Eliteschulen in Deutschland
Hallo.
Schiller-Gymnasium in Frankfurt
Kennt kein Mensch. Hingegen ist z.B. die Heinrich-Hertz-Oberschule noch heute in Teilen des Auslandes bekannt. Und damit bin ich beim Thema:
Für mich sind aus objektiven Gründen die einzigen Eliteschulen, die dieses Prädikat verdient hätten, ausnahmslos die Spezialschulen der DDR gewesen, und die gibt es seit 1990 nicht mehr.
Die Zulassung auf die Spezialschulen erfolgte 1. mittels Aufnahmeprüfungen und 2. mittels Gesprächen - beides wurde dezentral dem Verantwortungsbereich der Schule übertragen. Gute oder sehr gute schulische Leistungen galten als notwendige Voraussetzung.
In die Spezialschule konnte man nur bei einer einzigen Gelegenheit aufgenommen werden, nämlich in genau dem Alter, das der untersten Klasse der Spezialschule entsprach. Ein späterer Wechsel ist nicht möglich gewesen.
Beispiel: Die Russischschulen begannen ab der 3. Klasse. Kinder, die zu diesem Zeitpunkt die Aufnahme nicht schafften, hatten auch später keine Chance. Das heißt, nach oben herrschte keinerlei Durchlässigkeit. (Ausnahme: Kinder- und Jugendsportschule)
Nach unten herrschte jedoch hunderprozentige Durchlässigkeit, das heißt, wer keine zufriedenstellenden Leistungen erbrachte, mußte die Spezialschule verlassen und wieder eine reguläre POS (polytechnische Oberschule) besuchen. Darüber hinaus konnte man zum Schulhalbjahr und zum Ende des Schuljahres freiwillig abgehen.
Talentierte oder hochbegabte Schüler, die eine Teilleistungsschwäche hatten, durften per Definition keine Spezialschule besuchen, denn sie genügten nicht dem Ideal des allseitig gebildeten sozialistischen Menschen.
Anders gesagt: Obschon die verschiedenen Spezialschulen verschiedene Schwerpunkte setzten, mußten die Kandidaten in noch höherem Maße als die Schüler regulärer Oberschulen in allen Fächern des Lehrplanes solide Lernergebenisse aufweisen.
Dieses rigorose Verfahren ließ in den 80ern mehr und mehr Gegenstimmen lautwerden. Wie so typisch für die DDR gab es dazu einen politischen Spruch, nämlich daß wir eine Schule erschaffen wollen, die einen Albert Einstein und dessen Talente entdecken kann, allerdings in dem Wissen, daß er bei uns mit Sicherheit unentdeckt geblieben wäre.
Das ist eine Anspielung auf die schulischen Leistungen von Einstein, der bekanntermaßen in so gut wie allen Fächern sehr gute Noten hatte, mit Ausnahme von Französisch. Dort hatte er eine 4 und wäre deswegen nicht für die Spezialschulen zugelassen worden.
So der Volksmund.
Wie unterschieden sich die Spezialschulen von den regulären Oberschulen?
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Spezialschulen vermittelten in der Vertiefungsrichtung ein erheblich vertieftes Wissen.
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Grundsatz: „Voraussetzung jeder Spezialbildung ist hohe Allgemeinbildung“; Spezialschulen mußten den Lehrplänen der polytechnischen Oberschule in sämtlichen Fächern zu 100% gerechtwerden. In den Schwerpunktfächern taten dies die Spezialschulen ohnehin mit Leichtigkeit, aber in den sonstigen Fächern durfte die national einheitlichen Bildungsstandards der POS keinesfalls nicht nach unten durchbrochen werden.
Kurzformel: Spezialschule = POS + Spezialbildung
- Bildung und Ausstattung:
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höhere Stundenzahlen, vor allem in den Schwerpunktfächern; mehr Lehrstoff; Sonderkapitel im Lehrplan; schnelleres Unterrichtstempo; erweiterter fachübergreifender Unterricht; signifikant mehr Gruppen- und Projektarbeit; besondere außerunterrichtliche Tätigkeit (Matheolympiaden, Physikolympiaden etc.); drastisch verschärfter Anspruch in bezug auf das Anwendenkönnen des Wissens; strengere Bewertung
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Spezialschulen konnten Internatsschulen sein.
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Kein Schulgeld, Unterkunft kostenfrei (Internate), Lehrmittelfreiheit
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Zulassung ohne Beachtung der gesellschaftlichen Herkunft des Kandidaten (keine soziale Auslese)
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Spezialschulen hatten einen eigenen EOS-Teil und die Schüler beendeten die Schule überwiegend mit dem Abitur. (Ausnahme: bestimmte Russischschulen)
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Der Wehrdienst entfiel sehr oft oder wurde mindestens drastisch reduziert.
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Spezialschulen kooperierten vielfach direkt mit Universitäten.
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Absolventen erhielten bevorzugten Zugang zu bestimmten Einrichtungen und Studienfächern.
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Mit Ausnahme der Russischschulen blieben Dokumente und Verordnungen, die den Lehrbetrieb der Spezialschulen regelten, ohne Veröffentlichung. (Geheimhaltungsstufe mindestens „Nur für den Dienstgebrauch“, häufiger „Vertrauliche Dienstsache“)
- Aufnahmezeitpunkte
Russischschulen: 3. Klasse
Spezialschulen für Musik: 5. Klasse
Kinder- und Jugendsportschulen: 5. Klasse
Mathematisch-naturwiss.-technische Spezialschulen: 9. Klasse
Spezialschule für Elektrotechnik (Dresden): 9. Klasse
Spezialklassen an den Universiäten: 11. Klasse
In diesem Sinne ist die sächsische Internatsschule für Mehrfachbegabte, Landesgymnasium St. Afra, am nächsten dran an den DDR-Schulen. Sankt Afra ist aber nicht kostenfrei und bleibt für arme Familien unzugänglich. Und Salem können sich sowieso nur Wohlhabende leisten. Wirkliche Eliteschulen haben wir in Deutschland demzufolge nicht.
Tschüß
das Reinerlein