Seit wann wurde lesbische Liebe von Männern erotisiert?

Hallo :slight_smile:

Mein Thema ist ein bisschen „komplexer“, und ich habe überlegt, ob es nicht vielleicht besser in das Kunst-Brett passt. Falls ja, dann kann man diesen Thread gerne dorthin verschieben!

Es geht um folgendes: es gibt sowohl im Theater als auch in der Oper sogenannte „Hosenrollen“; das sind männliche Rollen, die von Frauen gespielt werden. Und öfter sind diese „Männer“, diese männlichen Figuren, auf der Bühne in Frauen verliebt und umwerben sie. Ein schönes Beispiel ist der Page Cherubino aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“.

Und in manchen Interviews oder Rezensionen habe ich gelesen, dass ein Reiz der Hosenrolle auch der sei, dass es sich hier um zwei Frauen handelt. Der Dirigent Nikolaus Harnoncourt beispielsweise sagte das in einem Interview anlässlich seines Figaro-Dirigats in Salzburg, 2006.

Und nun habe ich mich folgendes gefragt: dass es schon immer Homosexualität gegeben hat ist klar, aber gab es die männliche(!) Fantasie von zwei Frauen, die intim miteinander werden, bereits im 17. oder 18. Jahrhundert, oder ist diese Fantasie eine relativ „neue“ aus dem 20. Jahrhundert?

Ich habe selbst ein bisschen recherchiert, und es gibt zahlreiche pornografische Abbildungen, die aus der Römerzeit, der Antike stammen, oder auch aus Illustrationen aus besagtem 17. und 18. Jahrhundert (etwa für Werke von de Sade). Hier fand ich beispielsweise eine explizite Darstellung, die einen Mann mit zwei Frauen zeigt - allerdings waren beide Frauen nur mit dem Mann beschäftigt.

Und da habe ich mich gefragt, ob man zu dieser Zeit noch gar nicht WUSSTE, es noch gar nicht im Bewusstsein hatte, dass zwei Frauen, die intim miteinander werden, erotisch sein könnten. Ob man damals dachte, dass es nur die Paarung Mann-Frau geben kann, und einem gar nicht einfiel, dass es auch anders geht.

Zusammenfassend sind meine Fragen diese:

  1. Gab es schon vor 200 oder 300 Jahren bei Männern das Bewusstsein, die Vorliebe für lesbische Liebesspiele? Wurde es womöglich schon vor 200 Jahren als erotisch empfunden, wenn eine Hosenrolle sich an eine Frau rangemacht hat? Oder gab es diese Fantasie zu dieser Zeit nicht, und erst im 20. Jahrhundert fing man an, das zu „entdecken“?

  2. Gibt es irgendwelche alten Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert (Bilder, Literatur jeder Art, etc.), an denen man erkennen kann, dass die lesbische Liebe schon damals von Männern als etwas Erotisches gesehen wurde?

Liebe Grüße,
Stefan

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Ganz grob würde ich sagen, dass das in größerem Maß erst ab der bürgerlichen Gesellschaft, d.h. ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommt.
Courbets Le Sommeil fällt mir ein:


Hier ist der „männliche“ Blick recht deutlich, zugleich die weibliche Lust noch sehr zurückhaltend dargestellt durch den Rahmen „Schlaf“.

Ich sehe vorher halt insgesamt wenig Raum für weibliche Homosexualität:
In Athen wurde sie kaum thematisiert.
In Sparta gab es sie, aber dort war sie weniger eine Sache der Lust als eine der sozialen Ordnung (wie die männliche Homosexualität dort auch).
In Rom: ? möglich, dass sie ein kleiner Bestandteil bei irgendwelchen Amüsements/Orgien war, aber in der Öffentlichkeit sehe ich sie nicht kultiviert.
Im Mittelalter: ?

Über nicht-westliche Kulturen habe ich noch weniger Überblick. Ich glaube, dass es etwa in fernöstlichen Kulturen eher eine Raum dafür gab, weil dort auch eher als im Westen eine ars erotica ausgebildet wurde.

Was es sicher immer gab, war weibliche Homosexualität an sicch, und sicherlich gabs auch immer männliche Ergötzungen daran, aber nicht so, dass es Thema der (erotischen) Kultur „im Großen“ geworden wäre.

Es gibt aber mit Sicherheit heute eine Menge Publikationen, die fein säuberlich aufzeigen, wie „im Kleinen“ weibliche Homosexualität oder auch queere Sexualität immer schon, auch öffentlich, vorhanden waren. Da muss man halt recht genau hinschauen.

Und was es natürlich auch gibt, sind hochsublimierte Formen, in denen weibliche Homosexualität mit einem männlichen Blick durch die Jahrhunderte getragen wurde. Die Erzählungen über Sappho in erster Linie.

So viel „Unwissen“ würde ich dann doch ausschließen.
Es geht m.E. schon eher um die Sexualität auf der Ebene der kollektiven Sexualnormen.
Es gab mit Sicherheit zu jeder Zeit genug „Perverse“, die alles Mögliche getrieben und sich an allem Möglichen ergötzt haben.

Gruß
F.

Hallo

Mangels passender geschichtlicher Kenntnisse ein paar Gedanken dazu.

Dass es homosexuelle Männer gibt, das dürfte höchstens zwischendurch oder in manchen Kreisen in Vergessenheit geraten, aber nicht völlig neu gewesen sein.
Da Frauen zeitweise überhaupt eine eigene Sexualität gar nicht zugestanden wurde, kann sie dann ja eigentlich auch weder homo- noch heterosexuell gewesen sein.

Der Reiz an zwei miteinander verkehrenden Frauen dürfte für einen Mann nicht darin liegen, dass sie lesbisch sind, denn was hätte er denn davon? Ich denke, ein Mann, der sich zwei Frauen vorstellt, interessiert sich in dem Moment recht wenig dafür, was in denen vorgeht. Lesbisch oder nicht, das ist überhaupt nicht der Punkt.

Der Reiz dürfte wohl auch in einer Grenzüberschreitung gelegen haben, die möglicherweise mit der Notwendigkeit, die Männerrolle wegen der hohen Stimmlage mit einer Frau zu besetzen, kaschiert wurde.
Ebenso kann der jeweilige Komponist sich in der Rolle einen Knaben vorgestellt haben, was dann eher auf Pädophilie deuten würde.

Was übrigens sehr häufig in Opern vorkommt ist, dass sich z. B. eine Frau als Mann verkleidet und dann jede Menge Verehrerinnen hat. - Oder umgekehrt bzw. ganz kompliziert: Im Rosenkavalier verkleidet sich doch ein von einer Frau gesungener sehr junger Mann (noch nicht im Stimmbruch) als Frau und hat dann einen glühenden Verehrer. Ansonsten wird er ja von einer älteren Dame missbraucht, bis er zum Schluss eine gleichaltrige Partnerin kriegt.

In der Literatur kenne ich das auch mit ‚Hosenrollen‘, z. B. Gustav Adolfs Page. Da verliebt sich ja aber ein Mann in die verkleidete Frau und fragt sich, ob er schwul ist. Das ist ja wesentlich realistischer als dass sich Frauen in Frauen verlieben, nur weil sie verkleidet sind.

Ok, nicht wirklich eine Antwort auf deine Frage, aber vielleicht interessiert es ja jemanden.

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Das ist ein schönes Beispiel! Die Art der Darstellung an sich ist mir in diesem Fall egal, ob es nun geschmackvolle Bilder sind, oder explizite pornografische Illustrationen aus Büchern aus dem 18. Jahrhundert, oder Erzählungen, wo davon berichtet wird, dass zwei Frauen irgendetwas miteinander machen.

Wichtig ist mir dabei nur, dass man daran sehen kann, dass es diese Fantasie, dieses schön oder erotisch-finden einer solchen Paarung bereits damals existierte.

Dieses erwähnte Bild aus dem de Sade-Buch zeigt einen Mann, der auf einem Sessel sitzt. Bei ihm zwei nackte Frauen: eine kniet neben ihm und befriedigt ihn mit der Hand, die andere sitzt mehr oder weniger auf seinem Gesicht. Auffallend dabei war für mich, dass beide Frauen auf den Mann konzentriert sind, beide nur ihn ansehen, und beide nur etwas mit ihm machen. Aus so einem Bild kann ich nun ableiten, dass es die Fantasie, mit mehreren Frauen gleichzeitig zu verkehren, bereits damals gab.

Aber ob Männer damals auch schon überhaupt die Möglichkeit KANNTEN, dass zwei Frauen miteinander irgendetwas machen, ob sie das überhaupt im Bewusstsein hatten und es erotisch fanden, das bleibt noch offen!

Es gibt z. B. auf Wikipedia zum Thema „Hosenrollen“ irgendeinen alten englischen Spruch, in dem der männliche Dichter schreibt, dass dem Publikum gefallen hat, das schöne Bein der Darstellerin zu sehen. Damals waren ja Frauen nur in weiten Kleidern zu sehen, und plötzlich ihre Beine zu sehen war eine Sensation. Aber auch hier: keine Rede davon, dass es irgendein männlicher Zuschauer erotisch gefunden hätte, dass da eine Frau, als Mann verkleidet, andere Frauen umgarnt. Fast so als würde diese Sichtweise gar nicht existieren.

Und angenommen man wusste, dass es lesbische Liebe gibt – da bleibt immer noch die Frage, ob diese von den Männern damals als etwas Erotisches gesehen wurde, oder ob das erst später kam.

Absolut, deswegen würde mir ein einziger „Beweis“ auch völlig ausreichen. Wenn es nur eine Illustration, oder eine Szene in irgendeinem literarischen Werk gibt, die eine Frau-Frau Verbindung erotisch thematisiert, dann wäre alles klar: dann wüsste ich, dass es diese Fantasie, diesen Gefallen daran auch damals gab, dass das grundsätzlich schon damals existiert hat.

Für mich wäre es irgendwie schwer vorstellbar, wenn es nicht so gewesen wäre, angesichts dieser unzähligen Abbildungen aus allen Epochen, von denen man eher vermutet hätte, dass die gezeigten Sexualpraktiken eher eine Erfindung moderner Pornofilme sind.

Das war schlecht formuliert von mir; ich meinte natürlich, ob man das auch erotisch fand. Dass man um die Homosexualität von Frauen wusste würde ich auch stark annehmen.

In diesem Zusammenhang fiel mir der Film „Aimee & Jaguar“ von 1999 ein. Der Film spielt im 2. Weltkrieg und erzählt die wahre Geschichte von zwei Frauen, die zueinander finden. In einer Szene sagt ein Mann, der davon hört, so etwas wie „Lesbisch … ich habe gar nicht gewusst, dass es sowas gibt“.
Das ist natürlich nur die Aussage von EINEM Mann, und kann keinesfalls stellvertretend für alle Männer, geschweige denn für alle Männer in den letzten Jahrhunderten gelten. Aber ich habe mich doch gefragt, ob es nicht so gewesen sein könnte, dass man im 17. Und 18. Jahrhundert tatsächlich nicht „wusste“, dass es sowas gibt, bzw. dass man so etwas gar nicht erotisch fand, weil es nicht im Bewusstsein vorhanden war. Dass es sich hier um ein Feld gehandelt hat, das erst im 20. Jahrhundert, womöglich durch erotische Filme und Literatur, ganz neu ergründet wurde.

Ob sich z. B. Komponisten bewusst waren, dass eine Hosenrolle, die eine andere Frau umgarnt, etwas Erotisches hat, usw.

Liebe Grüße,
Stefan

Das ist ein guter Punkt, den du da vorbringst! Stimmt, es könnte auch so sein, dass man Frauen gar keine Sexualität zugestanden hat, und deswegen auch nichts Erotisches darin sah, dass eine Hosenrolle jetzt eine Frau an sich reißt oder ihr Avancen macht, sondern es witzig fand, so auf die Art „Jö, das ist witzig, die Frau macht einen Mann nach“ statt „Das ist aufregend, zwei Frauen, die sich so nahe kommen“.

Liebe Grüße,
Stefan

Nein, das würde ich nicht sagen. Natürlich sah ‚mann‘ was Erotisches in Frauen.

Und wie und inwiefern genau ‚mann‘ sich vorstellte, was da wohl in Frauen vorging bei sexuellen Handlungen bzw. ob ‚mann‘ sich überhaupt was vorstellte, weiß ich nicht. (Noch weniger weiß ich, was ‚frau‘ sich zu dem Thema vorstellte). Dass man Frauen jedoch verführen konnte, so dass sie freiwillig Unzucht trieben, das war jedoch eindeutig bekannt.

Das Ganze ‚den Frauen keine eigene Sexualität zugestehen‘ kann aber auch lediglich einer der Auswüchse des 19. Jahrhunderts sein, als die Wissenschaft so alles mögliche feststellte, z. B. auch, dass Tiere es nicht merken, wenn man ihnen wehtut, während das Gegenteil zu anderen Zeiten jedem klar gewesen sein wird.

PS: Übrigens lese ich gerade bei Wikipedia, dass Hosenrollen den Vorteil hatten, dass man die Beine der Darstellerinnen sehen konnte, da sie zu diesem Zwecke oft Trikothosen trugen.

Frauen in Männerkleidung waren überhaupt zu den meisten Zeiten vor ca. 1900 ? eine Sensation.

Bei Opern kann die Besetzung einer Männerrolle durch eine Frau durchaus auch rein musikalische Gründe haben.

Hallo FBH- kannst du das einmal genauer erklären?

Was Komponisten ca. 1600 bis ca 1800 betrifft, so ging es vermutlich auch oder hauptsächlich oder nur um die hohe Stimme. Man liebte Koloraturen, Verzierungen und schnelle Läufe, und das geht mit einer hohen Stimme einfach besser als mit einer tiefen.

Diese hohen Stimmen wurden aber häufig (bis 1660 nur) von Kastraten gesungen. Es kam so nach und nach, dass diese Rollen auch von Frauen gesungen wurden. Und da ging es anscheinend in erster Linie darum, dass die Rolle gut gesungen werden konnte, und nicht, ob Mann oder Frau.

Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts hinein waren Frauen auf der Bühne ja verpönt, und da wurden die Frauenrollen von Männern gesungen, auch wenn die Frauen dadurch schon mal eine sehr tiefe Stimme bekamen, während die männliche Hauptperson im Sopran brillierte.

Da meinte ich jetzt natürlich nur Hosenrolle, die als solche vom Komponisten konzipiert wurden, wie etwa Cherubino, Octavian (wobei der aus dem 20. Jahrhundert stammt), Romeo, etc.

Ungeschickt formuliert von mir. Ich meinte, ob die Männer etwas Erotisches darin sahen, wenn eine Frau zu einer anderen „lieb“ war, oder etwa eine Hosenrolle auf der Bühne mit anderen Frauen geflirtet hat oder so. Ob sie sich da dachten „Das hat was Erotisches, weil der Mann in Wirklichkeit eine Frau ist“, oder ob sie dachten „Das ist lustig, wie die Frau so tut, als wäre sie ein Mann“.

Eben das ist einer der Gründe, warum ich mir vorstellen könnte, dass man gar nicht an die homoerotische Komponente gedacht haben könnte - man war vielleicht einfach zu sehr angetan von den plötzlich sichtbaren Beinen der Darstellerin.

Dessen bin ich mir sicher; ich würde auch nicht annehmen, dass Mozart und Co. einzig und allein aus diesem einen Grund Hosenrollen eingesetzt haben.
In manchen Fällen werden sie sicher auch eingesetzt worden sein, weil die Rolle noch kindlich ist, und eine Männerstimme da einfach nicht passt. Oder aus stimmlichen Gründen, etwa, damit sich die Stimme „besser“ mit anderen Frauenstimmen vermischt (Rosenkavalier-Terzett!). Oder auch, weil man die ganze Erscheinung einer Hosenrolle benötigt; Cherubino beispielsweise bekommt dadurch, dass er sich anders bewegt als ein echter Junge, ein bisschen etwas „Unwirkliches“, etwas Leichtes, manchmal sogar etwas „elfenhaftes“ oder engelhaftes. Dadurch sticht er zwischen den echten Männern deutlich heraus, wirkt ganz anders als der Graf oder Figaro.

Ich bin mir sicher, dass alle diese Gründe mehr oder weniger eine Rolle spielen. Aber interessant wäre es für mich zu wissen, ob Komponisten überhaupt daran gedacht haben, dass es auch etwas Anziehendes hat, wenn Romeo von einer Frau gespielt wird und dann eine andere Frau umschwärmt.

Liebe Grüße,
Stefan

Es gibt relativ viel Literatur über männliche Homosexualität in Sparta, und darüber welche sehr regulierte Funktion sie in diesem Erziehungssystem hatte.
Knapp formuliert: Homosexualität trat v.a. als Teil der Erziehung/Ausbildung auf.
Insofern war das Aufnehmen einer homosexuellen Beziehung eines Jungen zu einem männlichen Förderer für beide Seiten mehr eine Frage des Prestiges als eine der Lust,
In dieser Funktion , als sexualisierte „Erziehungs-/Ausbildungsbeziehung“ trat in Sparta offenbar auch weibliche Homosexualität auf.

Das habe ich halt als prinzipiellen Unterschied zu Athen angeführt, in dem offenbar die weibliche Homosexualität kaum eine Rolle spielte, und die männliche Homosexualität zumindest nicht eine so rigide soziale Funktion hatte.

(Ist natürlich bei mir alles Zweiachtelwissen, ich bin auf dem Gebiet gewiss kein Experte)

Gruß
F.

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Wie gesagt, es ging mir natürlich um Hosenrollen, die vom Komponisten als solche konzipiert wurden, nicht um Kastratenpartien, die später von Frauen übernommen wurden.

Ich kann mir nur irgendwie nicht so ganz vorstellen, dass ein Komponist, der Opern schreibt, die Wirkung der Figuren auf der Bühne so völlig außer Acht lässt, bzw. gar nicht daran denkt, dass eine Frau, die eine männliche Rolle spielt, auch ganz anders wirkt, sich anders bewegt.

Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ begann ursprünglich mit einem Dialog zwischen Agathe und dem Eremiten, woraufhin der Chor folgte. Webers Frau sah das, und meinte, er solle das Stück doch lieber direkt mit dem Chor beginnen lassen, weil eine so große Chornummer mit vielen Leuten auf der Bühne sicher mehr Eindruck macht auf das Publikum.
Das hat jetzt nichts mit Hosenrollen zu tun, aber es zeigt, dass man sich schon auch Gedanken gemacht hat über das, was auf der Bühne zu sehen ist, und wie es wirken könnte auf den Zuseher.

Ja mehr noch: sowohl im Figaro-Theaterstück von Beaumarchais als auch in der Oper gibt es mehrere Hinweise darauf, dass Cherubino verblüffend weiblich aussieht. Susanna wundert sich darüber, wie weiß Cherubinos Arm sei, und sagt, dass sie selbst eifersüchtig auf ihn ist. Solche Aussagen sind eindeutig ein kleiner Wink an das Publikum: die Figuren im Stück wissen nicht, warum Cherubino so weiblich aussieht, das Publikum weiß es aber. Ein kleiner Wink daran, dass das hier eine Hosenrolle ist.

Da Ponte hat diese Hinweise auf sein feminines Äußeres übernommen - also da wäre doch die Frage, ob der Komponist hier nicht auch daran dachte, wie seine Figuren wirken könnten, und wie man sie besetzen sollte.

Liebe Grüße,
Stefan

Ich finde im Moment meine Artikel nicht mehr, ist zu unübersichtlich hier. Falls ich sowas geschrieben haben sollte, so bezieht sich das auf die Barockoper. Da scheint es mir so gewesen zu sein, dass es den Komponisten ziemlich egal war, wer die Rolle sang, solange er (oder sie) gut sang. Da ich das aber nicht aus erster Hand wissen kann, lasse ich das offen, diese naturfremde Haltung würde aber irgendwie zu der damals üblichen Gartengestaltung passen.

Bei Mozart glaube ich definitiv nicht, dass er die Wirkung einer weiblichen Person auf der Bühne außer acht gelassen hätte, und bei Weber, also 19. Jahrhundert, schon gar nicht.

Kannst du das vielleicht auch einmal näher erklären?
Ein Älterer hat einen Jüngeren „genommen“- um- ähm - was zu erreichen??
Sollte der Jüngere was „lernen“?- sollte er so bestraft werden?- belobigt?
Das heißt die jungen Männern mussten es über sich ergehen lassen?

als erzieherische Maßnahme???
Sorry- damit habe ich mich noch nie befasst oder davon gehört- daher muss ich das jetzt so fragen :wink:
:slight_smile:

Es geht um eine Art sexualisiertes "Mentor-"System als Form der in dieser Gesellschaftsform institutionalisierten „normalen“ Sozialisierung, die insbesondere für die männlichen Heranwachsenden einen langen Zeitraum vorsieht zwischen dem (sehr frühen) Verlassen der Herkunftsfamilie und dem Gründen einer neuen Familie.
Für den Heranwachsenden war es eine Sache des Prestiges, einen angesehen „Mentor“ zu finden, und für den „Mentor“ umgekehrt auch.
Aus einer „Außenperspektive“ ist das für den Heranwachsenden natürlich eine Form von „über sich ergehen lassen müssen“, keine Frage.

Gruß
F.

Kann man das dann mit einem Initiationritual vergleichen- als ingesamten Vorgang gesehen?

schluck - was gesellschaftliche Formen hervorbringen!

Gibt es denn dafür eine Erklärung? Also- was wird denn damit gekoppelt, dass es so laufen musste? Welche Bedeutung lag gerade in diesem Akt?

lg kitty

Liebe Simsy_Mone,

auch ich verliere hier den Überblick. Vor Jahren, als das Forum noch sein altes Design hatte, konnte man deutlich sehen, wo der Eröffnungsbeitrag war, und wer auf welches Posting geantwortet hat.

Jetzt sieht man einfach nur alle Beiträge untereinander, und erkennt nicht mehr, wer worauf geantwortet hat. Absolut unübersichtlich! Lieber ein super funktionierendes System, das nach 90er Jahre aussieht, als ein schlecht funktionierendes und unübersichtliches, das modern aussieht.

Was die Komponisten anbelangt: das mit den Regieanweisungen etc. kam sicher erst ungefähr zur Zeit Mozarts auf. Davor, in der Barockzeit, gab es vermutlich kaum welche, so wie auch noch nicht vorgeschrieben wurde, welche Instrumente zu spielen haben - die Noten waren da mehr ein Gerüst, und jedes Orchester hat vor Ort, je nach Platz und verfügbaren Instrumenten, umarrangiert.

Bei Mozart und Co. gab es zwar auch noch nicht die Ansicht „So und nicht anders muss mein Werk gespielt werden“, aber es war schon wesentlich eindeutiger, und es finden sich auch genügend Regieanweisungen, die zeigen, dass man kein Rampensingen wollte, sondern ein Schauspiel.

Bei Strauss´ Octavian weiß man, dass er eine Abneigung gegen Tenöre hatte, und natürlich wird er den Octavian auch wegen der Stimme - v. a. im Schlussterzett - mit einer Frau besetzt haben. Also in erster Linie aus diesen Gründen.
Aber dennoch könnte ich mir vorstellen, dass auch er wollte (oder es zumindest in Kauf genommen hat), dass der Octavian sich von den echten Männern im Stück abhebt, dass er einen krassen Gegensatz zum Ochs bildet. Da sich Octavian auch noch als Frau verkleiden muss, würde es vermutlich das Publikum zu sehr aus dem Stück herausreißen, wenn der Ochs nicht sofort erkennt, dass „Mariandl“ ein Mann ist.

Also ich kann mir gut vorstellen, dass auch Mozart daran dachte, dass Frauen, die männliche Figuren spielen, einfach auch anders wirken, sich anders bewegen, und dass diese Wirkung, diese Bewegung auch gewollt war für diese Rolle. Offen bleibt jedoch die Frage, ob man es damals auch erotisch fand, wenn eine solche Rolle nun eine Frau auf der Bühne umworben hat.

Liebe Grüße,
Stefan

Nö.
Es handelt sich ja nicht um einen einmaligen Akt.
M.W. muss man sich das grob so vorstellen, dass die Kinder in Sparta sehr früh aus dem Familien genommen wurden und in staatlichen Institutionen erzogen/gedrillt wurden.

Dieses angesprochene "Mentor"system sollte seiner Funktion nach eben doch wieder, sekundär, persönliche Bindungen herstellen.
Um persönliche Bindungen zu vertiefen und zu festigen ist Intimität/Sexualität natürlich gut geeignet.
Da diese sexualisierte Bindung aber natürlich nicht der späteren Familiengründung in den Weg kommen sollten, eben Homosexualität.

Zudem ist männliche Homosexualität natürlich auch in besonderem Maße eine Frage der Macht und der Unterwerfung (unter den Mentor, der -wie der traditionelle Familienvater auch- eine vorrangige Repräsentation des Staates ist), was in Sparta große Bedeutung hatte.
Entsprechend war der Heranwachsende natürlich der passive Teil dieses homosexuellen Paares.

Gruß
F.

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Das Thema gab es schon im Altertum. Auch in Asien. Siehe zum Beispiel Abblldungen auf Vasen.

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Du meinst die Erotisierung lesbischer Liebe? Oder lediglich die bloße Darstellung? Hast du da vielleicht Bildbeispiele dafür?

LG,
Stefan