Sein Leiden oeffentlich machen ?

Henning Mankell hat Krebs. Er selbst weiß es seit zwei Wochen. Die Ärzte haben es ihm gesagt. Dass wir das jetzt auch wissen, liegt daran, dass Mankell – anders als seine Ärzte – nicht der Schweigepflicht unterliegt.

Die Welt:

Der Wandel der GefühlskulturEin Buch, das im Frühjahr unter dem Titel „Schamverlust“ erscheint, sieht in der Gegenwart einen „Wandel der Gefühlskultur“ am Werk. Der Klappentext zitiert Lady Gagas Kotelett-Kleid, Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ und Monica Lierhaus’ Heiratsantrag im Fernsehen. In diesem Zusammenhang wäre Mankells Offenheit womöglich bloß die kaum würdevollere Variante eines kompromittierenden Selfies auf Facebook. Auch gegen Christoph Schlingensiefs „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein“ und Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ – beides Tagebücher über ihr allmähliches Sterben – wurde dieser Verdacht vereinzelt laut.

Ich wuerde auch via e mail Tagebuch oder im Forum  mein Leiden „teilen“.
Denn ich finde Leid und Tod gehoert zum menschlichen Sein.
Und wenn man vorher ueber "Gott und die Welt2 kommuniziert, dann ist das nur folgerichtig, wenn man so ein Tabu bricht.

Oder sehe ich die Nachteile nicht?

Mike

hallo auch ich bin ein Fan von Henning Mankell und es tut mir leid das er dieses Schicksal auferlegt bekommen hat.
Zu Deiner Frage ob man sein Leid öffentlich machen sollte kann ich nur sagen dass dieses die Entscheidung der betroffenen Person ist und Medien dieses Recht darauf nicht haben.
Sollte sich jedoch die betroffene Person zu Ihrer Erkrankung persönlich und öffentlich äussern ist das natürlich unter „persönliche Freiheit“ einzustufen. Leider kann man nie vorhersagen wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Und nicht nur das , sondern man weiss auch nie vorher wie das persönlich Umfeld (evtl. sogar Familienangehörige) darauf reagieren.
Deshalb äussern sich schwer Erkrankte selten in der Öffentlichkeit.
Leider sind die Menschen mit diesen Dingen offenbar überfordert ( geistig…seelisch…oder gar menschlich) und deshalb werfen sie die Decke der Ignoranz darüber…so nach dem Motto " was ich nicht weiss macht mich nicht heiss".
So etwas war früher üblich und ist auch heute noch so.
Meine persönliche Stelllungnahme zu Henning Mankell: Respekt…Anteilnahme…Hoffnung…Kraft

Danke fuer die Antwort.
Wie Du im Eingangstext siehst, sind ja auch andere bekannte Menschen dazu uebergegangen, ihr Leid zu kommunizieren.
Ich vermute eher eine art Tabu dahinter, dass die meisten Menschen nicht ueber ihre Sorgen reden wollen (Angst vor Stigmatisierung? Angat als Verlierer dazustehen, obwohl man doch immer so „brav“ war? Oder weil der voellig uebertriebene Optimismus, was die eigene Lebensdauer betrifft, im Eimer ist? u.s.w.)

Hier wurde uebrigens das Thema auch in einer Radiosendung besprochen:

Ueber seine Krankheit reden - zum nachhoeren

http://www.wdr5.de/sendungen/tagesgespraech/dreissig…

Wenn ich noch hinzufuegen darf: Krankheit eroeffnet auch viele neue Dimensionen, die man so gar nicht kennengelernt haette.
Sie macht ggf. sogar klueger als man vorher war.

Aber wer will schon kjlug werden ?

-)

Nur Promis leiden öffentlich
Moin,

ob Du kurz vor dem Sprung ins Grab stehst oder ich, das interessiert keine Sau. Aber wenn ein autorennenfahrender, umweltverschmutzender Vollpfosten einen Skiunfall hat, dann bekommt er sogar ein Titelbild und einen mehrseitigen Artikel im „Stern“, das habe ich letztens in einem Wartezimmer mit Verwunderung zur Kenntnis genommen.
Und wenn eines von Queen Elizabeth’s Hündchen einen quersitzenden Furz hat, dann geht das auch durch die Presse.

Wer kein Promi ist, darf sich im Internet bemitleiden lassen.

Grüße
Pit

Hallo Mike,

ich bin mir nicht sicher, ob dich das, was mir zu diesem Thema durch den Kopf geht, überhaupt interessiert, weil es sehr allgemein ist. Ich schreibs einfach trotzdem…

Zum einen denke ich, dass du Recht damit hast, dass es da ein gewisses Tabu gibt/gab. Über Sorgen und Probleme, Krankheit, Leid und Tod spricht/sprach man eher nicht in aller Öffentlichkeit. Das hat sicher verschiedenste Gründe, die ich hier nicht einzeln aufführen möchte.

Nun gibt es offensichtlich einen gesellschaftlichen Wandel. Es wird immer normaler, andere (Fremde) an seinem Leben (vielleicht nicht nur Leid), teilhaben zu lassen. Immer mehr Menschen haben das Bedürfnis, sich mitzuteilen. Prominente machen das oft über Bücher, Fernsehsendungen etc. Otto Normalverbraucher, hat vor allem durch das Internet die Möglichkeit, sein Innenleben möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Ich denke, wie jeder Wandel, so hat auch dieser neben seinen guten Seiten auch seine Probleme, die er mit sich bringt. Ich halte es auch für gut, dass Krankheit, Leiden, Tod nicht mehr so sehr Tabuthemen sind. Es ist gut, dass man das nicht verheimlichen muss. Es ist gut, wenn es mehr ins Bewusstsein rückt, dass das zum Leben auch dazugehört und nicht nur eine Randerscheinung ist, die jeder mit sich persönlich ausmachen muss um nur ja niemanden zu belästigen. Es ist gut, wenn nicht mehr erwartet wird, dass man Probleme in sich reinfrisst und wenn die Menschen sich immer mehr trauen darüber zu reden. Das ist ein Weg zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit, zu weniger Heimlichkeiten und weniger Tuscheleien. Aber sowas geht nie ab ohne dass da auch noch Fehlentwicklungen und Nachteile dabei sind. „Schamverlust“ finde ich ein gutes Stichwort. Sowas wie Privatsphäre kommt immer mehr aus der Mode. Viele legen da kaum noch wert drauf. Und das sehe ich schon kritisch. Ganz egal, ob nun Promis ihr ganzes Privatleben in der Öffentlichkeit ausbreiten, oder ob die Leute jeden Furz ins Facebook oder sonstwohin schreiben. Es fällt mir schwer, dieses Unbehagen in Worte zu fassen. Aber trotz dieses Unbehagens, bin ich nicht der Meinung, dass man diese Entwicklung irgendwie stoppen oder gar rückgängig machen müsste. Ich glaube nur, dass wir erst lernen müssen, mit dieser neuen Freiheit sinnvoll umzugehen.

Gruß
M.

Mir scheint, das Thema sollte eher in „Psychologie“ verschoben werden?

By the Way:

1.02. von 12:05 Uhr - 13:00 Uhr auf Bayern 2

Leben mit Krebs - Kampf gegen die Angst

Mit Dr. Marianne Koch und Christiane Viereck, Psychoonkologin

Telefon: 0800 - 246 246 9 gebührenfrei
E-Mail: [email protected]

Als Podcast verfügbar

Habe das Thema hier auch - in anderer Form - zur Diskussion gestellt:

http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?A…

Wieso wird der eigene Tod so sehr verdraengt?"

vom Brett „Psychologie“ in das unserer Ansicht nach besser passende Brett

"Kultur & Gesellschaft aus aller Welt"

verschoben:

http://www.wer-weiss-was.de/app/login/login?jump=244…