Possen, Pfeifendeckel, Pustekuchen, Flötekies
Sehr hübsch, lieber Martin!
Als Rewandsche:
_ Possen, Pfeifendeckel, Pustekuchen, Flötekies,
Posse(n)
frühneuhochdeutsch ‚bosse, posse‘ = Figur, Zierat, Beiwerk an Kunstdenkmälern, besonders Scherzfigur an öffentlichen Brunnen. Possen reißen (später Possen treiben) ist ursprünglich das Entwerfen solcher Scherzfiguren auf dem Reißbrett; seit dem 16. Jahrhundert bedeutet die Wendung soviel wie: Scherz, Unfug treiben; »einen kurzweiligen Menschen, der vil weidesicher Bossen gerissen hat« (J. Aurifaber, Luthers Tischreden, 1571, 339b). Dazu Possenreißer: derber Spaßmacher, seit 1563 bezeugt. Bald geht die Wendung in die Bedeutung ‚Torheiten begehen‘ über; so schon 1536 in Paul Rebhuns Drama’Susanna’ (V.247).
Das müst yhr selbs am besten wissen,
Was yhr für bossen habt gerissen.
Heute ist der Ausdruck in Redensarten wie Jemandem einen Possen spielen, Ihm etwas zum Possen tun : ihm einen Streich spielen, Ach Possen: Unsinn, noch weiterhin üblich.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Posse(n), S. 1. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 4781 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 4, S. 1193) © Verlag Herder]
Pfeife, Pfeifen, Pfeifendeckel
Die Pfeife galt früher als Rauchgerät der armen Leute. Bismarck hat am 21. Mai 1869 in einer Rede die Wendung vom ‚Pfeifchen des armen Mannes‘ geprägt: »Und wenn ich mich darauf einlassen wollte, davon zu reden, wie grausam es wäre, dem armen Mann sein Pfeifchen Tabak oder den stärkenden Trank zu verkümmern …« (Büchmann).
’Ja, Pfeifendeckel’ sagt man im Schwäbischen, um seine große Ablehnung einer Sache gegenüber deutlich zu machen, oder auch bei einer Enttäuschung, ähnlich wie rheinisch Pustekuchen, Flötekies.
Neben diesen älteren Redensarten sind im 20. Jahrhundert mehrere neue Redensarten aufgekommen, die Pfeife im Sinne von Raucherpfeife oder bildlich für ‚Versager‘, verhüllend für ‚penis‘ gebrauchen; z.B. ‚Dein Kopf auf einer Pfeife, und man kann vor Lachen nicht ziehen‘ (zur Bezeichnung eines Dummen); ‚Dabei kann einem die Pfeife ausgehen‘, das dauert mir zu lange; ‚Ihm geht die Pfeife aus‘, er bekommt keine Atemluft mehr, er ist impotent geworden, er liegt im Sterben; ‚Die Pfeife ausklopfen‘, coire; ‚Sich die Pfeife verbrennen‘, sich eine Geschlechtskrankheit zuziehen; ‚Halt die Pfeife!‘, schweige!; ‚Das haut einem die Pfeife aus der Schnauze‘, Ausdruck großer Erschütterung (Küpper; Bornemann, Sex im Volksmund).
D. ZELLER: Die Bildlogik des Gleichnisses Matth. ll, 16f./Luk. 7,31f., in: Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 68 (1977), S. 252-257.
Puste, pusten, Pustekuchen
Puste = Atem gehört zu pusten = blasen, schnauben; redensartlich z.B. in der Drohung: ‚Ich knall dir die Puste aus dem Ranzen!‘ Ähnlich die berlinische Drohung: ‚Ich puste dich pfundweise aus dem Trauring!‘ Ihm geht die Puste aus: er atmet schwer, er gibt auf, er kann nicht weiter, er stirbt.
Da bleibt einem ja die Puste weg! ruft man, wenn man sehr erstaunt oder körperlich erschöpft ist.
Ja Pustekuchen: ist eine starke redensartliche Verneinung, Ausruf der Ablehnung; zusammengezogen aus: ‚Ich puste auf Kuchen‘ (zu: ‚Jemandem etwas pusten‘, eine Sache abschlagen); auch: Ja, Pusteblume!
Hohe Noten pusten: hohe Töne blasen.
Flötekies
Jo woll, Flötekies!, eine in Mundart und Umgangssprache des Rheinlandes verbreitete Redensart, gebraucht als grobe abschlägige Antwort auf irgendein Ansinnen , in ähnlichem Sinne wie die Wendungen: ‚Einem etwas husten, pfeifen, blasen‘. Laut Nachweis des Rheinischen Wörterbuchs (Bd. 2, 1931, Spalte 657) ist Flötekies = Flötekäse der alte Name für Magermilchkäse, also eine Bezeichnung für minderwertige Käsesorten, ein Neben- oder Abfallprodukt der Butterherstellung.
Der erste Bestandteil dieses Wortes, das ausgestorbene Verbum ‚flöten‘, bedeutete ursprünglich: die ‚Milch wieder fließend machen, den Rahm abschöpfen‘; ‚flötenmelk‘ war entrahmte Milch. Da das Verbum flöten im Rheinland außer Gebrauch kam, wurde der Ausdruck Flötekies nicht mehr verstanden, seine ursprüngliche Bedeutung ging dem Sprachbewußtsein verloren. Deshalb setzte eine volksetymologische Umdeutung ein, indem das nicht mehr verstandene Wort in Zusammenhang mit flöten = pfeifen gebracht wurde. Es entstand die volkstümliche Auffassung, daß man durch den Genuß von Quarkkäse flöten oder pfeifen lernen könne. Im Rheinischen Wörterbuch (a.a.O.) heißt es, der Flötekies werde so benannt, »weil man ihn Stubenvögeln gab, um sie zum Singen zu bringen«. Dazu paßt die am Mittelrhein (St. Goar, Boppard) bezeugte Redensart ‚De pfeift grad, als wenn e Keis gess hätt‘.
Die abschlägige Antwort ‚Jo woll, Flötekies!‘ bezeichnet auf der einen Seite also etwas Minderwertiges, Geringes, wozu andererseits noch ein zweites kommt: In der bildhaften Volkssprache will eben derjenige, der eine solche betont abschlägige Antwort gibt, sagen: Ich habe mit Hilfe des Flötekäses gründlich flöten gelernt und bin dadurch imstande, dir kräftig was zu flöten.
K. MEISEN: ‚Jo woll, Flötekies!‘ Die Entstehung und Bedeutung einer rheinischen Redensart, in: Zeitschrift für rheinisch-westfälische Volkskunde 1 (Bonn - Münster 1954), H. 3, S. 169-177.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Flötekies, S. 2. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 1845 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 2, S. 464) © Verlag Herder]_
Issen dat nit doll?
Fritz