Schlägertypen (lang)

Hallo an alle,

ich habe eine ziemlich komplizierte Frage, und ich hoffe, dass ich mich einigermaßen ordentlich ausdrücken kann.
Mich beschäftigt schon immer das Verhältnis zwischen verschiedenen „Schichten“ der Bevölkerung in den verschiedenen (erstmal europäischen) Ländern.
Zur WM wurde mein Eindruck des öfteren bestätigt, dass es besonders bei den Briten und den Deutschen die angsteinflößendste Art Schlägertypen-Fan gibt.
Zur Verdeutlichung ein kleines Bsp.:
U-Bahn nach dem Finale. Eine Ecke voll deutscher Gröl-Fans, die andere Ecke italienische (ich sag mal „normalere“) Fans. Die Deutschen haben immer mit ein paar Anti-Azzuri-Gesängen angefangen, die Italiener „singend“ geantwortet. Text der Gesänge sind mir egal, es geht nur darum: der „Gesang“ der Deutschen klang einfach brutaler, furchterregender, primitiver. Die Italiener sangen etwas melodischer und mindestens eine Quinte höher. Schon das macht etliches aus in der Wahrnehmung.
(Ich habe auch sonst während der WM viele feiernde Fans in überfüllten Zügen und U-Bahnen gesehen: Mexikaner, Schweden, Kroaten, Australier - alle irgendwie einen Tick „zivilisierter“ als ein (wirklich nicht geringer!) Teil der Deutschen.

Es geht mir jetzt weniger darum, dass Fußball in den verschiedenen Ländern einen unterschiedlichen Stellenwert hat, und z. B. in GB als Unterschichten-, maximal Mittelschichten-Sport bezeichnet wird.
Es geht mir um das Phänomen „Proll“ an sich. Mir kommt es so vor, dass es in nordeuropäischen Ländern mehr sogenannte Intellektuelle zu sehen gibt, insgesamt erscheint mir Spanien und Italien „prolliger“ als Deutschland und GB. Dafür sind die Prolls an sich in diesen beiden Ländern besonders…schlimm, wenn ich das mal so sagen darf.

Ich kann es mir in GB durch die Klassenteilung erklären, wo man ja schon von klein auf in bezahlte oder unbezahlte Schule unterscheidet.
Aber in Deutschland?

Bitte keine Kommentare wie „Du kannst Dich wohl nicht mit den deutschen Fans freuen“, „Du machst den WM-Spaß madig“, usw., denn um die allgemeinen deutschen Fans geht es mir nicht. Auch nicht darum, ein Land „besser“ als ein anderes hinzustellen. Ich hab diese Sache nur beobachtet, und sie lässt mir, seit ich denken kann, keine Ruhe.

Danke fürs Durchlesen dieses Elaborats, danke für Eure Gedanken und Ideen!

Judith

Hallo Judith,

bedenke bei deinen Beobachtungen folgendes.

1.) Die schlimmsten bekannten Hooligans wurden anlässlich der WM am Ausreisen gehindert.

2.) Die ausländischen Fans, die zur WM hierherkamen, waren im Durchschnitt nicht die Allerärmsten und Ungebildesten.
So eine Auslandsreise kostet ja etwas und reisen bildet ja bekanntetweise.

Gruß
Carlos

ich habe eine ziemlich komplizierte Frage, und ich hoffe, dass
ich mich einigermaßen ordentlich ausdrücken kann.
Mich beschäftigt schon immer das Verhältnis zwischen
verschiedenen „Schichten“ der Bevölkerung in den verschiedenen
Text der
Gesänge sind mir egal, es geht nur darum: der „Gesang“ der
Deutschen klang einfach brutaler, furchterregender,
primitiver. Die Italiener sangen etwas melodischer und
mindestens eine Quinte höher. Schon das macht etliches aus in
der Wahrnehmung.

Das ist ein sprachliches Phänomen.
Es hört sich auch freundlicher an, wenn die streiten :smile:)
Italienisch ist für unsere Ohren melodischer als andere Sprachen, auch
melodischer als die eigene. Wir verstehen es in der Regel nicht und nehmen nur „Laute“ wahr, die sich aber irgendwie ganz angenehm anhören. Anders nehmen viele die Sprache der Türken, Iraner etc. war, weil sie (a) dem Deutschen kaum ähnlich und (b) für unsere Ohren auch nicht melodisch sind. So fällt das insbesondere in Bussen auf. Manchmal hat man den Eindruck die Leute „schreien“ sich quer durch den Bus an, wird genervt, weil man eigentlich gerad ein Buch liest und sich dann gestört fühlt. Tatsächlich reden diese Menschen häufig in ganz normaler Lautstärke, aber die Laute sind für uns so ungewohnt, dass wir sie nicht als „Umgebungsgeräusch“ (wie das Brummen des Motors oder für uns irrelevante verstehbare Gespräche) wegblenden können.
Auch die Gespräche englischer Touristen blenden wir schlecht weg, weil wir in der Regel Bruchteile davon verstehen. Weil es aber nur Bruchteile sind, können wir das Gespräch nicht als für uns irrelevant abtun und sind so immer mit dem halben Ohr dabei.
Da gibt es einige interessante Sprachwissenschaftliche Arbeiten zu.
Allerdings muss ich Dich auf Google verweisen,weil ich Dir jetzt so ad hoc nicht mehr sagen kann, wer sich u.a. damit beschäftigt hat.
Oder Du geduldest Dich ein wenig und ich durchwühl mal meine Ordner.

Die Aussage der zweiten Hälfte Deines Beitrags ist mir nicht ganz klar- gehts um Fussball oder um Prolls oder um Prolls beim Fussball oder um Hooligans. Und was wäre dann ein Proll in Abgrenzung zu einem Hooligan.

Es gibt auch hier eine Reihe von Studien und je nachdem wie es gemeint ist, lässt sich ein Teil ggf. mit den Kriminaitätstheorien erklären. Das Phänomen Hooligans ist Gegenstand vieler englischsprachiger Studien. Und nach dem Vorfall in Frankreich gabs einen regelrechten „Untersuchungs-boom“.
Grundsätzlich ist ja auch schon drauf hingewiesen worden, dass die Einreise nach Deutschland zur WM erhebliche Kosten mit sichgezogen hat, so dass die englischen, spanischen wo auch immer her Fans eine ganz andere Population abgegeben haben, als die Deutschen.
Kannst ja mal durchrechnen was ein Flug aus England/ Spanien… nach Deutschland kostet plus Hotel und am besten Karten für das Spiel. Dann kannst Du relativ schnell eine Art „Mindesteinkommengrenze“ ziehen.
Wobei es natürlich nicht so ist, dass ärmere „affiger“ sind als reichere.

Um eine konkrete Aussage oder Studie X als Beispiel anzuführen,
müsstest Du Deine Frage irgendwie präzisieren. Denn so sind das 8 in einer, die man nicht auf Schlag beantworten kann.

Aber wie gesagt, ich empfehle mal zu googlen
und vor die Suchbegriffe ein „wissenschaftl*“ oder „uni“ zu basteln,
um die Zeitungsberichte und Forenbeiträge zu sieben…

Hi, Carlos.

1.) Die schlimmsten bekannten Hooligans wurden anlässlich der
WM am Ausreisen gehindert.

Und woher wären die gekommen? Ich vermute, aus England, Polen u.ä., jedenfalls weniger aus z.B. Argentinien…

2.) Die ausländischen Fans, die zur WM hierherkamen, waren im
Durchschnitt nicht die Allerärmsten und Ungebildesten.
So eine Auslandsreise kostet ja etwas und reisen bildet ja
bekanntetweise.

Ja, das hab ich auch berücksichtigt. Ich meine auch weniger die Hooligans beim Fußball, sondern die weniger extreme, trotzdem auf komische Weise unangenehme Gruppe.

Gruß
Judith

Huhu, Bleifrosch,
danke für die ausführliche Antwort.

Das ist ein sprachliches Phänomen.
Es hört sich auch freundlicher an, wenn die streiten :smile:)
Italienisch ist für unsere Ohren melodischer als andere
Sprachen, auch
melodischer als die eigene. Wir verstehen es in der Regel
nicht und nehmen nur „Laute“ wahr, die sich aber irgendwie
ganz angenehm anhören. Anders nehmen viele die Sprache der
Türken, Iraner etc. war, weil sie (a) dem Deutschen kaum
ähnlich und (b) für unsere Ohren auch nicht melodisch sind. So
fällt das insbesondere in Bussen auf.

Das hab ich alles auch schon überlegt, aber das würde ja bedeuten, dass die nördlichen Europäer grundsätzlich ein „unsympathischer rüberkommendes“ Volk sind. Und, um das mal noch mehr zu verkomplizieren: Die Schweden sind auch Nordeuropäer, haben die gleiche Sprachfamilie wie wir, und fielen mir NIE unangenehm durch affenartige (:smile:) Laute auf. Dabei waren die zahlenmäßig hier enorm stark vertreten.

Dich ein wenig und ich durchwühl mal meine

Ordner.

Mach ich gerne. Diese Sache beschäftigt mich schon ewig, und wird das wohl auch noch tun.

Die Aussage der zweiten Hälfte Deines Beitrags ist mir nicht
ganz klar- gehts um Fussball oder um Prolls oder um Prolls
beim Fussball oder um Hooligans. Und was wäre dann ein Proll
in Abgrenzung zu einem Hooligan.

Es geht weniger um richtige Hooligans, denn die habe ich gar nicht mitbekommen. Es geht, ausgehend von diesem U-Bahn-Erlebnis, wirklich um „den Proll“ an sich. Ich kann den leider ziemlich schlecht genau beschreiben. Hat nicht jeder ein besonderes Wort für solche Leute, man könnte (sofern „Proll“ noch nicht bösartig genug klingt), auch „der Mob“, „der Pöbel“ etc. sagen …

Kannst ja mal durchrechnen was ein Flug aus England/ Spanien…
nach Deutschland kostet plus Hotel und am besten Karten für
das Spiel. Dann kannst Du relativ schnell eine Art
„Mindesteinkommengrenze“ ziehen.

Habe ich schon berücksichtigt, die Überlegung.
(Erklärt mir aber noch nicht, warum ich z.B. viel mehr Mexikaner gesehen habe als Spanier und Franzosen…aber das kann auch Zufall sein, ist jetzt nicht Teil der Diskussion)

Um eine konkrete Aussage oder Studie X als Beispiel
anzuführen,
müsstest Du Deine Frage irgendwie präzisieren. Denn so sind
das 8 in einer, die man nicht auf Schlag beantworten kann.

Ich krieg das leider nicht genauer hin… es ist ja auch für mich schwer zu verstehen. Und ich weiß nicht mal, nach welchen Begriffen ich am besten googeln sollte. Proll? :smile:
Hach, das ist schon echt kompliziert.

Trotzdem danke,

Judith

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Die Schweden sind auch
Nordeuropäer, haben die gleiche Sprachfamilie wie wir, und
fielen mir NIE unangenehm durch affenartige (:smile:) Laute auf.
Dabei waren die zahlenmäßig hier enorm stark vertreten.

Ja das ist nun die Frage, was Du als „das ist so“ setzt.
Also bei uns in der Stadt waren es wohl tatsächlich eher Schweden
und Mexikaner die „unangenehm“ was immer das für einen bedeutet auffielen.
Wohl eher eine Frage der Zahlen, des städtischen Angebots, Mentalität, etc.

Hat nicht jeder
ein besonderes Wort für solche Leute, man könnte (sofern
„Proll“ noch nicht bösartig genug klingt), auch „der Mob“,
„der Pöbel“ etc. sagen …

Ja okay… dann lag ich richtig mit dem was Du meinst, wobei
für mich ein Proll noch was anderes ist- aber wir meinen ja dasselbe

(Erklärt mir aber noch nicht, warum ich z.B. viel mehr
Mexikaner gesehen habe als Spanier und Franzosen…aber das
kann auch Zufall sein, ist jetzt nicht Teil der Diskussion)

Das kannst Du Dir am Beispiel Brasilien oder auch England relativ gut erklären. In Brasilien ist bei jeder WM die Hölle los- eine riesen Party wenns läuft und eine riesen Trauerfeier wenns nicht läuft. Im ganzen Land… Es geht um Glaube an … und Identifikation. Das Land kämpft mit so vielen Problemen, dass der Fußball fast den Stellenwert einer Religion oder einer Ideologie erhält, weil es sonst kaum was gibt woran man glauben oder sich festhalten kann (soziales System, politisches System etc.) Hier kannst Du Auszüge aus einem Buch dazu lesen
http://www.brasilien.de/volk/sport/fussball/bindex.asp
(unten Kapitel Staat und Fussbal)
Das Beispiel Brasilien lässt sich, nicht ganz ohne Einschränkungen, auf andere Staaten übertragen.
Auch hier gibt es was zum Thema
http://www.gegenstandpunkt.com/mszarx/mszm/74/5/msz7…
England wiederum hatbekanntlich eine ganz besondere Bindung zum Fußball. Sie sind die „Urheber des Fußballs“ und es war ein Sport des Proletariats. Ansätze gibts hier
http://www.roteswinterhude.de/fussballwm2002.htm
Es geht jeweils um die Zielgruppe, die der Sport in seinem Land anspricht. In Frankreich wiederum gibt es in den Vorstädten, ja fast schon Ghettos mit äußerst miserablen Bedingungen und Chancen da raus zu kommen (wir erinnern uns an die Aufstände letztes Jahr). Unter den Jugendlichen dominieren 2 Berufswünsche… Killer oder Profi-Fußballer. Dort steht der Fußball für Integration, Chancen, ein besseres Leben und nicht zuletzt Geld. (weniger wissenschaftlich, aber halt auf die schnelle hier http://www.taz.de/pt/2006/07/07/a0176.1/text und hier
http://www.migration-boell.de/web/integration/47_644… )
Die Fußballer stellen also wieder andere Helden dar, als in England, Brasilien, Mexico, Deutschland…
(hier ein älterer Artikel zu Deutschland http://www.bpb.de/popup/popup_grafstat.html?url_guid… )

Ich krieg das leider nicht genauer hin… es ist ja auch für
mich schwer zu verstehen. Und ich weiß nicht mal, nach welchen
Begriffen ich am besten googeln sollte. Proll? :smile:
Hach, das ist schon echt kompliziert.

Fussball, Identifikation, „land“
sportwissenschaft, Soziologie, Fans, uni, psych* Rolle

usw. usf.

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Nachtrag
G. Pilz Fußball ist unser Leben
Vortrag http://www.erz.uni-hannover.de/ifsw/daten/lit/pil_fu…

Es geht mir jetzt weniger darum, dass Fußball in den
verschiedenen Ländern einen unterschiedlichen Stellenwert hat,
und z. B. in GB als Unterschichten-, maximal
Mittelschichten-Sport bezeichnet wird.

Auch wenn es dir weniger darum geht - aber in England fangen die Eintrittsgelder für das Stadion oft bei 70€ an. Von Unterschichterlebnissen kann da kaum die Rede sein.
Mir fällt auf die Schnelle kein Land in Europa ein, in dem der Fußball qualitativ so hochwertig und doch bezahlbar ist wie in Deutschland. Vermutlich kommt die Unterschicht daher hier auch eher zur Geltung.