Schiedsgericht à la AfD

Servus,

gestern haben wir ja noch über Schiedsgerichte in den Parteien gesprochen und es kam mehrmals der Hinweis darauf, dass es natürlich auch in anderen Parteien Verfahren wegen Parteiausschlüssen gibt und diese (völlig zu Recht) nicht ganz einfach sind.

Bei der AfD läuft das dann aber doch etwas anders. Wie schon in dem anderen Artikel erwähnt, kam es bei Gedeons letztem Verfahren gar nicht erst zu einer Verhandlung:
AfD schließt Wolfgang Gedeon nicht aus

Ausführliche Beweismittel zum beantragten Ausschluss gegen Gedeon seien nicht rechtzeitig genug vorgelegt worden. Die Fristen dafür seien am 28. Februar 2017 verstrichen. Eine inhaltliche Bewertung der Aussagen des Mediziners dahingehend, ob sie antisemitisch sind oder nicht, habe das Gericht dagegen nicht vorgenommen, so der AfD-Landessprecher.

Gut, Fristen kann man verpassen und es gibt ja Möglichkeiten, so ein Verfahren zu wiederholen. Aber nicht in der AfD:

Özkara sprach sich dagegen aus, das Ausschlussverfahren vor das Bundesschiedsgericht zu tragen mit dem Ziel, die Entscheidung der Landesinstanz überprüfen zu lassen. Der AfD-Landesvorstand hätte diese Möglichkeit, verwarf sie jedoch bei einer Sitzung am Montagabend, wie Özkara bestätigte.

Auch bei Höcke kam es schon mal zu einem Verfahren wegen möglicher Nähe zur NS-Ideologie. Das dreiköpfigen Landesschiedsgerichts in Thüringen sah das anders und lehnte den Abtrag auf Ausschluss ab. Soweit so gut, aber heute kann man folgendes in den Nachrichten lesen:
AfD-Parteirichter posierte mit Hakenkreuz und Hitler-Foto

Das Posieren eines Parteimitgliedes mit Nazi-Symbolen bringt die Thüringer AfD-Landesspitze in Bedrängnis. Bei dem Mann, der inzwischen ausgetreten sein soll, handelt es sich nach Informationen der „Thüringer Allgemeinen“ um ein Mitglied des dreiköpfigen Landesschiedsgerichts, das im Frühjahr einen Parteiausschluss von Landeschef Björn Höcke abgelehnt hatte.
[…]
Das Parteimitglied hatte nach Informationen der Zeitung mit AfD-Kollegen im Oktober 2015 eine Reise zu Stationen des Lebens von Adolf Hitler unternommen. In einem Fenster vor dem Geburtshaus im österreichischen Braunau am Inn zündete er nach übereinstimmenden Angaben eine Kerze an.

Zudem ließ sich der Funktionär am Obersee bei Berchtesgaden fotografieren, wo Hitler sich erholte. In seinen Händen hielt er dabei ein Buch mit einer Fotografie des NS-Diktators. Darüber hinaus posierte er für ein Foto hinter einem Tisch, über den eine Decke gebreitet war, auf der ein Hakenkreuz und SS-Zeichen zu sehen sind. Die Fotos liegen der Zeitung vor.

Einer der Schiedsrichter, die Höcke keine Nähe zur NS-Ideologie attestierten, scheint also selber nicht die geringsten Berührungsängste zu haben. Das muss man sich Mal auf der Zunge zergehen lassen…

Ach ja: Das Verfahren gegen Höcke wird natürlich nicht wiederholt.

Darf man angesichts solcher Vorfälle nicht berechtigte Zweifel an den Schiedsgerichten der AfD haben?

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Nur drei Gedanken dazu von jemandem, der vor 20 Jahren selber mal in einem Parteischiedsgericht sass und der bestimmt kein AfD-Sympathiesant ist:

Ein Gericht (egal ob parteiintern oder ein öffendliches) braucht Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Beides wächst erst mit der Zeit. Daher sind diese Gerichte bei neugegründeten Parteien immer etwas ‚eigenwillig‘.

Als internes Schiedsgericht hat man IMMER in Kopf, dass jeder Schuldspruch danach vor einem ordentlichen öffendlichen Gericht überprüft wird. Das führt zu einem extremen Druck im Zweifelsfall zu den Angeklagten zu entscheiden, um den Rufschaden wenn dein internes Urteil danach aufgehoben wird, zu vermeiden.

Der Instanzenweg durch Partei und ordentliche Gericht bis hoch zum Europäischen Gerichtshof ist uner 5 Jahren nicht zu schaffen. In der Zeit hat sich über die interne Demokratie ohnehin alles entschieden. Entweder weil die Mitglieder die ‚kritschen Person‘ aus allen Funktionen gewählt haben oder sie durch das gegenteil demonstriert haben, dass sie genau solche Leute wollen.

Wer die Verfahren in der AfD bewertet, sollte sich mal die zum Teil sehr lustigen Verfahren in den anderen Parteien ansehen. Sarrazin ist da wohl öffendlich am bekanntesten. Die Vergangenheit von Joschka Fischer ebenso. Aber da geben sich alle Parteien nichts …

Danke für deine Einblicke. Ich selber saß jahrelang in einem Vereinsgericht und kann mich noch gut erinnern, wie schwierig selbst da die Verfahren waren.

Ich habe ja auch mehrmals betont, dass Parteiausschlussverfahren natürlich eine komplizierte Sache sind und möchte da auch keine Partei ausnehmen. Nur haben wir es in meinem OP ja mit zwei konkreten Fällen zu tun, bei denen wohl keiner behaupten würde, dass das im Sinne der Erfinders war.

Verfahren können aus verschiedenen Gründen scheitern, aber dann stellt sich halt immer die Frage, wie die Partei damit umgeht. Im Fall der AfD habe ich eben den Eindruck, dass sie kein allzu großes Interesse daran haben, dass diese Ausschlüsse wirklich passieren. Damit stehe ich ja auch nicht alleine:

Auf dem rechten Auge blind: Parteiausschlüsse bei der AfD

„Die Schiedsgerichte sind in der Regel in der Hand des radikalen Flügels. Damit können sie Ausschlussentscheidungen blockieren“, konstatiert Funke.

Viel angekündigt, nichts umgesetzt?

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) bezweifelt, dass der AfD wirklich an einem Parteiausschluss Nerstheimers gelegen ist. Die AfD würde immer weiter prüfen und prüfen, so MBR-Mitarbeiterin Manja Kasten. Sie sieht darin „eine klare Strategie der Ablenkung“.

Eine weitere Dame, der ein Parteiausschluß droht - oder auch nicht…

Treffen wir uns am 6. November an dieser Stelle wieder? :slight_smile: