Samt und Seide löschen das Feuer

Hallo Freunde,

In der gestrigen HAZ erhielt ich bei einem Rätsel als Lösung ein Sprichwort, das ich hier im Netz wohl als Sprichwort geschrieben fand - aber ohne Erklärung.

Es handelt sich um: Samt und Seide löschen das Feuer in der Küche aus.

Dieser Satz beriete meiner Frau und mir enorme Kopfschmerzen, denn damit können wir nichts anfangen. Kann mir irgendjemand hier im Forum die Bedeutung erklären ??

Schon jetzt besten Dank.

Servus,

das „Feuer in der Küche“ ist ein von einer fleißigen Hausfrau gut unterhaltener Hausstand. „Samt und Seide“ stehen für Luxus und Prunksucht von Weibsleuten.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

hi

Hast du eine Ahnung, wo das Sprichwort herkommt?
Für mich macht das nicht so viel Sinn, wenn ein Haushalt sich Luxus leisten kann bzw. historisch gesehen leisten konnte, je welcher Edelmann oder reicher Großbürger will dann, das seine Trophäenfrau sich in die Küche stellt und selber kocht?

lg
Kate

Vom Ausgeben haben wir es nicht…
Hallo Kate,

Hast du eine Ahnung, wo das Sprichwort herkommt?

nein, ich hab das zum ersten Mal gehört/gelesen. Es dürfte auf dem Boden der bürgerlich-puritanischen hohen Wertschätzung für Arbeit, Mühe, Fleiß, Disziplin und vorausschauendes Handeln gewachsen sein; das Herdfeuer darin steht nicht bloß für die Frau am Herd, sondern auch ganz allgemein als Metapher für eine sorgsame Haushaltsführung - vor 1827 war ein erloschenes Herdfeuer eine arge Sache, und man verlor viel Zeit und Mühe damit, es wieder hochzupäppeln, wenn man es unbedacht hatte ausgehen lassen. Datieren würde ich den Spruch deutlich vor der „Gründerzeit“ 1870-1873, in der der Typus Diederich Heßling salonfähig wurde, der im besoffenen Kopf zuerst die neueste Maschine für seine Fabrik ordert, um Eindruck zu schinden, und sich dann hinterher überlegen muss, woher er eigentlich die Aufträge bekommen könnte, um die Maschine auszulasten.

Hierin:

Edelmann oder reicher Großbürger

liegt ein ziemlicher Unterschied. Auch ein Großbürger ist ein Bürger, und er lebt vom Behalten: Alles, was er nicht ausgibt, kann er produktiv einsetzen - Samt und Seide überlässt er dem Adel, englisches Baumwolltuch hält länger.

Ich erinnere mich nicht, wer hier die Anekdote aus rheinischem Großbürgertum erzählt hat (Christian vielleicht?), in der ein kaufmännischer Angestellter seinem Patron vorschlug, die ausgetretenen Stufen am Eingangsportal doch schlicht umzudrehen, damit man keine neuen anschaffen müsste - worauf dieser meinte, der Einfall wäre an sich nicht schlecht, wenn ihn nicht sein Großvater auch schon gehabt hätte -

Ich glaube übrigens, dass sich die Chancen eines Mädchens, das bei der Familie Kardeşler Schwiegertochter werden möchte, ganz erheblich erhöhen, wenn sie gut mit einer Nähmaschine umgehen kann.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Servus,

Ob das nun schon das Original ist, weiß ich nicht genau, aber in Benjamin Franklin’s „The Way to Wealth“ heißt es:

silks and satins, scarlet and velvets, as Poor Richard says, put out the kitchen fire.

Und es geht nicht um Frauen speziell, sondern generell um unnötigen Tand, Putz und „knickknacks“, wie Franklin es nennt.

aus:http://itech.fgcu.edu/faculty/wohlpart/alra/franklin…

Lieben Gruß aus dem Waldviertel, Maresa J.

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Erratum

  • die Gebrüder Baktat heißen natürlich Baktat und nicht Kardeşler -

Zusatz
der gute Ben scheint mehrfach Sammlungen von Sinnsprüchen, guten Ratschlägen, Lebensweisheiten etc. verbraten zu haben.
Es gibt von ihm eine Sammlung von Sprüchen unter dem Titel „The Virtues of Frugality“ und in seiner Autobiographie widmet er dem Thema auch ein Kapitel.

Will sagen: das heißt jetzt nicht wirklich, dass das Zitat von ihm ist - es kann durchaus auch „aufgeschnappt“ sein. Passt aber, im Sinne des von Blumepeder Gesagten, durchaus auch in die Franklin’sche Zeit.

Liebe Grüße, J.

Hallo Blumepeder

der Christian hat’s hier mal gebracht - im Original ist es bei Bernt Engelmann: „Meine Freunde, die Millionäre“ + „Meine Freunde, die Geldgiganten“ nachzulesen…

Im übrigen gehe ich völlig einig mit Deiner Ursprungsauslegung aus dem sehr sparsam und zurückhaltend lebenden Großbürgertum erster und zweiter Generation: „Lebe, um zu arbeiten!“

Herzliche Grüße

Helmut

Ich erinnere mich nicht, wer hier die Anekdote aus rheinischem
Großbürgertum erzählt hat (Christian vielleicht?), in der ein
kaufmännischer Angestellter seinem Patron vorschlug, die
ausgetretenen Stufen am Eingangsportal doch schlicht
umzudrehen, damit man keine neuen anschaffen müsste - worauf
dieser meinte, der Einfall wäre an sich nicht schlecht, wenn
ihn nicht sein Großvater auch schon gehabt hätte -

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

1 Like

Hi

Danke euch beiden für die Erhellung :smile:

lg
Kate

Danke Freunde für euer Bemühen, das sog. Sprichwort zu erklären.

Leider bin ich noch nicht schlauer, denn ich kann mir noch immer nicht vorstellen, warum Samt und Seide das Feuer in der Küche löschen sollten.

Wenn ich Blumepeder’s Beitrag lese, müsste es doch eigentlich heissen, dass Samt uind Seide verantwortlich sind, dass das Feuer unter keinen Umständen ausgehen darf/soll.

Auf jeden Fall ist dies ein Sprichwort, das ich ganz schnell vergessen werde - hoffe ich :smile:

So ganget Ihr mit meim Sach om!
Servus,

Wenn ich Blumepeder’s Beitrag lese, müsste es doch eigentlich
heissen, dass Samt uind Seide verantwortlich sind, dass das
Feuer unter keinen Umständen ausgehen darf/soll.

im Gegenteil: Wer sich mit „Samt und Seide“ (= Tand, Schnickschnack, unnötigem Luxus) abgibt, kann sich nicht um Herdfeuer, sorgfältig gestopfte Sparstrümpfe und das Wohlergehen des Fabrikles kümmern. Auch „Auslöschen“ hier metaphorisch: „Tand und Luxus führen dazu, dass Sorgfalt und Disziplin zum Erliegen kommen“. Jetzt vielleicht?

Gilt übrigens sichtbar auch heute noch, wenn man sich z.B. Autos, Yachten und Häuser der Nachkommen von Unternehmern anschaut, deren Väter „zu etwas gekommen“ sind.

Im bäuerlichen Bodenseeraum gibt es eine andere hübsche Metapher für dieses Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen und von Vermögen und Verschwendung: Während des Heuens wurde vor der Mechanisierung das noch nicht trockene Heu abends zu Haufen zusammengerecht, um es vor dem Tau der Nacht zu schützen. Ihrer „Birnen“-Form nach hießen diese Haufen „Birling“, das grobe schnelle Zusammenrechen hieß „Birling schocha“, das Verteilen am anderen Morgen „verzettla“. Wenn nun ein geschäftstüchtiger oder handwerklich geschickter Mann zu einem sichtbaren Vermögen gekommen war, sagte man: „Etz will i gau sea wär dia Birling verzettlat wo sellar gschochat hot“ (Ich will dann sehen, wer das wieder zerstreut, was der zusammengerafft hat).

In diesem Sinne

Dä Blumepeder

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Addendum
Für ein anderes soziales Umfeld hat Otto von Bismarck dieses Prinzip so formuliert: „Die erste Generation verdient das Geld, die zweite verwaltet das Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt vollends“.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Danke !
Danke, Blumepeder,

jetzt ist mir alles klarer.

Ich finde den Satz nichtsdestotrotz also absolut ‚vergessenswert‘.