Moin,
ich hab mir den Text mal durchgelesen und folgendes fiel mir spontan auf:
Gestört hat mich an dem Text, dass es das Thema Selbsttötung Historisch und nach Schulen differenziert aufgerollt hat. So entsteht ein ziemlich wirres Bild, dass er ja selbst damit kommentiert, dass es hier offenbar keine einheitliche „Linie“ gibt.
Viel sinnvoller wäre es meiner Meinung nach das Thema anders aufzurollen, nämlich anhand der Vorstellungen des Buddhismus, was „das Leben“ und „der Tod“ überhaupt impliziert, welche Rolle Motivation und karmische Handlungen spielen und wie sich Personen, die unterschiedliche weit auf dem Weg zur Erleuchtung sind (normale Praktizierende, Asketen, Arhat, Bodhisattvas, Buddhas usw.), in ihrem Handeln, ihrer Motivation und der möglichen Konsequenz einer Selbsttötung unterscheiden.
Würde man das Thema so beleuchten, dann wären die Unterschiede in der jeweiligen Bewertung sinnvoll begründet und man erkennt dann auch die überwiegende Kontinuität durch die Zeitalter und Schulen hindurch.
Speziell möchte ich folgende Anmerkungen machen.
Es wird im Text öfter die Möglichkeit erwähnt, dass ein „Tugendhafter“ durch die Selbsttötung aufgrund seiner Verdienste in den „Himmel“ kommt. Dazu muss man wissen, dass nach buddhistischer Auffassung das Verweilen in diesem „Himmel“ ebenfalls endlich und Teil von Samsara ist. Zwar soll der Aufenthalt in diesen Spähren leidfrei und glücklich sein, doch endet er igendwann und dieses Ende wird dann als unsäglich leidvoll erfahren. Somit mag dies zwar vordergründig ein zunächst ein erstrebenswerter Zustand sein, aber die vorherrschende Meinung ist, dass ein Leben als Mensch allemal besser ist. Zwar ist das menschliche Leben leidvoll, aber es birgt eben auch die Möglichkeit, Befreiung aus Samsara zu erlangen.
Dann wird öfters die Möglichkeit erwähnt, im Sterbeprozess die Erleuchtung zu erlangen. Dies beruht auf der Auffassung, dass der Sterbeprozess zum Erlangen der Erleuchtung besonders geeignet ist. Allerdings setzt dies voraus, dass der Sterbende in der Lage ist, während des gesamten Sterbeprozess sein Bewusstsein (und sei es auf einer sehr subtilen Ebene) zu bewahren. Diese Fähigkeit dürften nur sehr wenige und sehr geübte Yogis haben. Normalerweise verliert man einfach sein Bewusstsein früher oder später und damit ist die Chance vertan. Also auch nicht unbedingt empfehlenswert.
Für westliche Menschen, die mit dem Tod entweder etwas verbinden wie: Danach ist alles aus. oder: Danach gehts entweder in dem Himmel oder in die Hölle, je nachdem, ob daran geglaubt wird, ob es etwas gibt, das den Tod übersteht (wie eine unsterbliche Seele) ist die buddhistische Vorstellung vom Tod manchmal schwer zu verstehen. Aus buddhistischer Sicht ist der Tod eher etwas wie eine „Wandlung“. Da die Existenz eines unveränderlichen unabhängigen „Selbst“ verneint wird, kann dieses auch nicht sterben oder gar wiedergeboren werden. Welchen Sinn macht der Tod dann ausbuddhistischer Sicht überhaupt und unterscheidet sich dieser Sinn vom Leben selbst? Und welchen Sinn macht es dann, diesem Leben ein Ende zu setzen? Was wird da überhaupt beendet? Wichtige Fragen aus buddhstischer Sicht, die hier gar nicht angesprochen werden.
Wie verhält es sich nun mit dem Tod eines Buddhas? Der Meinung des Autors, dass der Tod eines Buddhas eine Artz „Suizid“ sei, weil Buddhas ja die Wahl hätten, beliebig lange zu verweilen, möchte ich widersprechen. Ein Buddha ist zunächst nichts anderes als ein Mensch, der auch über die ganz normalen menschlichen „Aggregate“ oder „Skandhas“ verfügt, die einen Menschen nunmal ausmachen, und die bedingt und vergänglich sind. Das ändert sich auch nicht, wenn dieser Mensch Erleuchtung erlangt. Meiner Meinung nach ist das auch die Hauptlehre, die aus dem Tod Siddharta Gautama zu ziehen ist. Warum das so ist, dafür müsste man jetzt länger ausholen.
Des weiteren werden die unterschiedlich Bodhisattva-Stufen zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert. Dies sollte man nachholen, wenn man diesen Abschnitt des Textes wirklich verstehen will.
Was die Selbsttötung aus Selbsthass/Ekel angeht, so wird dies ja mehrfach erwähnt und, dass nicht lobenswert ist. Man muss dazu wissen, dass es meditative Übungen gibt, die dazu führen sollen, dass der Mensch nicht allzusehr an seinem eigenen Körper und dessen Vergnügungen haftet. Dies macht aber nur Sinn bei sehr genusssüchtigen und selbstverliebten Menschen. Wenn jedoch schon eine eher ablehende Haltung sich selbst gegenüber besteht, dann wird geraten, Mitgefühl und liebevolle Zuneigung in Bezug auf sich selbst zu üben und zwar auch hier wieder vor dem Hintergrund, eine möglichst gute Grundlage für die Praxis auf dem Weg zur Erleuchtung zu schaffen.
Auch wird in dem Text die Wichtigkeit des ausgeglichenen Geisteszustand während des Sterbeprozesses erwähnt, was ich ja auch schon angeführt hatte, und was z.B. eine Selbsttötung aus einem verzweifelten Geisteszustand heraus natürlich ausschließt.
Soviel als Schnellschuss. Gibt es etwas, was dich in diesem Zusammenhang besonders interessiert?
Gruß
M.