Ich glaube, Seniorenheime sind generell nicht zukunftsfähig,
denn:
Aber Hallo,
welche Alternativen haben wir denn? Die Polin, die für 1000 €/Monat 24-Stundenpflege betreibt ist ein Auslaufmodell und es ist fraglich, ob ausser den vier eigenen vertrauten Wänden hier die Pflege besser ist. Allein aus Kostengründen können langfristig nur Modelle bestehen, wo Pflegebedürftige sich Pflegkräfte teilen. Also sitt, satt und sauber. Für das Zwischenmenschliche ist die Familie zuständig oder Ehrenamtliche, mehr ist wohl aus Kostengründen nicht leistbar.
ich war 2 Jahre in einem Seniorenheim tätig, und da eigentlich
zuständig für die soziale Betreuung, also solche Angebote wie
Kochen, Singen, Gedächtnistraining, Ausflüge…
Naja, das sind vielfach Alibiveranstaltungen. Die meisten Heimbewohner sind selbst zu einfachsten ungewohnten Tätigkeiten wie Singen, Basteln u.ä. nicht mehr fähig (Dement, Blind, Taub und gichtige Finger…!) und sitzen daher schläfrig herum und sind nicht mehr in der Lage, miteinander zu kommunizieren. Anders aber wenn ein Verwandter oder Bekannter kommt und von „früher“ erzählt. Daher ist nachvollziehbar:
vielleicht [für]30% moblien Bewohner gab es auch Freizeitangebote.
Für die anderen THEORETISCH Einzelangebote, also Besuche im
Zimmer, Gespräche, Massage, Vorlesen… Aber das ist
zeitintensiv, und da jede Betruungskraft viele Zusatzazfgaben
hatte, fiel die Einzelbetreuung meist flach. Da wurde dann dem
Bewohner Fernseher oder Radio eingeschaltet um im
Dokumentationsbogen „Beschäftigung“ eingetragen.
Fazit: Wer im Bett liegt oder nicht aus dem Zimmer kann oder
will, bekommt neben „sicher, sauber, satt“ vielleicht 10
Minuten Zuwendung am Tag - wenn überhaupt.
Aber warum? Die Pflegebedürftigen bleiben in der Regel so lange in den eigenen vier Wänden, bis nichts mehr geht: mehr oder weniger Blind, Taub, Dement und Depressiv sind sie nicht mehr kontaktfähig und misstrauisch bis ablehnend gegenüber Fremde und fremden Umgebungen. Bis dieser Schock überwunden und verarbeitet ist vergehen Monate. Diese Personen wollen gar nicht aus ihrem Zimmer und sich mit anderen unterhalten, ihre Behandlung ist daher - wie Du richtig schreibst - fragwürdig.
Man muss bei jedem Seniorenheim tatsächlich froh sein, wenn
das lebensnotwendige erfüllt wird: als kein Unterernährung,
kein Wundliegen, kein menschenverachtender Umgangston.
Alles andere ist mit den gegebenen Strukturen unmöglich.
Das sehe ich auch so - aber diese „Grundversorgung“ ist doch schon mal was. Danach müßte die Familie einspringen durch Besuche und Gespräche und mal gemeinsamen Kaffeetrinken oder einen Ausflug. Ich denke, da hat die Familie eine Verpflichtung. Und wo die Familie fehlt oder die Zusatzbetreuung nicht leisten kann - da müßten Ehrenamtliche einspringen, was meiner Beobachtung nach in vielen Fällen ganz gut klappt, zukünftig aber auch besser organisiert werden könnte, vielleicht auch auf eine professionelle Schiene geschoben weden könnte.
Deswegen glaube ich, Altenheime sind nicht das Modell der
Zukunft - zu teuer bei zu wenig Leistung.
Aber wie könnte die Zukunft aussehen - besonders für Menschen
mit Demenz, die nicht mehr allein bleiben können, auch nicht
stundenweise?
Kennt ihr innovative Ideen?
Die Lösung habe ich leider auch nicht. Ich meine aber, dass wir die Grundpflege „Sit - Satt - Sauber“ an die Heime abtreten müssen und für das Zwischenmenschliche andere Formen, durch Familie oder Ehrenamtliche - möglicherweise auch durch berufliche Moderatoren.
Oder wir ändern unsere Einstellung gegenüber Heime…
Ich habe in einem Heim ein paar ältere Herrn beobachtet, die (meisten) nicht pflegebedürftig und recht agil waren, sondern nur versorgt und von der täglichen Hausarbeit befreit sein wollten und sich in einem Heim besser fühlten als in einem Hotel. Sie waren bei den meisten Heimveranstaltungen dabei, organisierten ihre eigenen Ausflüge und Vergnügungen angefangen mit Kartenspielen, Fernsehen und auch mal den Becher kreisen lassen. Kurzum - sie fühlten sich pudelwohl in ihrer Clique und „schleppten“ schon mal einen etwas verwirrten kameraden mit… Für neue Heimbewohner ist dagegen die Heimeinweisung ein Schock, den sie erst überwinden müssen. Als alter und behinderter Mensch ist dann das Einfügen in eine neue Gesellschaft - wo die Hackordnung längst festgelegt ist und deshalb schon das Finden eines Sitzplatzes während der Essenszeiten zur Tragödie werden kann - ein langwieriger Prozess. Das Wohlfühlen kommt erst auf, wenn Bekanntschaften geschlossen werden - das dauert bei den meisten älteren und behinderten Menschen sehr lange und ist in der Zeit, während der sie im Heim sind (meiner Beobachtung nach und wie ich mal hörte: durchschnittlich zwei Jahre) kaum zu schaffen.
Fazit: Früher ins Heim, wenn man als älterer Mensch noch die Veränderungen besser meistern und sich in fremder Umgebung noch einwachsen kann. Beispiel: Ehepaaare Vogel oder Giller/Tiller.
Aus eigener Erfahrung habe ich bei einer Tante im Heim miterlebt, wie sie isoliert in ihrem Zimmer lebte, an keiner Heimveranstaltung teilnahm und sehnsüchtig auf unseren Besuch wartete. Später kam als Kontaktperson noch eine Frau eines kath. Besuchsdienstes dazu und eine Pflege-Praktikantin, die längst schon das Heim verlassen hatte aber immer noch ihre „Schäfchen“ besuchen kam. Diese Handvoll Personen haben der alten Frau das Leben noch etwas angenehmer gemacht - gut, es hätte zeitlich mehr sein können, aber es hat sich hier unorganisiert und zufällig ein Pflegekreis gebildet. Durch organisierte Unterstützung hätte sich das leicht ausweiten lassen.
Daher: Grundpflege „Sitt-satt und sauber“ durch das Heim, Zusatzpflege, nämlich Zuwendung durch Familie oder Ehrenamtliche oder - wer sich’s leisten kann - Professionelle.
Wir müsen uns aber darüber im Klaren sein, die altersbedingten körperlichen und geistigen Verluste können wir nicht ungeschehen machen. Die gewaltigen Veränderungen, die ein Mensch am Ende seines Lebens bewältigen muß, können wir nie und nimmer kompensieren - mildern ja und ich denke, das ist möglich.
Wolfgang D.