Seit wann gibt es moderne Wasserleitungen in Gebäuden?

Guten Tag Wasserfachleute,

in dem Roman „Rose und Schwert“ erzählt Sandra Paretti, dass die Favoritin Caroline des Kaisers Napoleon im Jahr 1814 im Schloss Fontainebleau in ihrem Badezimmer den Wasserhahn aufdrehte: „Rauschend floss das Wasser in die Wanne“.

Ist das möglich? Gab es damals schon eine moderne Wasserversorgung – zumindest in einem großartigen Schloss?

Es ist schwierig, über Google exakte Einzelheiten zu diesem Thema zu finden.

So zum Beispiel:
Die Erfindung der wasserführenden Armatur wird dem griechischen Mechaniker Philon von Byzanz zugeschrieben. Er zeigte in seinem um 230 v. Chr. erschienenen Werk über die Pneumatik erstmals Hähne mit in unterschiedliche Richtung weisenden Bohrungen zum Ablassen verschiedener Weinsorten sowie Dreiwegehähne.

Der erste Absperrhahn, der durch Niederschrauben geschlossen werden konnte, wurde 1795 beschrieben. 1837 ließ sich der Engländer Ovid Topham ein Ventil patentieren, in dem ein über eine Schraubspindel zu betätigender Schieber den Abschluss herbeiführt.

Ist es also möglich, dass die bewusste Dame bereits 1814 ihre Badewanne „aus der Wand“ füllen konnte?

Ich hatte bisher die Vermutung, dass die moderne Wasserversorgung in Häusern erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einzug hielt.

Wer-weiss-was zu diesem Thema?
Danke für Aufklärung
Walter VB

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Die alten Römer hatten doch schon Wasserleitungen aus Blei.
Durch diese kam die Toilettenspülung und das Wasser für die Badehäuser.

Globus

Servus,

wenn Du mal ein römisches Klo angeschaut hättest, schriebest Du nicht ‚Toilettenspülung‘: Es geht da um eine Sitzbank, die an jedem Platz ein Loch hat, und unter der Bank fließt Wasser durch.

Das hat mit einer Wasserleitung in der Wand, an der man ein Ventil öffnen kann, um das Badewasser einlaufen zu lassen, genau nix zu tun.

Außerdem liegen zwischen der römischen Kaiserzeit, als die letzten Thermen gebaut wurden, und 1814 ungefähr 1.500 Jahre, während derer zeitweise das allerhöchste der Gefühle betreffend Wasserinstallation sowas wie die Wasserversorgung von Burg Blankenheim oder die von Castel del Monte waren, die von der beschriebenen Installation meilenweit entfernt sind.

Eine Wasserspülung, die der heutigen vom Prinzip her in etwa entspricht, wurde in England etwa 1760 erfunden.

Und jetzt nochmal an Dich die Frage:

Gab es 1814 in Frankreich Wasserinstallationen, die es erlaubten, dass man ein Ventil aufdreht und dann Wasser rauschend in die Wanne fließt? Sind solche Installationen zu diesem Zeitpunkt vorstellbar?

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

also Ventile kannten schon die alten Römer, siehe hier

http://www.valvemagazine.com/web-only/categories/manufacturing/4947-ancient-roman-valves.html

Und die Technik von Hochbehältern für die Wasserspeicherung auch.

Fraglos wurde so der Zweck einer Toilettenspülung erreicht - und das auch noch wartungsarm ganz ohne Ventile.

Eine vom Ansatz her vergleichbare Spülmethode gab es bis in die 80er hierzulande in Pissoirs von Bahnhöfen und Werken: Man(n) pinkelte an eine ununterbrochen mit Wasser besprühte Wand. Unten befand sich eine Rinne, in der Wasser, Urin und Kippen abflossen. Es gab solche Pinkelwände von zuweilen beeindruckender Länge mit heute grotesk anmutendem Wasserverbrauch.

Zuletzt sah ich solche Pinkelwand in einer Hamburger Werft, wo ich als Student jobbte. Die archaische Einrichtung hatte aber auch ihre praktische Seite: Keiner musste mit dreckverschmierten Pfoten irgendwelche Ventile oder Tasten betätigen. Niemand musste etwas berühren, auch keinen Türdrücker. Die Pendeltür bekam einen Tritt.

Gruß
Wolfgang

Gruß
Wolfgang

Ja, und auch Dampfheizungen, deren Rohre und Verteilerkästen aus Kupfer gelötet waren.

Die Frage bezieht sich nun aber grade nicht auf die römische Kaiserzeit, sondern auf das Jahr 1814.

Und dass enorm vieles, was zur römischen Kaiserzeit bekannt war, im Mittelalter nicht mehr bekannt war, ist ja nun eine Binsenweisheit.

Also auch an Dich nochmal die Frage:

und vorsorglich die Bitte, Deine Antwort zu dieser Frage in geeigneter Weise zu belegen.

Schöne Grüße

MM

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Abtrommeln

Hallo Wolfgang,

ähnliches, aber ohne ständig laufendes Wasser und aus verzinktem Blech, war in den Biberacher Kellerwirtschaften am Fuß und am Hang des Gigelbergs für die Biergärten im Freien installiert: Der Gigelberg bildet abgesehen von zwei Festzügen das Zentrum des Geschehens während des einwöchigen Schützenfestes, und das hehrste Ziel für jeden Halbwüchsigen ist es, in irgendeiner Weise als Trommler oder Pfeifer beteiligt zu sein, mit dem TG-Spielmannszug, der Schützenmusik, der Schwedenmusik oder wie auch immer: Da kann man sich dann, weil es auch außerhalb der Umzüge ständig Termine für irgendwelche Ständchen usw. gibt, eine Woche lang fast ohne elterliche Kontrolle und ohne starke Unterbrechung dem Bier hingeben.

Jedenfalls hieß die letzte Runde der verschiedenen Trommler- und Pfeiferkorps am letzten Tag der Schützenfestwoche durch alle Biergärten das ‚Abtrommeln‘.

Und genau so klang auch die Zinkrinne im ‚Biberkeller‘. So dass es üblich wurde, zwischen zwei Halben den Gang ums Eck anzukündigen mit ‚I gang graad zom Abtrommla!‘

Schöne Grüße

MM

– Übertragung in Elbedeutsch: ‚Ich geh‘ mal eben abtrommeln!’

MM

seufz

Lesen ist halt nicht deine Stärke, guck einfach mal in meinen Link.

Diese römischen Ventile waren auch noch hierzulande bis in die 1970er-Jahre landab und landauf zu finden.

Und ich empfehle dir einmal über Dampfmaschinen wie die von Thomas Savery (1650-1715)
nachzulesen.
1723 wurde in GB das erste öffentliche Wasserversorgungsunternehmen gegründet.
1775 wurde die auch heute noch von uns benutzte Toilettenschüssel von einem britischen
Uhrmachermeister erfunden.
1810 wurde die erste Dusche in einem Hotel in GB eingebaut.

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Und zur vorgelegten Frage, hast Du dazu auch was zu sagen? Oder wolltest Du nur ein wenig plappern?

Hallo

Marie Antoinette (die 20 Jahre vor Carolines Bad starb) hatte in Versailles eine Badezimmer mit Wanne und Absperrhähnen.
Solche Wannen gab es im Schlosse mehrere.
Das war aber nur ein kleines, lokales Wassernetz, welches aus ein paar Leitungen bestand. Die Rohre des Warmwasserhahnes (!) liefen durch eine Kamin, so dass die Dame auch warmes Wasser hatte.
Keine Ahnung, woher der Wasserdruck dort konkret kam, aber Wassertürme kennt man (mindestens) seit dem späten Mittelalter.

Abflüsse gab es keine, die Wannen wurden (wie seit jeher üblich) ausgeschöpft, teilweise konnten sie in ein benachbartes Zimmer gerollte werden.

Es ist also sehr schwer anzunehmen, dass Caroline durchaus Wasser - eventuell sogar warmes Wasser - aus der Wand zapfen konnte.
Von dem Aufwand, den die Angestellten hinter der Wand betreiben mussten, bekam sie ja nichts mit

Gruss, Sama

Hallo,

Auf der französischen Wikipediaseite ist ein Badezimmer abgebildet, dass eine Badewanne zeigt, die entsprechende Ventile hätte. Es stammt aus der Zeit von Napoleons I., obgleich es natürlich vorbehalten bleibt, ob es nachträgliche Umbauten gab.

Gruß
Hardey

Verehrte www-Freunde,
so, das sind doch mal fundierte Informationen zu dem von mir aufgeworfenen Thema!
Vielen Dank an MM-Aprilfisch, Benny, Sama und Hardy.

Wobei mich natürlich interessieren würde, aus welcher Quelle die Info von Sama stammt.

Besonderen Dank an Hardy für den Hinweis auf Google-Frankreich – ich werde meine ganzen alten Französisch-Kenntnisse zusammenkratzen und den Artikel über Fontainebleau studieren.

Letztendlich geht es nicht um die „sagenhafte“ Caroline, sondern mich interessiert das Thema der modernen Wasserversorgung in Gebäuden, nachdem ich kaum etwas Konkretes in Google gefunden hatte.

Und richtig ist ganz gewiss, worauf MM-Aprilfisch hinwies, dass das uralte Wissen zu dieser Technik über viele Jahrhunderte untergegangen war.

Also nochmals: Danke
und beste Grüße Walter VB

Hallo,

ja!
In diesem Buch klick mich Seite 60
gibt es eine Darstellung aus Frankreich von 1810.

Da rauscht wirklich Wasser aus der Wand in die Wanne! :wink:

Danke für Deine interessante Frage.

Gruß

Nachtrag:

Das Buch ist vergriffen, kann aber auf der Verlagsseite in Gänze als pdf downgeloadet werden. klick mich

Zitat: Wir sind jedoch der Meinung, dass dieses Thema wichtig genug ist, um das Buch an dieser Stelle allgemein zugänglich zu machen.

Gute Idee des Verlages!