Zusammen schrieben beide englischen Philosophen das Schlüsselwerk PRINCIPIA MATHEMATICA. Russell bekam den Nobelpreis und Whitehead, der unter anderem auch als Professor an der Harvard Universität in den USA lehrte, entwarf eine neue Kosmologie. Russell hat über Whiteheads Buch „Prozess und Realität“ gesagt, er hätte es zwar gelesen, jedoch kein Wort davon verstanden. Ist das möglich? Oder ist es, was ich vermute, nur eine gewollte Distanz zu Whiteheads Hauptwerk? Und was ist der wahre, tiefere Grund?
Zusammen schrieben beide englischen Philosophen das
Schlüsselwerk PRINCIPIA MATHEMATICA. Russell bekam den
Nobelpreis
aber für sein Buch „Marriage und Morals“ den Nobelpreis
für Literatur und nicht für sein mathematisch-philosophisches
Grundlagenwerk!
und Whitehead, der unter anderem auch als Professor
an der Harvard Universität in den USA lehrte, entwarf eine
neue Kosmologie. Russell hat über Whiteheads Buch „Prozess und
Realität“ gesagt, er hätte es zwar gelesen, jedoch kein Wort
davon verstanden. Ist das möglich?
Lies es einmal und du wirst Russell verstehen…
Es ist äußerst schwierig. In Managerkreisen wird
es immer wieder empfohlen, also wirst auch du
deine Freude daran haben. Vor allen Dingen wegen
des pragmatischen Anspruchs, den W. an die Philosophie
hatte.
Lies es einmal und du wirst Russell verstehen…
Habe ich ja.
Es ist äußerst schwierig.
Nicht wirklich, Whitehead hat nur eine sehr gewöhnungsbedürftige Sprache.
In Managerkreisen wird es immer wieder empfohlen
Ja.
des pragmatischen Anspruchs, den W. an die Philosophie hatte.
Whiteheads Kosmologie ist SPEKULATIV, was Russell vielleicht ablehnte? Deshalb vermute ich, dass es bei den beiden um etwas noch viel GRUNDSÄTZLICHERES geht, das hinter Russells Nichtverstehenwollens steckt.
Der deutsche Philosoph Prof. Hans-Georg Gadamer analysiert: „Es entstehen zwei neue Formen… (der) Philosophie…: Auf der einen Seite große Schriftsteller, die… das Bedürfnis nach WELTANSCHAUUNG befriedigen - auf der anderen Seite die akademische Philosophie der Schule und der Schulen, die das Faktum der Wissenschaft, d. h. die methodische Grundlagen… rechtfertigen…“ (Hervorhebung „Weltanschauung“ im Original)
Russell ordne ich der letztere Kategorie zu, Whitehead der ersteren. Vielleicht kann jemand im Brett von dieser Erkenntnis aus mehr dazu sagen…
Whitehead vs. Buddhismus, Hegel, Leibniz
Hi Claus.
Russell hat über Whiteheads Buch „Prozess und Realität“ gesagt, er hätte es zwar gelesen, jedoch kein Wort davon verstanden.
Das lag sicher an Whiteheads etwas umständlicher Ausdrucksweise. Fakt ist, dass beide, Whitehead und Russell, mystische Neigungen hatten, so dass Russells Unverständnis nicht der mystischen Grundidee von Whitehead gilt, sondern deren Ausformulierung.
Whitehead ging davon aus, dass das Universum eine lebendige zusammenhängende Einheit bildet, es ist ein „nahtloses Gewand“. Ähnlichkeiten seiner Theorie zum Buddhismus und zu Hegel sind unübersehbar. Es gibt keine Dinge, sondern nur Ereignisse. Diese sind verbunden mit jedem anderen Ereignis und erhalten ihre Form nur durch die Wechselbeziehung zu ihnen. Das weiß man im Buddhismus schon lange. Dort spricht man von „Dharmas“ (Daseinsfaktoren), die in Abhängigkeit zu anderen Dharmas entstehen (pratityasamutpada) und kein substantielles Eigensein haben. Das einzelne Subjekt (Bewusstsein) ist für Whitehead nichts Unhintergehbares (wie bei Kant), sondern entsteht und besteht in Abhängigkeit von allen vorausgehenden Bedingungen (auch Buddhismus, Hegel). Auch Leibniz´ Monadenlehre ist ein Bezugspunkt: jedes Ereignis widerspiegelt alle Ereignisse, die ihm vorausgegangen sind - das gibt es ebenfalls im Buddhismus = „Indras Netz“ (Mahayana).
„Gott“ ist für Whitehead kein transzendentes Wesen, sondern das Prinzip des Transzendierens, des kreativen Werdens des Kosmos.
Chan
Nicht wirklich, Whitehead hat nur eine sehr
gewöhnungsbedürftige Sprache.
Nicht nur seine Sprache, auch inhaltlich gilt
er als sehr kompliziert. Vielleicht liegt er
dir halt besonders, was ich ja schon vermutet
habe. Warum er einen mitunter einfach erscheint
ist seine, wie gesagt, pragmatische Ausrichtung
und sein Wirken im Offensichtlichen. Selbst
Kants Staunen ob der nächtlichen Sternenpracht,
sah er als wörtlich „Triumph des Offensichtlichen
über den philosophischen Standpunkt“. Was ein schöner
Indikator seiner Sichtweise darstellt. Trotzdem gilt
er als schwierig, aber gut, belassen wir es dabei.
Whiteheads Kosmologie ist SPEKULATIV, was Russell vielleicht
ablehnte? Deshalb vermute ich, dass es bei den beiden um etwas
noch viel GRUNDSÄTZLICHERES geht, das hinter Russells
Nichtverstehenwollens steckt.
Wenn es Differenzen gegeben hat, dann eventuell
ob diesem oben erwähnten Standpunkt W.s. Da sich Russells
„logischer Atomismus“ als Grundlage für sichere Erkenntnis,
auf Naturwissenschaft und Mathematik beruft. Mag also sein,
aber das ist auch spekulativ.
Der deutsche Philosoph Prof. Hans-Georg Gadamer analysiert:
„Es entstehen zwei neue Formen… (der) Philosophie…: Auf
der einen Seite große Schriftsteller, die… das Bedürfnis
nach WELTANSCHAUUNG befriedigen - auf der anderen Seite die
akademische Philosophie der Schule und der Schulen, die das
Faktum der Wissenschaft, d. h. die methodische Grundlagen…
rechtfertigen…“ (Hervorhebung „Weltanschauung“ im Original)
Russell ordne ich der letztere Kategorie zu, Whitehead der
ersteren. Vielleicht kann jemand im Brett von dieser
Erkenntnis aus mehr dazu sagen…
Nun ist doch gerade Russell dafür bekannt, dass er
diese beiden Seiten gelebt und auch strikt getrennt
hat. Der politisch und sozial engagierte Schriftsteller
und der philosophische Methodiker.
Mit Gruß
Junktor
Weltanschauung für Manager
Danke Chan und Junktor für eure Beiträge. Ich hätte mir gewünscht, dass sich mehr Philosophierende an diesem wichtigen Thema beteiligen. Dass Whiteheads Weltanschauung deswegen für Manager besonders interessant ist, liegt meines Erachtens daran, was Chan schon sagte, dass es in diesem Kosmos nicht um feststehende „Dinge“ geht, die von einem Gott im Sinne der Newton’schen Weltmaschine geschaffenen wurden, sondern um Ereignisse als einem ewig fließenden Prozess, wie schon Heraklit lehrte.
Es geht also in der Weltanschauung von Whitehead um einen Kosmos, dessen WIRKLICHE EINZELWESEN in Verbindung mit allen anderen WIRKLICHEN EINZELWESEN sich selbst entwickeln, was für die Weltanschauung gerade von Managern interessant ist. Ich zitiere einen Manager: „Whitehead hatte kein richtiges Gehör in der Philosophie gefunden´(…) Trotzdem hat sich sein Denken in den Managementwissenschaften genauso durchgesetzt, wie in den Naturwissenschaften.“ Und weiter: „Es ist ein Buch, das den philosophisch geschulten Leser anspricht, aber es sollte von jedem Mitglied des Top-Managements gelesen werden. Sehr eindrucksvoll, sehr überzeugend. Es macht nachdenklich und innovativ zugleich.“
Nun ist man ja von Seiten der amerikanischen Philosophen beginnend mit Peirce über James und Dewey gewohnt, nicht nur schöne Abstraktionen zu konstruieren, die nutzlos sind für das wirkliche Leben, sondern Erkenntnis und Praxis zusammenzubringen, wie zum Beispiel der an der Technischen Hochschule in der Schweiz lehrende Philosoph Prof. Michael Hampe, der angehenden Ingenieuren die Weltanschauung Whiteheads vermittelt.
Ich gebe aber zu, dass ich vom Whitehead’schen Systemdenken, vor allem durch die deutschen Philosophen Prof. Ernst Tugendhat, Prof. Manfred Frank und Prof. Volker Gerhardt, wieder los gekommen bin. Ich habe Whiteheads Weltanschauung inzwischen schon wieder überschritten, was mir nützlicher erschien, als nur allein die angloamerikanische Philosophie. Ich bin also mittlerweile, seit ich vor allem den deutschen Philosophen Prof. Manfred Frank kennen lernte, wieder ganz deutsch.