Schwäbisches Wort in Lautschrift

Hallo Christopher,

meine Wenigkeit kommt aus dem Schwabenland, und ich habe da ein schwäbisches Wort, zu welchem ich die Lautschrift benötigen würde. Kannst Du mir damit weiterhelfen ?
Ich würde Dir dann das Wort wohl als MP3-File zukommen lassen, weil ich kann es ja mit normalem Text nicht wirklich schreiben.

Na, ich versuchs vorab trotzdem: Auf Hochdeutsch ist es wohl „die Leutere“.
Das hat man vor vielen Jahrzehnten gemacht, um den Apfel- oder Birnenmost aufzuwerten:
Man hat den Most nochmal durch den Traubentrester fließen lassen, bzw. hat den Traubentrester gar mit dem dem Most vergoren.
D.h. der Trester wurde nochmals „geläutert“ - was herauskam war die Leutere.
Auf schwäbisch zu schreiben würde es wohl so aussehen: d´Leidârâ (wobei das erst â kaum hörbar ist und das d´ nur von „die“ kommt).

So, jetzt bin ich gespannt: ist Dir das möglich ?

Grüße sendet

TIMO

Hallo Timo,

ich habe deine Anfrage auch per Mail erhalten und bin gerne bereit, dir zu helfen. Damit andere auch mitdenken können, würde ich vorschlagen, dass du deine Aufnahme des Wortes irgendwo hochlädst, zum Beispiel bei Dropbox oder einem anderen Filehoster, und den Link zu der Datei hier postest. Gib Bescheid, wenn du nicht weißt, wie das funktioniert.

Gruß
Christopher

Hallo Christopher,

wollte die Anfrage eigentlich nur an Dich senden, aber mit dem „neuen“ w-w-w.de bin ich nicht ganz klargekommen. Macht nxi: je mehr davon erfahren, umso besser !

Hier ein link zu einer .W;V-Datei, die ich auf meine Webseite hochgeladen habe.
Zuerst nur das Wort „Leutere“ und dann im Satz mit „Hast Du mir mal ein Glas von der Leutere ?“.

Hoffe, das ist brauchbares Material, ansonsten spreche ich gerne nochmal neu ein.

Grüße sendet

TIMO

Achja - der Link: www.graether.de/sonstiges/orchibilder/leutere.WMV

Klickklick
Moin,

Achja - der Link:

http://www.graether.de/sonstiges/orchibilder/leutere…

ich war so frei, den Link klickbar zu machen.

Gandalf

Hallo Timo,

prima Aufnahme, vielen Dank! Damit lässt sich arbeiten.

Ich würde die zwei Wörter in einer ›engen‹, phonetischen Transkription wie folgt wiedergeben: [də̆ ˈɫə̙ɪ̯t̬əʁə].

Der Artikel vor dem Wort ist, soweit ich das höre, nicht nur ein ›d‹, das direkt ins ›L‹ übergeht, wie die Schreibweise ›d’L‹ vermuten lässt. Zwischen [d] und [l] steht vielmehr noch ein unbetontes ›e‹, das man als Schwa bezeichnet und in Lautschrift wie ein umgedrehtes ›e‹ schreibt, also [ə]. Das Kringelchen darüber zeigt an, dass der Laut besonders kurz gesprochen wird. Der erste Laut des Nomens ist ein [l], das für mich leicht velarisiert klingt. Um das zu kennzeichnen, schlängelt sich eine Tilde durch den Buchstaben. Dann kommt der Diphthong (Doppellaut), der aus einem Schwa und einem etwas dumpferen ›i‹, einem [ɪ], besteht. Das Häkchen unter dem Schwa zeigt an, dass dieses etwas weiter hinten im Mund gesprochen wird als die anderen Schwas in dem Wort. Das Kringelchen unter dem [ɪ] bedeutet, dass dieser Vokal zur selben Silbe gehört wie der vorangehende. Das ›t‹ danach sprichst du im einen Fall etwas stimmhafter – also mehr Richtung ›d‹ – als im anderen. Deswegen habe ich mich entschieden, es als [t] mit einem Häkchen darunter zu transkribieren, wobei das Häkchen bedeutet, dass der Laut (weitgehend) stimmhaft gesprochen wird. Dann kommt wieder ein Schwa, ein ›r‹ von einem Typ, der sich [ʁ] schreibt, und noch ein Schwa. Das erste der beiden Schwas ist kürzer als das zweite, aber nicht so auffällig, dass ich das in der Transkription wiedergeben würde.

Wenn man die Umschrift vereinfachen wollte, könnte man auch [də ˈləɪ̯dəʁə] transkribieren. Im Wesentlichen fehlen ein paar Kringelchen bzw. Häkchen und das teilweise stimmhafte ›t‹ ist einfach zum [d] geworden.

Kannst du damit etwas anfangen?

Viele Grüße
Christopher

1 Like

Danke fürs Verklicken, Gandalf !

Danke für Deine Mühe. Christopher - ich bin begeistert.
Die Lauterzeugung beim Menschen ist schon ein Knaller ! Ich erinnere mich an meine Zivi-Zeit, als ich einen griechischen Kollegen hatte, und er Laute in seiner Sprache hatte
(da ging es speziell um diverse Formen des „r“), die ich neimals fähig war hervorzubringen.

Auch hier sieht man ja, wieviele Feinheiten es gibt.

Folgende Frage hätte ich noch:
Wenn der Artikel nicht geschrieben wird, dann mit dem „l“ angefangen oder muss „´“ noch
dabeistehen ? Ich denke es gehört nicht zum Laut, sondern trennt nur die Worte ?

Die vereinfachte Umschrift ist für mich als „Normalsterblichen“ besser verständlich, weil es natürlich mehr an das „normale“ Wort erinnert, als die „exakte“ Umschrift oben.

Und noch was anderes: Das „normale“ „r“ wie z.B. in „Rasen“ wie schreibt man das im gegensatz wenn ich das „R“ in „Rasen“ rollen würde ?

Viele Grüße sendet

Timo

Danke für Deine Mühe. Christopher - ich bin begeistert.

Gern geschehen! Macht mir immer Spaß, solche Transkriptionen anzufertigen.

Wenn der Artikel nicht geschrieben wird, dann mit dem „l“ angefangen oder muss „´“ noch
dabeistehen ? Ich denke es gehört nicht zum Laut, sondern trennt nur die Worte ?

Sorry, das hatte ich zu erklären vergessen: Das Zeichen [ˈ] gehört zu der jeweils folgenden Silbe und zeigt an, dass diese betont ist. Wenn du nur die Transkription des Nomens (ohne Artikel) willst, dann beginnt die Lautschrift mit diesem Zeichen. Zwischen den Wörtern kann man, um der Übersichtlichkeit willen, dort Leerzeichen setzen, wo die Orthografie sie vorsieht – oder man schreibt alles zusammen, um wiederzugeben, dass es auch in der Lautproduktion, die man transkribiert, keine Pausen gab. Das ist Geschmackssache.

Die vereinfachte Umschrift ist für mich als „Normalsterblichen“ besser verständlich,
weil es natürlich mehr an das „normale“ Wort erinnert, als die „exakte“ Umschrift oben.

Welche Umschrift für dich geeigneter ist, hängt auch ein bisschen vom Verwendungszweck ab, also: Wofür brauchst du die Lautschrift? An wen richtet sich die Transkription? Wenn es darum ginge, in einem Werk mit sprachwissenschaftlicher Zielgruppe die phonetischen Details einer bestimmten Dialektvarietät gegenüber einer anderen zu dokumentieren, dann kann es sinnvoll sein, so eng wie möglich zu transkribieren. Wenn Lautschrift dagegen, zum Beispiel, in einer Werbekampagne verwendet werden soll, dann wird (zu Recht?) teilweise erheblich von der exakten Transkription abgewichen. Ein relativ bekanntes Beispiel sind die Plakate von – ausgerechnet – Schwabenbräu, die stärker in der Qualität schwanken, als das hoffentlich für das Bier gilt: Manche Pseudotranskriptionen sind recht nah an tatsächlicher Lautschrift (wie bei diesem Plakat), während andere bloß lose an korrekte Transkriptionen angelehnt zu sein scheinen (wie bei diesem Plakat, wo meines Erachtens nicht mal die Betonungsmarkierung am rechten Platz steht).

Und noch was anderes: Das „normale“ „r“ wie z.B. in „Rasen“ wie schreibt man
das im gegensatz wenn ich das „R“ in „Rasen“ rollen würde ?

Das ›normale‹ deutsche ›r‹ in ›Rasen‹ ist das, was ich in deinem Wort transkribiert habe: [ʁ]. Es gibt zwei Arten von ›r‹, die dem entsprechen könnten, was du als ›gerollt‹ bezeichnest: Bei dem einen davon tippt die Zunge nur einmal kurz an die Zähne oder den Zahndamm (Hörprobe), bei dem anderen verbleibt sie dort länger und erzeugt dabei eine Vibration (Hörprobe). Das erste ›r‹ transkribiert man als [ɾ], das zweite als [r] (Letzteres ist einfach der Buchstabe ›r‹). Aber wenn wir noch mal zum Verwendungszweck der Lautschrift zurückkommen: In Texten, die sich zwar um Lautproduktion, aber nicht um phonetische Feinheiten drehen, oder die eine Sprache beschreiben, in der nur ein Typ ›r‹ vorkommt, ist es nicht unüblich, anstelle eines Zeichens wie [ʁ] (deutsches ›r‹) einfach [r] zu schreiben. Je nachdem, wofür du die Transkription des schwäbischen Wortes brauchst, ließe sich diese unter Umständen noch weiter vereinfachen zu [ˈləɪ̯dərə].

Viele Grüße
Christopher

Hi Christopher,

vielen Dank für Deine Ausführungen - ein echt spannendes Thema. Weil es wohl ja auch zutiefst „menschlich“ ist.

Obwohl ich kein Biertrinker bin, muss man den Werbestrategen von Schwabenbräu ob der Idee Respekt zollen. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, daß man als „gelernter Lautsprachler“ die Sache kritischer sieht.
Mir geht es so, daß ich es doch möglichst exakt haben wollte - aber wenn es am Kunden vorbeigeht hilfts ja auch nicht. Sichs elbstw as aus den FIngern zu saugen, und dann ein paar Buchstaben zu spiegeln und einen Punkt über ein „o“ zu setzen ist doch etwas zu billig.

Zum „r“: Alles klar - ich meinte, das lange, gerollte r also [r].

Zur Verwendung bei mir (uns): Mit einem Freund zusammen machen wir im Nebenerwerb etwas Wein. Wir haben weder viel Fläche, noch viele Flaschen. Nichtsdestotrotz sind wir seeehr ambitioniert. Einen Streuobstwiesensekt haben wir schon testweise produziert, kamen aber letztens im Gespräch auf die „Leutere“. Tja, und genau die Umschrift soll vorne aufs Etikett. Eben mit dem Anspruch auch in korrekter Lautschrift zu sein, und nicht „aus den Fingern gesaugt“.
Ich sehe, schon, daß das noch ein paar Diskussionen bei uns geben wird, welche Version es denn nun sein soll. Die „Exakte“, die „Entschärfte“ oder die „Freie“.

Lass mir mal Deine Adresse per Email zukommen, dann bekommst Du auch ein paar Flaschen nach dem Herbst 2014 !

Grüße ausm Lände sendet

Timo

Hallo Timo,

meine Antwort kommt zwar spät, aber vielleicht nicht zu spät:

Ich sehe, schon, daß das noch ein paar Diskussionen bei uns geben wird, welche
Version es denn nun sein soll. Die „Exakte“, die „Entschärfte“ oder die „Freie“.

Für ein Flaschenetikett würde ich entweder [ˈləɪ̯dərə] oder, wenn ihr noch ein auffälliges Element reinbringen wollt, [ˈləɪ̯dəʁə] verwenden. [ˈɫə̙ɪ̯t̬əʁə] ist auch nicht falsch, aber eben primär eine Wiedergabe deiner persönlichen Aussprache(n) des Wortes. Die anderen Formen abstrahieren davon stärker und geben insofern wahrscheinlich besser wieder, wie das Wort allgemein im Schwäbischen ausgesprochen wird – darum geht es ja eigentlich. Und ich finde, dass auch [ˈləɪ̯dəʁə] noch ›exotisch‹ genug aussieht, ohne für den Nicht-Phonetiker völlig unlesbar zu werden.

Für die Lesbarkeit ist, neben der Transkription, auch die Gestaltung auf dem Etikett nicht ganz unwichtig. Ich weiß nicht, ob ihr das selbst in die Hand nehmt oder von einem Profi machen lasst. So oder so kann ich gerne anbieten, auf die typografische Umsetzung der Lautschrift noch mal einen Blick zu werfen, bevor das Ganze in den Druck geht. Ich glaube, ich habe noch nie eine ›Werbetranskription‹ gesehen, bei der nicht ein Zeichen falsch dargestellt war. Eine in jeder Hinsicht korrekte Transkription wäre also ein klares Alleinstellungsmerkmal – auch wenn das, außer vielleicht einem önophilen Phonetiker, niemand mitbekommt.

Lass mir mal Deine Adresse per Email zukommen, dann bekommst Du auch ein paar Flaschen nach dem Herbst 2014 !

Besten Dank für das Angebot, aber das ist für eine so kleine Hilfestellung doch wirklich nicht nötig :smile:

Viele Grüße
Christopher