Hallo,
Die derzeitige Durchschnittstemparatur im Innern Grönlands
liegt bei -10 oder -20 Grad?
Erklärts mir! Warum sollen dann 1,6 Grad reichen, um das
schmelzen zu lassen. Eis schmilzt ab + 1 Grad, nicht ab - 18,4
oder - 8,4 Grad.
Ich will es einfach nur verstehen, warum das Grönland-Eis bei
diesen Temparaturen schmelzen soll.
Du wirfst hier eine ganze Reihe von Dingen durcheinander.
Die 1,6°C in dem Spiegel-Artikel ist die globale Durchschnittstemperatur. Die Artkis erwärmt sich aber deutlich schneller, gut doppelt so stark wie der globale Durchschnitt. Das bedeutet, dass ein globaler Anstieg um 1.6°C eine Erwärmung in der Arktis von grob etwa 3°C bedeutet.
Dann wirfst du die Temperatur im Landesinneren von Grönland mit der Durchschnittstemperatur für alle Orte in Grönland zusammen. Das Eis schmilzt ja in erster Linie an den Rändern des Eisschildes, und dort ist es viel wärmer. Der Eisschild ist ja im Zentrum etwa 3000m hoch, und da ist es nicht verwunderlich, dass es dort kalt ist, weil allein durch die enorme Höhe es dort ja schon rund 20°C kälter ist, als in den Küstenbereichen Grönlands (-> Abnahme der Temperatur mit der Höhe)
An den Küsten hat es so eine Temperatur, die über weite Strecken des Jahres über 0°C liegt. Hier spielt eine Erhöhung der Temperatur um 2-3°C daher im Gegensatz zum Zentrum von Grönland sehr wohl eine große Rolle. Siehe dazu z.B. die Temperatur-Werte von Strømfjord (grönlandisch Kangerlussuaq) oder anderen Küstenorten:
Vereinfacht gesagt:
Je wärmer es wird, desto schneller schmilzt das Eis am Rand und desto höher steigt die Grenze des Zehrgebietes des Eisschildes, d.h. in umso größeren Gebieten schmilzt das Eis. Fällt im Zentrum von Grönland nicht genug Schnee, um das Abschmelzen an den Rändern auszugleichen, dann schmilzt der Eispanzer langsam ab.
Dazu kommt, dass das Eis ja eine zähe Masse ist. Schmilzt es am Rand weg oder kalbt es ins Meer, muss Eis aus dem Zentrum nachfließen. Dadurch sinkt aber die durchschnittliche Höhe des Eises ab, was eine weitere Temperaturzunahme aufgrund der niedrigeren Höhe bedingt. Auch wird schmelzendes Eis schwärzer, weil Ruß-, Sand- und Ascheablagerungen sich an der Oberfläche anreichern. Eine dunklere Oberfläche bewirkt aber eine stärkere Absorption von Sonnenlicht und damit eine stärkere Erwärmung. Auch ist dabei zu beachten, dass die Temperatur über einem schmelzenden Eis nur minimal über 0°C steigt. Denn die ganze überschüssige Wärme, geht ja hier nicht primär in die Erwärmung der Luft, sondern in das Schmelzen des Eises. Selbst wenn es also an den eisfreien Küsten +20°C hat, ist die Temperatur über dem Eis trotzdem nur knapp über 0°C obwohl beträchtliche Massen an Eis schmelzen.
Und was man auch beachten muss:
Das vollständige Abschmelzen des Gröndlandeises (sagen wir 95% davon) ist ein Prozess, der sich über Jahrtausende hinzieht. Bei einem lokalen Temperaturanstieg in Grönland um 2°C dauert das ganze mehr als 30.000 Jahre und bei einem Temperaturanstieg von 6°C dauert es immerhin noch mehr als 3.000 Jahre. Vergleiche dazu die Abbildung S2 des Papers aus den ergänzenden Informationen dazu.
Was die Arbeit der Forscher besagt ist, dass das Eisschild bis zu einem globalen Temperaturanstieg von 1,6°C stabil bleibt. Bei höheren Temperaturen schmilzt das Eis langfristig ab, was eben je nach Tmperaturanstieg einige wenige tausend Jahre bis hin zu mehreren zehntausend Jahren dauern kann.
Und zu guter Letzt:
Der Spiegel-Artikel beschreibt nur eine einzige Forschungsarbeit. Bisherige Arbeiten gingen davon aus, dass der grönlandische Eisschild eher bis zu 3°C Temperaturanstieg stabil bleibt. Ob diese neue Arbeit mit ihrem nur etwa halb so hohen Wert richtig liegt, zeigt sich erst mit der Zeit, z.B. wenn auch andere Forscher zum gleichen Ergebnis kommen. Es empfiehlt sich daher generell, nicht jedes neueste Forschungsergebnis zu hypen, sondern lieber auf die viel besser gesicherte Literatur zurück zu greifen, die vielleicht 4-5 Jahre alt ist.
Außerdem gibt es noch große Unsicherheiten, was die Stabilität von Eisschilden im generellen betrifft. So könnte es z.B. sein, dass ein schmelzender Eispanzer eine erhöhte Fließgeschwindigkeit des Eises zeigt und damit viel schneller abschmilzt (weil das Eis einfach ins Meer fließt) als man das jetzt vermutet. Es wird vermutet, dass das Schmelzwasser den Reibungswiderstand am Boden des Gletschers senken könnte und er deshalb schneller fließt. Um das aber quantifizieren zu können bräuchte man aber brauchbare Modelle für das Fließverhalten von Gletschern und Eisschilden, und solche gibt es bislang (noch) nicht.
vg,
d.