Schulpflicht - eine deutsche 'Spezialität'?

Hallo und Guten Tag,

Zum Thema „Homeschooling“ und seine Umstrittenheit:

Stimmt es, dass es in keinem anderen „westlichen“ Land eine Schulpflicht wie in Deutschland gibt? Dass es also in allen anderen westlichen Demokratien, ob nun USA, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Österreich, Schweiz usw. nur eine „Bildungspflicht“ gibt, aber nur in Deutschland eine echte Schulpflicht (also die Pflicht für Kinder im entsprechenden Alter, eine Schule zu besuchen)?

Oder wo gibt es sonst noch tatsächlich eine Schulpflicht (wenn man mal von autoritären Ländern wie China absieht)?

Vielen Dank im Voraus für Antworten,

Jasper.

Eine Sache des Blickwinkels… (leicht ot)
Hi!

Auch wenn dies nicht ganz auf deine Frage antworten wird, aber ich muss es dennoch sagen:

Das, was hier so allgemein als „Pflicht“ und damit als „Last“ von Generationen von Schülern (und manchmal auch Eltern) gesehen wird, ist im Prinzip (wenn man es als historisch gewachsen versteht) doch eher ein allgemeines „Schulrecht“.

Diese Schul"pflicht" gewährleistet (zumindest theoretisch) eine bildungsmäßige Chancengleichheit für alle Kinder, und zwar ganz egal, ob es sich um die Kinder eines Landwirtes handelt, der sie eigentlich viel eher bei der täglichen Versorgung des Viehs oder Ackers gebrauchen könnte, als dass die Lütten komische Mathematikformeln pauken, oder um die Kinder eines Mathematikprofessors, dem über die theoretische Ausbildung seiner Kids nichts geht (stereotype Darstellungen sind durchaus beabsichtigt:wink:).

Die Schulpflicht dient also kurioserweise dem Schutz der Kinder, es wird eine einheitliche (und somit chancengleiche) Bildung gewährleistet, die unabhängig von dem Wollen und Tun der Eltern sichergestellt wird.

Über die reale Chancengleichheit in unserem Bildungssystem sollten wir jedoch lieber mal an anderer Stelle diskutieren…

Gruß
Dine

Hallo!

Soweit ich weiß, gilt auch in Schweden und in Teilen der Schweiz die Schulpflicht.

LG, Sarah

Hallo

Die Schulpflicht dient also kurioserweise dem Schutz der Kinder, es wird eine einheitliche (und somit chancengleiche) Bildung gewährleistet, die unabhängig von dem Wollen und Tun der Eltern sichergestellt wird.

In den erwähnten Ländern ohne Schul- aber mit Bildungspflicht werden die Kinder auch regelmäßig überprüft, ob sie die standardmäßig festgesetzten Fähigkeiten ihrer Alterstufe haben. Außerdem gibt es öffentliche Schulen, an die die Kinder kostenlos geschickt werden können. Das hat zur Folge, dass fast alle Kinder zur Schule gehen.

Nur, wenn Eltern ihr Kind aus irgendeinem Grunde nicht zur Schule schicken wollen, dann werden diese Eltern nicht kriminalisiert. Ihnen wird nicht das Sorgerecht deswegen entzogen, und sie müssen keine Strafen zahlen.

Übrigens sind es nicht nur religiöse Außenseiter, die was gegen die Schulpflicht haben, es sind auch die Hochbegabtenvereine.

Und ‚keine Schulfplicht‘ bedeutet ja nicht automatisch, dass Leute ihr Kind überhaupt nie zur Schule schicken. Unter Umständen lassen sie nur mal ein Jahr aus, oder vielleicht gibt es in manchen Ländern auch Regelungen, dass Kinder nicht jeden Tag, sondern nur zweimal die Woche, nur zu den Klassenarbeiten und zum Sport, oder zu allen Fächern außer Mathe, oder was weiß ich zur Schule gehen. Fände ich persönlich gut, wenn es ginge.

Dass es direkt was Kriminelles ist, sein Kind nicht zur Schule zu schicken, auch wenn es z. B. da gar nichts lernt (sowas kommt vor), das passt eigentlich zu totalitären Staaten, die alle ihre Bürger von klein auf unter Kontrolle haben wollen.

Wenn die Eltern einigermaßen pädagogische Fähigkeiten haben, und vielleicht auch ein paar Nachbarskinder mit einbeziehen, kann man in solchen Kleinstgruppen erheblich mehr lernen als in der Schule, und vor allen Dingen könnte die Freude am Lernen erhalten bleiben, was in der Schule ja sehr häufig nicht der Fall ist.
http://derstandard.at/1334368981969/Hirnforscher-Sch…

Viele Grüße

PS: Eine einheitliche Bildung kann doch gar nicht chancengleich sein, weil die Menschen unterschiedlich sind.

Hi

Mag sein, dass es nicht nur religiöse „Außenseiter“ sind (Außenseiter, soso), aber wer schützt die Kinder vor dem Fanatismus ihrer Eltern?

Kinder haben ein Recht auf Bildung egal welchem Glauben ihre Eltern anhängen.

Natürlich, sowas wie eine religiöse Wahlfreiheit ab 14 so wie wir sie hier haben gibt es anderswo auch nicht.

lg
Kate

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Hallo

Mag sein, dass es nicht nur religiöse „Außenseiter“ sind (Außenseiter, soso), aber wer schützt die Kinder vor dem Fanatismus ihrer Eltern?

Und wer schützt die Kinder vor der Schule? Vor schlechten, unmotivierten Lehrern? Die gibt es schließlich auch.

Von welchen fanatischen Eltern redest du eigentlich? Ich habe die zwei, drei Familien gemeint, die in den Zeitungen im Laufe der letzten zwei drei Jahre im Zusammenhang der Ablehnung der Schulpflicht erwähnt wurden. Eine von denen ist nach USA ausgwandert wegen der Schulpflicht, und an die anderen kann ich mich nicht genau erinnern. Ob die wirklich fanatisch waren, das weiß ich gar nicht, jedenfalls waren die religiös motiviert.

Kinder haben ein Recht auf Bildung egal welchem Glauben ihre Eltern anhängen.

Dass es eine Bildungspflicht gibt, dafür bin ich unbedingt! Aber Bildung kann man sich nicht nur in der Schule aneignen!

Natürlich, sowas wie eine religiöse Wahlfreiheit ab 14 so wie wir sie hier haben gibt es anderswo auch nicht.

Wo genau gibt es die denn nicht? Und was tut das hier zur Sache?

Viele Grüße

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Moin,

In den erwähnten Ländern ohne Schul- aber mit Bildungspflicht
werden die Kinder auch regelmäßig überprüft, ob sie die
standardmäßig festgesetzten Fähigkeiten ihrer Alterstufe
haben.

und was passiert, wenn dem nicht so ist?!

Gandalf

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Hallo

In den erwähnten Ländern ohne Schul- aber mit Bildungspflicht werden die Kinder auch regelmäßig überprüft, ob sie die standardmäßig festgesetzten Fähigkeiten ihrer Alterstufe haben.

und was passiert, wenn dem nicht so ist?!

Das würde mich auch mal interessieren.

Ich würde denken (hoffen), dass die betreffenden Kinder dann doch in die öffentlichen Schulen müssen, und dass aber vorher ein bisschen genauer geguckt wird, woran es liegt.

Viele Grüße

Situation in der Schweiz
Hallo

In der Schweiz ist, da die Schule Sache der Kantone ist, die Angelegenheit kantonal unterschiedlich geregelt.

Im Kanton Zürich kann ein Kind bis zu einem Jahr lang aus der Schule genommen und anderweitig ausgebildet werden. Dies soll Fälle abdecken wie z.B. Krankheit mit Pflege zuhause. Homeschooling von über einem Jahr Dauer ist nur möglich, wenn die hauptsächlich unterrichtende Person über ein Lehrdiplom, also eine abgeschlossene Lehrerausbildung, verfügt. Mit der Einführung dieser Voraussetzung vor ein paar Jahren wurde dem klassischen Homeschooling durch die Eltern ein Ende gesetzt - ausser ein Elternteil wäre zufällig Lehrer, oder aber die Eltern können es sich leisten, einen Privatlehrer anzustellen.

Stundenplan, Lehrstoff, unterrichtende Personen etc. müssen der zuständigen Behörde jährlich mitgeteilt werden; besteht Anlass für Zweifel an der Gleichwertigkeit der Ausbildung mit der öffentlichen Schule, darf die Behörde eingreifen mit Kontrollen, Auflagen oder einem Verbot des weiteren Homeschoolings.

Dasselbe gilt für Privatunterricht in kleinen Gruppen oder ähnlichen Bildungsformen.

Es gibt nach wie vor auch einige Kantone in der Schweiz, in denen das Homeschooling durch Eltern ohne Lehrdiplom möglich ist. Auch in diesen Kantonen ist dies in der Regel bewilligungspflichtig und an jährliche Überprüfungen gebunden.

Alle Angaben ohne Gewähr :smile:

Gruss
D.

Manche sagen: Schulpflicht, eine ‚Nazi-Erfindung‘
Hallo Dine,

einerseits hast Du recht. Andererseits gibt es ja schon deutsche Familien, die wegen der deutschen Schulpflicht um Asyl in den USA nachgesucht haben:

http://www.welt.de/politik/ausland/article6004091/US…

Angeblich soll ja die Schulpflicht in Deutschland 1938 von den Nazis eingeführt worden sein, um die ideologische Indoktrination der „Kinder des Reichs“ sicherzustellen. Und das schwingt als Vorwurf bei der kompromisslosen Durchsetzung der Schulpflicht im heutigen Deutschland auch in der Gegenwart immer ein bißchen mit. Zumindest, dass eben nur totalitäre/autoritäre Staaten wie eben das ehemalige „Dritte Reich“, die ehemalige Sowjetunion und die ehemaligen Ostblockländer, Nordkorea, Kuba usw. Grund hätten, auf ebenjener kompromisslosen Durchsetzung der Schulpflicht zu bestehen und das es eben so gesehen eine „Schande“ für das demokratische Deutschland wäre, nicht nach 1945 die „flexible“ Form der „westlich-liberalen“ Bildungspflicht (wie ja sogar Österreich sie praktiziert) übernommen zu haben.

Siehe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Schulpflicht_(Deutschla…

Zur weiteren Information über Homeschooling, siehe auch diese ARD-Reportage:

Mathe bei Mutti

http://www.youtube.com/watch?v=LJAA6OCgb9M

Gruß Jasper

Hallo,

ich kann Dir weitestgehend nur zustimmen.

Die Schulpflicht dient also kurioserweise dem Schutz der Kinder, es wird eine einheitliche (und somit chancengleiche) Bildung gewährleistet, die unabhängig von dem Wollen und Tun der Eltern sichergestellt wird.

In den erwähnten Ländern ohne Schul- aber mit Bildungspflicht
werden die Kinder auch regelmäßig überprüft, ob sie die
standardmäßig festgesetzten Fähigkeiten ihrer Alterstufe
haben. Außerdem gibt es öffentliche Schulen, an die die Kinder
kostenlos geschickt werden können. Das hat zur Folge, dass
fast alle Kinder zur Schule gehen.

Der Unterschied besteht in der zwischen Schulpflicht und Unterrichtspflicht.
Möchte man mit der Schulpflicht, die Kinder schützen und zur Bildung verpflichten, deren Eltern es mit der Bildung nicht so genau nehmen (wie es häufig bei Kindergartenkindern diskutiert wird), so würden die Eltern der Kinder in unterrichtspflichtigen Länder eher schlecht bei wegkommen, denn es würde bedeuten, dass sie ihre Kinder selber unterrichten müssen oder Privatlehrer bezahlen - das entspecht aber nicht dem „Profil“ der bildungsfernen Familien.

Übrigens sind es nicht nur religiöse Außenseiter, die was
gegen die Schulpflicht haben, es sind auch die
Hochbegabtenvereine.

Es gibt neben den staatlichen Schulen in Deutschland auch die Möglichkeit das Kind auf eine Privatschule zu schicken. Ob sich „religiöse Ausenseiter“ dort organisieren, weiss ich nicht, aber die meisten privaten Schulen sind konfessionell.
Mir ist nicht ein einziger Hochbegabtenverein bekannt, der gegen die allgemeine Schulpflicht wäre. Was sie hingegen kritisieren sind die fehlenden Kompetenzen der Lehrer im Umgang mit diesen Kindern. Hier in Berlin gibt es aber inzwischen diverse Schulen mit ausdrücklich dafür ausgebildetes Personal.
Ich denke, dass der Hauptmotivationsgrund der Eltern ihr Kind nicht auf eine Schule schicken zu wollen eher da liegt, dass das Kind Schwierigkeiten mit dem Schulsystem und mit Gruppen hat. Diesen Kindern wird in Deutschland kaum eine Möglichkeit gegeben ihren Bedürfnissen entsprechend unterrichtet zu werden.
Hinzu kommt noch dieser „Integrationswahn“ und der Wegfall der Sonderschulen, was für viele Kinder eine Qual ist (für manche sicher aber auch ein Segen).
Es gibt die große Käseglocke und dann gibt es eben einige Persönlichkeiten, die dort nicht hineingepresst werden können. Dem deutschen Bildungssystem fehlt es da entschieden an differenziellen Angeboten. Das mag an Sturheit liegen oder an fehlenden Konzepten und letztlich sicher auch an den finanziellen Mitteln.

Viele Grüße

Hallo,

ich denke auch, dass die Schulpflicht zwei Seiten hat, aber als eine „Nazi-Erfindung“ zu deklarieren? Wo steht denn das? Die allgemein Schulpflicht wurde in Deutschland erheblich früher eingeführt. Die Nazis hatten ein Talent dafür Mythen aufzubauen und bereits bestehende Sachen neu aufzurollen und es als eigene „Erfindung“ auf die Fahnen zu schreiben - angefangen mit dem Hakenkreuz.

Viele Grüße

2 Like

Hallo,

schau mal hier:

http://www.advent-verlag.de/cms/cms/front_content.ph…

Viele Grüße