Selbstüberschätzung in hohen Ämtern/Stellungen

Guten Tag zusammen,

Ist dieses Thema beschrieben?

Jemand kommt in eine hohe Stelle und fühlt sich auf einmal berufen, auch in Gebieten, von denen er keine Ahnung hat, munter mit- und rein zu reden.

Mein Paradebeispiel dafür ist das Interview von Günther Öttinger, bei dem er englisch spricht und offenbar völlig den Bodenkontakt verliert.

Aber auch im Alltag beobachte ich immer wieder solche Peinlichkeiten, die daher zu kommen scheinen, dass jemand sich deshalb selbst überschätzt, weil er in einer gehobenen Position steht.

Ich würde mich gerne mit diesem Phänomen eingehender beschäftigen. Kann da jemand Bücher empfehlen?

Schöne Grüße

vV

Hallo von_Vrymersfeld,

es ist zwar bestimmt nicht die Ganze Antwort auf das von Dir beschriebene Phänomen, aber vielleicht doch ein guter Einstieg:

Peter-Prinzip (Amazon-Auswahl)

Viel Spaß bei der Lektüre.

Dein
Ebenezer

Hallo,

ein Kollege hat mir in der Ausbildung immer vom Peter-Prinzip erzählt. Kurz: Der Mensch steigt in solange auf, bis er eine Stufe erreicht, für die er nicht mehr geeignet ist. Er erklärte so die Unfähigkeit vieler unserer Vorgesetzter.

Und vielleicht hängt es irgendwie damit zusammen: Ich bin für meine Position eigentlich nicht mehr geeignet, kann es aber gut überspielen, indem ich mich um vielen anderen Kram kümmere, nur nicht mehr um meine eigentliche Arbeit - von der ich ja auch nichts verstehe…

Zu dieser These gibt es relativ viel, wenn du mal im Netz schaust.
Ich habe das nie vergessen und muss jedes Mal daran denken, wenn ich einen Vorgesetzten habe und mich frage, was zum Teufel der da eigentlich macht…

LG!

Deine Schilderung stimmt sicherlich zu 99,9%
Ich sage immer, die sind "KRAFT AMTES SCHLAUER"

Hallole,

das Peter Prinzip kenne ich. Das ist aber nicht, was ich meine.

Ich fantasiere mal: Ein Englischlehrer wird Schuldirektor. Der Aufwind der Beförderung lässt ihn jetzt ihn jetzt dem Musiklehrer erklären, wie er die Subdominante erklären soll. Und der Musiklehrer reibt sich die Augen, weil er einfach keine Ahnung hat.

Oder der Maschinenbauer wir Entwicklungschef einer Maschinenfabrik und erklärt den IT-lern die Maschinensteuerung.

PS: Wie heißt die Subdominante von F?

Antwort: Ich denk das wär sie!

Schöne Grüße

vV

Hi,

[Narzissmus][1] ist in diesen Sphären weit verbreitet: http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article2551285/Narzisstische-Menschen-werden-oft-Fuehrungskraefte.html

Gruss
K
[1]: https://de.wikipedia.org/wiki/Narzissmus

Leider nein. Ich denke aber, dass hinter dem geschilderten Verhalten durchaus vielfältige Ursachen stecken.

Macht, Selbstüberschätzung und Narzissmus wurden schon genannt -ich würde noch die Aspekte fehlende Führungskompetenz, Unsicherheit und übertriebenes Verantwortungsgefühl hinzufügen.

Jule

Anderes Beispiel: Angela Merkel.

Wulffs braves Sprüchlein „Der Islam gehört zu Deutschland“ hat sie so kommentiert: „Das ist so, dieser Meinung bin ich auch.“ (während des Besuchs des türkischen Ministerpräsidenten).

Ein krasses Beispiel für Realitätsverlust in hoher Position.

Chan

Dieses „Überlegenheitsgefühl“ beginnt aber nicht erst,wenn man einen hohen Posten inne hat,sondern oft bereits im Studium oder spätestens kurz danach. Gerade Uni-Absolventen glauben oft, die Welt aus den Angeln heben zu können und nun Dr.Allwissend zu sein. Da werden dann schonmal 8 Semester stupide Theorie über 30jährige Praxiserfahrung gestellt. Besonders auffällig ist das beispielsweise im Baubereich,wenn blutjunge Architekten alteingesessenen Handwerkern erklären wollen,was nun praktisch umsetzbar ist und was nicht. Es übersteigt einfach ihren Horizont,daß etwas, was sich am CAD-Programm mit wenigen Klicks realisieren lässt, in der Praxis ganz einfach oft nicht umsetzbar ist.

Hallo von_Vrymersfeld,

Ein direktes Buch das sich mit dem Thema befasst habe ich noch nicht gefunden, aber mir ist das auch schon aufgefallen und deshalb kann ich da wohl ein paar Gedanken dazu beitragen.

Wir leben zwar rein juristisch in einer Demokratie, aber in vielen Bereichen haben wir das Kaiserreich noch nicht überwunden, und so glauben die Leute, wenn sie eine gewisse Stellung haben, sie wüssten
Kraft ihrer Stellung einfach mehr als Andere.

Dazu müssen wir uns einfach einmal anschauen, wie das in unseren Hierarchien so zugeht: Niemand will es sich mit jemandem verscherzen, der in der Hierarchie über ihm steht, deshalb wird da nicht widersprochen. Das kommt auch in der alten autoritären Erziehung noch rüber: „Wider-sprich mir nicht“, „Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst Du was ich Dir sage!“. In solchen Situationen verinnerlichen die Kinder, dass sie in der Hierarchie nach oben nicht widersprechen dürfen. Und das hat natürlich auch Auswirkungen. Diejenigen, denen nicht mehr widersprochen wird haben plötzlich den Eindruck, sie wüssten wirklich alles. Eine große deutsche Behörde, in der es sehr strikte Hierarchien gibt weiß das, und wechselt Führungskräfte regelmäßig aus, damit sie wieder geerdet werden. Dann ist in unserer Gesellschaft ja weit verbreitet, dass die Leute zwar keine Ahnung vom Thema haben, aber trotzdem eine detaillierte Meinung dazu vertreten. Das Bewusstsein, dass das Wissen der Menschheit inzwischen so komplex und vielfältig ist, dass selbst Spezialisten ihr Fachgebiet nicht mehr überblicken, existiert praktisch nicht.

Entsprechend reagieren die Leute auch, wenn ihnen widersprochen wird. Das ist mindestens unangenehm. Es wird um so unangenehmer, je begründeter der Widerspruch ist, denn dann bekommt die Fassade ja Risse. Leicht zu beobachten in unserer Gesellschaft ist auch, dass Probleme nicht sachlich ausgetragen werden, jedenfalls nicht in der Regel. Das geschieht in erster Linie auf der emotionalen Ebene. Und auf der emotionalen Ebene glauben viele einfach Recht zu haben, wobei wir wieder bei den Hierarchien sind. Habe hier selbst im Umfeld erst kürzlich eine solche Geschichte erlebt:

Da ist der Sohn, Arzt. Die Mutter bringt eine halblebige Katze mit nach Hause und bringt sie zum Tierarzt. Der verordnet eine Therapie mit Medikamenten. Die Freundin des Sohnes weiß nicht so genau, wie die Medikamente verabreicht werden und baut Mist. Dann will die Mutter das erklären, aber der Sohn stellt sich auf die Seite seiner Freundin und hält sich nicht an das, was er als Arzt gelernt hat. Bei einer ganz einfachen Sache.

Der Arzt handelt also rein emotional, gegen besseres Wissen. Und wenn Du dann Sachlichkeit rein-bringst bist Du der Böse. Tja, so kanns kommen! Das geht sogar so weit, dass die Menschen im Allgemeinen jemanden als in der Hierarchie sehr hochstehend ansehen, wenn er gegen Regeln verstößt, im Restaurant z.B. die Füße auf den Stuhl legt oder im Rauchverbot raucht. Da gibt es sogar wissenschaftliche Untersuchungen. Bei den Machtspielen wird das als „Flegelspiel“ bezeichnet und beschreibt eine häufig anzutreffende Unart.

Ich denke also, dass es einfach daran liegt, dass wir rein gesellschaftlich noch in der Vergangenheit leben und die Demokratie und das Wissen um unsere komplexe Welt noch nicht unserer Gesellschaft angekommen sind.

BtW: Wie sagte doch Horst Seehofer einmal? „Wir müssen die Lufthoheit über den Stammtischen haben!“ Das erklärt vieles.

Hallole,

ich habe was gefunden - das könnte es sein:

Gruß

vV

Hallo von_Vrymersfeld

Ja, ist aber nicht an eine gehobene Stellung gebunden und erklärt nicht, warum das so ist und woher das kommt. Mein Beispiel zeigt auch, dass eine Ausbildung auf dem entsprechenden Gebiet nicht davor schützt, in inkompetente Verhaltensmuster zu verfallen.

LG

Das ist in ALLEN Berufszweigen so :wink: … die Arroganz der Jugend, die meint, ‚verstanden‘ zu haben