https://twitter.com/DarthPutinKGB/status/1672505357397118976?s=20
Putin hat die ganze Zeit Prigoschin und die eigentliche Armee gegeneinander ausgespielt. Die Kritik Prigoschins ging immer gegen die Armeeführung und nicht gegen Putin. Das war für Putin von Vorteil und mehr war ihm wohl nicht wichtig.
Putin hat ein labiles Gleichgewicht des Schreckens unter seinen Gefolgsleuten eingerichtet. Alle misstrauten sich gegenseitig und waren immer froh, wenn sie ein paar Brocken Gunst hingeworfen bekamen.
Die Weitsicht, das ganze nur funktioniert, wenn alle, die ihm folgten, daran glaubten, von ihm zu profitieren, hatte er wohl nicht bzw. er glaubte vielleicht auch, dass der Moment nie kommen würde, dass einzelne den Glauben an ihn und die Möglichkeit, Gunst (also Geld und Macht) zu verteilen bzw. zu erhalten, verlören.
Das scheint nun eingetreten zu sein und die Frage ist, wer in der Situation an Putin glaubt und sich auf seine Seite schlägt. Die Oligarchen haben schon viel verloren und glauben wohl nicht daran, dass sie es wiederbekommen - zumindest nicht durch bzw. mit Putin.
Die entscheidende Frage ist, welche Teile des Sicherheits- und Militärapparates noch auf Putin setzen bzw. wie viele sich schon auf Prigoschins Seite geschlagen haben. So doof ist Prigoschin auch nicht, dass er ernsthaft glauben könnte, Russland mit 25.000 Mann erobern zu können. Also wird er schon Allianzen geschmiedet haben. Hochrangige Funktionäre wurden ja schon in Prigoschins Umfeld beobachtet - darunter der stellvertretende Verteidigungsminister und der stellvertretende Ministerpräsident, wenn ich das bei dem ganzen Durcheinander richtig in Erinnerung behalten habe.
Genau. Und das ist das wesentliche Problem für Putin. Nun weiß im Grunde ganz Russland, dass der Krieg nicht gut läuft und damit hat er eigentlich niemanden mehr an seiner Seite, der davon profitieren wird, wenn er (Putin) an der Macht bleibt.
Daher wird die entscheidende Frage bleiben, wer sich in den nächsten 24-48 Stunden offen auf Putins Seite schlägt.
Wenn das tatsächlich zutrifft ist das ein unglaublicher Macht- und Gesichtsverlust für Putin.
Welcher ausländische Staatschef kann ihn jetzt noch ernst nehmen - insbesondere nachdem Prigoschin die Gründe für den Überfall auf die Ukraine öffentlich gemacht hat?
„Personnel changes in the Ministry of Defense were not discussed during negotiations with Prigozhin“ - Peskov
Dafür geht Prigoschin ins belarussische Exil. Läuft.
Die Verlustliste der russischen Armee ist kurz, hat es aber in sich:
3x Mi-8MTPR
1x Mi-8
1x Ka-52
1x Mi-35
1x IL-22 M
Der Mi-8MTPR ist ein Hubschrauber für die elektronische Kampfführung. Hauptaufgabe ist das Finden von feindlichen Kommandoposten und elektronische Abwehrmaßnahmen. In Summe dürfte Russland nur rund ein Dutzend davon haben. Sie sind sehr wertvoll und werden normalerweise nur über eigenem Gebiet eingesetzt. Das dürfte ihnen jetzt zum Verhängnis geworden sein.
Bei der IL-22 M handelt es sich um einen fliegenden Kommandoposten. Auch davon gibt es nicht besonders viele und in der Regel ist mindestens ein hochrangiger Offizier an Bord.
Beim Ka-52 handelt es sich um Russlands modernsten Kampfhubschrauber. Der macht gerade den westlichen Panzer in der ukrainischen Armee das Leben schwer und jeder Verlust ist spürbar.
Quantitativ also eher geringe Verluste, qualitativ macht das aber schon was her.
Russland behauptet es gäbe 13 tote russische Soldaten.
Wie geht es für Prigoschin und seine Söldner in Weißrussland weiter? Lukaschenko ist realistisch. Heute hat er schon deutlich gemacht, dass er zumindest die Söldner nicht in Weißrussland haben will.
Die russische Seite fantasiert davon, dass sie die Wagnergruppe in das russische Militär eingliedern wollen. Das halte ich für praktisch unmöglich.
Es ist extrem schwierig zwei gleichartige, zivile Organisationen zusammenzulegen, es ist noch schwieriger, wenn diese Organisationen hierarchisch, militärisch geführt werden und völlig unmöglich, wenn sich die beiden Organisationen dazu noch praktisch feindlich gegenüberstehen.
Abgesehen davon: wie wollten die Offiziere ihren Soldaten die Gehaltsunterschiede zu den Söldnern plausibel machen? Denn die Wagner-Söldner werden sicher nicht für das Nasenwasser der einfachen russischen Soldaten in den Tod gehen.
Die Wagnergruppe auflösen? Das dürfte auch schwierig werden und selbst wenn das funktionieren sollte, wer wollte in Russland wirklich 25000 kampferfahrene Kriminelle und dazu zähle ich auch die normalen Wagnerkämpfer, die nicht aus dem Gefängnissen geholt wurden, auf die Straße bzw. auf die Bürger loslassen?
Putin hat sich auch in dieser Situation als völliger Versager erwiesen. Man sollte jetzt wirklich im Westen davon ausgehen, dass er sofort in Verhandlungen eintritt und alles möglich macht was ihn irgendwie an der Macht hält, wenn er entsprechend unter Druck gesetzt wird. Prigoschin hat das mit seinem „Putsch“ bewiesen.
Andererseits ist Putin jetzt in seiner Paranoia noch verstärkt, weil er erlebt hat, dass sein System nicht so stark ist wie er angenommen hat. Es zeigt die ersten Erosions-Erscheinungen, er kann weder Kadyrov noch irgendeinem Anderen in seinem System tatsächlich vertrauen.
Aus dem Offizierskorps des russischen Militärs werden sicher unangenehme Fragen auf ihn zukommen und die einfachen Soldaten sind so verunsichert, dass die Moral, wenn überhaupt möglich, noch tiefer absinken wird.
Um die Ultra Nationalisten die ihn jetzt so bloßgestellt haben zu beruhigen, könnte er jetzt ohne Rücksicht auf Verluste versuchen in die Offensive zu gehen, was zu gewaltigen Verlusten bei der kämpfenden Truppe sorgen würde, denn zu einer Offensive ist die russische Armee in ihrem jetzigen Zustand nicht fähig.
Er kann auch nicht mehr mit Geld um sich werfen, was die Grundlage seines Korruptionssystems ist. Im ersten drei Monaten dieses Jahres hatte Staatshaushalt Russlands ein Defizit von 40 Milliarden Euro angehäuft - und das sind geschönte russische Zahlen. Vergangenes Jahr wurden für Russland für 2023 ein Defizit von 100 Milliarden prognostiziert. Wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung aber so weiter fortsetzt – und alles spricht dafür – wird das Defizit für 2023 weit über 100 Milliarden sein, wahrscheinlich eher zwischen 150 und 200 Milliarden Euro.
Um dieser Zwickmühle zu entgehen wird er sich vielleicht gezwungen fühlen im Inland mit absoluten Terror vorzugehen. Das verschafft ihm dann vielleicht eine Grabesruhe im Land aber die wirtschaftlichen Verhältnisse werden höchstens noch schlechter.
Und seine „Freunde“ im Ausland werden sich mehr und mehr zurückziehen.
Looser haben selten Fans.
Selbst in Russland wird die übliche Propaganda nicht mehr verfangen, dafür hat Prigoschin mit seinen Aussagen zu den Kriegsgründen und den wahren Verlustzahlen es russischen Militärs gesorgt.
Wenn der Westen folgerichtig reagiert, das heißt mit schnellen weiteren und größeren Waffenlieferungen modernster Bauart, würde das die momentanen Auflösungserscheinungen im System Putin verstärken und beschleunigen.
Der Westen hat es jetzt in der Hand.
Ich halte das für ein Schmierentheater.
Größenwahnsinniger Söldnerchef putschiert gegen größenwahnsinnigen Zar und gibt nach ein paar Stunden auf?
Denen glaube ich kein Wort.
Es wäre jetzt eine schöne Gelegenheit für Putin, den totalen Krieg einzuforden und ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich zu erlassen.
Ja, das ist alles seltsam, aber: Putin und Prigoschin sind doch beide geschwächt aus der Sache herausgegangen.
Prigoschin hat seine Wagner-Truppe wohl verloren (oder?), macht Urlaub in Belarus und müsste eigentlich annehmen, auf der Exekutionsliste Putins ganz nach oben gerückt zu sein.
Putin müsste es unangenehm sein, morgens einem Hochverräter zu benennen, und abends zu finden, dass alles eigentlich nicht so schlimm war - wer glaubt ihm noch irgend was?
Sollte die Vermutung stimmen, dass Prigoschin sich mit verschiedenen hochgestellte Personen abgesprochen hat, die sich dann doch nicht aus der Deckung getraut haben - wäre es für Putin sehr ungemütlich zu wissen, dass das Pendel nächstes Mal auf die andere Seite schwenken kann.
Also was war der Plan?
Man wüsste gern, was Putin, Lukaschenko und Progoschin da gestern bekakelthaben…
Wir werden es bald erfahren - sicherlich etwas, das dem Gegenteil der nächsten offiziellen Verlautbarung nahe sein wird.
Ich fand den Text insgesamt eigentlich recht schlüssig:
Man konnte darauf warten, dass in diese Ereignisse umgehend geheime Strategien im Hintergrund hineingeheimnist werden.
Es liegt eben in der Natur des Menschen, Dinge die er sich nicht erklären kann mit aller Gewalt erklärbar zu machen.
Das war der Ursprung von Religionen und ist es noch heute von Verschwörungstheorien und so weiter,.,.
Ich auch. Offensichtlich hat sich Putin für Schoigu/Gerasimow entschieden und wenn Prigoschin damit rechnen musste, bald abserviert zu werden, ist selbst ein kurzfristiger Aufschub erstrebenswert. Vermutlich spekuliert er darauf, dass er lange genug am Leben bleiben kann, um das Ende von Putin zu erleben. In dem Fall werden die Karten eh neu gemischt und da kann der ‚Held von Bachmut‘ ja vielleicht auch noch was reißen.
Würde auch ins Schema passen:
Es kursiert ein erstes Video, auf dem Tschetschenen einem russischen Soldaten wegen der Beteiligung am Putschversuch die Kehle durchschneiden. So viel zur Amnestie…
Klingt schlüssig.
Danach standen Prigoschin und die Wagnertruppe mit dem Rücken zur Wand.
Aber ist es bekannt oder gibt es Belege dafür, dass Shuig u und Grassimov wirklich mit 1500 Helfern nach Rostow reisten?
Zumindest gab es Artikel darüber:
Russland: Festnahme von Prigoschin stand wohl unmittelbar bevor | STERN.de
Das ist aber an mir auch vorübergegangen. Ich las davon erstmals im verlinkten Twitter-Thread.
Heute stand in der Herold Tribun, dass das Prigoschin mit Konsequenzen für seine Familie erpresst wurde.
Der Putsch an sich war jetzt ja eher unspektakulär und Vieles scheint da noch unbekannt zu sein. Ein paar interessante Dinge kann man aber schon mitnehmen:
- Offenbar steht die gesamte russische Armee in der Ukraine. Keine einzige reguläre Einheit stellte sich Wagner in den Weg und es blieb dann unter anderem der Nationalgarde überlassen. Die hat aber das Problem, dass man weder über Panzer noch über weitreichende Panzerabwehrwaffen verfügt. Auf den Bildern konnte man aber sehen, dass Wagner unter anderem Panzer vom Typ T-90 mit sich führten. Das wäre ein sehr einseitiges Blutbad geworden.
- Die Luftwaffe war mal wieder völlig abwesend. Da bewegt sich ein kilometerlanger Konvoi in gerade Linie auf einer Autobahn in Richtung Hauptstadt und kein einziges Kampfflugzeug lässt sich blicken. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Aber die Inkompetenz der Luftwaffe zieht sich halt schon wie ein roter Faden durch den Krieg.
- Es gibt offensichtlich keine Notfallpläne für einen Angriff auf Moskau. Mehr als ‚Bagger, die Straßen aufreißen‘ war da eigentlich nicht zu sehen. Mag vielleicht nur eine Kleinigkeit sein. Aber in einem funktionierenden Militär gehört so etwas zum kleinen 1x1.
Wobei man schon zwei Tage rechnen kann, bis sich eine Armee auf einen überraschenden Angriff hin formiert. Wenn die Niederländer beschließen würden, bspw. aufgrund der konstant falschen Aussprache des Wortes Frikandel die Rheinlande zu unterwerfen, könnten ihre Armee problemlos und ohne jeden Widerstand über das hinaus, was die Polizei zu bieten hat (und die wurde in Russland in den fraglichen Provinzen ja auch komplett zum Dienst gerufen) bis an Ems und Main vorrücken und ob man die Alarmrotten der Luftwaffe (die ja auf Luftziele ausgelegt sind) dafür verheizt, ein paar Infantristen und leicht gepanzerte Fahrzeuge mit Bordkanonen zu zerlegen, halte ich auch für fraglich.
Von der Freiheit für Russlands und dem Russischen Freiwilligenkorps hört man nach den ersten aufregenden Tagen auch nicht mehr viel. Anscheinend hatte Russland dem Überfall nach eben den ersten Tagen dann doch noch etwas entgegenzusetzen.
Wobei aber die Niederlande nicht schon über ein Jahr mit Deutschland in heftige Kämpfe an der Grenze verwickelt sind und die deutsche Führung nicht ständig darauf hinweist, dass Deutschland praktisch unangreifbar ist, weil die deutsche Armee viel zu stark ist für jeden Angreifer.
Wenn die Wagnergruppe innerhalb der ersten 200 bis 300 km von von der Armee bzw. Luftwaffe so zusammengeschossen worden wäre, dass sie nicht mehr weiter gekommen wären, dann könnte sich Putin als starker Mann aufführen und wäre trotzdem geschwächt durch die einfache Tatsache, dass einer seiner engsten Helfer gegen ihn auf die Barrikaden ging.