Selbsttötung

Hallo!

Stefan Zweig hat einmal gesagt:

„Es ist vielleicht das einzige Stück Freiheit, das man sein ganzes Leben besitzt: die Freiheit, das Leben wegzuwerfen“

Oder Rilke:

Die großen präfigurieren ihren eigenen Abgang. (Tod)

In Anbetracht der Selbstverbrennung tibetischer
Mönche und einer Nonne, bin ich bei Recherchen,
wie sollte es anders sein, auf widersprüchliche
Aussagen gestossen.

Wie verhält es sich im Kontext der buddhistischen
Lehre aber auch der anderen religiösen Lehren, mit dem
Freitod? Ist dieser grundsätzlich mit für den
Bertreffenden schädlichen Konsequenzen behaftet?
Oder gibt es Gegenbeiten, in denen der
„Delinquent“ gar sublimiert wird?

Oder ist diese einzige Freiheit nur Atheisten
vorbehalten?

Gruß
Speider

Hallo Speider,

anderen religiösen Lehren

römisch-katholisch: Es gibt den allgemeinen und den besondern Fall.
Allgemein verstösst die Selbsttötung gegen die Gottes- (weil Er Herrschaft über mein Entstehen hatte, darf ich Ihm auch die Macht über mein Ende nicht entziehen), Nächsten- (diese werden vor unumkehrbare Tatsachen gestellt und überdies meistens mit stummen Vorwürfen bedacht) und Eigenliebe (zu „mir“ gehört auch das, wessetwegen ich mich töten möchte).

Im Speziellen kann es aber erlaubt oder geboten sein (es werden Spezialfälle angeführt wie bspw. die drohende Gewalttat. Wenn ich mich dem Gewalttäter durch Selbstmord entziehe, habe ich womöglich Schlimmeres verhindert).

Gruss,
Mike

Moin,

In Anbetracht der Selbstverbrennung tibetischer
Mönche und einer Nonne, bin ich bei Recherchen,
wie sollte es anders sein, auf widersprüchliche
Aussagen gestossen.

Hier eine Stellungnahme vom 17. Karmapa zum Thema Selbstverbrennungen in Tibet:

http://igfm-muenchen.de/tibet/diir/2011/KarmapaState…

Wie verhält es sich im Kontext der buddhistischen
Lehre mit dem
Freitod? Ist dieser grundsätzlich mit für den
Bertreffenden schädlichen Konsequenzen behaftet?

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass das menschliche Leben besonders kostbar ist, weil es die besten Voraussetzungen dafür bietet, Befreiung zu erlangen. Könnte also sein, dass ein Mensch, der sich selbst tötet, diese (einzige) Möglichkeit von sich wirft.

Zudem wird angenommen, dass das, was während des Sterbens oder danach passiert vom aktuellen Geisteszustand abhängig ist. Ein besonders gleichmütiger und „meditativer“ Geisteszustand wird hier als vorteilhaft angesehen. Inwiefern man so einen Geisteszustand während einer Selbstverbrennung bewahren kann, mag ich nicht beurteilen.

Gruß
m.

Moin,

hier noch eine generelle Aussage zum Thema Selbsttötung vom Dalai Lama auf Seite 4 oben in einem Interview auf die Frage:

Welche Folgen hat ein Selbstmord,
wenn man trotz aller Bemühungen
seine Leiden nicht mehr ertragen
kann?

www.tibet.de/uploads/media/tibu051-1999-04-04-dl-pra…

Gruß
M.

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Hallo.

Wie verhält es sich im Kontext der buddhistischen
Lehre aber auch der anderen religiösen Lehren, mit dem
Freitod? Ist dieser grundsätzlich mit für den
Bertreffenden schädlichen Konsequenzen behaftet?

Im Judentum kommen hier verschiedene Grundsätze zusammen, weswegen die Frage nicht einfach zu beantworten ist.

Grundsätzlich gilt, dass wir unser Leben als Geschenk von G’tt bekommen haben, mit einem bestimmten Ziel, auch ist uns dieses nicht bekannt. Ein Selbstmord wird dadurch zu einer Ablehnung gegenüber diesem Geschenk, einer Ablehnung gegenüber G’tt.

Aus diesem Grund ist Selbstmord im Judentum verboten und darum hat ein frommer Jude hier auch keine freie Entscheidung. Er würde sich gegen G’tt entscheiden. Ähnlich verhält es sich dann auch, mit Sterbehilfe.

Das Problem dabei ist aber nun die Frage, ob dieses eine solche bewusste Entscheidung war und ob der Betreffende nicht noch vor seinem Ende Tschuwa (Umkehr zu G’tt) gemacht hat.

Letztlich wissen wir dieses nicht genau und darum dürfen wir über einen Selbstmörder und jemand der es versucht hat, nicht schlecht reden oder denken.

Hinzu kommt der Grundsatz, dass wir kein Urteil fällen dürfen, solange wir nicht in der gleichen Situation uns befunden haben. Gerade bei Selbstmorden kommen oft viele Umstände, Schmerzen und Nöte zusammen, weswegen die Meisten eben hier nicht frei entscheiden, sondern sich dazu „gezwungen“ sehen.

Dieses geht dann soweit, dass das Gegenteil, dass Retten eines Lebens zur Pflicht wird, welche sogar soweit geht, dass hierzu fast alle Gebote gebrochen werden dürfen, um ein Leben zu retten (siehe Pikuach nefesch).

Die einzigen Verbote welche zur Rettung eines Lebens nicht begangen werden dürfen, sind aus dem gleichen Grund auch die Zwangsituationen, in welchen ein „Selbstmord“ (kein Retten des eigenen Lebens) erlaubt ist:

  • Plasphemie gegenüber G’tt
  • Mord
  • Verbotene sexuelle Beziehungen

Die von dir angedachte Freiheit besteht hier also nicht.

Gruss,
Eli

  • Plasphemie gegenüber G’tt

Wa’tt is da’tt?

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  • Plasphemie gegenüber G’tt

Wa’tt is da’tt?

Möglicherweise Fränkisch oder Sächsisch, die nehmen’s mit den harten und weichen Buchstaben nicht so ernst. Aber unter " B lasphemie" sollten einschlägige Suchmaschinen und Lexika weiterhelfen können :wink:.

Martinus

Evangelisch
Die evangelische Sicht ähnelt der jüdischen und katholischen (siehe die Beiträge dazu):

Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Einen Menschen zu töten widerspricht Gottes Willen zum Leben. Und das gilt auch für eine Selbsttötung.

Martinus

Hallo Martinus

Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Einen Menschen zu töten
widerspricht Gottes Willen zum Leben …

Diesen Gedanken kenne ich natürlich.
Merkwürdig nur, dass ich finde, es sei das Wesen eines Geschenkes , dass der Empfänger damit verfahren kann, wie er will.

(Ich schenke z.B. ein Buch mit dem Gedanken, dass die Lektüre den Beschenkten interessieren oder bereichern dürfte. Und es hat mir egal zu sein, ob er es wirklich liest, oder zum Flohmarkt trägt, oder die Seiten gar für hinterlistige Zwecke missbraucht!

Ist das nun eine schräge Ansicht über das Schenken, oder ist das Geschenk Gottes eine Ausnahme?

Grüsse
scalpello

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Ergänzend zur Selbsttötung im Buddhismus
Hallo,
loci classici zum Thema im Palikanon sind drei Sutten. Zunächst S.22.87 Vakkali Sutta - der Mönch Vakkali leidet unter schwerer Krankheit mit zunehmenden Schmerzen und wünscht sein Leben zu beenden. Nach Prüfung des Mönchs, ob dieser Befreiung erlangt hat (was der Fall ist), heisst Buddha eine Selbsttötung gut.

Ausführlicher wird die Problemstellung in S.35.87 (gleichlautend M.144) Channovada Sutta behandelt. Hier prüfen Sariputra und Mahacunda den kranken Mönch Channa. Sariputra trägt seine Zweifel an der Angebrachtheit der Selbsttötung Buddha vor. Buddhas Antwort (money quote): „Ich sage nicht, Sāriputto, daß man darum Tadel habe. Wer da, Sāriputto, den einen Körper ablegt und einen anderen Körper annimmt, der, sag’ ich, ist tadelhaft. Das gilt von Channo dem Mönche nicht. Untadelhaft hat Channo der Mönch zur Waffe gegriffen.“

Die Kommentarliteratur verweist übrigens darauf, dass Buddha die Selbsttötung (wie auch im o.a. Vakkali Sutta) auch unter der genannten Bedingung nicht empfiehlt sondern sie lediglich nicht tadelt. Zu einer Selbsttötung zu raten oder sie zu empfehlen gilt auch nach dem Vinaya (der Ordensregel) als schwerer Verstoß gegen das Prinzip ahimsa (Nicht-Verletzen).

In S.4.23 Godhika Sutta ist die Situation noch stärker zugespitzt, hier fällt das Motiv der Krankheit und Schmerzen weg. Der Mönch Godhika hat sechs Mal den Zustand der Befreiung erlangt, fällt jedoch jedes Mal wieder zurück. Um eine siebte Wiederholung des Rückfalls zu verhindern, tötet er sich. Buddha erklärt dies als gerechtfertigt.

Selbsttötung ist also zu tadeln, wenn Befreiung aus dem Samsara noch nicht erlangt ist - die Existenz als Mensch (selbst als durch Krankheit und Schmerzen behinderter Mensch) ist die optimale Voraussetzung dafür; überdies eine Voraussetzung, die im samsarischen Kreislauf eine seltene Ausnahmesituation darstellt. Dies wird an etlichen Stellen des Palikanon, die ich hier nicht im einzelnen anführe, erklärt. Der menschlichen Existenz wird also - trotz pessimistischer Grundhaltung - durchaus ein sehr hoher Wert zugewiesen, doch ergibt sich dieser aus ihrem Potential, Befreiung zu erlangen. Ist diese erreicht, ist es untadelig, die Existenz aus wichtigem Grund zu beenden. Der Grund muss wichtig genug sein, um das Mitgefühl mit anderen Wesen zu überwiegen, dass den Befreiten veranlasst, diesen auf ihrem eigenen Weg zur Befreiung von Nutzen zu sein.

Die o.a. Sutten sind verhältnismäßig kurz, schnell gelesen und mE unschwer zu verstehen, daher hier keine tiefergehende Erläuterung.

http://www.palikanon.com/samyutta/sam22_090.html#s22_87
http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m144z.html
http://www.palikanon.com/samyutta/sam04_25.html#s4_23

Die aktuellen spektakulären Selbstverbrennungen tibetischer Nonnen und Mönche wie auch vietnamesischer Mönche zu Zeiten der Militärdiktatur in Südvietnam sind theoretisch freilich anders begründet - sie werden als Selbstaufopferung aus Mitgefühl mit Anderen verstanden. Das (nicht ganz unproblematische) Rechtfertigungsmuster dafür findet sich weniger in den kanonischen Texten als in den legendenartigen Jataka-Erzählungen.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo.

Ist das nun eine schräge Ansicht über das Schenken, oder ist
das Geschenk Gottes eine Ausnahme?

Das Problem ist, dass du hierbei selber das Buch bist. In diesem Sinne kannst du nicht mit dem Geschenk, dir selber, machen was du willst, weil du dir selber nicht gehörst.

Vielleicht ist darum diese Sicht hier vielleicht hilfreicher, dass uns unser Körper nicht gehört. Normalweise spielt dieses bei Fragen der Transplantationen oder Selbstverstümmelungen eine Rolle, kann aber auch bezogen auf den Selbstmord bedacht werden.

Gruss,
Eli

Hallo ihr zwei!

Vielleicht werft ihr mal einen Blick darauf,
aber nur falls es euch interessiert und ihr
Zeit habt und sagt mir was ihr davon haltet.

http://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/fileadmin/…

Aber fühlt euch bitte nicht genötigt, es ist
relativ viel Text, ich will nicht unverschämt
werden.

Gruß und Danke
Speider

Vermeidende Schreibweise
Hi.

  • Blasphemie gegenüber G’tt

Wa’tt is da’tt?

D´att bedeutet, d´att du hier eine Wissenslücke hast. Im Judentum ist es üblich, das Schriftwort „Gott“ zu vermeiden, da jede nichthebräische Bezeichnung des jüdischen Gottes als unheilig gilt. Deshalb schreibt man „G´tt“ und spricht dies beim Lesen entweder „Gott“ aus oder oder man verwendet an dieser Stelle die hebräischen Begriffe „Adonai“ (´Mein Herr´) oder „HaSchem“ (´Der Name´).

Als begründende Referenz gilt Ex 20,7.

Chan

Danke!
Und viele Grüße an alle

Speider

Hallo Elimelech,

das Reden von „Geschenk“ ist letztlich ein Euphemismus oder homiletisch.
Man soll das Leben als gute unverdiente Leistung Gottes für den Menschen, wie ein Geschenk, auffassen, das man freudig annimmt und mit dieser Freude auch daran geht herauszufinden was man damit alles Anfangen kann.

Tatsächlich kann man den Menschen in der von dir erläuterten Auffassung auch als Eigentum Gottes und sein Leben als Auftrag, eine von Gott auferlegte Pflicht des Menschen ansehen.

Geschenke kann man ablehnen, nicht annehmen.
Einen Auftrag seines Eigentümers zu verweigern ist strafwürdig.

Gruß
Werner

Das Geschenk des Lebens
Knapp gesagt: Es stimmt, der Vergleich hinkt. Schon alleine deshalb, weil ich ein „normales“ Geschenk ablehnen kann, das Geschenk des Lebens kann ich ersteinmal nicht ablehnen, es wurde mir sozusagen aufgedrängt.

Und es stimmt natürlich auch, daß der/die Beschenkte frei mit dem Geschenk verfahren kann, weil es ja sein Eigentum ist. Doch wenn ich z.B. einem Bekannten ein kostbares Geschenk mache und feststelle, daß dieser damit ganz und gar nicht würdigend umgeht, dann werde ich mir beim nächsten Mal, wenn ich etwas Wertvolles zu verschenken habe, wohl eher jemanden anderes dafür aussuchen.

Etwas geschenkt zu bekommen hat also durchaus nicht nur die Seite des „Rechts“ (Eigentum am Geschenk). Mit einem Geschenk sind auch Pflichten verbunden (ganz allgemein, weil Eigentum immer auch verpflichtet; uns insbesondere weil man ein Geschenk würdigend behandeln sollte). Und in diesem Sinne ist hier auch die Rede vom Geschenk des Lebens zu verstehen. Aber - wie eingangs zugestanden, der Vergleich hinkt - nicht zuletzt auch deshalb, weil das Ablehnen oder der sorglose Umgang mit einem „normalen“ Geschenk etwas ist, was im „echten“ Leben weit weniger weitreichende und endgültige Folgen hat, als das Geschenk des Lebens selbst durch eine Selbsttötung wegzugeben.

Martinus

Moin,

ich hab mir den Text mal durchgelesen und folgendes fiel mir spontan auf:

Gestört hat mich an dem Text, dass es das Thema Selbsttötung Historisch und nach Schulen differenziert aufgerollt hat. So entsteht ein ziemlich wirres Bild, dass er ja selbst damit kommentiert, dass es hier offenbar keine einheitliche „Linie“ gibt.

Viel sinnvoller wäre es meiner Meinung nach das Thema anders aufzurollen, nämlich anhand der Vorstellungen des Buddhismus, was „das Leben“ und „der Tod“ überhaupt impliziert, welche Rolle Motivation und karmische Handlungen spielen und wie sich Personen, die unterschiedliche weit auf dem Weg zur Erleuchtung sind (normale Praktizierende, Asketen, Arhat, Bodhisattvas, Buddhas usw.), in ihrem Handeln, ihrer Motivation und der möglichen Konsequenz einer Selbsttötung unterscheiden.

Würde man das Thema so beleuchten, dann wären die Unterschiede in der jeweiligen Bewertung sinnvoll begründet und man erkennt dann auch die überwiegende Kontinuität durch die Zeitalter und Schulen hindurch.

Speziell möchte ich folgende Anmerkungen machen.

Es wird im Text öfter die Möglichkeit erwähnt, dass ein „Tugendhafter“ durch die Selbsttötung aufgrund seiner Verdienste in den „Himmel“ kommt. Dazu muss man wissen, dass nach buddhistischer Auffassung das Verweilen in diesem „Himmel“ ebenfalls endlich und Teil von Samsara ist. Zwar soll der Aufenthalt in diesen Spähren leidfrei und glücklich sein, doch endet er igendwann und dieses Ende wird dann als unsäglich leidvoll erfahren. Somit mag dies zwar vordergründig ein zunächst ein erstrebenswerter Zustand sein, aber die vorherrschende Meinung ist, dass ein Leben als Mensch allemal besser ist. Zwar ist das menschliche Leben leidvoll, aber es birgt eben auch die Möglichkeit, Befreiung aus Samsara zu erlangen.

Dann wird öfters die Möglichkeit erwähnt, im Sterbeprozess die Erleuchtung zu erlangen. Dies beruht auf der Auffassung, dass der Sterbeprozess zum Erlangen der Erleuchtung besonders geeignet ist. Allerdings setzt dies voraus, dass der Sterbende in der Lage ist, während des gesamten Sterbeprozess sein Bewusstsein (und sei es auf einer sehr subtilen Ebene) zu bewahren. Diese Fähigkeit dürften nur sehr wenige und sehr geübte Yogis haben. Normalerweise verliert man einfach sein Bewusstsein früher oder später und damit ist die Chance vertan. Also auch nicht unbedingt empfehlenswert.

Für westliche Menschen, die mit dem Tod entweder etwas verbinden wie: Danach ist alles aus. oder: Danach gehts entweder in dem Himmel oder in die Hölle, je nachdem, ob daran geglaubt wird, ob es etwas gibt, das den Tod übersteht (wie eine unsterbliche Seele) ist die buddhistische Vorstellung vom Tod manchmal schwer zu verstehen. Aus buddhistischer Sicht ist der Tod eher etwas wie eine „Wandlung“. Da die Existenz eines unveränderlichen unabhängigen „Selbst“ verneint wird, kann dieses auch nicht sterben oder gar wiedergeboren werden. Welchen Sinn macht der Tod dann ausbuddhistischer Sicht überhaupt und unterscheidet sich dieser Sinn vom Leben selbst? Und welchen Sinn macht es dann, diesem Leben ein Ende zu setzen? Was wird da überhaupt beendet? Wichtige Fragen aus buddhstischer Sicht, die hier gar nicht angesprochen werden.

Wie verhält es sich nun mit dem Tod eines Buddhas? Der Meinung des Autors, dass der Tod eines Buddhas eine Artz „Suizid“ sei, weil Buddhas ja die Wahl hätten, beliebig lange zu verweilen, möchte ich widersprechen. Ein Buddha ist zunächst nichts anderes als ein Mensch, der auch über die ganz normalen menschlichen „Aggregate“ oder „Skandhas“ verfügt, die einen Menschen nunmal ausmachen, und die bedingt und vergänglich sind. Das ändert sich auch nicht, wenn dieser Mensch Erleuchtung erlangt. Meiner Meinung nach ist das auch die Hauptlehre, die aus dem Tod Siddharta Gautama zu ziehen ist. Warum das so ist, dafür müsste man jetzt länger ausholen.

Des weiteren werden die unterschiedlich Bodhisattva-Stufen zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert. Dies sollte man nachholen, wenn man diesen Abschnitt des Textes wirklich verstehen will.

Was die Selbsttötung aus Selbsthass/Ekel angeht, so wird dies ja mehrfach erwähnt und, dass nicht lobenswert ist. Man muss dazu wissen, dass es meditative Übungen gibt, die dazu führen sollen, dass der Mensch nicht allzusehr an seinem eigenen Körper und dessen Vergnügungen haftet. Dies macht aber nur Sinn bei sehr genusssüchtigen und selbstverliebten Menschen. Wenn jedoch schon eine eher ablehende Haltung sich selbst gegenüber besteht, dann wird geraten, Mitgefühl und liebevolle Zuneigung in Bezug auf sich selbst zu üben und zwar auch hier wieder vor dem Hintergrund, eine möglichst gute Grundlage für die Praxis auf dem Weg zur Erleuchtung zu schaffen.

Auch wird in dem Text die Wichtigkeit des ausgeglichenen Geisteszustand während des Sterbeprozesses erwähnt, was ich ja auch schon angeführt hatte, und was z.B. eine Selbsttötung aus einem verzweifelten Geisteszustand heraus natürlich ausschließt.

Soviel als Schnellschuss. Gibt es etwas, was dich in diesem Zusammenhang besonders interessiert?

Gruß
M.

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Keine Freiheit zum Selbstmord
Hi.

Oder Rilke: Die großen präfigurieren ihren eigenen Abgang. (Tod)

Ich sehe in diesem allerdings nicht wörtlichen Zitat keine Befürwortung des Selbstmords.

Inhaltlich würde das sowieso keinen Sinn machen, da unter den „Großen“ bis zu Rilkes Lebenszeit außer H. von Kleist keiner bekannt ist (jedenfalls nicht mir), der Selbstmord verübt hätte. Offiziell beging Kleist zusammen mit seiner Geliebten Selbstmord, aber es gibt Hinweise, dass diese Geschichte so nicht stimmt und dass vielleicht ein Mordkomplott dahinter steckt (Zeugen sagten aus, dass die beiden wenige Stunden vor dem angeblichen Selbstmord vergnügt in einer Gaststätte tanzten).

(Stefan Zweig): „Es ist vielleicht das einzige Stück Freiheit, das man sein ganzes Leben besitzt: die Freiheit, das Leben wegzuwerfen.“

Das schrieb einer, der selbst durch Selbstmord endete. Fakt ist, dass er die „Freiheit“ dazu nicht wirklich hatte. Freiheit kann sinnvoll definiert werden als völlig zwanglose Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Im Falle von Zweig kann von einer solchen Freiheit nicht die Rede sein. Er litt so massiv unter der Expansion des Hitlerregimes, dass er (ein eher arreligiöser Jude) es vorzog, zusammen mit seiner Frau in Brasilien im Alter von 65 eine Überdosis Barbital zu nehmen.

Ich sehe in diesen Umständen keinen logischen Zusammenhang mit dem Zitat. Zweig war schon in relativ hohem Alter, hatte sein Lebenswerk vollbracht und litt definitiv unter starken Depressionen.

Von „Freiheit“ kann in dieser Situation also absolut keine Rede sein.

Außerdem war es ein Paar-Selbstmord, der viel leichter fällt als ein Solo-Suizid.

Oder ist diese einzige Freiheit nur Atheisten vorbehalten?

Selbstmord ist nie ein Akt der Freiheit. Dahinter stehen immer Gründe, die den Entscheidungsspielraum eingrenzen, z.B. bei Klaus Mann, der Morphinist war und sich in einer Phase der Depression mit Schlaftabletten tötete, oder wie im Falle von Walter Benjamin, der von der Gestapo verfolgt wurde.

Sogar der hochatheistische Albert Camus, der das Dasein für komplett absurd hielt, lehnte theoretisch den Selbstmord ab, da dieser keine Auflehnung gegen das Absurde sei, sondern seine Bestätigung. Es gälte aber, sich gegen das Absurde aufzulehnen.

Auch kann ein Atheist nie mit Sicherheit wissen, wie es nach dem physischen Tod weitergeht. Natürlich gibt es Atheisten, die steif und fest behaupten, dass nach dem Tod nur Nichts ist. Was kann man von solchen Behauptungen halten? Gar nichts. Der Atheist, der mit einer solchen Begründung freiwillig in den Tod geht, spielt nur ein Russisches Roulette der philosophischen Art. Vielleicht hat er recht, vielleicht auch nicht.

Chan

Hallo Chan!

Inhaltlich würde das sowieso keinen Sinn machen, da unter den
„Großen“ bis zu Rilkes Lebenszeit außer H. von Kleist keiner
bekannt ist (jedenfalls nicht mir), der Selbstmord verübt
hätte.

Na, dir vielleicht nicht.
Das unterscheidet dich von Rilke :wink:

Von „Freiheit“ kann in dieser Situation also absolut keine
Rede sein.
Selbstmord ist nie ein Akt der Freiheit. Dahinter stehen immer
Gründe, die den Entscheidungsspielraum eingrenzen

Naja, ich glaube aber nicht, dass hierbei, im Kontext von Religion und Atheismus, der psychologische/psychopathologische Freiheitsbegriff sonderlich relevant ist.

Auch kann ein Atheist nie mit Sicherheit wissen, wie es nach
dem physischen Tod weitergeht. Natürlich gibt es Atheisten,
die steif und fest behaupten, dass nach dem Tod nur Nichts
ist. Was kann man von solchen Behauptungen halten? Gar nichts.
Der Atheist, der mit einer solchen Begründung freiwillig in
den Tod geht, spielt nur ein Russisches Roulette der
philosophischen Art. Vielleicht hat er recht, vielleicht auch
nicht.

Die Freiheit des Atheisten beim Suizid ist gar nicht so sehr die Freiheit von Gott (bzw. Spekulationen über dessen Existenz), sondern es ist die Freiheit von der Religion bzw. von der tradierten gesellschaftlichen Funktion der Religion.
Alle großen Weltreligionen retten eine vormoderne, kollektivistische Sicht des Suizids in die moderne, individualisierte Welt. Deshalb kennen sie wohl so gut wie alle durchaus „erlaubte“ Formen des Suizids (ein paar davon wurden im Thread genannt), und zwar samt und sonders Formen des ritualisierten Suizids, bei dem untrennbar religiöse und gesellschaftliche Aspekte verbunden sind.

Die Freiheit des modernen Atheisten nun ist die Freiheit vom Kollektiv und vom sozialen Ritual, sprich: es ist eine individualisierte Freiheit. Die Freiheit zum ganz privaten Suizid.
Nur der Atheist kennt, über die auch von den Religionen gestatteten kollektiven Formen des Suizids hinaus (damit meine ich NICHT, dass der Suizid kollektiv ist, sondern dass die Perspektive seiner Bewertung kollektiv ist), auch die ganz individuelle Form des banalen „Ich mag nicht mehr“ ohne jede Einbettung in gesellschaftliches Ritual und ohne jede Frage des „Zugangs“ dazu (den richtigen Rang besitzen, um überhaupt erst den den Suizid erlaubenden Ehrverlust erleiden zu können usw.).

E.T.

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historien

Zeugen sagten aus, dass die beiden wenige Stunden vor
dem angeblichen Selbstmord vergnügt in einer Gaststätte
tanzten).

man könnte sich auch vergnügt das leben nehmen, warum nicht?

e.c.

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