Satyr -> bocksbeinig?

Folgendes Probelm: Bei den Dionysosfeiern im antiken Griechenland wurden sind Komödien und Tragödien (griech. für Bocksgesang) entstanden. Da im Gefolge des Dionysos Satyre waren, wäre die Wortherkunft ja so zu begründen, dass damals als Satyre verkleidete Schauspieler Dramen sangen (o. ä.). Satyre wurden aber laut einigen Quellen erst seit dem Hellenismus mit Ähnlichkeiten zum Ziegenbock dargestellt.

  1. Stimmen diese Quellen?
  2. Wenn ja, wurde der Begriff der Tragödie dann erst im Hellenismus verwendet und rückbezüglich auf die Dionysosfeiern benannt (dann hätte allerdings auch Aristoteles oder Sophokles seine Tragödien ohne diesen Namen geschreiben, was recht seltsam wäre, besonders bei Aristoteles’ Definitionsversuchen.

Entschuldigt die Länge und danke im Voraus für eure Hilfe.

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leider habe ich die Bücher von Bachofen derzeit nicht verfügbar. Denke aber, dass Du da genauere Antworten finden kannst.
lass mich wissen, wenn Du was gefunden hast.
so weit ich mich erinnere, gibt es da noch ganz andere Hintergründe. müsste selber weiter recherchieren.
lg

Lieber Kilian,

das ist ein Problem, das sich heute vermutlich wirklich nicht mehr auflösen lässt. Dass Satyrn erst im Hellenismus als bocksbeinig dargestellt wurden und bis dahin fast immer mit Pferdeattributen auftraten, habe ich auch an mehreren Stellen gelesen.

Vermutlich waren die alten „Böcke“ mit den Satyrn, die wir aus den späten Satyrspielen kennen, gar nicht identisch. Der Dithyrambus und Arions erste Aufführungen mit Chören von Böcken, aus denen die Tragödie sich wohl entwickelt hat, hatte sicher kaum etwas gemein mit diesen Satyrspielen.

Schadewaldt zum Beispiel spricht von ursprünglichen Tänzen von „Böcken, Satyrn und anderen Fruchtbarkeitsdämonen“ (Die griechische Tragödie, Tübinger Vorlesungen 4, S. 39) und erinnert auch an die mögliche Etymologie „Gesang beim Bocksopfer“ statt „Bocksgesang“ für „Trag-oidia“.

Vielleicht ein Hinweis auf Böcke in der alten Zeit: Frank Brommer: Satyrspiele. Bilder griechischer Vasen. de Gruyter, Berlin 1959.
Bzw. Brommers Schrift Satyroi (K. Triltsch, 1937 - 70 Seiten)
Ich habe das Buch selbst nicht gelesen, aber darin soll es auch um eine Bronze aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert gehen, auf der tatsächlich Böcke abgebildet sind. Dann hätten sich die Chöre erst später verändert zu anderen Halbtierwesen hin …

Auf jeden Fall kann davon ausgegangen werden, dass selbst das von Pratinas „wieder“ eingeführte Satyrspiel, das mit dem Anspruch antrat, eine Rückkehr zur alten, echten, ursprünglichen Form des Dionysosdienstes zu sein, schon eine sehr gezähmte, modernere Angelegenheit war; die uns heute noch überlieferten Satyrspieltexte der drei großen Tragiker sind es erst recht.

(Das Pratinas-Fragment kennst du vermutlich schon. Wenn nicht: Max Pohlenz: Das Satyrspiel und Pratinas von Phleius. In: Nachrichten der Göttinger Gelehrten Gesellschaft 1927, 298-321.)

Sehr ausführlich - und ähnlich verzweifelt - hat sich Albin Lesky (Die griechische Tragödie, Kröner, S. 56 ff) an der Frage der Satyrn und ihrer Pferdegestalt abgearbeitet. Lesky erinnert außer an „Gesang beim Bocksopfer“ noch an eine dritte mögliche Übersetzung, nämlich „Gesang um den Preis eines Bockes“, ist damit jedoch auch nicht sehr glücklich. Er zieht Vergleiche zu anderen bocksgestaltige Wesen in anderen Kulturkreisen.

Unter anderem bringt er ein paar Zitate aus Satyrspielen, in denen Satyrn - auch - als Böcke angesprochen werden. So tragen sie im „Kyklops“ (Euripides) als Hirten Bocksfelle, in den „Ichneuttai“ (Sophokles) wird der Chorführer getadelt, er würde wie ein Bock mit seinem Bart prunken. Dazu passt auch ein Fragment aus den „Prometheus Pyrkaios“ (Aischylos), als der Satyr die Flamme umarmen will und Prometheus warnt: „Bock, du wirst um deinen Bart jammern!“

Sein Fazit, das auch heute noch so unterschrieben werden kann: „Wir sind einen steinigen Weg gegangen, und was jedem Leser klar wurde, braucht kaum eigens gesagt zu werden: nur mit Hypothesen ist durch das Dunkel zu kommen, das die Anfänge der Tragödie umgibt.“ (S. 61)

Du siehst: Keine befriedigenden Antworten, nur die gleiche Auswegslosigkeit überall. Aber zumindest tröstet es etwas, dass es bisher auch kein anderer herausgebracht hat …

Liebe Grüße

Petra