Seltsame Rätsel (?) Konzentrationslager und Anne Frank

Hallo ! Ich beschäftige mich im Moment mit dem zweiten Weltkrieg und habe schon einige Filme/Dokumentationen diesbezüglich gesehen. Mir sind dabei einige Fragen aufgekommen, welche Ich nicht durch das Internet beantworten konnte. In einer Dokumentation sieht man, wie ein Aufseher sehr viele Mütter mit ihren Kindern zur „Reinigung“ treibt. Also in die Gaskammer (Das wussten die Menschen am Anfang ja noch nicht.). Andere Aufseher entreißen manchen Frauen, ihre Babys… Der Aufseher meint, „zu klein“. Und lässt die Säuglinge erschießen. DAS verstehe Ich nicht. Alle anderen sind doch in der Gaskammer umgekommen. Warum war es den Aufsehern so wichtig, dass man die kleinsten Kinder durch einen Kopfschuss und nicht durch das Vergasen tötet? Warum? Ich finde beides abscheulich und grausam. Ich verstehe nur nicht, warum diese Ich nenne sie mal Nazis… Warum diese Nazis die Babys nicht mitrein ließen… Ich meine für die wäre das doch weniger Arbeit gewesen? Weshalb erschießen? Und haben sich denn manche der Unterrangigen Soldaten bzw. Aufseher nicht dagegen gewährt, ein Baby zu erschießen? Das ist ja schon sehr… Ich weiß nicht…

Desweiteren habe Ich gelesen und in den Dokumentationen gesehen, dass Anne Frank letztendlich an Typus bzw. An den Folgen der extremen Unterernährung gestorben ist. Aber gleichzeitig heißt es doch, dass Alle nicht mehr arbeitsfähigen Gefangenen sofort ausselektiert wurden und ermordet. Wieso haben die Nazis, die stark Untergewichtigen und unglaublich schwachen schwerkranken Menschen nicht umgebracht? Anne konnte sicher mehrere Wochen nicht mehr arbeiten… Bei dem Abgemagerten Zustand vieler Menschen dort… Die konnten doch dann sicher nicht mehr arbeiten. Aber wurden trotzdem nicht umgebracht??? Es heißt die Gefangenen bekamen wenig Essen… Was bekamen die denn zu essen? Konnte man keinen Aufstand planen? Wenn zu wenig „Personal“, also Aufseher da waren? Und noch eine letzte Frage… Gegen Ende wurde das KZ in dem Otto Frank inhaftiert war evakuiert… Um diese Schandtaten zu vertuschen… Peter ging ja mit… Otto blieb da und überlebte… Warum haben die Nazis nicht das gesamte Lager abgebrannt? Dann wären alle Beweise vernichtet gewesen. Stimmt es, dass die Aufseher versucht haben… Also auf dem Weg durch das Land mit den evakuierten Menschen „Frieden“ zu schließen?
Entschuldigt bitte diese vielen Fragen… Aber mich beschäftigt das Thema sehr. Liebe Grüße

Servus,

zum Schicksal von Anne Frank lies mal, welche Bedeutung die jüdischen Häftlinge im KL Bergen-Belsen hatten - dann wird Dir deutlicher, weshalb man dort besonders die jüdischen Häftlinge nicht wie in anderen Lagern möglichst zügig umgebracht hat: In Bergen-Belsen wurden nicht mehr arbeitsfähige jüdische Häftlinge aus anderen Lagern gesammelt, die man als eine Art ‚Faustpfand‘ für mögliche Verhandlungen mit den Westalliierten nutzen wollte.

Typisch für die scheinbar strikt geordnete, aber in vielen Einzelheiten vollkommen anarchisch, willkürlich und zufällig organisierte Welt der Lager ist, dass in Bergen-Belsen (das kein Vernichtungslager war, daher über keine Gaskammer verfügte) trotzdem und im Widerspruch zu diesem Zweck Häftlinge u.a. mit Kardiazol ‚abgespritzt‘ wurden.

Ob die Kleinkinder, von denen Du zuerst schreibst, tatsächlich erschossen oder schlicht mit dem Kopf gegen eine Mauer geschlagen wurden, sei dahingestellt. Ihre Aussonderung geht offenbar darauf zurück, dass man in Gaskammern überlebende sehr kleine Kinder gefunden hatte. So sehr viel Vernunft und Logik wie in Deinen Überlegungen war da nicht im Spiel - so ist aus Grafeneck, wo die später in Birkenau im großen Maßstab angewendete Technik zunächst im Kleinen an Psychiatriepatienten ausprobiert wurde, ein Fall belegt, in dem ein bereits entkleideter und im „Duschraum“ befindlicher Mann dort wieder herausgeholt und nach Schussenried zurückgebracht wurde, weil dessen Mutter, die ihn zufällig an dem Tag besuchen wollte, als er frühmorgens abgeholt worden war, sich telegrafisch beim Führer beschwert hatte, dass man ihren Sohn, mit einer schweren Kopfverletzung aus Verdun zurückgekommen, jetzt als ‚Dank des Vaterlandes‘ umbrächte - der strikten und mit allen Mitteln verfolgten Geheimhaltung aller Transporte, Tötungsanstalten und Vernichtungslager widersprach es radikal, einen Menschen, der eine Gaskammer von innen gesehen hatte, überleben zu lassen; und es ist halt doch passiert, und das, obwohl die (später in Birkenau eingesetzten) Ärzte in Grafeneck bereits Übung im Ausstellen von Totenscheinen mit erfundenen Todesursachen hatten.

Schöne Grüße

MM

Danke Du hast das sehr gut erklärt :wink: Ich kann diese Grausamkeit niemals verstehen :frowning: danke, dass Du dir Zeit genommen hast lg

Hi,

nur ein paar Antworten, und auch das nur in Ansätzen. Ich entschuldige mich im voraus für das Weggelassene und unangemessen Verkürzte.

Aufstände in KZs: Das gab es sehr wohl. Da wurde die flucht ermöglicht, das Leben verlängert (mehr Essen, ein Platz in der Krankenbaracke, ein Sterbenskranker bekennt sich des Vergehens eines Gesünderen schuldig…), den Aufsehern das Leben schwer gemacht, … Noch mehr lesen wird da viel zu Tage bringen.
Verhalten der rangniederen Soldaten etc in KZs: viele werden es für gut befunden haben, was sie tun. Juden, Kommunisten, homosexuelle sind in der Ideologie zufolge Untermenschen und damit keine richtigen Menschen, egal ob Männlein, Weiblein, Greis oder Baby. Wenn man die, die einem das ganze Geld stehlen, faul sind und sich unsittlich benehmen, einfach tötet, sind sie weg, das leben wird viel angenehmer, und es gibt Arbeitsplätze für Deutsche (im doppelten Sinn)
Kranke und Unterernährte, die arbeiten: Zum einen stieß selbst die Vernichtungsmaschinerie der Nazis bei den Millionen zu vernichtender Menschen an ihre Grenzen. Man muss ja dann auch den Leichnam „entsorgen“: Haare, Goldzähne entfernen, die Habseligkeiten sortieren und weiterverwerten und den Leichnam selbst entsorgen. Das braucht Zeit - und Arbeitskräfte. Das machten nämlich zum Großen Teil die Gefangenen selbst. Und obwohl die Gaskammern im Dauerbetrieb liefen, waren sie nicht genug. Man musste also auch durch Arbeit vernichten: jeder musste so lange arbeiten, bis er durch die Arbeit starb. Natürlich brauchte man auch die Arbeitskraft, aber primärziel war es, den Menschen dabei zu töten.

die Franzi

Servus,

wenn Du genauere Beschreibungen des „Lageralltags“ lesen möchtest, einschließlich Beschreibungen des ganzen Un- und Widersinns, der sich da abspielte (und den die Häftlinge in Buchenwald für sich nutzten) besorg Dir doch mal „Die Tage unseres Todes“ von David Rousset.

Schöne Grüße

MM

Der Buchenwald-Klassiker ist m.M. „Der SS-Staat“ von Eugen Kogon.

Gruß
rakete

Für uns verwischen die Geschehnisse in Gefängnis, Konzentrationslager, Arbeitslager und Vernichtungslager. Auch die Zahl der Ermordeten und Überlebenden zeigt (z.B. in Relation zu Deiner Stadt, einem Fußballstadion, einer Demo), dass Verallgemeinerungen (… haben immer …) nicht weiterhelfen. Auch schwarz weiss ( ab … wurden alle …) nicht.

Am Ende war es den Verbrechern einfach nicht möglich, alles Spuren zu beseitigen, alle Menschen umzubringen. Todesmärsche, Hunger und Arbeit waren zumindest auch Mordmittel, wo Gaskammern und Munition fehlten oder aktiver Mord nicht durchführbar war. Zwei oder drei Jahre mehr, und es wären vermutlich alle Spuren verwischt gewesen, bis auf ein paar Hundert geflohener Hälftlinge, denen keiner geglaubt hätte.

Sicher haben Wachmänner versucht, „Frieden“ zu schließen mit den Opfern. Selbst Himmler versuchte es. In einzelnen Fällen bei politischen Häftlingen oder Bekannten auch sicher ehrlich. In der Regel aber nur, um den eigenen Kopf zu retten, wenn die Ermordungen nicht mehr vertuscht werden konnten. Fliehende wurden auch noch am Ende mit großem Aufwand und oftmals unter Mithilfe der Bevölkerung gefangen und ermordet.

Hallo!
Meine Frage ist:
„Wenn Menschen wie Du und ich versagt haben, was hätte ich gemacht?“
Hoffentlich das Richtige!
Mit freundlichen Grüßen
Dino

Hallo Romina,

ich versuche mal Deine Fragen zu beantworten. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Meiner Meinung gehören die SS-Wachen auch noch heute für ihre damaligen Taten an die Wand gestellt. Das ich Deine Fragen jetzt einfach sachlich beantworte, d.h. ohne das Verhalten moralisch zu werten, dient einfach nur dem besseren Verständnis.

Was Du gesehen hast war eine verkürzte Darstellung der „Selektion“. Die KZ dienten ja nicht nur der Vernichtung von Menschen, sondern auch der Verrichtung von Sklavenarbeit. In der Selektion wurden die Menschen danach aussortiert ob sie noch arbeitsfähig waren oder nicht und die nicht arbeitsfähigen anschließend getötet.
Eine Mutter musste sich ja immer noch um ihr Baby kümmern und war daher nicht so arbeitsfähig wie eine ledige Frau. Deshalb wurden den arbeitsfähigen Müttern ihre zu kleinen Kinder weggenommen und diese anschließend ermordet.

Also Typus gehört zu den Infektionskrankheiten. Neben Ruhr und Diphterie ist sie eine der Krankheiten, die schnell seuchenartig ausbrechen, wenn viele Menschen eng unter miserablen Gesundheitsbedingungen und schlechten Essen zusammen untergebracht werden.
Diese Seuchen brachen in dem KZ regelmäßig aus.

Das KZ Bergen-Belsen war kein Vernichtungslager (im Gegensatz zum KZ Ausschwitz). Eine systematische Vernichtung fand dort nicht statt. Die Häftlinge dort verreckten „nur“ aufgrund der allgemeinen Umstände.

[quote]
heißt die Gefangenen bekamen wenig Essen… Was bekamen die denn zu essen?
[/quote

Im Detail habe ich auf die schnelle keine Liste gefunden. So weit ich mich erinnere war es meist Brot und eine dünne Suppe. Schau Dir die Bilder der Häftlinge an. Viele bestanden bei Kriegsende nur noch aus Haut und Knochen. So unterernährt wird man nur, wenn man über einen langen Zeitraum minimal ernährt wird.

Doch die Aufstände gab es. Das Problem war nur, dass die Häftlinge trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit im Lager nicht hätten gewinnen können. Selbst wenn sie die Wachmannschaft überwältigt hätten, hätte dieser „Sieg“ ihnen nichts gebracht, da umliegend stationierte Wehrmacht und SS-Einheiten den Aufstand sofort niedergemacht hätten (Siehe hierzu den Aufstand im Waschauer Ghetto).

So leicht ist die beweisfreie Zerstörung der Lager auch nicht. Aufgrund der Größe war das technisch schon schwer umsetzbar. Außerdem musst Du bedenken, das gerade zu Kriegsende das allgemeine Chaos ausbrach. Die Organisation brach zusammen und das Wachpersonal hat sich einfach nur abgesetzt, weil sie sehr wohl wussten was ihnen blüht, wenn sie in die Hände der Alliierten fallen.

Das habe ich noch nie gehört.

Ich hoffe meine Antworten helfen Dir weiter.

Dein
Ebenezer

Ohne auf die Thematik einzugehen, weil sowas schnell gefährlich werden kann, möchte ich nur schreiben, daß Filme eben Filme sind. Auch wenn der Patriot mit Mel Gibson einen historischen Hintergrund hat in dem auch tatsächliche Dinge dargestellt worden sind, ist doch nicht alles wahr (z.B. daß die grünen Dragoner eine Kirche samt Dorfbewohner abgefackelt haben. Hollywood eben… Schindlers Liste ist auch ein Hollywoodfilm - und wenn er durch schwarzweiß noch so authentisch aufgemacht ist. Und Filme sind grundsätzlich so ausgelegt, Spannung und Dramatik zu erzeugen.
Deshalb sollte der Inhalt nicht gleich als Tatsachenbericht aufgefaßt werden und fragwürdige Dinge eher cineastischer Analyse bedürfen (so wie 11 Schüsse aus einem Trommelrevolver u.ä.)

Servus,

beide sind wichtige Quellen, und es gibt noch andere wichtige Autoren zu der Materie (z.B. Primo Levi, Jorge Semprun).

David Rousset beschreibt eine Reihe unterschiedlicher Lager, in denen er war - Eugen Kogon war meines Wissens nur oder fast nur in Buchenwald; interessant ist in den „Jours de Notre Mort“ die Beschreibung der Entwicklung hin zu einer zunehmenden Abhängigkeit der SS-Struktur in Buchenwald von der Mitarbeit der „Roten“ Häftlinge, die über verschiedene Rückschläge und Teilerfolge der „Schwarzen“ zuletzt die Übergabe des befreiten Lagers an seine Befreier ermöglicht hat.

Schöne Grüße

MM

Hallo Franzi,

mir ist nicht klar, was Du mit „rangniederen“ sagen wolltest. Nur zur Klarstellung, die eskalierenden Greultaten gegen Zivilisten (angefangen in Polen) und Gefangene ging im Dritten Reich praktisch durchgehend von studierten, hochrangigen Personen aus. Für die einfachen Soldaten wurden anscheinend immer Gründe für Massenermordungen angeführt. Und gerade bei jungen Soldaten aus einer obrigkeitshörigen Gesellschaft kann durchaus vermeintlicher Befehlsnotstand unterstellt werden (vermeintlich nur im nachhinein. Heute wissen wir das Weigerungen, an Verbrechen aktiv teilzunehmen, ohne ernsthafte Konsequenzen für Deutsche blieben).

Das Werteverständnis der Menschen damals war unserem vermutlich ähnlicher als wir es wahrhaben wollen. Ein durchschnittlicher Soldat von damals unterscheidet sich wohl kaum von einem heutigen jungen Mann. Auch er gehörte damals einem reichen, gebildeten Volk an, dass der Welt an Tugendhaftigkeit ein leuchtendes Beispiel sein wollte.

Der Hass auf Juden in der breiten Bevölkerung war kaum größer als der auf Asylanten „seit Köln“ (wobei es damals nur ein paar Hunderttausend Juden in D. gab). Nur die Lehren von Damals (nicht Religion, nicht Aufklärung, nicht Atheismus) halten uns Deutsche von einer Wiederholung ab, (die ja in vielen anderen Ländern der Erde stattgefunden hat!). Die Lehren sind (u.a.)

  • Information (unzensiert, schnell, freie Meinungsäußerungen, Pressefreiheit, …)
  • Verteidigung der Demokratie (also absoluten Wert)
  • absolute Menschenwürde und Menschenrechte
  • Eingreifen der Staatengemeinde (statt Sitzkrieg)

Ob das auch noch in 10 Jahren so sein wird? Homo homini lupus

Essen ist eine ganz eigene Welt im zweiten Weltkrieg. Der mittlere Kalorienverbrauch eines Menschen war bekannt, der von Städten, Ländern, Gefängnissen und Lagern damit berechenbar. Ebenso waren die Erntemengen (in Kalorien) relativ genau bekannt, und auch, wie sich Feldzüge auf die Ernte auswirken würden. Vor dem Überfall auf die Sowjetunion war klar, dass viele Millionen Zivilisten mittelfristig verhungern würden.

Bei Lagern waren die Mengen zum einen knapp kalkuliert, zum anderen ohne Priorität. Zudem kann ein Mensch lange Zeit ohne Nahrung auskommen, so dass der Tod hier schleichend kommt und am Ende keine Kraft zum Kämpfe da ist.

Was es in Lagern gab … das was in großen Mengen vor Ort verfügbar war. Du findest bei den Infos zu Lagern oftmals Listen von Nahrungmittel in g und Kalorien pro Person und Woche. Es gibt Gefangene, die Teer aus der Straße gekratzt haben, die nur von Abfällen gelebt haben und natürlich auch Lager, in denen Hungertode (Entkräftung etc.) selten waren.

Bekommt man das Buch nur in französischer Sprache??

lg kitty

Dein Vergleich der Vorurteile des Antisemitismus (den es nicht nur in D gab) mit der berechtigten Empörung der Mehrzahl der Bundesbürger im Zusammenhang mit tatsächlich vorgefallenen sexistischen Verbrechen ist einigermaßen geschmacklos und unzulässig.

Hallo Kitty,

ich glaubte, es sei übersetzt worden, aber es sieht nicht danach aus:

https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&reset=true&cqlMode=true&query=auRef%3D119018586&selectedCategory=any

Schöne Grüße

MM

Hi,

ich habe das relatziv schnell gschrieben. Rangnieder - jemand, der in der Befehlskette und / oder Hierarchie ganz oder zumindest sehr weit unten hockt.

die Franzi

Ein Vergleich mit Äpfeln wird den Birnen nicht gerecht. Zudem habe ich überhaupt nicht „aufgewogen“. Erschreckend sind vielmehr die parallelen:

  • Europa- und Weltweite Ablehnung (Grenzen dicht)

  • Abschiebung auf Inseln (Madagaskar und Nauru)

  • aufbauschen vermeintlicher oder echter Straftaten

aber

Parallelen zu ziehen ist natürlich auch kein Aufwiegen, Vergleichen.