Schuldfrage Shutdown

Der US Shutdown dauert mittlerweile schon 31 Tage und ist der bei weitem längste in der US Geschichte. Wenn ich mir Meinungen dazu im Internet (und auch hier) so anschaue, stellt sich mir eine Frage: Wie kommt man auf die Idee, dass der Shutdown nicht die Schuld des Präsidenten ist?

Wenn der Präsident Geld für ein Projekt will, gibt es dafür einfache Regeln und Abläufe. Die beiden Kammern des Kongress’ müssen zustimmen und der Präsident gibt dann seinen Sanktus. Die GOP hatte zwei Jahre lang die Mehrheit in beiden Kammern und keine Finanzierung auf die Reihe bekommen. Jetzt, nachdem sie bei den Midterms eine Niederlage einstecken mussten, haben sie eben nur noch die Mehrheit im Senat.

Der Präsident will etwas, er kriegt keine Mehrheit zusammen, also streicht er 800.000 Angestellten (vereinfacht ausgedrückt) so lange das Gehalt, bis er seinen Willen bekommt. Wie genau lässt sich das im Sinne von Trump argumentieren? Würde mich auch freuen, wenn User hier ihre Beweggründe darlegen könnten.

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Die für den Haushalt notwendige Mehrheit hat er auch vor den Wahlen nicht gehabt.
Hier rächt sich vermutlich auch sein: „Wir bauen die Mauer - und Mexico zahlt“ - Gelaber.
Wozu er dann Geld braucht…

Schade nur, dass hier Menschen in Geiselhaft genommen werden - das Sozialrecht in den USA ist auch nicht so wie hier - dort sind jetzt Existenzen gefährdet.

Ich schrieb ja auch ‚die GOP hatte die Mehrheit‘ :wink:

Eigentlich müssten dann ja die Republikaner im Kongress zumindest die gleiche Schuld am Shutdown haben wie die Dems.

„Schuld“ ist m.E. kein brauchbarer Begriff hier.
Im moralischen Sinn gibt er nicht viel her, und im kausalen Sinn muss man wohl klar festhalten, dass es halt ein (symbol)politischer Machtkampf zwischen Trump und Teilen der Republikaner, anderen Teilen der Republikaner und den Demokraten ist. In so einem Zirkel lässt sich keiner Seite sinnvoll „die Schuld“ aufladen. Jeder könnte nachgeben, aber für jeden bedeutet das einen hohen politischen Preis.

° Für Trumps Wiederwahlchancen scheint der Mauerbau essentiell, schon seiner Glaubwürdigkeit halber.
° Für die Demokraten scheint es aus mehreren Gründen essentiell, in dieser Mauerbau-Frage sehr hart zu bleiben
° Für die republikanischen „rechten“ Kritikers scheint es wichtig zu sein, Trump an zu weitgehenden Kompromiss-Zugeständnissen zu hindern

So landet man eben, buchstäblich, in einem Mexican stand-off.

Das halte ich nicht für vereinfacht, sondern für sehr verzerrt ausgedrückt.
Erstens ist der Präsident halt nun mal dafür gewählt, dass er „seinen Willen bekommt“. Ist ja nicht so, dass Trump hier plötzlich um etwas völlig Unerwartetes und rein Persönliches kämpfen würde. Es geht um ein zentrales Wahlversprechen, das er nicht einfach abstreifen kann.

Zweitens ist es sicher ungut, dass diese Angestellten in „Geiselhaft“ genommen werden können, aber es ist halt nun mal so vorgesehen. Dass man Trump irgendwelche teil- oder illegalen Winkelzüge (etwa das auch schon artikulierte Ansinnen, das Budget für den Mauerbau per Notstandsverordnung zu bekommen) vorwerfen müsste, ist klar, aber die Haushaltssperre ist rechtlich völlig klar geregelt.

Jeder Dorfbürgermeister kämpft beim Aufstellen des Haushalts gegen den Gemeinderat, damit er seine Pläne umsetzen kann. Das ist Trump doch nicht vorzuwerfen, genauso wenig den Demokraten, für die die Bewilligung des Staatshaushalts halt ein wichtiges Gestaltungsmittel ist.

Gruß
F.

Wo in der amerikanischen Verfassung ist dieser Punkt zu finden?

Das zentrale Wahlversprechen war, dass Mexiko für die Mauer bezahlen würde.

Wobei ursprünglich weder die Mauer als solche noch die Bezahlung Wahlversprechen sein sollten - die Mauer war lediglich als Merkhilfe für Trump gedacht, der notorisch gedächtnisschwach ist: https://www.nytimes.com/2019/01/05/us/politics/donald-trump-border-wall.html

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Da stimme ich dir grundsätzlich zu, aber auf diese Zuspitzung (blame-game) läuft es eben hinaus.

Alleine dafür gibt’s ein Sternchen :smile:

In der US Verfassung wurde festgelegt, dass sich Kongress, Präsident und SC gegenseitig kontrollieren und eben nicht einer davon ‚seinen Willen bekommt‘, zumindest nicht so ohne weiteres. Die Wahlversprechen des Kandidaten Trump haben weder Kongress noch SC sonderlich zu interessieren.

Außerdem hat Trump seine Aussagen zur Mauer so oft geändert, dass es sehr schwer sein dürfte überhaupt zu bestimmen, was genau er vom Kongress haben möchte.

Da muss ich dir widersprechen. Der Antideficiency Act und der daraus resultierende Shutdown dient dazu, die Ausgaben der Exekutive unter Kontrolle zu halten und gibt es in der heutigen Version erst seit 1980. Dass daraus immer wieder ein Kräftemessen zwischen Präsidenten und Kongress gemacht wurde, hat wenig mit dem Grundgedanken zu tun. Außerdem handelt Trump hier ohne Not, da er es bisher offenbar nicht eilig mit seiner Mauer hatte. Mir scheint sein Handeln eher eine Reaktion auf die Wahlniederlage zu sein.

Beim Dorfbürgermeister stehen aber nicht 100.000e Existenzen auf dem Spiel, vom wirtschaftlichen Schaden ganz zu schweigen. Ich würde daher doch etwas andere Maßstäbe ansetzen.

Deiner Antwort entnehme ich, dass du im Grunde keinerlei Schuld (meinetwegen auch Verantwortung) siehst, da alle Akteure nur so handeln, wie sie handeln müssen. Stimmt das so?

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Das ist doch ganz einfach: Die Demokraten müssen ihm nur seine Mauer bewilligen, und schon wird der Shutdown beendet.

Schuldzuweisungen sind doch ganz oft nur eine Methode, eine andere Person oder Personengruppe schlecht aussehen zu lassen, oder um eine Entschuldigung dafür zu haben, diejenigen schlecht Zu behandeln.

Hier in diesem Falle will man natürlich von der eigenen Verantwortung für die Situation ablenken.
Erstaunlicher finde ich es eigentlich, dass es immerhin eine Menge Leute - wenn auch keine Mehrheit - ihm das abnehmen.

Klar und auf jeden Fall gut so, weil es Kompromisse erfordert.
Ich schrieb ja nur, dass es Trump nicht vorzuwerfen ist, dass er dafür kämpft, dass er durchkommt.

Das hat er m.W. nicht wesentlich.
Natürlich mäandert er bei dem Thema herum, dass er hier aber zwingend seine Ankündigung wenigstens ansatzweise umsetzen muss, ist ihm klar und ist auch den anderen Akteuren klar.
(Unter anderen) darum stellen ihn die Demokraten ja auch bei diesem Thema.
Denn um die Summe, die er will, gehts wohl nicht so sehr. Das ist, wenn ich richtig rechne, nur ein Tausendstel des Gesamthaushalts, und auch nur ein kleiner Bruchteil dessen, was für die Mauer zu veranschlagen wäre, für die er vollmundig „die Mexikaner zahlen“ lassen wollte.

Dass der ADA ursprünglich anders gemeint war, ist ja klar, aber seit fast 40 Jahren hat er jetzt diese Form und ist wiederholt für politische Machtkämpfe gebraucht worden.
Da ist Trump nicht sinnvoll ein „Missbrauch“ anzulasten, wie das sicher der Fall bei der Ausrufung des Notstands geboten wäre.

Nein, das missverstehst du mich, natürlich besteht Verantwortung.
Ich möchte nur keiner der Seiten eine Allein- oder auch nur Hauptschuld/-Verantwortung zuweisen.

Gruß
F.

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Ich präzisiere: … dass er versucht und auch politisch dafür kämpft, „seinen Willen zu bekommen“, sprich: seine Positionen und Wahlversprechen umzusetzen.
Das scheint mir gänzlich unstrittig.

Ach … gemeint war und ist:
… denn für Donald Trump ist die Mauerdiskussion so entscheidend wie für Obama die Diskussion um seine Gesundheitsversicherung. Es ist ein absolut wichtiges Versprechen, und es hat sich ja auch gezeigt, dass er vor Weihnachten bereit war, einen temporären Haushalt zu verabschieden, auch ohne den Mauer-Deal durch zu bekommen, er aber ein Getriebener ist von denjenigen, die aus seiner Wählerschaft ganz klar einfordern: Wir haben dich deswegen gewählt, dass du dieses Mauerprojekt umsetzt, und wir erlauben keine Kompromisse und keinen Spielraum. Das heißt, Trump ist in diesem Fall jemand, der ganz klar dieser Gruppe seiner Wählerschaft einen Gefallen schuldet. Und indem er wieder zurückgenommen hat, diese Haushaltssperre nicht durchzusetzen, hat sich ja gezeigt, dass er dort ganz klar liefern muss. Und deswegen wird er an diesem Projekt festhalten

Gruß
F.

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Au contraire!

Schon alleine die Tatsache, dass er selber den Preis für die Mauer zwischen 4 und 25 Mrd. ansetzt zeigt, dass hier schon mal grundsätzlich nichts stimmt. Dazu kommen Lügen über das Material und wer die Rechnung am Ende bezahlen soll. Jeder andere Präsident dürfte ebenfalls massive Probleme damit haben, Geld vom Kongress für ein Projekt zu bekommen, dass so vage und inkonsistent beschrieben wird.

Ich bin da ganz bei dir, dass die Summe nicht entscheident ist. Allerdings muss man beachten, dass der Bau (und da weiß niemand, was das kosten wird) nur ein Bruchteil der Gesamtkosten sein wird. So eine Mauer muss gewartet und kontrolliert werden und das wohl über Jahrzehnte. Man sollte nicht unterschätzen, welche Summen hier unter Umständen langfristig gebunden werden.

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Wer ist denn bei eine Fehde schuld? Doch wohl keiner der beiden Akteure, zumindest mittelbar. So ähnlich ist es in der Politik auch, seit Trump nur etwas offensichtlicher:
Man macht den Leuten was vor und verdient sein Geld damit. Und dann gibt es noch „Experten“, die das ganze analysieren und auch ihr Auskommen damit haben.

Im Kern müsste ein verantwortlicher Präsident, aber auch ein verantwortlicher Abgeordneter in den Kammern neutral abgewägen: Was ist wichtiger, die (bescheuerte…Verzeihung!!) Mauer oder das Wohl von ca. 800.000 Mitarbeitern und die Nichtfunktoon einiger Regierungsbehörden.

Tja, spricht ernsthaft etwas für die Mauer…?

Aus meiner Sicht nichts, aber für Trump-Anhänger offenbar:

  1. Mexiko böse gefährlich, Mauer Sicherheit
  2. Trump nimmt als einziger meine Ängste ernst
    3 Hauptsache, „die da oben“ werden von Trump gedemütigt, egal wie!
    Also: Emotionen, wenig Logik!

Abgesehen davon (das ist jetzt eine andere Ebene) wundert mich auch, dass der Punkt „Trump versprach, dass die Mauer keinen Cent kostet, da Mexiko sie bezahlen wird“ so gar keine Rolle zu spielen scheint. Wird Wortbruch anderen Politikern nicht oft mit Schaum vor dem Mund vorgehalten? Aber Trump darf das, ist eh’ nicht entscheidend, was der so blubbert…?

Karl

Certainement ! :wink:

Faktencheck:
Das, was Trump fast den ganzen Wahlkampf als Mantra wiederholt hat, ist sinngemäß: Ich werde zur Bekämpfung illegaler Einwanderung eine supergeile Mauer an der mexikanische Grenze bauen und die Mexikaner dazu bringen, dass sie das bezahlen müssen (make them pay).
Das halte ich für das Wesentliche.

Und wie stehts heute darum?:

  • Gegen illegale Einwanderung aus Mexiko tut er schon die ganze Zeit was (ob das sinnvoll und klug ist, spielt hier keine Rolle)
  • den US-Mex-CAN-Vertrag (als NAFTA-Revision), der lt. Trump u.a. dafür da sein soll, dass letztlich die Mexikaner indirekt diese Mauer zahlen, haben alle drei Staaten bereits unterschrieben (was man durchaus „schnell“ nennen kann), es fehlt die Ratifizierung. Ob diese Revision die USA überhaupt besser stellt, ist, gelinde gesagt, umstritten. Aber das bräuchte einen eigenen Thread.
  • für den Mauerbau, einen Teil davon, kämpft er gerade gegen die Demokraten. Wenn er die Mittel erhält, nimmt er sie auch dafür her. Das steht für mich außer Frage.

Ich finde daher schon, dass er an seinem Wahlkampfversprechen durchaus dran bleibt.
Dass das meiste nicht klappt, ist richtig, aber dass er es aus den Augen verlieren würde, finde ich gar nicht.
Man muss ihn m.E. für das kritisieren, was er machen will (den Mauerbau) und nicht für das, was gar nicht stimmt, nämlich dass er nur labern würde, ohne das viele Gelaber auch umsetzen zu versuchen (denn das tut er durchaus).

Völlig richtig.

Gruß
F.

Feste Positionen hatte er noch nie, und um Wahlversprechen oder gar tatsächlichen Grenzschutz geht es schon lange nicht mehr, wenn es denn jemals darum ging.

Derzeit jagt ein Skandal den nächsten (will meinen: jagt noch schneller als in den vergangenen zwei Jahren), und mit dem Shutdown, den endlosen Schuldzuweisungen in Richtung der Demokraten sowie aberwitzigen, immer panischer klingenden Twitter-Stürmen versucht Trump davon abzulenken.

Und dann ist da noch das:

Sprich: Trump blockiert die Regierung mit seinem Shutdown, damit er so tun kann, als würden die Demokraten nichts auf die Reihe bekommen - und er die Wiederwahl gewinnt.

Zumindest scheint das heute seine Absicht zu sein - bis morgen kann er schon wieder dreimal seine Meinung geändert haben, insbesondere dann, wenn er öffentlich von Ann Coulter kritisiert wird, wie das zuletzt nach seinem Pseudo-Kompromissvorschlag der Fall war.

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Mal sehen, wann Putins Nachfolger in die USA reist und in einer Rede sagt:
Господин Президент, разрушьте эту стену!

Und täglich grüßt das Murmeltier…

Genau das gleiche wurde (u.a. mit Dir) vor ein paar Tagen bereits diskutiert. Ok, Du hast das Thema umformuliert aber es wird absehbar genau zu den gleichen Argumenten führen…

Beim anderen Thread ging es um die Frage, wann der Shutdown enden wird. Hier stelle ich die Frage nach der Schuld/Verantwortung/Moral des Shutdowns. Du darfst dich natürlich auch gerne wieder beteiligen.

Hab Dir ja nicht vorgeworfen dass Du die Frage 1 zu 1 kopiert hast - aber wie Du siehst ist es genau die gleiche Debatte - was auch nicht sonderlich verwundert denn es muss ja dabei um Trump, die US-Democrats und natürlich die Mauer gehen.

Startest Du morgen ein Thread mit der Frage welche Konsequenzen der Shutdown haben wird?

Offenbar hast du FBHs Antworten nicht gelesen, die ich persönlich recht spannend fand. Schon alleine dafür hat sich für mich das Topic hier gelohnt.

Das kann ich jetzt noch nicht sagen, da es imho noch zu wenig Daten für eine einigermaßen sichere Prognose gibt.

Du bist übrigens noch immer herzlich eingeladen, dich an dem Thema hier zu beteiligen. Dann hätten wir ja vielleicht eine andere Debatte…

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Es gibt hier nur zwei zentrale Unterschiede zu Obama und seiner Gesundheitsreform:

Der eine Unterschied ist, dass die Mauer rein symbolischen Charakter hat. Sie tut nichts, wirklich nichts für die Sicherheit an der Grenze und die tatsächlichen Probleme. Wenn es um diese Sicherheit geht, müsste man Geld an ganz anderer Stelle investieren. Das wollen die Demokraten übrigens. Allerdings stellen Sie das - dumm wie sie sind - gar nicht ausreichend raus.

Der andere Unterschied ist, dass Obama zur Durchsetzung seines Ziels zu Kompromissen an anderer Stelle bereit war, als er die Zustimmung der Republikaner brauchte. Trump sieht überhaupt nicht ein, Kompromisse dieser Art anzubieten. Der eine, den er angeboten hat, nämlich den Dreamern für ein paar Monate wieder entgegen zu kommen, ist keiner, weil ihm da ja schon die Richter in die Parade gefahren waren und er nur anbietet, etwas zu tun, was er derzeit eh tun muss. Abgesehen davon enthält sein „Kompromissvorschlag“ sogar eine weitere Verschärfung des Asylrechts. Kompromiss - zumindest das, was man landläufig so unter dem Begriff versteht, wenn man nicht Trump heißt - ist etwas anderes.

Immerhin haben die Demokraten angeboten, das Ganze erst einmal für ein paar Wochen aufzuschieben, um die Auswirkungen kleiner zu halten. Hat Trump keinen Bock drauf. Stattdessen gefährdet er akut die Sicherheit des Landes, was das Ganze noch bescheuerter macht.

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