Seiteneinsteiger Lehramt Berlin

Hallo Wissende,

mal angenommen, Jette Jederfrau bewirbt sich in Berlin (das händeringend Lehrkräfte sucht!) um eine Stelle als Französischlehrerin. Sie hat zwar nicht auf Lehramt studiert, ist aber seit round about 20 Jahren Vollzeit als freiberufliche Übersetzerin für Französisch, Italienisch und Englisch tätig. Das alles schreibt sie in ihre Bewerbung, verheimlicht auch nicht das fehlende Lehramtsstudium geschweige denn die dazugehörigen Abschlüsse.
Sie bekommt erstmal einen Ein-Jahres-Vertrag, tritt die Stelle an und begeistert als erstes die Schüler, als sie deren Niveau raufsetzt, auch die Eltern, ihre Kollegen und Vorgesetzten.

Nach drei Monaten kommt plötzlich die Nachfrage vom Bezirksamt nach ihrem Bachelorabschluss. Hat sie nicht, denn sie hat auf einer privaten Uni Sprachen studiert und damals gab es nichts Vergleichbares. Aber das hatte sie bereits in ihrer Bewerbung angegeben.

Kurz und schlecht: Das Bezirksamt akzeptiert den fehlenden Abschluss nicht und Jettes Vertrag soll deswegen aufgelöst werden - trotz vehementer Fürsprache ihrer Kollegen und Vorgesetzten, die von ihren fachlichen und pädagogischen Fähigkeiten begeistert sind.

Meine Frage nun: Ist das denn rechtens? Sie hat doch mit offenen Karten gespielt, das wurde sogar ausgiebig kommuniziert und nun hat sie das Nachsehen?

Vielleicht bin ich zu naiv, aber angenommen Jette sitzt gerade hier und heult sich die Augen aus, weil sie es nicht fassen kann. Würdet ihr nicht auch mitleiden?

Fällt jemanden was Konstruktives dazu ein?

Ratlose Grüße
Ann da Cava

Hi

ja das ist in Berlin leider rechtens - die Grundvoraussetzung um als Seiteneinsteiger lehren zu dürfen ist ein Hochschulstudium

ABER ich würde mich an Jettes Stelle an die GEW wenden und prüfen lassen, ob ihr Privatuniabschluss nicht soch anerkannt werden kann - ist ja in anderen Berufszweigen auch Gang und Ge…Gä… … üblich

Gruß h.

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Ein Arbeitsverhältnis endet doch regelmäßig durch Kündigung, Auslaufen oder Aufhebungsvertrag. Wenn ich das Wort

lese, klingt das für mich sehr nach Aufhebungsvertrag. Kann aber gut sein, dass gleich ein gewisser User ankommt und mir vorwirft, ich würde phantasieren, den Sachverhalt überdehnen und überhaupt …

Niemand ist gezwungen, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Auch kann ich keinen Grund erkennen, der eine Kündigung rechtfertigen würde. Eine Anfechtung zumindest wegen arglistiger Täuschung ist wohl auch ausgeschlossen. Wenn der Vertrag aber nach einem Jahr ausläuft, dürfte Schluss sein.

Ein anderes mag sich aus dem Vertrag oder irgendwelchen rechtlichen Aspekten ergeben, die ich nicht kenne. Vielleicht äußert sich ja noch jemand. Ansonsten gilt:

Lässt der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht mehr arbeiten, muss diese den Arbeitgeber zur Wahrung ihrer Ansprüche in Annahmeverzug setzen. Außerdem muss sie im Fall einer Kündigung bedenken, dass sie binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben muss, wenn die Kündigung nicht unabhängig von ihrer Begründung wirksam werden soll.

Mir hat mal ein Professor, der gern an einer Schule unterrichten wollte, erzählt, dass das zuständige Ministerium seine Qualifikation nicht anerkannt hat, obwohl er selbst Lehrerinnen (m/w/d) ausgebildet hat. Ich glaube, die sind da ziemlich vorschriftengeleitet unterwegs.

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Soll der Vertrag gekündigt werden, wird eine Auflösung gegen Abfindung angeboten - oder wird eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf des befristeten Vertrages verneint?

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Mal so „am Rande der Vorschriften“ lesen, ob sich nicht zum Studium irgendwo ein „oder gleichwertig“ oder etwas Ähnliches findet. Der Standardfall mag nicht passen, aber die Ausnahmeregelungen kann man sich schon genau ansehen.

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Hi

die Formulierung bzgl. der Vorbildung heißt in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften ‚oder vergleichbar‘

Wenn es um Stellenbewertungen an sich geht, laufen die Quereinsteiger unter „sonstiger Bewerber“

Nicht (!) um dich zu kritisieren, sondern um die passenden Suchbegriffe einzubringen

@Ann_da_Cava es kann durchaus sein, dass tatsächlich niemand ohne Studienabschluss (Master oder Bachelor + zusätzliche einschlägige Berufserfahrung) zugelassen werden darf - so liest sich das dort beim Überfliegen auf den ersten Blick (Ministerien sind da häufig besonders schräg drauf :face_with_symbols_over_mouth:) deswegen ist es um so wichtiger für Jette ihren Privatuniabschluss möglichst schnell auf die ‚Eignung‘ überprüfen zu lassen, wenn ihr das so einen Spaß macht

Daumendrück

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Von Quereinsteigern spricht man, wenn jemand ohne Lehramts-Studium direkt in den sogenannten Vorbereitungsdienst, das Referendariat, wechselt. Seiteneinsteiger dagegen überspringen auch das Referendariat und beginnen gleich an einer Schule zu arbeiten. Berufsbegleitend finden zu ihrer Unterstützung entsprechende Programme statt.

Wir wurden die ganze Zeit als Quereinsteiger tituliert, dabei waren wir nach obiger Definition Seiteneinsteiger.:sweat_smile:

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Ich habe das dort gelesen, ebenfalls beim Überfliegen:

Letzte Aktualisierung: 21.02.2023

Was sind die Probleme?

  • In der Regel werden LovL nur befristet eingestellt und hangeln sich zum Teil über Jahre von Fristvertrag zu Fristvertrag.
  • Die Senatsverwaltung für Bildung hat bis heute keine Übersicht, welche Qualifikationen die einzelnen Lehrkräfte mitbringen. Meist haben sie einen Hochschulabschluss, aber kein für die Berliner Schule relevantes Fach studiert. Es gibt aber auch Lehrkräfte ohne abgeschlossenes Studium.
  • Damit fehlen in der Regel die Voraussetzungen für die berufsbegleitende Ausbildung zur Lehrerin / zum Lehrer im Wege des Quereinstiegs in Berlin
  • Die Bezahlung von Lovl ist dadurch deutlich schlechter.

Allerdings scheint Französisch aktuell kein Mangelfach zu sein:
https://www.berlin.de/sen/bildung/fachkraefte/einstellungen/lehrkraefte/quereinstieg/#Quereinstieg%20in%20das%20Lehramt

Blöde Frage, die Privatuni war wahrscheinlich nicht akkreditiert, sonst wäre der Abschluss dort auch kein Hindernis?!

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Solche Fälle sollte man mal abklopfen.

Also gibt es Ausnahmen. Welche sind das?

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Keine Abfindung und sie DARF nicht weiter lehren.

Nö, ich glaube nicht. Heute hat man mit Abschluss dort auch gleich den Bachelor, vor 20 Jahren war das noch nicht so.

Es war ein Zitat von der GEW-Seite. Die Voraussetzungen sind bei meinem zweiten Link zu finden, dort stehen allgemeine und persönliche Voraussetzungen.

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Hmm, ok, aber bei den persönlichen Voraussetzungen steht;

  • Sie verfügen über einen lehramtsbezogenen Master of Education oder
  • Sie haben die Erste Staatsprüfung für das Lehramt absolviert oder
  • Sie haben einen Diplom-, Master- oder Magisterabschluss, der an einer Universität oder Fachhochschule erworben wurde und dem sich mindestens ein Fach der Berliner Schule zuordnen lässt.

d. h. Bachelor würde leider auch nicht reichen, also selbst, wenn sie das irgendwie durchsetzen könnte, dass der Abschluss dort anerkannt wird. :frowning:

Ich kann nur das wiedergeben, was sie mir gesagt hat - oder ich verstanden habe.
Mal sehen, wie es weiter geht.

Na ja, eins ist das, was offiziell erwartet wird (Infos auf berlin.de), und etwas anderes das, was tatsächlich praktiziert wird (Infos auf der GEW-Seite, dass es auch Lehrkräfte ohne abgeschlossenes Studium gäbe), Und lt. der Berliner Seite ist Französisch aktuell kein Mangelfach (dafür u. a. Englisch), das ist leider nichts, was ihre Position stärkt. :frowning:

In der Schule (ganz am Rande der Stadt) schon.

Guybrush hat doch schon den Knackpunkt beschrieben. In der Hoffnung, dass Jette nix unterschrieben hat, sollte sie hurtigst zum Anwalt. Im Zweifel heute noch! Die Fristen sind eng.

Was mich auch stutzig macht: was hat das Bezirksamt (Spandau?) damit zu tun? Ist das nicht die Senatsbildungsverwaltung? Die Einstellungsvoraussetzung für LovLs sind jedenfalls niedriger als die für Quereinsteiger. Ein solch fehlender Abschluss an sich ist formal also eigentlich kein Grund, jemanden aus einem laufenden Vertrag zu kicken…
Und ja hach nun. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand seinen Job nicht richtig macht und / oder ihn so macht, obwohl er oder sie es anders könnte.
Ist Jette über die PKB eingestellt? Der Abschluss Diplom oder Bachelor ist da bspw. Auch explizit nicht zwingend Voraussetzung.

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Was für einen Abschluss hat sie denn?

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Berechtigte Frage. Nächste Frage.

Im Ernst jetzt: Ich weiß es nicht genau und möchte nichts Falsches sagen. Sie hat aber durch eure Antworten reichlich Werkzeug an die Hand bekommen, um der Situation so zu begegnen, wie sie es für richtig hält. Vielen Dank! Wenn sie weiß, welchen Weg sie einschlagen will, werde ich sie dabei unterstützen.

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  • noch eins am Rande: Eine gewesene und wie so viele aus diesem Metier mit gestrichenen Segeln in Flaute liegende Übersetzerin aus meiner unmittelbaren Nähe war ziemlich überrascht, wie groß das Interesse an privatem Französischunterricht 1:1 ist, sogar wenn auskömmliche Stundensätze (no ja, so „auskömmlich“ wie die von Übersetzern halt auch waren) verlangt werden. Macht riesig Spaß, weil die Schüler im Einzelunterricht immer interessiert sind und umgekehrt ein zielgerichteter Unterricht in Abhängigkeit von Bedarf und Interesse möglich ist.

Was die Damen und Herren Quereinsteigerverwalter betrifft: Die Wendung „Andere Mütter haben auch schöne Töchter“ heißt im Französischen „Au coin, il y a un bistrot!“ (An der Ecke ist eine Kneipe = Ich muss nicht essen, was Du mir servierst)

Schöne Grüße

MM

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