Schulwechsel Gymnasium - Realschule

Hallo liebe WWWler,
vielleicht finde ich auf diesem Weg Erfahrungen und Empfehlungen, die uns bei unserem familiären Problem helfen:

Unser Sohn (12 Jahre alt) kam, entgegen der Empfehlung der Grundschule, aufs Gynmasium. Hintergrund unserer damaligen Entscheidung war das allseits bescheinigte Potential, das unser Sohn durch einen ausgeprägten Hang zum „Minimalismus“ nicht abgeruft.

Heute (6. Klasse) stehen die Noten nach wie vor schlecht und der erste blaue Brief weist auf die Versetzungsgefährdung hin. Die Klassenlehrerin bescheinigt ihm nach wie vor entsprechendes Potential, sagt aber auch, dass er noch zu kindlich sei, um das selbstständige Arbeiten eines Gymnasiasten zu verstehen und umzusetzen.

Jetzt haben wir zwei Optionen:

  • Ein Jahr Wiederholung auf dem Gymnasium mit den entsprechenden Nachteilen: für ihn Hänseleien der Mitschüler - für uns die Frage, ob sich nach der Wiederholung alles verbessert oder ob er nach wie vor kämpfen und leiden muss.

  • Wechsel auf die Realschule verbunden mit der Gefahr, dass er aufgrund der „minimalistischen“ Einstellung ein schlechter Realschüler wird, weil es eben nicht „KLICK“ macht.

Hat jemand hier entsprechene Erfahrungen gemacht, die uns bei unserer Entscheidung helfen können? Wir haben natürlich Angst, einen Fehler zu machen.

Danke und Gruß,
JH

Guten Morgen,

als ehemaliger Gesamtschul-Lehrer empfehle ich dir eine Integrative Gesamtschule. Zwei Beispiele:

  1. An meiner ehemaligen Schule wurde ein Schüler aufgenommen, der mit einer Sonderschul-Empfehlung von der Grundschule bedacht wurde. Das war ein „Spätzünder“, der schließlich ein gutes Abitur geschafft hat.
  2. Meine Tochter hatte als Kind große Lernschwierigkeiten. Als sie 5 war hat ein Kinderpsychiater uns prognostiziert dass wir froh sein könnten, wenn sie überhaupt die Sonderschule erfolgreich absolvieren könnte.
    Auch ein Spätzünder: an einer IGS hat sie den Realschulabschluss geschafft.

Aber im „normalen“ deutschen Schulbetrieb zählt Auslese halt mehr als Förderung.

Alles Gute für deinen Sohnemann, der vielleicht auch nur mal einen Tritt in den Hintern braucht :wink:
Pit

Hallo,
wir hatten das Problem gleich zweimal.
Tochter damals 14 auf dem Gymnasium, Sohn damals 14 auf der Realschule.

Wiederholen auf dem Gymnasium kam für uns nicht in Frage also auf die Realschule. Ergebnis : Super Realschulabschluss da der Ehrgeiz bei ihr geweckt wurde - ich bin selbstverständlich besser als die anderen hier.

Unser Sohn hatte von Anfang an Schwierigkeiten auf der Realschule. Da in der Grundschule die Klasse sehr klein ( 16 Schüler ) und in der Realschule 32 Schüler waren. Er war eher schüchtern und zurück haltend und ging irgendwie unter.
Wiederholen wäre für ihn sicher auch nicht die richtige Lösung gewesen , da die Klassenstärke die gleiche wäre und er außerdem als Sommerkind schon älter als die meisten war.
Die Hauptschule war genau richtig für ihn . Kleine Klassen und langsameres Lernen. Er blühte richtig auf, da er viel Anerkennung erntete. Wurde sehr selbstbewusst und sogar Klassensprecher.
Heute ist er ein Berufsfachschüler mit super Noten und macht im Juni seine mittlere Reife.

Angst Fehler zu machen hat man immer.
Ich würde mir die Realschule mal anschauen und Gespräche mit den Lehrern dort und auf der jetzigen Schule führen.
Ansonsten mir hat mein „Bauchgefühl“ geholfen die richtige Entscheidung zu treffen.

Ich hoffe du bekommst hier noch ein paar Beispiele, was alles möglich ist.

Viel Glück Marion

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Hallo,
ich danke Euch beiden für Eure Ratschläge. Wir werden intensiv darüber nachdenken, was für unseren Sohnemann das Beste ist.

Aus dem ersten Gefühl heraus (quasi Bauch) würden wir zum Wechsel in die Realschule tendieren. Es bleibt ansonsten die (gefühlte) Befürchtung, dass er aufgrund seines ausgeprägten „Minimalansatzes“ in der Gesamtschule zu weit abrutschen kann. Natürlich tun wir dieser Schulform damit Unrecht, aber ich denke, wenn es um das Bauchgefühl geht, ist das für uns die bessere Wahl.

Nochmals vielen Dank für Eure Hilfe…

Gruß, Jörg

Hallo Jörg,

ganz generell würde ich zu dieser Thematik sagen, dass Ihr Euch gar nicht zu stark belasten solltet. Ich kenne aus eigenem Erleben die Schulsysteme Nordrhein-Westfalens und Bayerns. Eine wesentliche Erkenntnis abseits aller Steitereien ist: man kann seinen Weg machen, WANN man will. Konkret: nur weil ich mit 12-16 zu faul war, ist der Weg zum Abitur damit nicht verbaut.

So wid ja z.B. gerne auf der niedrigen Abiturquote von Bayern herumgeritten (wobei ich sowieso bezweifele, ob das Heil der Menschen wirklich an Abitur und Studium hängt). Diese Statistik misst aber nur die allgemeine Hochschulreife der 20-Jährigen. Die ist in der Tat in Bayern ein Drittel unterm Bundesdurchschitt. Bei den 30-Jährigen sind die Bayern aber genau im Schnitt. Warum? Weil es ein ausgeprägtes Berufsbildungssystem gibt (Fachoberschule, Berufsoberschule), die auch zur (Fach-)Hochschulreife führen.

Wenn Eure Sohn also noch nicht so reif ist, bitte, dann macht er es halt später. Ich sehe darin keinen Nachteil, außer dass er sich vielleicht später über sich selbst ärgert. Aber damit muss er halt leben.

Viele Grüße,
Andreas

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H wie Hola.

Unser Sohn (12 Jahre alt) kam, entgegen der Empfehlung der
Grundschule, aufs Gynmasium. Hintergrund unserer damaligen
Entscheidung war das allseits bescheinigte Potential

Als glühender Verfechter der Einheitsschule wie immer von mir die Kritik:
Warum habt ihr nicht gefragt, was euer Kind gerne gewollt hätte?
Warum habt ihr euch nicht selber überlegt, inwieweit der Zuspruch
zum Gymnasium vernünftig oder realistisch ist?

Es ist allseits bekannt, daß in den Grundschulen heute einiges
im Argen liegt, bspw. eine üppige Unterforderung, fehlende
ernsthafte Benotung der Kinder et cetera.

Heute (6. Klasse) stehen die Noten nach wie vor schlecht und
der erste blaue Brief weist auf die Versetzungsgefährdung hin.

Was eindeutig zeigt, daß sich die Grundschullehrer fundamental
geirrt haben. Wer leicht lernt, hat niemals Probleme mit
den Leistungen oder gar mit der Versetzung.
(Unter den Bedingungen: anständige Erziehung + geistige Gesundheit)

Ich vermute eher, wegen des mäßigen Niveaus der Grundschule wurde
hier das Leistungsvermögen und auch der Leistungswille falsch
eingeschätzt. Die nicht unbedingt aussagekräftigen Zensuren der
Grundschulen bekräftigen das, denn trotz Empfehlung fürs Gymnasium
zeigt euer Kind ja nichts, was dem angemessen ist.

Die Klassenlehrerin bescheinigt ihm nach wie vor
entsprechendes Potential, sagt aber auch, dass er noch zu
kindlich sei, um das selbstständige Arbeiten eines
Gymnasiasten zu verstehen und umzusetzen.

Das beißt sich.
Ein Kind, was potentiell etwas kann, zeigt das auch, und sei es nur sporadisch.

Der Hinweis auf die fehlende geistige Reife ist ein Alarmsignal
erster Güte für EUCH, daß er niemals frühzeitig auf das
Gymnasium hätte gehen dürfen.

Es ist mit Abstand das peinlichste überhaupt, das Kind vom Gymnasium
wieder herunternehmen zu müssen. Ich weiß wovon ich rede.

1993, als hier in den Neuen Ländern formal die Einheitsschule der DDR
zerschlagen war, herrschte unter den Eltern wegen der „neuen Sitten“
große Verwirrung.
Obgleich ich mit Abstand der Leistungsstärkste der Klasse war,
ging ich auf die Realschule.

Dabei überließ meine Mutter mir die Entscheidung.
Warum tat sie das? Ihre Argumentation war logisch wie auch einfach:
*Ich* mußte doch in die Schule gehen, nicht meine Mutter, d.h.
ich mußte auch wissen, was ich zumindest grob wollte.

Meine Unterstufenlehrerin legte mir dann im Einzelgespräch dar,
wie sich wohl das gegliederte Schulsystem in Sachsen ausprägen wird.
Wichtigster Punkt damals: Auch nach der 10. Klasse stand der Weg
ans Gymnasium offen.

Damit war die Sache für mich eindeutig:
Ich konnte nicht verlieren, sondern nur gewinnen, indem ich mir das
Gymnasium - was zu der Zeit ja noch eine Einrichtung ohne Praxiserfahrung war - verkneife.

Anders gesagt, man hält sich alle Optionen offen, statt die
gymnasiale Laufbahn mit Zwang und ungewissem Ausgang schon mit
der 4. Klasse zu zementieren.

Wer weiß denn, ob ein Kind überhaupt später auf das Gymnasium möchte?
Bis 16 ändert sich doch die halbe Welt - niemand kann wissen,
was für Lebenspläne, was für Sichtweisen, was für Interessen,
was für Neigungen usw. die eigenen Kinder ausprägen.

Meine Überlegung damals mit 10 Jahren war also: Meine Chancen
verschlechtern sich nicht, also lasse ich mir selber Zeit und
schaue mit 16 Jahren, was ich dann möchte.
Die Vorteile einer guten Realschule - 1. die „polytechnische“ Bildung,
2. die im Ggs. zum gymnasialen Niveauruck gleichmäßig steigende
Anforderungskurve u.v.m. - wurden mir erst mit der Zeit bewußt.
(Daß die Entscheidung pro Realschule deutlich die bessere war,
kam in der vollen Tragweite sogar erst nach dem Abitur zum Vorschein.)

Und als ich eben auf der Realschule war, kamen einige meiner
ehemaligen Klassenkameraden (!) vom Gym zurück (und auch andere).
Für die war es schwer!

Neu in der Klasse - und dann das Stigma „hat es auf dem Gymnasium
nicht gepackt“ auf der Stirn. Den unvermeidlichen Spott dafür
inbegriffen.

Da das damals noch andere Zeiten waren, war auch der vielbeschworene
Wissensunterschied defacto nicht vorhanden. Es konnte also von keinem
meiner ehemaligen Freunde in punkto Lernrhythmus profitiert werden.

Besonders schwerwiegend war das Defizit im Profilunterricht.
Technik wird am Gymnasium nicht angeboten, weshalb die Wechsler nicht
nur ein Jahr verloren hatten, sie kamen ja nicht in die gleiche Klassenstufe wie am Gymnasium, sondern sie mußten auch noch den vergleichsweise anspruchsvollen Stoff des Profilfaches nachholen.
(In dem Falle volle zwei Schuljahre Technik ohne Erbarmen.)

Denen ist der Hintern ordentlich auf Grundeis gegangen, weil sich
manche vermutlich einbildeten, daß die Realschule zum Selbstläufer würde.

Auch die Prüfung nach der 10. Klasse verschärfte die Situation.
Am Gymnasium war das Abitur immer noch weit weg. Doch in der
9. Klasse Realschule tickte die Uhr. Vier schriftliche Prüfungen
plus zwei oder mehr mündliche Prüfungen. Stoff: gesamte Mittelstufe,
also 5. bis 10. Klasse.

Was ich damit sagen möchte - wenn ihr euer Kind auf die Realschule
schicken wollt, tut es jetzt, ohne zu zögern.
Denn ab Klasse 7 beginnt der Profilunterricht an den Realschulen.

Allerdings würde ich das nachholen, was ihr schon vor zwei Jahren versäumt habt: Fragt erstmal euer Kind. Begeht nicht den gleichen
Fehler noch einmal, wieder irgendwas „per elterlichem Dekret“
festzulegen.

Macht euerm Sohn klar, daß er sich auf den Hosenboden setzen muß.
Macht ihm klar, was für BildungsCHANCEN noch auf ihn warten, daß
er immer noch ein vollwertiges Abitur erhalten kann, oder vielleicht
gibt es bei euch ja Einrichtungen wie das Berufliche Gymnasium.
(In Bayern heißt das FOS13 und ist dort gerade in der Stabilisierung.)
Macht ihm klar, daß der Wechsel auf die Realschule Entfaltungsfreiheit
bedeutet, und sich Alternativen zum Tunnelblick auf die Hochschulreife
ergeben können.

Macht ihm ebenso klar, was mit einem Verbleib auf dem Gymnasium
verbunden ist (ordentlich reinknien).

Besprecht die sich auftuenden Wege mit ihm und konsultiert ihn
wenigstens beim Entscheidungsprozeß.

*Er* muß doch die Schule meistern, nicht ihr. Das bedeutet aber auch,
daß er nicht das meistern muß, was ihr vielleicht gerne hättet.
(Das Gymnasium ist ja in Deutschland traditionell mit Status behaftet,
mit Oberschichtattitüde und dem sozialen Aufstieg bzw. der sozialen
Abschottung nach unten.)

Grüße

Guten Morgen,

Wer leicht lernt, hat niemals Probleme mit
den Leistungen oder gar mit der Versetzung.
(Unter den Bedingungen: anständige Erziehung + geistige
Gesundheit)

Da ist aber jemand idealistisch. Wenn es nur so einfach wäre! Vor allem Kinder (also bis 14) Leiden oft extrem unter dem sozialen Umfeld, also den Klassenkameraden. Wenn sie gehänselt werden, weil sie Locken haben, zu klein sind, aus dem falschen Ortsteil kommen, keine Markenklamotten ( die falsche Marke tragen etc, dann schlägt sich das zuallererst in den Leistungen nieder. Da reicht er oft, dass das Umfeld neu ist, also eine neue Schule. Das beeinträchtigt natürlich die meisten Kinder nicht, aber es kann sein.
Wenn es zu Hause Probleme gibt (Eltern streiten sich, versuchen es vor dem Kind zu verbergen, kind merkt es trotzdem), dann fehlt ihm die Krft zum Arbeiten. Für mich fällt das nicht unter schlechte Erziehung.
Oder das Kind mag den Lehrer in einem bestimmten Fach nciht. Zack, aus ist es mit den Leistungen.

Viele Grüße,

Franziska Franke

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Hallo

Wer leicht lernt, hat niemals Probleme mit
den Leistungen oder gar mit der Versetzung.

Hochbegabte Kinder haben aber - wenn ihre Begabung nicht erkannt und gefördert wird - wohl häufig starke Leistungsprobleme, allerdings meistens erst in der 8. bis 10. Klasse. Sie bleiben dann auch nicht gerade selten sitzen.

Ich glaub jetzt nicht, dass das hier zutrifft, es geht nur um das Prinzip.

Viele Grüße
Simsy

H wie Hola.

Hochbegabte Kinder haben aber - wenn ihre Begabung nicht
erkannt und gefördert wird - wohl häufig starke
Leistungsprobleme

Nur kurz: Dem ist nicht so.

Erstens.
Unser Breitenbildungssystem hat weitaus größere Probleme als explizite Hochbegabtenförderung (2% der Menschen).

Zweitens.
Im Gegensatz zu der gern kolportierten Assoziation, Hochbegabte
würden sich ständig langweilen und zu Minderleistenden werden:
Viele Hochbegabte, erkannt oder nicht ist irrelevant, liefern in
der Schule gute bis sehr gute Leistungen ab.

Drittens.
Forschungen belegen: Minderleistende, die nicht durch neuronalen
Defekt zuwenig bringen, sind praktisch immer Opfer einer mangelhaften Erziehung.
In den ersten 6 Jahren nimmt die Förderung im sozialen Umfeld
(Kinderkrippe, Kindergarten, Elternhaus) eine zentrale Rolle bei
der Ausprägung von Intelligenz ein.
Aber. Ein großes Aber.
Noch gewichtiger ist der Einfluß auf das kindliche Verhalten.
Kinder, die Strebsamkeit, Leistungswillen, Spaß am Lernen,
Hilfbereitschaft für das Kollektiv, Tugenden wie Diziplin,
Leistungsdisziplin, Ordnung, Benehmen, Höflichkeit und Anstand im
zwischenmenschlichen Umgang des täglichen Lebens et cetera
nicht anerzogen bekommen, DIE werden in der Tat „gestört“.
(Gilt übrigens auch für normale Kinder.)

Viertens.
Der Lehrer muß wenigstens so auf Zack sein, daß er erkennt,
wenn ein cleverer Bursche vor ihm hockt. Der Lehrer muß nicht
wissen, daß ein Kind hochbegabt ist.

Ich bin wesentlich durch das DDR-Schulsystem geprägt –
als Kind war es normal für mich, mein geistiges Potential im Sinne
des Klassenkollektivs einzusetzen. Meine Unterstufenlehrer
verstand es prächtig, die Leistungsstarken für den Unterricht
einzusetzen. Zweimal wöchentlich mußte ein guter Schuler den Stoff
mit einem schlechten Schüler wiederholen und üben.
Man wurde auch als Guter konstruktiv beschäftigt, hatte niemals Leerlauf oder wurde bei zu verteilenden Aufgaben „vor den Karren gespann“.
Auf diese Weise konnte die Lehrerin (die sowieso didaktisch-pädagogisch
auf Grund der andersgearteten Lehrerausbildung in der DDR besser befähigt war als ein Grundschullehrer „im Westen“) sowohl
recht kreativ den guten Schüler fordern (!!) & fördern, als auch
genug Zeit für die Schwachen freimachen.

Entgegen der landläufigen Meinung ist es daher nicht schwer,
ein hochbegabtes Kind vernünftig zu beschäftigen.
Das ist kein Problem der Hochbegabung, sondern ein Problem des Bildungssystems.
(Ohne explizite Begabtenförderung veranschlagen zu müssen.)

Fünftens.
Mit Rückbezug auf 3.:
Intelligenz und Charakter entwickeln sich losgelöst voneinander.
Das heißt, auch hochbegabte Kinder benötigen Zeit, um geistig reif
zu werden. (Weswegen das gegliederte Schulsystem ja auch für
schnelle Schüler eine Katastrophe ist, da die charakterliche
Komponente eines Kindes unberücksichtigt bleibt.)

Das bedeutet allerdings, ein hochbegabtes Kind ist schlicht und
ergreifend verzogen, wenn es sich nicht in der Lage zeigt, soviel
Geist aufzubringen, um wenigstens 2en zu erwirtschaften.
Es gibt keinen Grund („Unterforderung“ ist kein Argument!),
warum das Kind auf Durchzug schalten sollte. Wenn es mit einem
angemeßnen Aufwand 2 oder 1 stehen kann, muß besonders von
elterlicher Seite das auch eingefordert werden.
Stichpunkt Werte: In dem Moment, in dem ein hochbegabtes Kind
abschaltet, und zwar so, daß es abstürzt, handelt es dumm und unreif.
Geistige Reife kann jedoch nicht durch intellektuelle Förderung
aufgebaut werden, sondern nur durch Erziehung.
Kinder, denen Werte anständig vorgelebt und so früh wie möglich
beigebracht werden, zeigen so gut wie keine Ausfallerscheinungen.
Weder in der Grundschule, noch in der Mittelschule.

Sechstens.
Nicht jede Hochbegabung geht mit überdurchschnittlichen geistigen
Leistungen einher. IQ > 130 äußert sich nicht zwangsläufig oder
hat Auswirkungen auf schulrelevante Dinge.
Es geht schon damit los, daß Hochbegabung kein einheitliches
Phänomen ist, wie es sich die Normalen gerne vorstellen, sondern
das Spektrum ein breitgefächertes ist.
Logisch-analytische Hochintelligenz, sprachliche Hochintelligenz,
soziale Hochintelligenz, motorisch-mechanische Hochintelligenz,
autistische Inselbegabung (präziser: ASPERGER-Syndrom) oder sogar
Hochintelligenz auf mehreren Intelligenzfeldern usw. usf…
Mitunter tauchen Fälle auf, wo Kinder sogar höchstbegabt zu sein
scheinen (IQ 150+) und vernichtend schlechte Schulleistungen
zeigen, da sie intellektuell überfordert sind.

Deswegen eine Bitte: Nicht ständig bei jeder Debatte zum
Bildungssystem oder zur Schule die Hochbegabung aus dem Schrank holen.
Es ist ein seltenes Phänomen, doch es wird der Eindruck vermittelt (insbesondere von Eltern),
daß jedes zweite Kind in Deutschland - und natürlich immer das eigene :smiley: -
immer totaaaaaal superunterfordert ist.
In der Praxis ist eher das Gegenteil der Fall.

Hin und wieder über Hochbegabung reden: in Ordnung.
Doch mir als „Betroffenem“ hängt es dermaßen zum Halse raus!
Speziell, wenn eine Horde „Normaler“ besser über einen Bescheid
wissen will, als man selbst.

Unser Land hat in punkto Bildungspolitik solche Probleme in der Breitenbildung!
Da sind die Bedürfnisse einer verschwindenden Minderheit, der es
intellektuell vergleichsweise gut geht, schlicht und ergreifend
irrelevant.

Eliten- & Talenteförderung kann man intensiv besprechen,
wenn die Breitenbildung der anderen 98% optimal läuft.
Von diesem Zustand ist die BRD Lichtjahre entfernt.

Hmmm, irgendwie gewann der Text an unbeabsichtigter Länge. :wink:

Viele Grüße

H wie Hola.

Hochbegabte Kinder haben aber - wenn ihre Begabung nicht
erkannt und gefördert wird - wohl häufig starke
Leistungsprobleme

Nur kurz: Dem ist nicht so.

„Kurz“ ist gut, bei dem langen Beitrag.

  • Dem ist aber wohl doch ziemlich oft so, jedenfalls in unserem Schulsystem.

Erstens.
Unser Breitenbildungssystem hat weitaus größere Probleme als
explizite Hochbegabtenförderung (2% der Menschen).

Ja und, das widerspricht dem doch nicht.

Hin und wieder über Hochbegabung reden: in Ordnung.
Doch mir als „Betroffenem“ hängt es dermaßen zum Halse raus!

Vielleicht bist du ja nicht der einzigste Betroffene.

Speziell, wenn eine Horde „Normaler“ besser über einen
Bescheid wissen will, als man selbst.

Wie du selber schreibst, sind nicht alle Hochbegabten gleich, und nur deswegen, weil etwas nicht auf dich zutrifft, was jemand schreibt, heißt das weder, dass der Betreffende selber und/oder sein Kind nicht auch hochbegabt ist, noch dass dessen Behauptungen zwangsläufig falsch sind - jedenfalls solange derjenige nicht behauptet, es sei immer so, wie er das beschreibt.

Viele Grüße
Simsy

Hallo liebe WWWler,
vielleicht finde ich auf diesem Weg Erfahrungen und
Empfehlungen, die uns bei unserem familiären Problem helfen:

Unser Sohn (12 Jahre alt) kam, entgegen der Empfehlung der
Grundschule, aufs Gynmasium. Hintergrund unserer damaligen
Entscheidung war das allseits bescheinigte Potential, das
unser Sohn durch einen ausgeprägten Hang zum „Minimalismus“
nicht abgeruft.

Heute (6. Klasse) stehen die Noten nach wie vor schlecht und
der erste blaue Brief weist auf die Versetzungsgefährdung hin.
Die Klassenlehrerin bescheinigt ihm nach wie vor
entsprechendes Potential, sagt aber auch, dass er noch zu
kindlich sei, um das selbstständige Arbeiten eines
Gymnasiasten zu verstehen und umzusetzen.

Jetzt haben wir zwei Optionen:

  • Ein Jahr Wiederholung auf dem Gymnasium mit den
    entsprechenden Nachteilen: für ihn Hänseleien der Mitschüler -
    für uns die Frage, ob sich nach der Wiederholung alles
    verbessert oder ob er nach wie vor kämpfen und leiden muss.

  • Wechsel auf die Realschule verbunden mit der Gefahr, dass er
    aufgrund der „minimalistischen“ Einstellung ein schlechter
    Realschüler wird, weil es eben nicht „KLICK“ macht.

Hat jemand hier entsprechene Erfahrungen gemacht, die uns bei
unserer Entscheidung helfen können? Wir haben natürlich Angst,
einen Fehler zu machen.

In Deutschland scheint man nicht nur ein menschliches, sonderen auch ein fachliches Problem damit zu haben, die Grundschul-Kinder, nach der 4. Klasse automatisch zu versetzen. Was in Frankreich schon immer Gang und Gäbe ist, erscheint in Deutschland so gut wie unmöglich.
Meine beiden ältesten Kinder gingen in Strasbourg zur Schule und den normalen französischen Schulweg, bis zum Abitur, ohne Wenn und Aber. Wir fanden nicht, daß sie gegenüber deutschen Schulkindern in irgendeiner Weise benachteiligt waren. Im Gegenteil: Unsere Kinder waren bis abends in der Schule versorgt, wir konnten in Ruhe unserer Arbeit nachgehen.
Anders bei unserer Jüngsten. Sie ist 11 Jahre alt. Schon vor ca 1 Jahr begann das Zittern um ihren Notendurchschnitt, was z Folge hatte, daß wir sie sehr mit Lernen strapazierten. Kurz vor der Grundschulempfehlung wussten wir immer noch nicht, zu welchem Vorschlag die Lehrer tendierten. Tatsächlich waren sie bei einem persönlichen Gespräch ebenfalls der Meinung, daß Rebecca zwar den Notendurchschnitt hätte, aber noch nicht reif für das Gymnasium wäre, was uns natürlich empörte. In diesem Gespräch legten meine Frau und ich unsere Meinung über den weiteren Schulweg unserer Tochter da. Meine Frau - Französin und selber viele Jahre im französischen Schuldienst tätig -machte deutlich, daß sie bis zum Äußersten gehen würde und notfalls unsere Tochter in eine französische Privatschule geben würde.
Das gab im Endeffekt wohl den Ausschlag. Unsere Tochter bekam die Empfehlung für alle 3 Schularten. Sie ist in einer privaten Mädchenschule in Offenburg angemeldet, weil wir der Meinung sind, daß sie nur dort ihrem sozialen Charakter entsprechend und auch der Tatsache Rechnung tragend, daß es ihre an vermeintlicher Reife fehle, sich unter einer professionellen Aufsicht weiterentwickeln kann.
Sollte es bei ihr zum oben erwähnten Gau in Form einer schulischen Zurückstufung kommen, nehmen wir das als Eltern gelassen und unsere Tochter wird es verkraften.

Grüßle
Bernd Stephanny