Schönheitsideale?

Wenn es kein Schönheitsideal mehr gäbe, würde ich es nicht vermissen. Wenn mein Blick mal zufällig auf Bewerberinnen zu Mißwahlen und ähnlichem fällt, spür ich nichts als Langeweile. Ich liebe es in Gesichtern zu lesen, aber solche Puppengesichter, die aussehen, als kämen sie frisch aus der Zellophanverpackung und als wäre jegliches Leben spurlos an ihnen vorbeigegangen, haben für mich einen Reiz wie ein leeres Blatt Papier.

Mag sein, dass es einigen Modedesignern jetzt ähnlich geht, und sie gemerkt haben, dass „interessant“ im Gegensatz steht zu Schönheitsnormen.

Wer legt sowas eigentlich fest und woher kommt das? Wie sieht das heutige Schönheitsideal der Frau von heute WIRKLICH aus? Modedesigner versuchen ja Models zu buchen die „nicht dem klassischen Schönheitsideal entsprechen“, um ihre Mode interessant zu präsentieren. Was heißt das jetzt für das Ideal? Gibt es überhaupt noch ein ideales Erscheinungsbild?

M.

Schönheit kann unterschiedlich definiert werden. Ich bevorzuge eine ´spirituelle´ und im weiteren Sinne platonische Definition: Sie ist der Zustand der transzendenten Welt, betrachtet mit den Augen eines Erleuchteten. Was wir in der alltäglichen Realität als Schönheit wahrnehmen, ist ein Reflex der tranzendenten Schönheit, der eine schwache Ahnung von der universellen Schönheit vermittelt.

Aus ´spiritueller´ Sicht also ist alles schön, auch das unscheinbarste Sandkorn. Das ist eine Grundaussage der Mystiker aller Zeiten. William Blake spielt darauf an, wenn er, wenn auch ohne die Vokabel ´Schönheit´, schreibt:

Um eine Welt in einem Sandkorn zu sehn // und einen Himmel in einer wilden Blume, // halte die Unendlichkeit in deiner flachen Hand // und die Ewigkeit in einer Stunde.

Die ursprüngliche Wurzel allen Schönheitsempfinden liegt also in der universellen Natur des Schönen, die der Mensch im Zustand des Alltagsbewusstseins aber nur fragmentarisch und sehr abgeschwächt erfassen kann.

Schönheitsideale werden nicht „festgelegt“ wie Gesetze und Normen, sondern gefunden und weiterentwickelt. Ein Beispiel ist Marilyn Monroe. 1946 wurde sie von ihrer Modelagentur gedrängt, sich die braunen Haare wöchentlich platinblond zu färben, um dem Typ der blonden Sexbombe, der in den 20ern und 30ern von Jean Harlow geprägt worden war, nahe zu kommen.

Jean Harlow:

MM:

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Blond als Schönheitsideal war natürlich keine Erfindung von Jean Harlow, die mit 26 an Nierenversagen starb, vermutlich verursacht durch eine Vergiftung durch das ständige Platinblondfärben ihres Haars. Blondes Frauenhaar war vielmehr bereits in der Antike ein weitverbreitetes Ideal nicht nur bei den Griechen, die sich ihre Götter durchweg blond vorstellten, und bei den Römern, sondern auch in der viel älteren ägyptischen Kultur. Nofretete z.B. liebte es, blonde Perücken zu tragen.

Der Grund für den besonderen Reiz des Blondhaars könnte darin liegen, dass es genetisch gesehen ein Störfall namens MC1R ist, d.h. sich einer ´unnatürlichen´ Genmutation verdankt, die vor etwa 40.000 Jahren einsetzte. Wissenschaftler vermuten, dass die blonde Haarfarbe damals Frauen wegen ihres ´Sonderstatus´ größere Chancen bescherte, von Männer als Sexualpartnerinnen begehrt zu werden.

Fazit:

Harlow, Monroe und die nachfolgenden blonden Stilikonen wurden zwar bewusst inszeniert und vermarktet, das dahinter stehende Schönheitsideal aber wurde nicht ´festgelegt´, sondern entsprach einfach einem seit Jahrtausenden bestehenden Wunschbild weiblicher Schönheit.

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Was die Schönheit eines Gesichts betrifft, besteht das Ideal einfach nur darin, dem Durchschnitt zu entsprechen. Ein ideal schönes Gesicht weist keine Abweichungen vom statistischen Mittelmaß aller empirischen Gesichter auf. Das ist auch der Grund dafür, dass erfolgreiche Schauspieler keine ideal schönen Gesichter haben: Mittelmaß drückt keine Spannung, keinen Charakter aus, wogegen ein Schauspielergesicht visuell ´sprechen´ muss, d.h. eine innere Spannung vermitteln.

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Noch ein paar Takte zum Figurenideal:

Leonardo hat die Größe der menschlichen Idealfigur mit „acht Kopflängen“ bestimmt. Daneben besteht ebenfalls seit der Renaissance ein Figurenkanon von neun oder mehr Kopflängen (El Greco: 12 Kopflängen). Dass die heutigen Models so schlank sind, hängt damit zusammen, dass sie dem 9-Kopflängen-Ideal (praktihziert in den Modezeichnungen) möglichst nahe kommen sollen.

Eine wichtige Schönheitsregel ist schon seit der Antike der Goldene Schnitt, d.h. die Unterteilung einer Strecke in ungefähr 3 zu 5 Teile. Das entspricht genau dem Abstand vom Scheitel bis zum Oberrand der Taille bei Leonardos 8-Kopflängen-Modell (3 Teile oben, 5 Teile unten).

So viel für heute.

Chan

Hi,

das Ideal einmal von Phytagoras an der Natur erkannt wurde ist ja echt lange her. Er sah dort die Proportionen. Den goldenen Schnitt. Die Schwingungen der Sinuskurve. Den wendete er dann an der Musik an C D EF G AH C D EF Ganzton, Ganzton, Halbton. Ist 1/3 + 1/1. Also ist jeder Mensch schön, wenn er kein Mutant ist. Und selbst da kann man noch schön sehen. Dieses ideal von stark steht für gesund. Lebendig ist gesund. Sowas hat man in ölympischen Spielen zum Ausdruck gebracht. Menschen fit wie Löwen. Ein kranker Mensch, der böse im Geist ist wirkt unansehlich. Also auch der Schöngeist ist wichtig, Ein schönes Stück von Mozart, was den Geist erhellt ist schön, weil es Freude bereitet. Das tut gut und ist gesund. Das jeder seinen Parthner anders braucht, liegt an den Vorlieben innerhalb der Schönheit. Letztlich zählt die innere Schönheit da sie mehr Kraft hat und mehr kann. WIe hier jemand schon schrieb, Misswahlen sind öde. Somit legt die Natur selbst des fest. Das mit der Mode ist einfach experiment. Es soll einen erheben. Immer gleiche Kleidung ist langweilig, spielt aber kein Rolle. Jenachdem wie man sich am Bruttosozialprodukt beteidigt.

Auch hier nochmal den fehlenden Halbsatz:
"…und sie ist das letzte und beste Glaubenssystem in der modernen westlichen Welt, das die männliche Dominanz aufrechterhält.

Dein Vergleich mit dem Goldenen Schnitt auf das Ideal der Schönheit von Menschen zu übertragen, ist gewagt, denn das Prinzip des Goldenen Schnitts wurde hauptsächlich in der Architektur angewendet. Seit der Antike bis in die Moderne hatten Architekten dieses Prinzip als eine Kategorie geometrischer Gestaltung von Bau-Elementen festgelegt.

Indem man von zwei Seitenkanten, die im rechten Winkel zueinander stehen, jeweils einen Zirkel mit einem Kreisbogen schlägt, ergibt sich im Schnittpunkt, in dem sich die beiden Kreisbogen überschneiden, der sogenannte Goldene Schnitt; entspricht etwa deiner Darstellung im Verhältnis von 3 zu 5 Teilen, ist aber nicht deckungsgleich mit der geometrischen Berechnung.

Bei alten Häusern sieht man dieses Prinzip sehr gut in der Gestaltung von Fenstern und Türen, die mit einer waagrechten oder senkrechten Unterteilung konstruiert sind, während die moderne Architektur ganz bewusst von der jahrtausendealten Tradition des Goldenen Schnitts abweicht (Anderssein ist viel schöner!). Man schaue sich nur mal die neuesten Konzern-Hochhäuser aus Glas an, deren Konstruktion ganz gezielt überall schräg anstatt gerade verläuft, um ganz bewusst zu PROVOZIEREN.

Das ist natürlich eine Mode in der Formgestaltungen des Ästhetischen, mit dem heute moderne Produkte hergestellt und verkauft werden. Es genügt nicht, nur technische Funktionalität zu verkaufen, sondern man geht immer mehr bei technischen Produkten auf das ästhetische Bedürfnis ein, man verkauft oft besser mit einem PROVOZIERENDEN Design: Autos, Schiffe, Flugzeuge, Fernsehgeräte, Handys, Computer, etc.

Auch Verlage verkaufen ihre Geist-Produkte nach dem ästhetischen Bedürfnis. Die Gestaltung des Titels ist hierbei oft wichtiger als der eigentliche Inhalt, was man zum Beispiel seht gut erkennen kann beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Mit der bloßen Gestaltung des Titels geht die verkaufte Auflage entweder nach oben oder nach unten. Der frühere SPIEGEL-Chefredakteur, Stefan Aust, bekannte mal, dass er manchmal das ganze Wochenende damit verbrachte, mit Grafikern, Fotografen und Layoutern einen Titel zu gestalten, der PROVOZIERT.

Vor mir liegt ein Taschenbuch des Suhrkamp-Verlages. Die ästhetische Aufmachung aller Titel dieses Verlages wurde schon vor Jahrzehnte von Willy Fleckhaus, der seinerzeit als bester Grafiker Deutschlands galt, entworfen. Das Besondere an allen Titeln des Suhrkamp-Verlages ist, dass alle Taschenbücher gleichbleibend immer SCHWARZ sind, wobei eine fette farbig Antiqua-Schrift extrem an den oberen Rand des Buches gerückt wird. Diese Gestaltung bleibt immer gleich bei allen Büchern und bewirkt erstens, dass dadurch eine hohe Wiedererkennung der Marke Suhrkamp erreicht wird, und zweitens geht es um die gezielte PROVOKATION zur traditionellen Gestaltung des Goldenen Schnitts, nach dessen Prinzip immer noch viele Verlage mit Titeln ihre Produkte verkaufen.

Ich hatte mal die Fachzeitschrift „Psychologie Heute“ einige Jahre abonniert, und alle Hefte zuerst mal aufbewahrt, bis ich diese Art von popularisierter Psychologie nicht mehr lesen wollte und alle 40 bis 50 angesammelten Hefte in die Mülltonne warf (auf der Insel El Hierro stehen Müllcontainer auf öffentlichen Wegen herum, nicht wie in Deutschland, wo jeder seinen eigene Tonne hat und sie raus und rein stellen muss).

Interessant ist jetzt gerade, dass ich zwar alle Hefte wegwarf als „Schrott“, aber einen einzelnen Artikel dieser Zeitschrift behalten habe, mit der Überschrift „Warum wir der Schönheit nicht widerstehen können“. Den Grund, warum ich sämtliche Hefte dieser Zeitschrift wegwarf, aber ausgerechnet nur diesen einen Artikel aufbewahrt habe, weiß ich nicht. Ich glaube aber, dass es einen Grund gab, aber ich kann mich nicht erinnern, was mich dazu veranlasste, ausgerechnet nur diesen Artikel aufzubewahren.

Der Artikel stammt aus der Zeitschrift „Psychologie Heute“ vom April 2001.

Ich habe einige Textstellen farbig markiert und zahlreiche Anmerkungen gemacht, wobei mir beim erneuten Durchlesen den Artikel nicht wert finde, ihn aufbewahrt zu haben. Obwohl ich nicht nur theoretisch, sondern vor allem durch langjährige berufliche Erfahrung ziemlich gut weiß, wie Propaganda funktioniert, wurde ich vermutlich von dem PROVOZIERENDEN Titel beeinflussen, so dass ich nur allein darin mein Motiv zu erkennen glaube, warum ich diesen Artikel überhaupt aufbewahre.

Autorin des Artikels „Warum wir der Schönheit nicht widerstehen können“ ist die US-Psychologin Dr. Nancy Etcoff. Ihr erster Satz greift sogleich auf Aristoteles zurück, der auf die Frage, weshalb sich die Menschen nach Schönheit SEHNEN, antwortete: „Niemand, der nicht blind ist, könnte diese Frage stellen.“

Was die promovierte Psychologin aus Bosten, USA, sonst noch zu berichten weiß, bringt nicht viel Erhellendes, wie z. B. „Schönheit bezaubert das Herz, umgarnt den Verstand und entfacht das Feuer der Emotionen. Von Platon bis zum modernen Pin-up-Foto haben Abbilder menschlicher Schönheit das nie endende sehnen nach der idealen menschlichen Gestalt gestillt.“

Weiter schreibt Dr. Nancy Etcoff: „Doch wir leben im Zeitalter der hässlichen Schönheit, in dem Schönheit moralisch suspekt ist und Hässlichkeit einen verwegen Reiz hat.“ In gewisser Weise schon, wenn man Mode zum Punk, der Gothics oder von langhaarigen Rockern als Models in der Werbung analysiert (Rocker, die sich in einem Werbe-Spot für eine Bausparkasse nach einem Spießer-Häuschen sehen). Die US-Psychologin zitiert in ihrem Artikel eine gewisse Naomi Wolf, was für mich anscheinend zu seiner Zeit damals von besonderer Bedeutung war, denn dieser Satz wurde von mir vor 14 Jahren dick rot unterstrichen:

"Schönheit ist ein Währungssystem wie der Goldstandard. Wie jedes ökonomische System wird sie von der Politik determiniert, und sie ist das letzte und beste Glaubenssystem in der modernen westlichen Welt…"
existo

Die Daten von etwa 150 weiblichen Celebrities (Topmodels, Glamour Models, junge Schauspielerinnen, Sängerinnen der Top 20) der heutigen Zeit sagen: Im Durchschnitt sind sie 1,70 m, wiegen 57 kg, haben also einen Body-Mass-Index von 19,8, durchschnittliche Maße von 36-24,5-35 und somit ein durchschnittliches Taille-Hüfte-Verhältnis von 0,7. 60% haben eine Körbchengröße von B bis D.

Beste Grüße

Oliver

Hallo Chan, danke für deinen interessanten Worte… deine Antwort hat mich ein bisschen weiter gebracht aber ich glaubeich bleibe weiter bei dem Grundsatz: Schönheit läge im Auge des Betrachters.Ich mmag diese allgemeine Formulierung von Schönheit nicht. Und ich glaube auch, dass M.M. so berühmt geworden ist, weil sie sich letztendlich einfach was getraut hat und nicht unbedingt wegen ihrer blonden Haare.