Hallöchen,
Da stellt sich die Frage, was ist überhaupt eine Sekte und warum sucht man eine Sektenberatungsstelle auf.
Es gibt diejenigen, die Zweifel an der Orthodoxie der Lehre einer religiösen Sondergemeinschaft hegen.
Hier kann eine sekuläre Einrichtung nicht helfen, denn Orthodoxie lässt sich leider nicht objektiv definieren. Ob man hier jedoch, sorry der religiöse Vergleich, den Teufel mit dem Beelzebul austreibt, ist natürlich fragwürdig.
Dann gibt es auch diejenigen, die aus missbräuchlichen religiösen Strukturen aussteigen wollen. Eigentlich macht es fast keinen Unterschied, ob der Missbrauch auf religiöser, sozialer, physischer oder sonstwelcher Ebene stattfindet. Die Religion ist bei solchen Vereinen quasi nur der Beipackzettel, um sich zu legitimieren.
Hier können kirchliche Einrichtungen nur bedingt helfen, da in den Hirnen dieser Personen oftmals die Religion nahezu untrennbar mit dem Missbrauch verschmolzen ist.
Dennoch: wer das Vertrauen hat, sich an die Kirche zu wenden, dem kann über die üblichen humanitären Kanäle der tatsächlich gut vernetzten Kirche viel geholfen werden, ohne das Wort „Religion“ überhaupt in den Mund zu nehmen.
Zur Frage, warum eine religiöse Gemeinschaft beim Ausstieg aus einer anderen Gemeinschaft berät, darf ich mal eine (mit Absicht etwas abwegige) Analogie ins Spiel bringen? Darf ein Steuerhinterzieher geschlagene Frauen beraten?
Es geht beim Sektenausstieg in vielen Fällen nicht so sehr ums Seelenheil wie ums körperliche Heil. Einige Sekten treiben Mitglieder in den Ruin - oder gar den Tod; der „worst case“ wäre das Selbstmord-Attentat!
Da geht es nicht um „meine Religion ist besser als Deine“, sondern um einen Dienst an der Gemeinschaft!
Tatsache ist, dass ein ausgebildeter Theologe mit einer ganz anderen Qualifikation an die Bewertung von Sektenfragen herangehen kann, da - unabhängig ob er ein „Eigeninteresse an Konvertierung“ hegt - er ein systematische Beschäftigung mit der Materie mitbringt, die auf dem Niveau von Laien einfach nicht zu erwarten ist.
Und wo findet man mehr Theologen, als in den Kirchen?
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Meine eigene subjektive Erfahrung ist:
Ich hatte selbst mit einem sektiererischen Verein zu tun und habe ich nach/während dem Ausstieg an die Kirche gewendet.
Dort hat man mir Wissen zur Verfügung gestellt, um eine „Außensicht“ zu bekommen und mir angeboten, mich mit anderen Aussteigern in Kontakt zu bringen, aber ansonsten hat man sich sehr zurück gehalten.
Die geleistete Hilfe war nicht anders als die, welche man von einer sekulären Einrichtung bekommen hätte.
Und ich wurde niemals gefragt, ob ich zurück in die Kirche möchte…
Gruß,
Michael