handschrift ist das eine, layout das andere
lieber sven,
ich habe mich zwar noch nicht fundiert mit dem thema beschäftigt, aber schon jede menge klausuren korrigiert. ein paar anmerkungen relativ unreflektiert aus der praxiserfahrung.
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ich unterscheide zwischen layout (v. a. absatzgestaltung, in veröffentlichungen außerhalb der klausursituation auch alles andere) und handschrift und trichtere dies den schülern auch vorher und sowieso immer wieder ein. ein gutes layout ist für mich ein erheblicher teil der darstellungsleistung, es gehört zur leserfreundlichkeit dazu. wer keine gscheiten absätze macht, der gerät bei mir in verdacht, dass er seinen eigenen text nicht richtig verstanden oder zumindest nicht vernünftig geplant und gegliedert hat. klar gibts dafür notenpunkte. schliesslich sollen die schüler nicht klausurtextverfassen lernen, sondern vernünftige kommunikationsgestaltung.
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dann gibts schüler, die benutzen extrem klecksende kulis oder so schreipinkfarbene microfaserschreiber. hier reagiere ich zwar notgedrungen tolerant, aber es ärgert mich schon. letztlich trifft der satz von oben auch zu. zwar versuche ich, objektiv zu bleiben, aber wer durchschaut sich schon ganz? habe mir aber angewöhnt, wegen solcher und ähnlicher sachen während der klausur einmal rumzugehen, manche schüler spreche ich dann darauf an.
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ich hatte mal einen schüler, der schrieb immer in druckschrift, extrem wenig, aber inhaltlich ziemlich gut. ich vermutete einen zusammenhang: weil sein schreibprozess so lange dauerte, schrieb er so wenig. ob er nicht probeweise auf schreibschrift umstellen möchte? er tat es und verbesste sich um eineinhalb noten, einfach weil er in der arbeit ausführlicher erklären konnte. diese erfahrung hat sich schon weiter bewahrheitet, allerdings wird dieser aspekt wohl insgesamt sehr wenig beachtet. jedenfalls habe ich noch keine kollegin mit ähnlichen erfahrungen gefunden. neulich habe ich aber in der zeitung gelesen, dass dänische kinder fast nur noch druckschrift und sowieso kaum noch per hand schreiben können. auch das entspricht meiner erfahrung: die kinder sind zunehmend feinmotorisch nicht mehr in der lage, zügig per hand zu schreiben.
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dann die frage der handschrift selbst. natürlich wird man unterschwellig sauer, wenn mans nur schwer lesen kann, und natürlich besteht die gefahr, dass man dann unbewusst schlechter bewertet. aber man kann auch einfach an den rand „unleserlich“ schreiben, dann ist man fein raus und das hebt die laune wieder und hat also einen ausgleichenden effekt. meiner einschätzung nach ist eine andere gefahr viel größer: die schönen, ordentlichen, runden mädchenhandschriften. Sie verführen erstens zum sorgfältigeren, also kritischerem lesen
und zweitens unterstellen korrektoren gern unbewusst (und ich möchte mich nicht davon einfach so freisprechen), dass der verfasser einer solchen handschrift eher kleinkariert ist und ein erbsenzähler, zwar ordentlich gelernt hat, aber eben keine originellen ideen aufzuweisen hat und keine geniestreiche. soweit ich weiss, ist das sogar wissenschaftlich bewiesen. falls du diesen aspekt weiter verfolgen willst, solltest du in der literatur für geschlechtstypische erziehung in der schule suchen. auf dem laufenden bin ich da leider nicht.
grüße, sag mir mal, was du rausgefunden hast
juliane