Ich wurde 1941 als Zweitgeborener Zwilling geboren und bekam sofort nach der Geburt die Vornamen Hermann-Josef. Mein Bruder bekam die Vornamen Heinz Willi, ebenfalls sofort nach der Geburt. Bereits am nächsten Tag, zur Anmeldung beim Standesamt, wurden die Vornamen getauscht, Also bekam ich die Vornamen Heinz Willi. Dies deshalb, weil man mich zu diesen Zeitpunkt bereits abgeschrieben und aufs „Abstellgleis“ geschoben hatte und man unbedingt einen Sohn mit den Vornamen Hermann Josef haben wollte. So die sehr oft wiederholte Darstellung der Mutter. Nach 7 Tagen starb zum großen Leidwesen der Eltern der Sohn Hermann-Josef. Der Vater ignorierte mich vollkommen, bis ich ca. 2 Jahre alt. Angeblich weil ich absolut nicht lebensfähig aussah. Im Alter von ca. 10 Jahren erklärte mir der Vater. daß mich die Zigeuner kurz nach dem Krieg verloren hätten und die Eltern mich gefunden hätten. Die Mutter erzählte mir bis zu meinem 36. Lj, daß eigentlich der Falsche von uns Zwillingen verstorben war. Außerdem „betete“ sie mir ständig seit frühester Kindheit vor, daß ich ohne den Zwillingsbruder nichts bin, nichts kann usw. Auch noch durch andere Ereignisse in der Familie hatte ich zu den Eltern ein Verhältnis, daß schlechter war, als zu sämtlichen Nachbarn. Mein Berufsleben endete mit 34 Jahren, weil ich psychisch kaputt war. Zum Glück war ich Beamter, dadurch waren die wirtschaftlichen Folgen nicht ganz so schlimm. Ich entwickelte mir zunehmendem Alter eine starke Todessehnsucht, weil ich mit meinem Zwillingsbruder zusammen sein wollte. In der Zeit von 1977 bis 2009 war ich ca. 14 x in stationärer Behandlung wegen psychischer Probleme und gleichzeitig in ambulanter Behandlung. Leider vermisse ich meinen Zwillingsbruder mit zunehmendem Alter immermehr. Bei einer Anfrage beim Facharzt, wie ich mit diesem zunehmendem Leiden umgehen kann, endete mit dem Rat, daß ich mich endlich von meinem Zwillingsbruder verabschieden sollte. Und das geht eben nicht, weil er ein Teil von mir ist. Ich fühle mich eben nicht vollständig! Etwas fehelt bei und in mir!! Unerwähnt lassen möchte ich nicht, daß ich 5 Ehen hinter mir habe und die leiblichen Kinder aus 1. Ehe mich für „bekloppt“ halten. Deshalb habe ich schon seit ca. 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen.
Ich wäre für Hinweise, wie ich für die letzten Tage oder Jahre meines Lebens ohne den Leidensdruck besser über die Runden komme.
Ich bin für jeden praktikablen Hinweis dankbar. Einen klinischen Aufenthalt schließe ich aus.
Vielen Dank im voraus. HB
Eine Psychotherapie wäre sicher sinnvoll für dich, muss ja nicht stationär sein.
Wenn du daran glaubst, dass du deinen Bruder im Jenseits wieder triffst: vielleicht hilft dir der Gedanke, dass es keine Rolle spielt, ob du ihn jetzt oder in 10 Jahren dort triffst. Vielleicht kannst du dir sagen, dass du das Leben für euch beide lebst. Vielleicht möchte er nicht, dass du aufgibst, sondern dass du dein Leben bis zu Ende führst - was ihm ja leider nicht vergönnt war.
Vielleicht hilft der Gedanke, dass ein Stück von ihm auch in dir lebt - und dass du dieses nicht umbringen solltest. Auch der Teil, der von der ursprünglichen Einheit „Zwillinge“ übrig ist, nämlich du, hat ein Recht auf ein gutes Leben.
Lief mir zufällig gestern über den Weg, und könnte interessant für dich sein.
Natürlich bringt es nicht, dir zu sagen, dass du deinen Bruder bzw. zumindest die konkrete Geschichte drum herum vergessen sollst. Das hättest du sicher getan, wenn du dazu in der Lage gewesen wärst. Und es hilft dir auch nicht, dass 99.irgendwas% der Bevölkerung dazu in der Lage ist, und dies „normal“ wäre. Du hast damit nun mal ein spezielles Problem, und dieses spezielle Problem braucht eine spezielle Lösung.
Interessant finde ich im verlinkten Artikel die Nutzung von „fremden“ Beispielen, und den Ansatz des „von außen“ auf diese Beispiele schauen, um - ohne eigene emotionale Beteiligung - zu objektiven Einschätzungen vergleichbarer Situationen zu kommen, um dann auf dieser Basis, sich auch an die selbst erlittenen Schicksalsschläge heran zu arbeiten.
Hallo!
Deine Geschichte hat mich sehr berührt, denn sie zeigt, welche besondere Bedeutung ein Zwillingsgeschwister haben kann (und meistens ja auch hat).
Dass dir jetzt im höheren Alter diese Geschichte so sehr nachgeht ist keineswegs ungewöhnlich. Sie ist nie richtig aufgearbeitet worden und jetzt, wo du den wohl größten Teil deines Lebens gelebt hast kommt der Wunsch auf, das was ungeklärt ist aufzuarbeiten.
Deine Eltern haben - von außen betrachtet - sehr seltsame Dinge getan, die dich verwirrt haben müssen und dem Verlust des Bruders noch eine eigene Dramatik hinzufügen.
Ich halte es auch für sinnvoll, dass du das Thema mit der Unterstützung durch einen Therapeuten aufarbeitest, allein gelingt einem das nur schwer, weil man so sehr verstrickt ist - ein Therapeut kann dir Impulse geben, helfen eine andere Perspektive einzunehmen.
Wichtig ist, glaube ich, dass du deinem Bruder einen Stellenwert in deinem Leben einräumst - denn den hat er (ja schon längst) und du durftest ihn nie richtig wertschätzen. Doch selbst wenn er so früh starb: Er war einmal da und er war dein Bruder und er hatte damit eine Bedeutung für dich und die Eltern!! Welche Bedeutung das ist - das kannst du für dich herausfinden und beschreiben. Dann wird es greifbarer und es kann dir dann vielleicht gelingen, deinen Frieden mit diesem Thema zu machen.
Suche dir einen Therapeuten, bei dem du dich wohl und angenommen fühlst. Und dann kann für dich eine spannende Reise zu deinen Wurzeln beginnen. Lass dir diese Chance nicht entgehen, es ist eine wunderbare Erfahrung.
Ich wünsche dir dafür viel Glück!
Gruß, Diva
Hallo Wiz,
ich bedanke mich für die Antwort. Mal sehen!!
Ich wünsche einen schönen Abend.
Gruß Heinz
Google mal „Familienaufstellung“.
Hey Heinz,
den ultimativen Tipp kann ich dir leider nicht geben. Grausam,dass deine Eltern ihre Probleme an dir ausgelassen haben. Dir wurde jahrelang was eingeredet. Halte es für schwierig dass dann im Kopf abzustellen. Vielleicht solltest du dir vor Augen führen, dass du nicht Schuld an seinem Tod bist/warst.
Irgendwo hab ich mal gelesen sinngemäß, „Bevor man sich als krank einstuft soll man sichergehen dass das Umfeld nicht krank ist“ …
Mir geht es viel besser seit ich mit Kindern zusammenarbeite .
Die Kinder können ihre Last von der Seele reden, wenn sie möchten. Manchmal mit anderen Bezugspersonen eher als mit den eigenen Eltern.
Das hilft ihnen und mir auch, weil sie sich dann meist besser fühlen.
Vielleicht kannst du dich in dieser Richtung sozial engagieren. Wenn auch nur für ein paar Stunden. Du kannst die Liebe die du für deinen verstorbenen Bruder hast so weitergeben.
Letzenendes kannst du das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber das was noch kommt liegt in deiner Hand.
Es hilft auch zu vergeben. Deinen Eltern und vor allem dir. Wünsche dir alles Gute!
Gruss, Melli (die auch Zwillinge hat)
Liebe Melli,
vielen Dank für Deine liebe Antwort. Obiges Problem hat dazu geführt,daß ich bereits im Alter von 34 Jahren pensioniert wurde. Seit dieser Zeit bin im sozialen Bereich ehrenamtlich tätig. Ich habe im Laufe der Jahre ein Helfersyndrom entwickelt. Dies deshalb, weil ich als hilfloses Kind nie Hilfe erfahren habe.
Ich möchte betonen, daß ich mich nicht als krank einstufe. Ich war 35 Jahre in fachärztlicher Behhandlung nur mit dem Erfolg, daß ich nicht durch einen Suizid die Lösung suchte. Ich fühle mich einfach machtlos den tiefgreifenden Gefühlen gegenüber.
Liebe Grüße Heinz
Entschuldige meine verspätete Antwort.
Der Glaube meinen Zwillingsbruder in einem „anderen“ Leben wiederzusehen, tut mir gut. Er bewirkt, daß ich mich mit einem Lächeln von dieser Welt verabschieden werde, weil dann meine lebenslange Sehnsucht in Erfüllung. Ich möchte betonen, daß ich im Sinne von Religiösität kein gläubiger Mensch bin.
Liebe Grüße Heinz
Entschuldige meine verspätete Antwort.
Der Glaube meinen Zwillingsbruder in einem „anderen“ Leben wiederzusehen, tut mir gut. Er bewirkt, daß ich mich mit einem Lächeln von dieser Welt verabschieden werde, weil dann meine lebenslange Sehnsucht in Erfüllung. Ich möchte betonen, daß ich im Sinne von Religiösität kein gläubiger Mensch bin.
Liebe Grüße Heinz
Mich berührt Deine Geschichte sehr. Ich bin selber so eine eher zupackende Person, weil ich in meiner Kindheit einen größeren (eingebildeten) Bruder hatte, der mir oft geholfen hat. Er war meine Zuflucht, wenn ich alleine nicht weiter wusste. Ich habe ihn immer „mitgedacht“, er war immer da, obwohl es ihn nicht gab.
Du hast Deinen wirklichen Bruder, der gestorben war, auch immer dabei gehabt.
Velleicht ist er aber- hätte er gelebt- einen anderen Weg gegangen als Du.
Lass ihn seinen Weg gehen. Das hat er bei aller Trauer verdient.
Er geht seinen Weg, Du gehst Deinen Weg. So, wie das unter Brüdern üblich ist.
Man hat sich ja dennoch unendlich gerne.
LG
Amokoma1
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