Schule in der DDR

Hi,

das erklärt einiges von dem, was ich nicht wußte, vergaß zu schreiben bzw. warum hier an anderer Stelle geschrieben wurde, man wäre schon mit der 9. Klasse auf die EOS gegangen.

die Franzi

Hi,

na aber… jetzt werd ich rot :frowning:

die Franzi

Hi Franzi!

diese Russischschulen gab es definitiv

Das habe ich nie angezweifelt; ich meinte nur, ich könne mir das Auswahlverfahren nicht vorstellen.

Auswahl traf man aufgrund (denke ich) der Noten, und besonders
der sprachlichen Leistungen. Wir mussten ja schon ab der 1.
Klasse kursiv schreiben, mit Federhalter und orthographisch
korrekt. Druckbuchstaben schreiben gab es nicht. Da kann man
dann Anfang / Mitte der 2. Klasse schon entscheiden, wer
sprachbegabung hat.

Erkennt man Sprachbegabung an der Schönschrift? Oder ist es ein Indiz für (Fremd-)Sprachbegabung, in seiner Muttersprache orthographisch korrekt zu schreiben?

Ich kann mir eben wirklich nicht vorstellen, woran man in der zweiten Klasse erkennen kann, ob ein Schüler besonders gut Russisch und andere Fremdsprachen lernen können wird. Ich wusste ja nicht einmal in der vierten, dass mir das liegt; sonst wäre ich eventuell auf ein sprachbetontes Gymnasium statt auf ein musikbetontes gekommen.

Liebe Grüße
Immo

Ende der 70er war es - zumindest in Berlin - so, dass die „Auserwählten“ nach der 8. Klasse an die EOS wechselten und dort nach der 12. Klasse das Abi machen konnten. Alle anderen Schüler - bis auf wenige sehr leistungsschwache - gingen bis zur 10. auf die POS.

Hallo!

In meinem schönen Schulgeschichtebuch steht, dass man irgendwann dazu übergegangen ist, die Leistungsfähigsten schon in der 9. Klasse zusammenzufassen, um sie auf den EOS-Übertritt vorzubereiten. Vielleicht war das bei Florestino so, dass das dann eben auch einen Wechsel in das Gebäude der EOS mit sich zog?

LG, Sarah

Guten Abend!

Erst mal danke für deine ausführliche Antwort *Sternchen verteil*.

Ich lerne gerade für meine Prüfung in Allgemeiner Pädagogik.
Das Thema ist die Geschichte der Schule.

Reine Neugier meinerseits: Und was passiert, wenn Du
Kenntnisse von hier verwendest, die Deine Prüfer nicht haben?
:wink:
Folgt dann ein ideologisches Kolloquium? :wink:

Das ist eine interessante Frage. Da der Hauptprüfer selbst aber das Buch geschrieben hat, mit dem wir lernen und außerdem in diesem Buch im Kapitel zu den neuen Bundesländern ausführlich bedauert, dass das DDR-System nicht erhalten blieb, nehme ich an, dass er über deutlich mehr Informationen verfügt, als er in einem 124 Seiten starken Buch unterbringen kann, zumal diese 124 Seiten eine komplette Reise durch die Geschichte der Schule vom alten Ägypten bis ins 21. Jahrhundert unterbringen kann. Und der Zweitprüfer ist ein Gymnasiallehrer, wird also ohnehin nicht viel sagen.

Da habe ich noch ein paar Fragen zur DDR.

Zunächst eine wichtige Vorbemerkung: Deine Fragen sind nicht
unbedingt leicht zu beantworten, weil die Schule in der DDR
verschiedene Phasen durchlief, wie ebenfalls das
gesellschaftliche Leben in der DDR.

Also was ich schon internalisiert habe, ist, dass 1946 eine 8jährige Einheitsschule gegründet wurde, auf die die 4jährige EOS aufbaute. Dann kam, wenn ich mich nicht irre, 1959 die 10jährige EOS. Da stand auch, dass die Lehrpläne immer mal wieder reformiert wurden, aber sonst nix Genaues.

Dies ist vor allem in der heutigen Wahrnehmung der DDR meiner
Meinung nach ein großes Problem, wo viele Leute Schiffbruch
erleiden. Die DDR am Ende der 80er ist eine völlig andere DDR
gewesen, als die, die ich in meiner Kindheit, Jugend und im
frühen Berufsleben erlebte. Wenn Du halbwegs etwas vom
Schulsystem der DDR verstehen willst, mußt Du immer dran
denken, daß es d i e Feststellung nicht gibt. 1949-1989 floß
viel Wasser die Elbe hinunter.

Ja, genauso wie in der selben Zeit viel Wasser die Donau runterfloss :wink:. Ich weiß, dass sich viele Leute das sehr statisch vorstellen, aber wenn man überlegt, dass sich die BRD auch stark verändert hat, müsste man daraus eigentlich logisch schließen können, dass es in der DDR genauso war.

  1. Es gab ja diesen polytechnischen Unterricht an der POS.
    Ab welcher Klassenstufe war das denn und wie genau hat das
    ausgesehen? Ich kann mir darunter relativ wenig vorstellen.

Der grundlegende Schultyp in der Einheitsschule hieß deshalb
„polytechnische Oberschule“, weil polytechnischer Unterricht
eine der Leitideen war. Polytechnik wurde seit 1959 von der
1.-12. Klasse gelehrt und umfaßte ein System mehrerer
Fächer
.

Und Oberschule hieß sie, um auszudrücken, dass sie besser war als die Volksschule.

Wenn Du willst, kann ich Dir die Inhalte der Lehrgänge
ausführlich hinschreiben.

Danke, aber ich glaube, das ist nicht nötig. Jetzt kann ich mir wenigstens vorstellen, worum es dabei ging, es war mir nämlich völlig unbegreiflich, ich kenne ja sowas gar nicht.

Man könnte es in bezug auf die Universität von „kleiner
Studienarbeit“ sprechen. Über die individuelle wpA mußte jeder
Schüler eine Facharbeit anfertigen und verteidigen. Die
Aufgabenstellung und die Benotung erschienen auf dem
Reifezeugnis.

Okay, also ist das quasi so ähnlich wie bei uns in Bayern die Facharbeit?

wpA wurde explizit zur Vorbereitung auf das Hochschulstudium
und zur Vertiefung des selbständigen Arbeitens konzipiert.

Das Gegenstück zur wpA in der „Berufsausbildung mit Abitur“
war die wpT, die „wissenschaftlich-produktive Tätigkeit“.

Wie lief das denn? Also wie schafft man das, eine Berufsausbildung und Abitur gleichzeitig zu machen? Ich weiß, dass das dann ein Jahr länger gedauert hat, aber das muss doch ziemlich stressig gewesen sein…

LG, Sarah

Das halte ich für ziemlichen Blödsinn.
Ich kenne eine Reihe von Beispielen, wo Eltern und Kinder
studiert haben - und keiner von denen war übertrieben DDR-nah.
Selbst der oh so unterdrückte Herr Gauck durfte in der DDR
studieren.

Besonders eifrige Sozialismusanhänger wie Angela Merkel konnten auch Abitur machen und studieren, selbst als Kirchenangehörige.

Noch ein Wort zu den Russisch-Schulen. Diese verstanden sich
schon als Elite-Schulen und der Zugang war eingeschränkt und
hing vom Notendurchschnitt und (in meinem Fall leider) von den
Kopfnoten ab.

Es gab ja noch Spezialschulen für mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer und Sportschulen. Das war dann die besonders geförderte Eliteschule.

Hallo,

Reinerlein hat ja schon einen hervorragenden Bericht geliefert, der langsam auch meine Gehirnzellen (in denen diese Zeit gespeichert ist) wieder anregt (1970-90).

z.Z. kurz vor der Wende, war es generell, das jeder die POS bis zur 10 Klasse besuchte und erst dann wurde getrennt.
War man begabt, konnte in der 4./5. Klasse gewechselt werden (Musik-,Sprach-, Sportschule). Allerdings hatten die Eltern ein Wort mit zureden. Daher kann ich heute auch kein Klavier spielen. :smile:))
EOS und Lehre gingen dann zwei Jahre und die Lehre mit Abitur ging 3 Jahre.

Getrennt bedeutet aber, dass man sich als Jugendlicher schon in der 9.Klasse im klaren war, in welche Richtung es ging.
Meist hatte man mit Beginn 10.Klasse, den Lehrvertrag (nicht in der Hand, aber als Zusage bei bestandener Prüfung).

Glaub mir eins, was ich von der DDR später hörte, brachte Unverständnis in mir.
Allerdings, als ich verstand, das unser Direktor ein Mensch war und Dinge, die in vielen DDR Schulen verboten waren (West Jeans, Pelikan-Füller, Aufkleber, Plastiktüten mit Werbung aus dem Westen) respektierte, weiss ich, dass es an der Leitung der Schulen lag.

VG, René

Hallo

  1. Wie war das mit diesen Spezialschulen? Es gab sie für Sport
  • wie das funktioniert hat, ist klar.

Das ist Dir klar? Soweit mir (von meiner Mutter) berichtet
wurde, gingen in der zweiten Klasse irgendwelche Leute durch
und suchten sich besonders leistungsstarke Kinder aus, die
dann die fachbetonte Förderung erhielten. (Da kam man auch
schnell wieder raus, wenn sich die Leistung doch nicht wie
erwartet entwickelte, meine Mutter ist jedenfalls bald von der
Mathe-Schule wieder runter.)
Im Sportunterricht werden dann wohl die Sportlichsten zur
Förderung ausgewählt.

Hierzu kann ich dir aus eigener Erfahrung einiges berichten.
Klar sind Trainer in die Schulen gegangen und haben talente gesucht.
Diese sind dann aber erstmal in Trainingszentren bzw. Vereine gekommen.
Dort haben sie dann ne Weile trainiert und dann wurde man bei Wettkämpfen u.s.w. von der Trainern der Kinder - und Jugendsportschule angesprochen.
Wir in der Leichtathletik hatten sogar richtige Ausscheidungswettkämmpfe, um auf die KJS zu kommen.

Viele haben schnell selber das Handtuch geworfen, weil es doch sehr streßig war, Schule und Sport unter einen Hut zu bekommen.
Manche mussten aber auch wieder aufhören, weil die sportliche Entwicklung einfach nicht die war, die sich die Trainer wünschten.

LG Manuela

Hallo,
ich will versuchen dir einige Fragen zu beantworten.

Hallo!

Ich lerne gerade für meine Prüfung in Allgemeiner Pädagogik.
Das Thema ist die Geschichte der Schule. Da habe ich noch ein
paar Fragen zur DDR.

  1. Es gab ja diesen polytechnischen Unterricht an der POS. Ab
    welcher Klassenstufe war das denn und wie genau hat das
    ausgesehen? Ich kann mir darunter relativ wenig vorstellen.

Hier gab es ja schon tolle und umfangreiche Antworten. So dass mir dazu auch nichts weiter einfällt.

  1. Wie war das mit diesen Spezialschulen? Es gab sie für Sport
  • wie das funktioniert hat, ist klar. Aber wie war das mit den
    anderen Spezialschulen für Fremdsprachen, Mathe, Technik und
    Kunst? Wie kam man da rein? Was war da anders als auf der POS?

Du schreibst, dass mit dem Sport ist dir klar. Ich war auf solch einer Schule und würde gerne von dir wissen, was du darüber weißt und dann noch hinzufügen.
Bei den Sprachen gab es Russischschulen, wo schon ab Kl. 3 russisch gelernt wurde. Zu meiner Zeit wurden kluge Kinder ausgewählt und denen wurde angeboten, dorthin zu wechseln.

Ab Kl. 9 gab es auch besondere Sprach Oberschulen ( EOS) wo noch eine 3 bzw. wer wolte 4. Fremdsprache gelehrt wurde.
An diesen hat man sich „beworben“ und wurde dann aufgenommen oder nicht. Gute Noten in den anderen Fächern waren natürlich Vorraussetzung.

In den anderen Richtungen war es ebenso.

  1. Die Lehrerbildung war besonders praxisnah, aber wie sah das
    aus? Gab es da besonders viele Praktika? Oder war man
    regelmäßig in der Schule?

Hier kann ich nur zur Ausbildung der Unterstufenlehrer etwas sagen ( was heute Grundschule ist)
Wir wurden alle in der Fächern mathe, Deutsch und Heimatkunde (ähnlich Sachkunde) und einem Wahlfach ausgebildet. Wahlfächer waren: Sport, Kunst, Werken, Musik und Schulgarten.
Dazu gab es noch die Ausbildung zum Horterzieher.

In jedem Fach hatten wir Methodikunterricht und den üblichen Mathe …kram.
Für das Wahlfach war immer sehr intensive Ausbildung. Je Semester eine Sportart, wie turnen, Gymnastik, schwimmen, kleine Spiele, Leichtathletik, Handball, manche auch länger.

In den Methodikstunden waren wir oft an Schulen und gaben dort „Probestunden“
Ansonsten hatten wir ein „kleines Schulpraktikum“ von 6 Wochen und ein „großes Schulpraktikum“ von 4 Monaten.

Ich denke, so sind wir in den Fächern gezielt ausgebildet worden und mußten nichts halbes machen, weil ja die Lehrer heute alles lernen und können müssen.

Hoffe dir etwas geholfen zu haben.

Vielen Dank im Voraus für eure Antworten.

Gern geschehen

LG, Sarah

LG Manuela

Es wurden alle durchgesehen und dann festgelegt, wer für welche Sportart geeignet ist. Das stand auf dem Zettel mit Zeit und Datum vom Training. Später wurde mehr ausgewählt.

Hi,

ich weiß nicht, wie die das gemacht haben. Aber ich sehe schon Ansatzpunkte: Bei mir im Unterricht sind auch immer die gut, die in Deutsch gut sind.Sprachbegabung erstreckt sich auch auf die eigene Muttersprache. Sprachbegabung äußert sich überhaupt in der Fähigkeit, sich ausdrücken zu könne, bzw. gesprochene und geschriebene Texte zu verstehen. Insofern helfen auch Beobachtungen aus anderen Fächern. Und wie schon gesagt, ging es im Unterricht in der DDR schneller voran im Stoff, also gab es bereits im Deutschunterricht mehr Beobachtungsgrundlagen.

die Franzi

Hi,

vergiss aber nicht, dass der Zweitprüfer ein Fragerecht hat (und das mit Sicherheit auch wahrnehmen wird). Bei der Konstellation von Prüfern würde ich mich auf eine kritische Frage aus seiner Richtung einstellen. Etwas, dass die humanistische Bildung in den Vordergrund stellt, oder auch schaut, inwieweit auch im bundesdeutschen Bildungssystem Berufsorientierung eingebaut ist (berufspraktika, in Bayern gibt es die duale Berufsausbildung und Fachhochschulreife - das ist in etwa das, was in der DDR die Berufsausbildung mit Abitur war)

Das Gegenstück zur wpA in der „Berufsausbildung mit Abitur“

war die wpT, die „wissenschaftlich-produktive Tätigkeit“.

Wie lief das denn? Also wie schafft man das, eine Berufsausbildung und Abitur gleichzeitig zu machen? Ich weiß, dass das dann ein Jahr länger gedauert hat, aber das muss doch ziemlich stressig gewesen sein…

Ich denke, du meinst die Berufsausbildung mit Abitur? Das ist eine stressige Angelegenheit. Aus DDR-Zeiten kenne ich das nicht aus eigenem Erleben. In Bayern gibt es die DBFH, duale Berufsausbildung mit Fachhochschulreife. Dauert ein Jahr länger als die Berufsausbildung, das letzte Jahr ist nur Schule (das, was auch die Leute an der BOS machen, aber die beenden erst ihre Berufsausbildung und kommen danach zur BOS). Klar kommt man da nicht annähernd an das ran, was ein Gymnasiast kann, aber es gibt ja auch „nur“ die Fachhochschulreife.

die Franzi

Hallöle.

  1. Wenn man nach der 8. Klasse abgegangen ist, was für Berufe
    konnte man denn dann erlernen? In meiner Literatur steht nur,
    dass man nur eine begrenzte Auswahl hatte, aber nicht, was zur
    Auswahl stand.

Die gültigen Ausbildungsberufe wurden in der „Systematik der Ausbildungsberufe“ festgelegt und mit Hilfe von Durchführungsbestimmungen gepflegt.

Ich habe in meinen alten Dokumenten gesucht, doch leider sind diese Unterlagen ziemlich kaputt und unvollständig. Ein paar Beispiele konnte ich noch entziffern:

Ausbaumaurer
Baumaler
Bäckereifacharbeiter
Bergbaufacharbeiter
Betonierer
Betriebsschlosser
Bindemittelfacharbeiter
Dreher
Druckereifacharbeiter
Emaillierer
Eisenbahntransportfacharbeiter
Elektromontierer
Facharbeiter für maschinelle Blechumformung
Facharbeiter für Pflanzenbau
Facharbeiter für Schafproduktion
Facharbeiter für Schutzanstriche
Facharbeiter für Sintererzeugnisse
Facharbeiter für Viehwirtschaft
Fernmeldehandwerker
Fischverarbeiter
Fleischer
Fleischverarbeiter
Fräser
Fahr- und Freileitungsmontierer
Gartenbaufacharbeiter
Gerber
Getreidefacharbeiter
Glasfacharbeiter
Gleisbaufacharbeiter
Grobkeramwerker
Hafenfacharbeiter
Hobler
Holzfacharbeiter
Hüttenwerker
Kabelmechaniker
Kaliaufbereiter
Keramfacharbeiter
Koch
Kokillengießer
Maschinenformer
Metallaufbereiter
Metallschleifer und -polierer
Molkereifacharbeiter
Montageschlosser
Museumskraft
Papiererzeuger
Papierverarbeiter
Plast- und Elastfacharbeiter
Postfacharbeiter
Schiffbauschlosser
Schleifer
Schmiedeanlagenbediener
Schuhfertiger
Schuhreparateur
Straßenbauer
Süßwarenfacharbeiter
Tabakfacharbeiter
Tiefbauer
Uhrenmechaniker
Verkäufer (Kaufhalle)
Walzwerker
Warenbeweger
Wasserbaufacharbeiter
Wäschereifacharbeiter
Wirtschaftspfleger

Ich will hier jetzt nicht zuweit ausholen. Aber die Berufsausbildung der DDR gliederte sich nach der Auflösung der dualen Berufsausbildung in:

  • Grundberufe

  • Facharbeiterberufe

  • Teilberufe

Insgesamt gab es in der DDR etwa 300 Berufe, wovon 140 Teilberufe darstellten und für Abgänger der 8. Klasse zugelassen wurden. Es handelte sich um klassische Gehilfenberufe sowie Berufe mit starker körperlicher oder sich wiederholender manueller Tätigkeit. In der Systematik der Ausbildungsberufe bildeten die Teilberufe die Gruppe III.

Da wir in den Erziehungsbrettern so gut wie nie über die Berufsausbildung sprechen, vergesse ich oft einen der wichtigsten Aspekte des Bildungssystems der DDR: Das System wurde so konstruiert, daß kein Bildungsweg in einer Sackgasse endete. In der Schule spielte dies nur eine untergeordnete Rolle, doch im Berufsalltag war das allgegenwärtig und überaus wichtig. Man konnte mit jeder Qualifikation irgendwas Beßres machen - Staat und Betriebe förderten die Weiterqualifizierung ungemein.
Heutzutage ist es genau umgekehrt: Das Bildungssystem besteht letztlich vorwiegend aus Sackgassen. Wege, die viele Optionen offenhalten, sind in der Minderzahl. Das beste Beispiel sind die immer wiederkehrenden Sorgen, wie man das Abitur nachholen könnte

In der BRD ist es leider zur Gewohnheit geworden, Schwierigkeiten auf das Individuum umzulegen und anschließend dem Individuum die Schuld zu geben, wenn es schiefgeht. In der DDR hingegen wurden die Bildungswege abgestimmt, so daß sich wirklich jeder immer noch weiterqualfizieren konnte, ohne wie auf Gleisen festzustecken oder durch Geldsorgen eingeschränkt zu sein. Je nach Voraussetzungen dauerten solche Maßnahmen; manche manche brauchten mehrere Anläufe, manche investierten viel Mühe, doch es ging irgendwie. Der Staat wurde auch selbst aktiv und schlug einem Arbeiter Kurse oder Lehrgänge vor, die er vielleicht nicht kannte oder vor denen er zögerte, weil er vielleicht nicht wußte, wie der Kurs genau funktioniert.

Die Erwachsenenbildung war einer der Schlüssel zur Aktiviertung der „Unterschicht“ in der DDR, der heutzutage völlig fehlt.

Und ein kleines Mosaiksteinchen davon ist der Teilberuf gewesen. Die Ausbildungsdauer betrug entweder mehrheitlich 3 Jahre und enthielt neben der beruflichen Ausbildung zusätzliche Kurse für die Allgemeinbildung, um die Schulabgänger und Hilfsschüler dem Niveau der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule zu nähern. Auch später wurden die Facharbeiter mit Teilberuf immer wieder angesprochen, ob sie nicht noch den Abschluß der 10. Klasse nachholen wollen, manche wurden sogar (mit guten Absichten) verdonnert. Ich z.B. tat dies mehrfach mit mir unterstellten Teilfacharbeitern.

Über die Teilberufe kann man natürlich geteilter Meinung sein.

Klar ist, daß sie ein Behelf gewesen sind für die, die mit der POS und der anspruchsvollen Berufsausbildung nicht Schritt hielten und beschäftigt werden sollten.

Klar ist aber auch, daß die Teilberufe gesellschaftliche und berufliche Teilhabe ermöglichten. Die unterprivilegierten Jugendlichen und Erwachsenen hatten eine (einfache) Arbeit und die Chaoten, Schwererziehbaren und Leichtkriminellen hatten Raum zur Entfaltung und Gelegenheiten, sich im Leben zu bewähren - vielleicht etwas, das sie in der Schule wegen Überforderung nicht erlebten oder aus Desinteresse verpaßten.

Der Teilberuf bot definitiv Aufstiegschancen und Chancen zur Korrektur unglücklicher Lebensläufe für viele Menschen, die z.B. in unserer heutigen Gesellschaft gnadenlos abgehängt und dafür von den vermeintlichen Eliten verhöhnt, beleidigt und erniedrigt werden.

Ich habe es als Ingenieur oft genug erlebt, daß die, die in der polytechnischen Oberschule hinten runterfielen, später durch den Teilberuf und gute Leistungen im Beruf (die auch wertgeschätzt wurden!), Blut leckten, dann den Schulabschluß nachholten und schließlich eine Berufsausbildung im vollen Beruf machten - mit staatlicher Förderung (Lohnausgleichszahlung bei Weiterbildung, kurze Wege auf Grund der Verteilungsdichte der Bildungseinrichtungen, individualisierte Kurse etc.).

Aus diesem Grund wurden die Bezeichnungen für die Teilberufe denen der vollwertigen Berufe nachempfunden. Die Teilberufe sollten nicht diskriminieren und nicht diskriminiert werden, d…h auf der einen Seite nicht schon vom Namen her wie ein einfacher Beruf aussehen und auf der anderen Seite den Teilfacharbeitern den Eindruck vermitteln. nicht weit weg von den vollen Facharbeiter zu sein.

Ich schätze, die meisten Leser haben bei obiger Liste falsche Vorstellungen im Kopf.

Ein „Aufbaumaurer“ (8. Klasse) war eben kein „Maurer“ (10. Klasse).

Kurze Gegenüberstellung in Tabellenform:

Teilberuf, 8. Klasse Beruf, Kl.10 / BmA


Dachinstandsetzer Dachdecker
Dreher Zerspanungsfacharbeiter für Drehen
Warenbeweger Facharbeiter für Umschlag u. Lagerung
Schiffbauschlosser Schiffsbetriebsschlosser
Bäckereifacharbeiter Backwarenfacharbeiter
Betonierer Betonwerker
Betonierer Betonbauer
Elektromontierer Elektromonteur
Fahr- u. Freileitungsmontierer Energieanlagenmonteur
Wasserbaufacharbeiter Facharbeiter für Wasserbau

Ich glaube, diese semantischen Feinheiten sind der Grund, warum einige Menschen im Westen mit der Ausbildung im Osten schlechte Erfahrungen gemacht. Sie hörten die Bezeichnung, assoziierten das mit irgendwelchen Entsprechnungen des westdeutschen Systems, verstanden aber die Unterschiede nicht und wunderten sich dann…

reinerlein

Guten Abend.

Ich bin immer noch etwas eingespannt und muß durcheinander kommentieren, d.h. zuerst das, was recht schnell geht. :smile:

  1. Wie war das mit diesen Spezialschulen?
    Spezialschulen für Fremdsprachen, Mathe, Technik und Kunst?
    Wie kam man da rein? Was war da anders als auf der POS?

Die Zulassung auf die Spezialschulen erfolgte mittels Aufnahmeprüfungen und Gesprächen - beides wurde dem Verantwortungsbereich der Schule übertragen. Gute und sehr gute schulische Leistungen galten als notwendige Voraussetzung.

In die Spezialschule konnte man nur bei einer einzigen Gelegenheit aufgenommen werden, nämlich wenn in dem Alter, in dem die Spezialschule begann. Ein späterer Wechsel ist nicht möglich gewesen.

Beispiel: Die Russischschulen begannen ab der 3. Klasse. Kinder, die zu diesem Zeitpunkt nicht aufgenommen wurden, hatten auch später keine Möglichkeit.

Nach unten herrschte jedoch hunderprozentige Durchlässigkeit, d.h. wer keine zufriedenstellenden Leistungen erbrachte, mußte die Spezialschule verlassen und wieder eine normale POS besuchen. Darüber hinaus wurde der freiwillige Abgang gestattet.

Talentierte oder hochbegabte Schüler, die eine Teilleistungsschwäche hatten, durften keine Spezialschule besuchen.

Wie unterschieden sich die Spezialschulen von den normalen Schulen?

  1. Spezialschulen vermittelten in der Vertiefungsrichtung und erheblich gesteigerte Spezialbildung.

  2. Grundsatz: „Voraussetzung jeder Spezialbildung ist hohe Allgemeinbildung“

Spezialschulen mußten die Lehrpläne der polytechnischen Oberschule in sämtlichen Fächern voll erfüllen. In den Spezialfächern taten dies die Spezialschulen ohnehin mit Leichtigkeit, aber in den sonstigen Fächern durfte von den national einheitlichen Bildungsstandards der POS keinesfalls nach unten abgewichen werden.

Kurzformel: Spezialschule = POS + Spezialbildung

  1. Die Spezialbildung äußerte sich in den Vertiefungsfächern durch
  • hohe Stundenzahlen

  • mehr Lehrstoff

  • zahlreiche Sonderkapitel im Lehrstoff

  • schnelles Unterrichtstempo

  • mehr fachübergreifenden Unterricht

  • öfter stattfindende Gruppen- und Projektarbeit

  • besondere Möglichkeiten in der außerunterrichtlichen Tätigkeit

  • verschärfter Anspruch in bezug auf die Beherrschung der Inhalte und des Anwendenkönnens

  • strengere Bewertung

  1. Geringere Klassenfrequenzen

  2. Spezialschulen konnten Internatsschulen sein.

  3. Der Wehrdienst entfiel sehr oft völlig oder wurde mindestens drastisch reduziert.

  4. Spezialschulen kooperierten vielfach mit Universitäten.

  5. Man erhielt bevorzugten Zugang zu bestimmten Studienfächern.

Mit Ausnahme der Russischschulen blieben Dokumente und Verordnungen, die den Lehrbetrieb der Spezialschulen regelten, ohne Veröffentlichung auf der Ebene „nur für den Dienstgebrauch“.

Schule mit erweitertem Russischunterricht

Russischschulen setzten ab Klasse 3 ein, so früh wie keine andere Spezialschule.

Zulassung:

  • Zensurenstand Ende der 2. Klasse mindestens 1,9

eingebezogen wurden in die Berechnung alle Zeugniszensuren:
Lesen, Schreiben, Rechtschreibung und Grammatik, mündlicher und schriftlicher Ausdruck, Heimatkunde, Mathematik, Werken, Schulgarten, Kunsterziehung, Musik, Turnen

berücksichtigt wurden auch die Zensuren Betragen, Fleiß, Mitarbeit, Ordnung

  • positive Einschätzung des Leistungsvermögens durch die Klassenlehrerin

  • Gespräch der Eltern mit dem Direktor der Russischschule

Der in Klasse 3 beginnende Russischunterricht umfaßte 5 Wochenstunden vollausgebaute Sprachkunde auf dem Niveau der Klasse 5. Später wurde immer wieder in den anderen Fächern streckenweise auf Russisch unterrichet, z.B. in Mathematik oder in Erdkunde.

Gegen Ende der 10. Klasse wurde die Abiturprüfung in Russisch abgelegt. Hierbei galt eine strengere Bewertungsrichtlinie als für die Prüfung auf der EOS. Ab Klasse 7 mußte obligatorisch eine 2. Fremdsprache (meistens Englisch) besucht werden. Beim Fremdsprachenunterricht in Russisch und Englisch zog man einen 2. Lehrer hinzu, teilte die Klasse und schuf für 1 Lehrer Gruppen von 6-10 Schülern.

Der Direktor der Russischschule durfte des weiteren mehr Lehrerstunden für die Hausaufgabenhilfe im Schulhort vorgeben.

Die Unterrichtsmenge und -verteilung:

Gegenüberstellung der amtlichen Stundentafeln POS u. Russischschule 1961


 polytechnische Oberschule polytechnische Oberschule
 mit erweitertem
 Russischunterricht

 Kl. 3 4 5 6 7 8 9 10 ∑ 3 4 5 6 7 8 9 10 ∑ 
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

Deutsch 14 16 7 6 5 5 5 4 62 12 13 8 6 4 4 4 4 55
Russisch - - 6 5 4 3 3 3 24 5 5 6 6 6 6 5 5 44
2. Fremdsprache - - - - - - - - 0 - - - - 4 4 3 3 14 
Mathematik 6 6 6 6 6 5 5 5 45 6 6 6 6 6 5 4 4 43 
Physik - - - 3 3 3 3 4 16 - - - 3 2 2 3 3 13
Chemie - - - - 2 3 3 4 12 - - - - 2 2 3 3 10
Biologie - - 3 2 2 2 2 2 13 - - 3 2 2 2 2 1 12
Erdkunde - - 2 2 2 2 2 1 11 - - 2 2 2 2 1 1 10
Astronomie - - - - - - - 1 1 - - - - - - - 1 1
Werken 1 2 2 2 - - - - 7 1 2 2 2 - - - - 7
Nadelarbeit 1 1 - - - - - - 2 1 1 - - - - - - 2
TZ - - - - 1 1 1 1 4 - - - - - 1 1 1 3
UTP - - - - 3 4 4 4 15 - - - - 3 4 4 4 15
Geschichte - - 1 2 2 2 2 2 11 - - 1 2 2 2 2 2 11
Stabü - - - - - - 1 2 3 - - - - - - 1 2 3
Kunst 1 1 1 1 1 1 1 - 7 1 1 1 1 1 1 1 - 7
Musik 1 1 1 1 1 1 1 1 8 1 1 1 1 1 1 1 1 8
Turnen 3 3 3 3 2 2 2 2 20 2 2 2 2 2 2 2 2 16
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

∑ 27 30 32 33 34 34 35 36 261 29 31 32 33 37 38 37 37 274

In den Fächern, die im Vergleich zur POS mit weniger Wochenstunden unterrichtet wurden, erwartete man von den Schülern, daß sie diese Reduzierungen durch gesteigerte Eigeninitiative und ein paar mehr Hausaufgaben kompensierten.

Die Anforderungen für die schriftlichen Abschlußprüfungen Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaft entsprachen denen der POS, es wurde die gleiche Prüfung geschrieben. Mündlich mußte ebenfalls das Minimum von 2 Fächern absolviert werden, zusätzlich noch Russisch und sehr oft die 2. Fremdsprache.

Das Ziel der Russischschulen ist die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium mit Auslandsaufenthalt in der Sowjetunion bezieungsweise das Studium zum Diplomlehrer für Russisch gewesen. Die EOS-Zulassungsquote lag für Russischschulen viel höher: Von der POS durften in den jeweiligen Klassen höchstens 2-3 Schüler auf die EOS wechseln, während für Russischschulen 7-8 Plätze zur Verfügung standen.

Nebenbemerkung 1: Das Max-Planck-Institut beurteilte die Fremdsprachenkonzeption der Russischschulen in seinen Untersuchungen 1990-92 positiv, trotzdem wurden die Schulen abgewickelt.

Nebenbemerkung 2: 1962-1964 untersuchte das Deutsche Pädagogische Zentralinstitut in einer Studie, wie gut der Sprachenerwerb der Russischschulen tatsächlich gewesen ist. Die Forscher DZPI sollten des weiteren feststellen, ob und wie dieses Konzept auf alle polytechnischen Oberschulen der DDR ausgedehnt werden könnte.

Ergebnis: Der frühe Fremdsprachenunterricht wurde gelobt. Besonders die mündliche Sprachleistungen seien „sehr gut“ gewesen. Die Empfehlung lautete, dieses Modell so schnell wie möglich und ohne Beschränkungen auf alle Schulen in der DDR zu übertragen. Warum wurde das offensichtlich nicht realisiert? Die Antwort: Lehrermangel, Ressourcenknappheit und die Perspektive, daß über Jahre nicht genug Russischlehrer auszubilden waren. Ulbricht schrieb in einer kleinen Mitteilung zurück: „Das ist etwas für die 1970er.“. Margot Honecker sah jedoch später keine Notwendigkeit für einen solchen Fremdsprachenunterricht…

Erweiterte Oberschule mit erweitertem Russischunterricht

Wie man im Stundentafelvergleich (s. unten) sieht, handelte es sich um ein obsoletes Modell. Die Einführung der polytechnischen Oberschule 1959 und deren 10 Klassen sorgte für ein Nebeneinander von Russischschule und Russisch-EOS. Dies rührte von den Strukturen her, die vor 1959 Gültigkeit besaßen (1.-8. Klasse Grundschule + 9.-12. Klasse Oberschule).

Deswegen wurde die erweiterte Oberschule mit erweitertem Russischunterricht nach und nach ab Mitte der 60er abgeschafft und in Form von Spezialklassen ins Modell der zweijährigen EOS integriert.
„Spezialklasse mit erweitertem Russischunterricht“ lautete die Bezeichnung. Diese Klassen wurden praktisch immer auf besonderen EOS - „Erweiterten Oberschulen mit verstärktem Fremdsprachenunterricht“ - geboten.

Gegenüberstellung der amtlichen Stundentafeln EOS u. Russisch-EOS 1961

A-Zweig: neusprachlich


 erweiterte Oberschule erweiterte Oberschule
 mit erweitertem
 Russischunterricht

 Kl. 9 10 11 12 ∑ 9 10 11 12 ∑ 
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

Deutsch 4 4 4 4 16 4 4 4 4 16
Russisch 5 3 3 3 14 5 5 5 5 20
2. Fremdsprache 5 4 4 4 17 6 4 4 4 18
3. Fremdsprache - 4 5 5 14 - 4 5 5 14
Mathematik 3 3 3 3 12 3 3 3 3 12
Physik 2 2 2 1 7 2 2 2 1 7
Chemie 2 2 2 1 7 2 2 2 1 7
Biologie 1 1 1 2 5 1 1 1 2 5
Erdkunde 2 1 1 - 4 2 1 1 - 4
Astronomie - - - 1 1 - - - 1 1
TZ 1 1 - - 2 1 1 - - 2
UTP 4 4 4 4 16 4 4 4 4 16
Geschichte 2 2 2 3 9 2 2 2 3 9
Stabü 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Kunst 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Musik 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Turnen 2 2 2 2 8 2 2 2 2 8
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

∑ 36 36 36 36 144 37 38 38 38 151




Gegenüberstellung der amtlichen Stundentafeln EOS u. Russisch-EOS 1961

B-Zweig: mathematisch-naturwissenschaftlich


 erweiterte Oberschule erweiterte Oberschule
 mit erweitertem
 Russischunterricht

 Kl. 9 10 11 12 ∑ 9 10 11 12 ∑ 
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

Deutsch 4 4 4 4 16 4 4 4 4 16
Russisch 3 3 3 3 12 5 5 5 5 20
2. Fremdsprache 3 3 3 3 12 3 3 3 3 12
3. Fremdsprache - - - - 0 - - - - 0
Mathematik 5 5 5 4 19 5 5 5 4 19
Physik 3 3 3 3 12 3 3 3 3 12
Chemie 2 2 3 3 10 2 2 3 3 10
Biologie 2 2 3 2 9 2 2 3 2 9
Erdkunde 2 1 1 1 5 2 1 1 1 5
Astronomie - - - 1 1 - - - 1 1
TZ 1 1 - - 2 1 1 - - 2
UTP 4 4 4 4 16 4 4 4 4 16
Geschichte 2 2 2 3 9 2 2 2 3 9
Stabü 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Kunst 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Musik 1 1 1 1 4 1 1 1 1 4
Turnen 2 2 2 2 8 2 2 2 2 8
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

∑ 36 36 36 36 144 38 38 38 38 152

Wie oben bereits erwähnt, wurde die eigenständige EOS mit erweitertem Russischunterricht 1968-1971 nach der Instruktion zur Errichtung der zweijährigen EOS aufgelöst. Die Schüler besuchten jetzt von der 3.-10. Klasse die Russischschule und wechselten nach der 10. Klasse in eine Klasse mit erweiterten Russischunterricht, die auf den EOS mit verstärktem Fremdsprachenunterricht existierten. Mit der zweijährigen EOS wurden darüber hinaus die alten Zweige der vierjährigen EOS abgeschafft, so daß die Verbindung von neusprachlicher Vertiefung (A-Zweig) oder mathematisch-naturwissenschaftlicher Vertiefung (B-Zweig) mit erweitertem Russischunterricht unmöglich wurde.

Die Unterrichtsmenge und -verteilung lautete:

Gegenüberstellung der amtlichen Stundentafeln EOS u. Russisch-Klasse 1971

 EOS R-Kl.

 Kl. 11 12 ∑ 11 12 ∑ 
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

Deutsch 3 3 6 3 3 6
Russisch 3 3 6 4 4 8
2. Fremdsprache 2 3 5 4 4 8
Mathematik 5 5 10 5 5 10
Physik 3 3 6 3 3 6
Chemie 2 3 5 2 3 5
Biologie 2 3 5 2 3 5
Geographie 2 - 2 2 - 2
Astronomie - 1 1 - 1 1
Geschichte 3 - 3 3 - 3
Stabü 1 2 3 1 2 3
Sport 2 2 4 2 2 4

wpA 4 4 8 4 4 8
Kunst/Musik 1 1 2 1 1 2
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

∑ 33 33 66 36 35 71

fakultativ 3 3 6 - -

∑ max 36 36 72 36 35 71

Mathematisch-physikalisch-technische Spezialschule

Keine Spezialschule für Mathematik-Naturwissenschaften-Technik setzte vor der 9. Klasse ein. Diese Strukturierung wurde durch empirische Forschung unterstützt. Die MNT-Spezialschulen wurden demzufolge - ironischerweise - exakt wie die frühere vierjährige EOS (B-Zweig) aufgebaut, die z.B. ich 1962-1966 besuchte.

Die Vertiefung erfolgte in Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Informatik. Soweit wir Eltern es mitbekamen, gab es in den 70ern verschiedene Schwerpunktschulen, die in den 80ern zu einem einheitlichen Spezialschulenmodell restrukturiert wurden.

Mehr Informationen habe ich leider nicht zu bieten, und ich habe auch keinen Freund oder Bekannten, der zu DDR-Zeiten eine Spezialschule für MNT besuchte und den ich fragen könnte.

Zur Orientierung würde ich mir jedoch die Stundentafel der „Spezialklassen physikalisch-technischer Richtung“ von 1980 vornehmen:

Stundentafeln der EOS-Spezialklassen physikalisch-technischer 1980


 Kl. 11/1 11/2 12/1 12/2 ∑
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

Deutsch 3 3 4 4 7
Russisch 4 3 3 4 7
Englisch 2 2 3 4 6 
Mathematik 6 6 6 6 12
Physik 5 5 5 5 10
Chemie 2 2 3 3 5
Biologie 2 2 3 3 5
Geographie 2 2 - - 2
Geschichte 3 3 - - 3
Stabü 1 1 2 2 3
Sport 2 2 2 2 4

wpA - 4 4 - 4
Kunst/Musik 1 1 1 1 2

Elektronik 2 - - -
Physikalische Chemie 2 - - -
Wahrscheinl.rechnung - - - 2
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

∑ 37 36 36 36

Tschüß
reinerlein

Ich hoffe, ich habe mich bei den Tabellen nirgends vertippt oder verrechnet. :smile:

Hallo Reinerlein,

Guten Abend.

Ich bin immer noch etwas eingespannt und muß durcheinander
kommentieren, d.h. zuerst das, was recht schnell geht. :smile:

  1. Wie war das mit diesen Spezialschulen?
    Spezialschulen für Fremdsprachen, Mathe, Technik und Kunst?
    Wie kam man da rein? Was war da anders als auf der POS?

In die Spezialschule konnte man nur bei einer einzigen
Gelegenheit aufgenommen werden, nämlich wenn in dem Alter, in
dem die Spezialschule begann. Ein späterer Wechsel ist nicht
möglich gewesen.

Hier muss ich dir leider ein wenig wiedersprechen.
In meiner Sportart war die Aufnahme zur 7. Klasse an die Sportschule.
Aber im Laufe der Zeit ( bis hin zum Abitur, welches dort 3 Jahre dauerte)kamen zu Beginn des Schuljahres immer wieder noch neue Schüler.

  1. Die Spezialbildung äußerte sich in den Vertiefungsfächern
    durch
  • hohe Stundenzahlen

  • mehr Lehrstoff

  • zahlreiche Sonderkapitel im Lehrstoff

  • schnelles Unterrichtstempo

  • mehr fachübergreifenden Unterricht

  • öfter stattfindende Gruppen- und Projektarbeit

  • besondere Möglichkeiten in der außerunterrichtlichen
    Tätigkeit

  • verschärfter Anspruch in bezug auf die Beherrschung der
    Inhalte und des Anwendenkönnens

  • strengere Bewertung

  1. Geringere Klassenfrequenzen

Naja, geringere Klassenfrequenzen hatten wir nicht. Mit Beginn der 7. Klasse waren wir 29 Schüler.
Danach war es ein „ständiges“ Gehen und Kommen, so das wir im Laufe bis zum Abitur etwa 39 verschiedene Schüler waren.

  1. Spezialschulen konnten Internatsschulen sein.

Stimmt, war ne tolle Zeit!!!

Tschüß
reinerlein

LG Manuela

Hallo!

Hi,
inwieweit auch im bundesdeutschen Bildungssystem
Berufsorientierung eingebaut ist (berufspraktika, in Bayern
gibt es die duale Berufsausbildung und Fachhochschulreife -
das ist in etwa das, was in der DDR die Berufsausbildung mit
Abitur war)

Nein. Die Berufsausbildung mit Abitur war so wie sie auch heißt.
Ich habe kein Praktikum gemacht oder sonstiges, sonder von Anfang an eine Berufsausbildung und gleichzeitig das Abitur. (allg. Hochsculreife)Das alles in 3 Jahren. Allerdings war unsere 10. klassige Ausbildung dazu geeignet.

die Franzi

Gruß

Hallo Reinerlein,

das ist mal wieder ein wunderbarer fundierter Beitrag von Dir. Eines nur: Du schreibst:

Russischschulen setzten ab Klasse 3 ein, so früh wie keine andere Spezialschule.

Ich bin mir aber vollkommen sicher (weil ich das über den Einschulungsjahrgang 1988 weiß), dass zumindest in der letzten Zeit mindestens die (musikbetonte!) Georg-Friedrich-Händel-Oberschule (nach der Wende ein Gymnasium) in Berlin-Friedrichshain ebenfalls in Klasse 3 einsetzte. Ob das auch für ältere Jahrgänge gilt, müsste ich meine Schwiegermama fragen, die auch auf dem „Händel“ war.

Liebe Grüße
Immo

Hi,

da streit ich mich nicht, das weißt du einfach besser :9

die Franzi

Nachtrag Schule + polytechnischer Unterricht
Hallöle.

Tut mir leid für den späten Kommentar, aber ich war leider eine Weile durch Krankheit außer Gefecht.

Auch wenn Deine Prüfung bestimmt schon vorbei ist, stehen 2 Fragen noch aus, die ich demnächst auch beantworten werde, doch erst einmal ein Nachtrag zu Deinem Kommentar.

Also was ich schon internalisiert habe, ist, dass 1946 eine
8jährige Einheitsschule gegründet wurde […]

Ich habe eine Reihe von Graphiken entworfen, die hoffentlich gut illustrieren, wie die Strukturen fluktuierten.

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-k-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-l-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-m-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-n-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-o-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-p-jpg.html

http://www.bilder-hochladen.net/files/f3im-q-jpg.html

Der Schulalltag in der Grundschule war in den 50ern geprägt von jährlichen Reformen; in der Oberschule herrschte Ruhe.

Hierzu ein zeitgenössisches Beispiel:

 POS EOS
 B-Zweig

Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
<small>54/55</small><small>61/62</small><small>62/63</small><small>65/66</small>

Deutsche Sprache 8 12 14 16 8 6 5 5 5 4 4 4

Mathematik 5 5 6 6 6 6 6 5 5 5 6 5
Physik 3 3 3 3 3 3 3
Astronomie 2\*
Chemie 2 3 2 3 3 3
Biologie 3 2 2 2 2 3 3 3
Erdkunde 2 2 2 2 2 2 1 1

Werken 1 1 1 2 2 2
Nadelarbeit 1 1 1
TZ 1 1 1 1
UTP 3 4 4 4 4 4

Russisch 5 5 4 3 3 3 3 2\*
Englisch 2 2\* 3 2\*

Geschichte 1 2 2 2 2 2 2 3
Staatsbürgerkunde 1 1 1 1

Kunst 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Musik 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Sport 1 1 2 3 3 3 2 2 2 2 2 2


S Pflichtstunden 17 21 26 30 33 33 34 34 36 37 37 37

+ Englisch 4 4 

+ gesellsch.-
nützl. Tätigkeit 2 2


\* Englisch+Russisch: Verkürzung von 3 Std. -1 (Lehrermangel),
 Astronomie: 1 Std. +1 (Sondergenehmigung)

Dies ist die vollständige Stundentafel, die meinen Schulbesuch 1954-1966 bestimmte und die ich aus meinen alten Schülertagebüchern (Hausaufgabenheften) zusammengesetzt habe.

Bei genauem Hinsehen ist diese Stundentafel ein Flickwerk aus vielen verschiedenen Stundentafeln, denn ich wurde zum 1.9.1954 in die Grundschule eingeschult. In der 1. Klasse galten für uns noch die alten Lehrpläne von 1951/52, d.h. 40 Wochen Schule, von denen 40 Wochen vom Lehrplan vorgeschrieben wurden! Ab der 2. Klasse (1.9.1955) traten die Lehrpläne von 1954 in Kraft: Das Schuljahr wurde auf 38 Unterrichtswochen verkürzt, wovon nur noch 37 Wochen Lehrplanstoff beinhalteten. 1 Woche diente der Wiederholung und Vorbereitung auf die in den 50ern noch üblichen zentralen Versetzungsprüfungen - in unserem Falle für die I. Versetzungsprüfung, die Ende der 4. Klasse absolviert werden mußte.


Die I. Versetzungsprüfung umfaßte:

- die schriftlich-mündliche Prüfung in Deutsch in Form eines Diktates, 45 Minuten, ~300 Wörter
- die schriftliche Prüfung in Mathematik in Form von Rechenaufgaben, 45 Minuten, 7 bis 10 Aufgaben

1956 wurde unsere Grundschule zur Mittelschule. Wegen personeller und materieller Knappheiten konnte jedoch keine 9. Klasse eingerichtet werden. Die Schule übernahm daher die Rolle des Grundschulteils der Mittelschule. Schüler, die die Mittlere Reife erlangen wollten, mußten die 9. und 10. Klasse sowie schriftliche und mündliche Prüfungen im Nachbarort besuchen, wo eine teilausgebaute Oberschule Unterstützung für umliegende Grund- und Mittelschulen leistete.

Die Stundentafel für Grund- und Mittelschulen trat für uns ab der 3. Klasse in Kraft. Und 1957 dann die Stundentafel für Mittelschulen.

Die Frage der Polytechnisierung blieb aber weiterhin ungeklärt und die „zehnklassige allgemeinbildende Mittelschule“ wurde zum Kampfziel der politischen Führung. 1957 wurde die Auseinandersetzung um die künftige Richtung des DDR-Schulwesens durch die SED-Revanchismusdebatte gestoppt. Ab 1958 sollte kein Mittelschulwesen mehr sondern so schnell wie möglich ein vollkommen polytechnisiertes, mathematisch-naturwissenschaftliches Oberschulwesen errichtet werden.

1958 folgte die Stundetafel für die polytechnische Mittelschule mit den Fächern „Einführung in die soziaistische Produktion in Industrie und Landwirtschaft“ und „Unterrichtstag in der Produktion“. Des weiteren wurde die „gesellschaftlich-nützliche Tätigkeit“ etabliert, d.h. Arbeitseinsätze der Schüler wie z.B. große Altstoffsammlungen, Pflege der Grünanlagen der Schule oder des Dorfes, Tätigkeiten im Schulgarten, Hilfe bei Baumaßnahmen der Schule usw.

Es entfielen die Versetzungsprüfungen und die zentralen Kontrollarbeiten im Januar, so daß wir die ersten waren, die in der 4. Klasse keine Prüfung mehr bestehen mußte, um in die 5. Klasse versetzt zu werden.

Und 1959 schließlich wurde die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule geschaffen - stark vereinfacht gesprochen: Einheitsrealprogymnasium für alle Kinder. Das Schuljahr umfaßte 38 Wochen. Die Lehrpläne der POS, die erstmals geschlossen als Lehrplanwerk bezeichnet wurden, bildeten die Grundlage für 30 Wochen. Die restlichen Wochen standen dem Lehrer frei zur Verfügung, z.B. für Wiederholung, Festigung, Praktika in der Produktion oder für über den Lehrplan hinausgehenden Stoff. Auch ließen die Stoffpläne dem Lehrer größere Freiheiten. Zum Beispiel konnte der Deutschlehrer in bezug auf die Pflichtliteratur öfter aus verschiedenen Alternativen aussuchen. Es wurde nicht wie in den 50ern einfach ein bestimmtes Werk vorgeschrieben, sondern es wurden zwei oder drei, mitunter mehr, nebeneinandergestellt. Unter Margot Honecker verringerten sich diese Freiheiten übrigens wieder…

Meine Schule konnte 1960 ihre erste 9. Klasse und 1961 ihre erste 10. Klasse einrichten. Die jährlichen Reformen hörten auf und es gab bis in die 80er nur relativ geringe Korrekturen, vor allem traten kampagnenmäßig neue Lehrpläne in Kraft und ab den 70ern nahm der politisch-ideologische Druck deutlich zu. Der Strukturfindungsprozeß jedoch wurde mit der POS 1959 abgeschlossen.

Wie obige Stundentafel des weiteren zeigt, wechselte ich zur 9. Klasse auf die EOS in den B-Zweig, wodurch ich erneut mitten in den Reformstrudel geriet. :smile:
Eigentlich war diese Schule noch keine richtige EOS, sondern eher halbe-halbe aus alter Oberschule und neuer erweiterter Oberschule.
Auf Grund materieller und personeller Knappheiten gab es Verzögerungen im Umbau der alten Oberschule und es galt die Übergangsstundentafel der EOS, die eigentlich nur für das Schuljahr 1959/60 gedacht war. Die Sternchen in der Tabelle zeigen die Abweichungen von den amtlichen Vorschriften; Kürzungen um -1 Std. von 3 Stunden auf 2 Stunden wegen Lehrermangels in Englisch und Russisch und +1 Std. von 1 Stunde auf 2 Stunden in Astronomie durch Sondergenehmigung.

Der polytechnische Unterricht entsprach in der 9. und 10. Klasse dem der POS. In der 11. und 12. Klasse hingegen erfolgte die berufliche Grundbildung , das heißt, es wurden spezielle Inhalte aus der Berufsausbildung vermittelt, die auch den Lehrlingen in dieser Form beigebracht wurden.

Des weiteren boten verschiedene erweiterte Oberschulen die Möglichkeit, gleichzeitig zum Abitur eine Berufsausbildung zu absolvieren. Das Modell hieß Abitur mit Berufsausbildung (AmB), nicht zu verwechseln mit Berufsausbildung mit Abitur (BmA).

Ich z.B. lernte während der 9.-12. Klasse einen vollwertigen Beruf, wobei die Akzentuierung auf Schule und dem späteren Studium lag. Rechtlich galten wir als Schüler und hatten Schulferien. Diese wurden jedoch verkürzt; mindestens die Hälfte jeder schulfreien Phase mußte im Betrieb verbracht werden. So wurden aus 8 bzw. 9 Wochen Sommerferien höchstens 4 Wochen, aus 3 Wochen Winterferien wurde 1 Woche, aus 1 Woche Herbstferien wurde 1/2 Woche etc.

Die 4 Wochenstunden des Fachs UTP wurden in der 11. und 12. Klasse für berufstheoretischen und berufspraktischen Unterricht herangezogen.

Im Nachhinein hat sich dieses Modell nicht wie erhofft bewährt, es wurde 1967 wieder abgeschafft. Die Belastungen für die Schüler stellten den größten Gegenwind dar und die Bewerberzahlen für erweiterte Oberschulen, die ab der 9. Klasse eine Facharbeiterausbildung durchführten, brachen drastisch ein.

Zudem befürchtete die politische Führung, daß die Hochschulvorbereitung leiden könnte und die Marschroute „Der Standardweg zur Hochschule führt über die Berufsausbildung.“ volkswirtschaftlich nicht umzusetzen sei.

Der EOS erging es in den 60ern somit wie der Baisschule in den 50ern: Die richtige Struktur zu finden, gelang erst nach einer Weile durch viele verschiedene Reformen und Fehlversuche. Die EOS wurde Ende der 60er wieder klar zur hochschulvorbereitenden Institution und die Versuche der Professionalisierung mündeten in der wissenschaftlich-praktischen Arbeit (wpA).

Wie lief das denn?
Berufsausbildung und Abitur gleichzeitig zu machen? Ich weiß,
dass das dann ein Jahr länger gedauert hat, aber das muss doch
ziemlich stressig gewesen sein…

Das war ziemlich anstrengend, ja. Es wurden deswegen auch nur maximal 6% eines Abschlußjahrganges der POS zugelassen, nämlich die besten Schüler. Die Verschmelzung von Abitur und Berufausbildung glückte auch dauerhaft nur in den Grundberufen, das heißt in den qualitativ hochwertigen, fachtheoretisch anspruchsvollen Ausbildungsberufen der DDR, die eben diese besonders straffe Strukturierung aufwiesen.

Die BmA konnte lt. meinen Unterlagen 1984 in 86 Berufen begonnen werden, wovon 56 Grundberufe darstellten. Die restlichen Berufe wurden so ausgesucht, daß das Unternehmen Beruf+Abitur in den drei Jahren gelingen konnte.

Es entfielen in der BmA beruflicherseits alle Fächer des Ausbildungsplanes wie Mathematik usw., weil diese Fächer als Abiturlehrgang unterrichtet wurden. Und auch sonst nutzte man Synergien, um berufliche Inhalte auf ihre Essenz zusammenschrumpfen zu können, ohne daß der BmA jedoch Nachteile entstanden.

Stellt man die amtlichen Stundentafeln, die Lehrpläne und die Prüfungsanforderungen der normalen Berufsausbildung und der EOS denen der BmA gegenüber, zeigt sich:

  • der Abiturstoff war identisch
  • die berufliche Grundlagenbildung war nahezu identisch; der berufstheoretische Anteil vollständig, der berufspraktische Anteil nahezu
  • die berufliche Spezialbildung war ebenfalls nahezu identisch, nur daß auf bestimmte Details verzichet wurde, z.B. das Kennenlernen des künftigen Arbeitsplatzes

In der BmA galten die Schulferien nicht, denn rechtlich war man kein Schüler sondern Lehrling. Folglich verfügte man über 24 Tage Urlaub im Jahr; wenn keine Schule war, wurde im Betrieb gewerkelt. Auf diese Weise hatten die Lehrlinge in der BmA nach 3 Jahren auch soviele praktische Ausbildungstage wie die Lehrlinge in der normalen Berufsausbildung nach 2 Jahren.

Der Sonnabend war im Gegensatz zur EOS frei. Stoffkürzungen suchte man jedoch vergebens, mitunter mußte in der BmA sogar mehr Stoff bewältigt werden, z.B. berufsrelevante Sachverhalte, die in der EOS nicht gelehrt wurden, so daß mehr Eigenstudium und selbstgesteuertes Lernen gezeigt werden mußte, um die Anforderungen bewältigen zu können.

Die wissenschaftlich-produktive Tätigkeit (wpT), die in den 80ern in den einheitlichen Rahmenplan eingeführt wurde, stellte außerdem sicher, daß die BmA tatsächlich eine gute Studienvorbereitung garantierte, und daß die Probleme der 60er Jahre nicht mehr auftreten konnten, als die Absolventen der BmA nicht ausgedehnt und einheitlich genug auf das Hochschulstudium vorbereitet wurden.

Die Plätze für eine BmA waren bestimmten Betrieben und somit Betriebsberufsschulen zugeteilt, so daß normalweise quer durch die Deutsche Demokratische Republik gefahren werden mußte und vor Ort eine Unterbringung in einem Wohnheim oder Internat erfolgte.

80% der Absolventen der BmA studierten ingenieurwissenschaftliche Fächer oder wurden Lehrer; reichlich 25% der Studienanfänger kamen von der BmA.

reinerlein


P.S.

Ein Wort noch zum Fach „Einführung in die sozialistische Produktion in Industrie und Landwirtschaft“: Als ich in die Schule ging, hatte ESP einen relativ unpolitisch-pragmatischen Charakter. Ich lernte z.B. noch „Braunkohle ist ein schlechter Energieträger“, den die DDR in Ermangelung anderer Rohstoffe so effizient gewinne muß wie möglich, um solange Energie bereitzustellen, ehe neue Technologien fossile Energieträger überflüssig werden lassen. Es hieß, Braunkohle ist dreckig, der Heizwert ist gering und der Abbau wird nur billig, wenn er hochtechnisiert und im großen Stil abläuft.
Später hingegen lautete die offizielle Meinung der politischen Führung anders, daß nämlich an unserer guten Braunkohle nichts auszusetzen sei.


Solche Dinge meinte ich, als ich sagte, daß die DDR kein unbeweglicher Klotz war, der immer nur in der Honecker-Form der 80er Jahre existierte.





Politische Beeinflussung wurde nur spürbar, wenn es um die roten Schlußfolgerungen aus dem Lauf der Geschichte ging. Es war eben immer: „Die Westdeutschen machen weiter wie bisher, Reichtumstreben, monokapitalistisch, faschistisch, ohne Konsequenzen aus Hitlerdeutschland zu ziehen. Und wir machen es erstmals auf deutschem Boden anders und deswegen ist unsere Sicht der Dinge richtig und überlegen.“.

Der Rest war eher angewandter Marxismus im besten Sinne. Sozusagen die positiven Aspekte des Wortes Ideologie, was ja gerne unter den Tisch gekehrt wird. Denn in Ideologie steckt auch Idee und Ideal drin, und die Werte, die der polytechnische Unterricht versuchte mitzugeben, fehlen der heutigen Jugend hinten und vorne. Das geht schon mit der Wertschätzung von Volkseigentum und Eigentum anderer Leute los…

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