Hallo!
Russland unterhält schon seit Sowjetzeiten einen Marine-/Versorgungsstützpunkt in der Hafenstadt Tartus innerhalb einer syrischen Marineeinrichtung. Ist nur eine kleine, aber eben die einzige Präsenz russischen Militärs am Mittelmeer. Von daher ist russische Präsenz in Syrien nicht neu und der wenngleich sehr kleine Stützpunkt für die Russen sicher nicht unbedeutend. Außerdem ist Russland neben dem Iran der einzige Verbündete Syriens, bzw. des Assad-Clans.
Um die künstliche Aufregung in den USA und in hiesigen Medien zu verstehen, hilft ein Blick in die Ukraine. Mit dem Zerfall der Sowjetunion begannen Bemühungen von Nato-Staaten, in ehemals Teilen der Sowjetunion Einfluss zu gewinnen sowie die Ausdehnung der Nato auf vordem Staaten des Warschauer Pakts zu betreiben. Argumentation war, die Staaten wollten in die Nato. Und dies vor dem Hintergrund, dass im Zuge der dt. Wiedervereinigung vereinbart wurde, keine Nato-Truppen in Ostdeutschland zu stationieren. Die russische Seite verstand die Vereinbarung so, dass es keine Ostausdehnung der Nato geben soll (und so wurde es auch von diversen westlichen Politikern kommuniziert), während es in der Nato hieß, keine Nato-Verbände in Ostdeutschland, aber weiter östlich ist in Ordnung. Dass solches Spiel nicht gut gehen konnte, konnte und musste von Anfang an jedem klar sein. Die Sache eskalierte, als Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ins Gespräch gebracht wurde. Die Russen wurden vor ihrer Haustür regelrecht demontiert, öffentlich klein gemacht. Zudem geriet der russische Flottenstützpunkt auf der Krim in Gefahr. Damit war der Bogen überspannt. Die russische Reaktion ist ebenso bekannt wie die Unschuldsminen mit gespielter Entrüstung im Westen.
Nach der Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts bestehen US- und Nato-Militärs durchweg aus erkenntnisresistenten Deppen und das Deppentum setzt sich in der Außenpolitik fort. Was sich schon viele Jahre deutlich abzeichnet, merken diese Leute regelmäßig erst, wenn’s kracht.
Dass der Griff nach dem russischen Schwarzmeerzugang nicht gut gehen konnte, musste vorher jedem klar sein. Ebenso klar sollte sein, dass der Griff zum Mittelmeerstützpunkt der Russen nicht gut gehen kann. Da hilft auch die schon altbekannte und auch in Syrien zur Schau getragene Scheinheiligkeit nicht weiter, derzufolge das Westbündnis selbstredend nur den IS bekämpft. Das ist aber Unfug, der deutlich wird, wenn man sich die am Krieg beteiligten Allianzen ansieht. Einige Gruppen haben es tatsächlich in der Hauptsache mit dem IS zu tun, während bei anderen Gruppierungen der IS ein Gegner unter mehreren ist und der Sturz des Assad-Regimes zu den Zielen gehört. Am Sturz des Assad-Regimes gibt es in Israel einiges Interesse, in einem Aufwasch am besten gleich noch Jordanien und den Dauerärger um die Golan-Höhen erledigen. Am Sturz des Assad-Regimes und Installation einer passenderen Marionette gibt es darüber hinaus strategisches Interesse der USA, um die Russen aus dem Mittelmeer fern zu halten. Dazu die Rolle Saudi-Arabiens. Saudis füttern den IS, gehören aber auch zu den Verbündeten der westlichen Allianz. Natürlich verfolgen sie auch eigene Interessen, immerhin lockt ein Mittelmeer-Zugang und sie rupfen ein Hühnchen gegen den Iran, neben Russland der andere Verbündete Assads.
Amerikaner bereiteten ungewollt und in altbekannter hemdsärmeliger Dummheit im Irak den Boden für den IS. Saudis füttern die bärtigen Spinner. Letztlich ist der IS für Amerikaner und ihre Verbündeten ein Geschenk des Himmels. Ein besserer Vorwand für militärisches Engagement ist kaum denkbar. Jeder sieht ein, dass man gegen Leute, die Köpfe abschneiden und Mädchenhandel treiben, etwas machen muss. Ja, muss man. Man könnte z. B. aufhören, Länder zu destabilisieren. Der IS liefert den Vorwand für die Durchsetzung der Interessen Israels, zur Durchsetzung strategischer Interessen der Saudis am Mittelmeer sowie für einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudis und Iran und insbesondere einen Stellvertreterkrieg zwischen USA und Russland. Man kann nur davor warnen, die Interessen Russlands am Mittelmeer zu ignorieren. Das ginge vorhersehbar genau so in die Hose wie der vorangegangene Versuch am Schwarzen Meer.
Egon Bahr prägte vor Jahrzehnten den Begriff Sicherheitspartnerschaft. Wir können in Europa nur friedlich leben und die Flucht vieler Menschen entbehrlich machen, wenn wir uns auf die Sicherheitspartnerschaft besinnen. Wer nicht ständig in militärischer Bedrohung leben will, wer nicht dauernd Geld für Zerstörungspotential ausgeben will und Flüchtlingsströme vermeiden will, muss neben den eigenen Interessen auch immer die Interessen aller anderen Beteiligten berücksichtigen. Amerikanern geht diese Fähigkeit in Europa und Nahost ab. Sie sitzen weit weg jenseits des Atlantiks, lassen im Umfeld Europas die Sau raus und Europa mit den benachbarten Regionen hat die Folgen zu tragen. Europäer spielen immer mit, haben aus dem Irak-Desaster rein gar nichts gelernt, liefern Waffen u. a. an Saudis, Bomben mit und lassen sich das Märchen vom IS erzählen, der aus der Luft nicht zu besiegen ist.
Jeder einzelne Syrien-Flüchtling ist Beleg für politisches Versagen und an Machtansprüchen orientiertem militärischen Handeln der westlichen Allianz.
Vorsorglich: Vorwürfe antiamerikanischer Hetze bitte stecken lassen. Sie gehen am Kern des ernsten Problems vorbei und sind regelmäßig der Versuch, Sachverhalte am liebsten gar nicht zu thematisieren…
Gruß
Wolfgang
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