicht
sprechen. Wie soll zukünftig der Grundsatz der Subsidiarität
gehandhabt werden, wenn für die EU-Kommission de facto keine
Grenzen bestehen, was sie alles aufgreifen darf?

Die Grenzen ergeben sich bereits aus den bestehenden Verträgen. Sie ergeben sich außerdem dadurch, dass das EP neuen Gesetzen zustimmen muss (ein abwandeln eines Gesetzesvorschlags ist ebenfalls möglich. Zudem gibt es ja noch den Europäischer Rat und den Rat der Europäischen Union. Hier spielen also sehr viele Akteure an der Suppe mit.

Gruß
vdmaster

Kompetenzexpansionismus der EU-Institutionen
Servus vdmaster,

du verteidigst in gewisser Weise den Status quo und verweist auf die Verträge sowie auf vermeintliche Kontrollinstanzen. Ich denke dennoch, dass die bisherige Konstellation mit der Entwicklung der letzten Jahre kaum mehr schritthält. Was die EU-Kommissare, die ja immer mehr werden und einen mittlerweile jeweils auch einen riesigen Referentenstab haben sollen, so alles regeln (wollen), wird immer unübersichtlicher. Dass das Parlament am Ende zustimmen muss und abändern kann, mag eine Rolle spielen. An der grundsätzlichen Freiheit der Kommission, alles mögliche aufgreifen zu können und damit zumindest für Unruhe zu sorgen, ändert daran aber nichts.

Roman Herzog hat genau dieses Problem ebenfalls angesprochen: „Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat für die nationalen Parlamente in Europa ‚Abwehrrechte gegen den Kompetenzexpansionismus der EU-Institutionen‘ gefordert“ (zeit.de). Schade, dass dieser Appell so richtig niemanden interessiert hat und relativ sang- und klanglos verhallte.

Gruß
Ultra

Hallo Ultra,

du verteidigst in gewisser Weise den Status quo und verweist
auf die Verträge sowie auf vermeintliche Kontrollinstanzen.

Ich verteidige nicht den status quo, ich benenne ihn lediglich.

Was die EU-Kommissare, die ja immer mehr werden und einen mittlerweile
jeweils auch einen riesigen Referentenstab haben sollen, so
alles regeln (wollen), wird immer unübersichtlicher.

Es werden ja auch immer mehr Mitgliedsstaaten. Deswegen will jeder „seinen“ Kommissar.

Dass das Parlament am Ende zustimmen muss und abändern kann, mag eine
Rolle spielen.

Eine äußerst gewichtige.

An der grundsätzlichen Freiheit der Kommission,
alles mögliche aufgreifen zu können und damit zumindest für
Unruhe zu sorgen, ändert daran aber nichts.

Du irrst Dich in diesem Punkt. Die Kommission kann nur das aufgreifen, was zuvor mittels Verträgen besiegelt wurde. Bspw. die Harmonisierung des Wirtschaftsmarktes.

Hier mal der Werdegang des in D so unbeliebten Glühlampen"verbots" , welches wohl auch von Dir schon unter „Kompetenzanmassung der EU“ eingeordnet wurde, falls mich meine Erinnerung nicht trübt: http://ec.europa.eu/energy/efficiency/ecodesign/doc/…

Zitat: "In the context of the commitment of European leaders to reduce primary energy consumption by 20% compared to projections for 2020, the Spring European Council 2007 invited the Commission to „rapidly submit proposals to enable in creased energy efficiency requirements (…) on incandescent lamps and other forms of lighting in private households by 2009“. The emphasis on lighting was further supported by the European Parliament. "

Es war also der Europäische Rat, der die Kommission einlud (diplomatisch ausgedrückt für „aufforderte“), dem EP entsprechende Richtlinien vorzulegen. Das EP stimmte in der Folge zu.

Roman Herzog hat genau dieses Problem ebenfalls angesprochen:
„Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat für die
nationalen Parlamente in Europa ‚Abwehrrechte gegen den
Kompetenzexpansionismus der EU-Institutionen‘ gefordert“ (zeit.de). Schade, dass dieser Appell so richtig niemanden
interessiert hat und relativ sang- und klanglos verhallte.

Er ist ja wohl auch ganz neu. Wobei so ein Gerichtshof durchaus überlegenswert wäre. Andererseits scheint es ihn wohl bereits zu geben. Es ist der europäische Gerichtshof.
http://ec.europa.eu/competition/consumers/institutio…
Demnächst evtl. die Anlaufstelle für D wegen der EEG-Umlage, falls die Kommission eine nochmalige Überarbeitung nicht akzeptieren wird.

Gruß
vdmaster