Schwerbehinderung beim Versorgungsamt beantragen

Hallo,

ich bin 33 Jahre alt und leide seit ca 3 Jahren unter Angst-und Panikattacken. Ich war daher für 3 Wochen in einer Klinik. Dort wurden mir als Diagnosen Panikstörung mit Agoraphobie, anhaltende somatoforme Schmerzstörungen, Nichtorganische Insomnie (Schlafstörungen) und eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Ich nehme leichte Psychopharmaka und kann mir nicht vorstellen dass es ohne gehen würde. Da das ganze schon seit geraumer Zeit geht , würde ich gerne einen Antrag auf Schwerbehinderung oder zumindest Gleichstellung beim Versorgungsamt stellen. Meint ihr dass ich aufgrund dieser Diagnosen eventuell Prozente bekommen könnte oder sieht es schlecht aus??

Hallo,

da es bei Dir schlecht aussieht, sieht es mit den Prozenten ganz gut aus.

Was ich allerdings schlecht finde, denn ohne Prozente lebt man doch besser. Oder ? :wink:

Gruss

Andreas

Hoi.

Die genaue Höhe der GdB kann nur ein Gutachten feststellen. Nach der „Tabelle“ stehen aber zwischen 0-40 GdB im Raum:
"3.7 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen…0–20

Stärker behindernde Störungen
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
(z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische,
asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit
Krankheitswert, somatoforme Störungen) …30–40"

(http://www.gesetze-im-internet.de/normengrafiken/bgb…)

Da ja eine Beurteilung der Gesamtumstände erfolgen muß, kann sogar ein noch höherer Wert herauskommen.
Auch wenn die Störungen nicht von Dauer wären, schaden kann ein Antrag nicht.

Ciao
Garrett

„Auch wenn die Störungen nicht von Dauer wären, schaden kann ein Antrag nicht.“

Hallo,

genau das ist oft genug die Frage. Schadet es bei einer Arbeitsplatzsuche, wenn man schwerbehindert ist ? Muss man das Angeben ? Also, ich würde mir da Gedanken machen, das ist nicht so ohne.

Gruss

Andreas

Hoi.

Naja, da hast du nicht unrecht.

Allerdings schrob niemand davon, dass man auf Arbeitssuche ist - nur dann könnte das eine Rolle spielen.

Aber ich finde, bangemachen gilt nicht. Warum auf meine Rechte verzichten?
Im genannten Fall liegt ja keine körperliche Behinderung vor, so dass ein potenzieller AG keine besonderen (baulichen) Maßnahmen treffen muß. Das sind ja oft die (Kosten-)Bedenken. Gegen die Mär der Unkündbarkeit oder das man einen längeren Urlaubsanspruch hat, dagegen muß man halt mit Wissen und Engagement gegenargumentieren. Und das AGG stützt ja auch meine Rechte als Behinderter.

Aber das war ja nicht die Ursprungsfrage, gelle?

Ciao
Garrett

1 Like

Hallo Garrett,

Im genannten Fall liegt ja keine körperliche Behinderung vor,
so dass ein potenzieller AG keine besonderen (baulichen)
Maßnahmen treffen muß. Das sind ja oft die (Kosten-)Bedenken.

… nicht nur die baulichen Maßnahmen, spezielle Hilfsmittel o.ä., sondern auch die vermuteten längeren Ausfallzeiten (Verschlechterung, Komplikationen bei ansonsten harmlosen und alltäglichen Erkrankungen, Rehaaufenthalte), sowie auch Bedenken dahin ob derjenige überhaupt längere Zeit für das Unternehmen tätig sein kann, spielen da eine Rolle bezüglich der Bedenken.

Würden solche Bedenken nicht existieren, warum haben es dann z.B. Schüler mit sich über mehrere Schuljahre erstreckender Sportbefreiung (die ja nun ein Indiz für eine Behinderung oder Erkrankung körperlicher Art ist) bei der Ausbildungsplatzsuche oft schwerer als andere (mit selben Schulabschlüssen und Noten), selbst dann, wenn sich die Behinderung oder Erkrankung so gestaltet, dass keinerlei besondere Maßnahmen zu treffen sind? Richtig, weil manche Chefs/Ausbilder durchaus Zweifel haben, ob diese Person die Ausbildung überhaupt entsprechend durchführen und abschließen kann.

Das Vorliegen einer Schwerbehinderung muss übrigens nicht zwingend gegenüber dem Arbeitgeber angegeben werden.
Angegeben werden muss es:

  • auf Nachfrage
  • wenn die Einschränkung die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt; in diesem Fall muss dies aber auch ohne Vorliegen einer Schwerbehinderung angegeben werden (Beispiel: Person mit Rot-Grün-Farbenblindheit bewirbt sich auf Stelle als Lackierer)

Viele Grüße,
Nina

Hallo,

„Auch wenn die Störungen nicht von Dauer wären, schaden kann
ein Antrag nicht.“

Nein, kann er nicht.

Hallo,

Muss man das
Angeben ?

alle mir bekannten Kommentare zum AGG sagen, daß man es nicht mehr angeben muß und sogar lügen darf. Die BAG-Rechtsprechung aus der zeit vor dem AGG ist nicht mehr anwendbar.
Bei größeren Firmen, die eine SBV haben, kann es sogar von Vorteil sein, weil dann die SBV gem. § 95 Abs. Satz 3 am gesamten Bewerberverfahren inkl. aller Vorstellungsgespräche beteiligt werden muß , um eine diskriminierungsfreie Auswahl zu gewährleisten.
Gesundheitliche Einschränkungen, die sich auf die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung auswirken, muß ein AN übrigens immer offenbaren, unabhängig davon, ob sie mit einem GdB bewertet wurden.

Gruss

Andreas

&Tschüß
Wolfgang

2 Like

Hallo Nina,

Hallo Garrett,

Im genannten Fall liegt ja keine körperliche Behinderung vor,
so dass ein potenzieller AG keine besonderen (baulichen)
Maßnahmen treffen muß. Das sind ja oft die (Kosten-)Bedenken.

… nicht nur die baulichen Maßnahmen, spezielle Hilfsmittel
o.ä., sondern auch die vermuteten längeren Ausfallzeiten
(Verschlechterung, Komplikationen bei ansonsten harmlosen und
alltäglichen Erkrankungen, Rehaaufenthalte), sowie auch
Bedenken dahin ob derjenige überhaupt längere Zeit für das
Unternehmen tätig sein kann, spielen da eine Rolle bezüglich
der Bedenken.

Für so etwas gibt es Zuschüsse bzw. Nachteilsausgleiche (bis hin zum dauernden Lohnkostenzuschuss) für den AG durch das Integrationsamt.
Je höher die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten/Gleichgestellten, desto höher der Zuschuß.

Würden solche Bedenken nicht existieren, warum haben es dann
z.B. Schüler mit sich über mehrere Schuljahre erstreckender
Sportbefreiung (die ja nun ein Indiz für eine Behinderung oder
Erkrankung körperlicher Art ist) bei der Ausbildungsplatzsuche
oft schwerer als andere (mit selben Schulabschlüssen und
Noten), selbst dann, wenn sich die Behinderung oder Erkrankung
so gestaltet, dass keinerlei besondere Maßnahmen zu treffen
sind? Richtig, weil manche Chefs/Ausbilder durchaus Zweifel
haben, ob diese Person die Ausbildung überhaupt entsprechend
durchführen und abschließen kann.

Diese Chefs sind ja auch alle bekanntermaßen medizinische Koryphäen, die das ganz genau beurteilen können mit entsprechender langjähriger Prognose. Viel mehr als Vorurteile und/oder Denkfaulheit steckt da idR nicht dahinter.

Das Vorliegen einer Schwerbehinderung muss übrigens nicht
zwingend gegenüber dem Arbeitgeber angegeben werden.
Angegeben werden muss es:

  • auf Nachfrage

Falsch, das war die Rechtslage vor Einführung des AGG.

  • wenn die Einschränkung die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt;
    in diesem Fall muss dies aber auch ohne Vorliegen einer
    Schwerbehinderung angegeben werden (Beispiel: Person mit
    Rot-Grün-Farbenblindheit bewirbt sich auf Stelle als
    Lackierer)

Das stimmt.

Viele Grüße,
Nina

&Tschüß
Wolfgang

Hallo,

wenn im Klinikbericht oder durch den behandelnden Arzt die somatoformen Störungen und/oder generell der „Krankheitswert“ beschrieben und bestätigt werden, dann ist der Mindest-GdB 30. Je nach Stärke der begleitenden Beeinträchtigungen kann es vielleicht auch 40 werden, mehr aber kaum.
Wenn ein Arbeitsverhältnis besteht, ist eine Gleichstellung bei einem GdB von 30 oder 40 lt. Rechtsprechung dann zwingend, wenn in einem der letzten 3 Jahre behinderungsbedingte erhöhte Fehlzeiten (mehr als ca. 30 AU-Tage) vorliegen. Das begründet eine für die Gleichstellung notwendige „abstrakte“ Gefährdung des Arbeitsverhältnisses.
Damit die AA die behinderungsbedingten Fehlzeiten überprüfen kann, sollte jedem GS-Antrag eine Auflistung der KK über AU-Tage mit diagnosen beigelegt werden. Von den Diagnosen erfährt der AG nix.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

Für so etwas gibt es Zuschüsse bzw. Nachteilsausgleiche (bis
hin zum dauernden Lohnkostenzuschuss) für den AG durch das
Integrationsamt.
Je höher die Beschäftigungsquote von
Schwerbehinderten/Gleichgestellten, desto höher der Zuschuß.

dass es die gibt, ist mir bekannt.
Mir ging es um die Bedenken - und diese beruhen häufig auf
Vermutungen. Gerade bei kleinen Firmen, die mitunter für eine bestimmte Tätigkeit nur eine Person einstellen, hatte ich hier tendentiell Vorbehalte erlebt.

Diese Chefs sind ja auch alle bekanntermaßen medizinische
Koryphäen, die das ganz genau beurteilen können mit
entsprechender langjähriger Prognose. Viel mehr als Vorurteile
und/oder Denkfaulheit steckt da idR nicht dahinter.

Genau letzteres wollte ich damit ausdrücken - häufig
Vorurteile.
(Ich bin ja selbst seit Kindesalter von einer Behinderung
betroffen - die sich auf meine Arbeitstätigkeit innerhalb des von mir gewählten Berufes absolut nicht auswirkt, weder mit erhöhten Fehlzeiten noch durch die Notwendigkeit eines angepassten Arbeitsplatzes. Gewisse Vorbehalte hatte ich hier selbst erlebt,
auch in Bezug auf Zeugnisse mit Sportbefreiung.)

  • auf Nachfrage

Falsch, das war die Rechtslage vor Einführung des AGG.

Wo kann ich das nachlesen?
(Meine ich jetzt nicht als Kritik a la „ich glaube dir nicht“,
sondern, um es in Zukunft korrekt angeben zu können.)

Viele Grüße,
Nina

Falsch, das war die Rechtslage vor Einführung des AGG.

Wo kann ich das nachlesen?

es ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, aber von der Logik des § 1 AGG gehen sämtliche Fachkommentare zum AGG davon aus, daß das BAG zukünftig seine Rechtsprechung zur Angabe von Schwerbehinderung auf AG-Anfrage der Rechtsprechung zu Schwangerschaft, Gewerkschaftsmitgliedschaft etc. anpassen wird. Auf diese Frage durfte schon vor Verabschiedung des AGG gelogen werden.
Das findet sich so in allen Gesetzeskommentaren zum AGG, zB „Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht“ oder auch in „Nollert-Perasio/Perrang: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“

Viele Grüße,
Nina

&Tschüß
Wolfgang