Echter und falscher Stolz
Hallo,
als „KInderkram“ würde ich das nicht abtun, denn für die 3-Jährigen hat das Ganze gewichtige Bedeutung. Es geht um erste Erfahrungen mit Macht und Ohnmacht, es geht um Beziehungsgestaltung und soziale Kontakte.
Wie und wann entstehen Selbstwert und Stolz?
Selbstwert entsteht aus Erfolgserlebnissen und der Erkenntnis, dass man selbstwirksam handeln und damit Dinge beeinflussen kann. Die ersten erfolgreichen und oft anstrengenden Schritte, die von begeisterten Eltern mit großer Freude begleitet werden, vermitteln dem Kind erste Erfahrungen damit, dass Anstrengung nicht nur zum Ziel führt, sondern auch belohnt wird.
Daraus resultiert der „echte“ Stolz, der mit der eigenen Leistung und dem erfolgreichen Überwinden von Widerständen zu tun hat. Diesen sollten Erzieher immer fördern und unterstützen, denn positive Erfahrungen mit der Selbstwirksamkeit sind die beste Basis für eine erfolgreiche Lebensgestaltung.
Wäre es verkehrt, Kind A immer wieder „einzutrichtern“, dass es sich nicht benutzen lassen und keinem Menschen hinterherlaufen soll, von dem es ablehnt wird ?
Ja, das wäre es. In diesem Fall nähme der Erwachsene dem Kind nämlich die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Anstatt es herausfinden zu lassen, wie soziale Beziehungen funktionieren und seinen eigenen Weg zu suchen, sich in diesem Gefüge zurechtzufinden, würde er ihm seine eigenen Ansichten überstülpen.
In diesem Fall würde der Erwachsene das Kind zu „falschem“ Stolz erziehen. Dieser entsteht aus genau gegenteiligen Gefühlen, wie z.B. Minderwertigkeitsempfinden, Unsicherheit und Angst. Er dient letzten Endes nur als künstlich errichtete Fassade, um sich unguten Gefühlen nicht aussetzen zu müssen. Ein positives Selbstkonzept kann dabei nicht entstehen, denn diese Form von Stolz funktioniert nur auf dem Weg, andere Menschen abzuwerten, um selbst besser dazustehen. In extremer Ausprägung entwickeln sich auf dieser Basis unangenehme Zeitgenossen, die überheblich, arrogant und voller Vorurteile mit emotional schwierigen Situationen in sozialen Beziehungen umgehen.
So werden z.B. in sozialen Randgruppen oft „Stolz“ und „Ehre“ wie ein Schild vor sich hergetragen und als Waffe gegen jeden genutzt, der die eigene Unsicherheit und Furcht erkennen und das eigene Handeln in Frage stellen könnte.
Die Sichtweise, „man habe es nicht nötig, anderen nachzulaufen“, ist nichts anderes als die Abwertung der betreffenden Person, die man damit für nicht wertvoll genug erklärt, sich um sie zu bemühen. Dahinter stecken die Angst vor Ablehnung und die Unfähigkeit, andere Menschen - und letzten Endes auch sich selbst - zu akzeptieren, wie sie sind - auch wenn das bedeutet, ihnen die Freiheit zu lassen, „zu spielen, mit wem sie wollen“.
Viel sinnvoller wäre in der geschilderten Situation, dem Kind die Gelegenheit zu geben, immer wieder darüber sprechen zu können, wie es ihm geht, wenn es abgewiesen wird und ihm zu vermitteln, dass jeder Mensch das Recht hat, selbst zu entscheiden, mit wem er zusammensein möchte und mit wem nicht - auch wenn sich das für einen selbst manchmal ganz schön mies anfühlt.
Man kann mit dem Kind nach Ideen suchen, was es in einer solchen Situation tun kann, damit es ihm wieder besser geht. Damit hilft man ihm, Strategien zu entwickeln, sich selbst aus einer schlechten Gefühlslage befreien zu können. Das ist viel gesünder, als die Schuld beim anderen zu suchen und diesen verantwortlich für das eigene Leid zu machen.
Auf diesem Weg wird das Kind irgendwann seine eigene Entscheidung treffen können, ob es weitere Versuche der Kontaktaufnahme unternehmen oder liebe andere Kontakte suchen/ andere Dinge tun möchte.
Dabei hilft ihm ein Erwachsener mit einem positiven Blick auf die Welt und ihre Menschen weit mehr als einer, der seine eigenes negatives Selbstkonzept auf das Kind überträgt.
Schöne Grüße,
Jule