Liebe Sabine,
Ich denke, dass er sich sehr wohl über meinen Besuch freut.
bleibt dann Deine urprüngliche Frage: Wie sollst Du am besten damit umgehen?
Er
weiß nur nicht, wie schwer es mir fällt und dass ich (und
andere aus der Familie auch) ihm die Erlösung wünsche.
Ich denke, Sterbende bekommen mehr mit und wissen mehr, als man immer meint. Und das Letzte, was sie brauchen können, ist „belogen“ zu werden. Ich habe sowohl meinem Vater als auch meinem Mann ca. 12 Stunden vor ihrem Tod gesagt, dass sie bitte gehen sollen, dass alles in Ordnung sei…
Wenn Dir nach Weinen ist, dann weine in seiner Gegenwart! Wenn Dir danach ist, dann sag ihm, dass Du einfach wünscht, dass er keine Schmerzen mehr hat.
Nebenbei mal: Wieso wird Dein Opa nicht auf eine höhere Morphiumdosis gesetzt? Für mich war es das Wichtigste zu wissen, dass mein Mann wenigstens keine Schmerzen hat. Danach habe ich ihn jeden Tag gefragt.
Das könnte ich ihm sagen, das ist eine sehr schöne Idee.
Allerdings habe ich auch ein bißchen Angst um die Oma, wenn er
geht. Sie kennt nichts anderes, als für ihn da zu sein.
Daher ist es umso wichtiger, ihr auch klarzumachen, dass sie endlich auch loslassen muss. Wie sie dann genau mit seinem Tod umgehen wird, kann Dir niemand sagen. Ich hatte ja z.B. auch spekuliert, dass Helmut Schmidt nach Lokis Tod höchstens noch sechs Monate leben wird!
Vielleicht fühlt sie sich ja auch „erleichtert“, wenn es Dein Opa endlich geschafft hat. Vielleicht ist ihre derzeitige Fürsorge nur Ausdruck ihrer Angst, selbst so sterben zu müssen.
Alle,
insbesondere meine Mutter und ihre Schwestern, sollten sich
dann um die Oma kümmern, finde ich.
Das werden sie doch sicherlich auch tun. Und wenn ihr es innerhalb der Familie „verteilt“, wird sich auch kaum jemand überfordert fühlen.
Wir müssten sie
beschäftigen und ablenken.
Da muss ich jetzt mal schmunzeln - auch wenn das Thema noch so ernst ist und mir an der einen oder anderen Stelle auch Tränen in die Augen schießen: Man muss Witwen nicht entmündigen und ihnen auch kein „Spaßprogramm“ anbieten. Meine Freunde haben das auch versucht und sind kläglich gescheitert! Zu wissen, dass jemand/die Familie da ist, ist schön, aber dass es Momente gibt, in denen man schlicht niemanden sehen und sich einfach nur seiner Trauer hingeben möchte, muss das Umfeld eben auch respektieren.
Eventuell werdet Ihr Euch auch wundern! Ich kenne viele ältere Witwen, die auf einmal richtig aufgeblüht sind!
Beneidenswert! 
Das könnte ich ihm dazu sagen (dass
die Familie für Oma da ist nämlich).
Das fände ich schön!
Ich habe große Angst, sie würde es nicht verstehen und sie
wäre verletzt.
Mag sein, dass sie es nicht versteht, aber Du hast es doch auch noch nicht versucht.
Beim letzten Mal brachte ich es nicht übers
Herz, Ihre Frage „Ja willst du den denn Opa nicht sehen?“ mit
‚nein‘ zu beantworten.
Ein „Nein“ ist auch schwer zu verstehen, wenn man die Gründe nicht kennt. Sag ihr einfach, dass es Dir so weh tut, Deinen Opa so leiden zu sehen, dass Du Dich hilflos fühlst, dass Du sie für ihre Stärke bewunderst, Du diese aber eben nicht hast und so häufig weinen musst. Sag ihr auch, dass Du Dir auch Sorgen um sie machst, wenn der Opa stirbt, Du so viel machen möchtest, damit es allen gutgeht, Du Dich aber einfach hilflos fühlst.
Vielleicht hast Du Glück und sie versteht es! Älteren Menschen fällt es oft schwer zu verstehen, warum die „Jugend“ nicht so stark ist wie sie selbst. Wenn sie aber etwas sehen/erleben, kommt es auch bei ihnen an: Weine in der Gegenwart Deiner Oma!
Weißt Du, ich durfte meiner Oma (sie wohnt mit meiner Mutter nebenan) fast täglich die Frage beantworten: „Wo ist denn Dein Mann? Warum kommt er denn nicht runter?“ Dazu brauchte ich schon starke Nerven! Aber ich habe den Fehler gemacht, nicht zu weinen!
Daher fand ich es umso wichtiger, dass sie nachts geweckt wurde, um meinen Mann tot zu sehen! Alles andere wäre für sie weiterhin abstrakt geblieben! Sie hat meinen Mann noch auf die Stirn geküsst und danach war es nie wieder Thema!
Das wäre der ehrlichste Weg und der mir am ählich sehendste.
Dann mach es! Du bist doch kein selbstsüchtiger Mensch, nur weil es Dir das Herz zerreißt und Du Dich hilflos fühlst! Du fühlst - und das ist das Wichtigste!
Bleib einfach bei Dir, denn nur so kannst Du auch den Menschen helfen, die Dir wichtig sind! Alles wirst Du nie auffangen können!
Und Sterbebeleitung innerhalb der Familie ist nicht unbedingt eine Erfahrung, die ich jemanden wünsche.
Ich wünsche Dir alles, alles Gute - Du hast viel zu geben - aber eben auf Deine Art!
Liebe Grüße
Kathleen