Der Zolibat muss ja immer gerne in dieser Beziehung herhalten. Wer nicht heiraten darf, der vergeht sich dann eben an Kindern. Ist aber etwas zu einfach gedacht. Schließlich ist der Zölibat ja eine freiwillig aufgenommene Sache, und halten es auch katholische Pfarrer damit mitunter nicht so genau. Der eine lässt sich dann ganz offiziell laisieren, der andere treibt es halt mehr oder weniger offiziell mit der „Haushälterin“, und andere nutzen halt die Urlaube in Gegenden, in denen sie nicht erkannt werden, …. Und abgesehen vom Bruch des Zölibats ist das in Bezug auf die eigene Sexualität nicht ansatzweise auffällig, schlimm oder gar kriminell, solange es dabei um Sexualpartner auf Augenhöhe geht.
D.h. niemand muss ganz offiziell zölibatär leben, und selbst wenn: „Wo ein Willi ist, da ist auch ein Weg“, und das muss alles nichts mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen zutun haben.
Allerdings kann der Zölibat natürlich für Menschen mit einem gestörten Verhältnis zur Sexualität und Problemen mit Partnern auf Augenhöhe ein wunderbarer Deckmantel sein, ganz offiziell wertgeschätzt ohne Partner zu leben, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Und auch ohne Zölibat gilt dies auch für die Kollegen der anderen Fraktion. D.h. die müssen natürlich nicht offiziell zölibatär leben, aber es ist auch nicht so selten, und wird dann eben auch nicht weiter hinterfragt.
Und dann kommen natürlich der ganz generelle Aspekt des Zugangs zu potentiellen Opfern, und die Machtposition/die gute Möglichkeit ein Vertrauensverhältnis aufzubauen hinzu, die es einfacher macht, ein problematisches Sexualverhalten auszuleben. Genau wie dies eben auch bei Trainern im Sport, bei Lehrern, Ärzten, Pflege- und Betreuungspersonal eben auch der Fall ist. Und auch wenn das Problem der katholischen Kirche durch gewisse, teilweise vorhandene Seilschaften noch eine spezielle Komponente hat, die über den Missbrauch im konkreten Einzelfall hinausgeht, so sind eben auch all diese anderen Gruppen anfällig dafür, dass sich entsprechend orientierte Menschen „angesprochen“ fühlen, und die Fallzahlen sind auch in diesen Gruppen durchaus auffällig hoch, was z.B. die Geschichte der Odenwaldschule sehr deutlich zeigt, bei der es zudem auch um mehr als einzelne, individuelle Missbrauchsvorfälle ging.
Zudem sollte man sich mal von dem Horrorbild des Täters verabschieden, der wie ein Raubtier ständig auf der Lauer liegt, und rund um die Uhr nur nach geeigneten Opfern sucht. Solche Täter gibt es auch, aber tatsächlich bleiben viele Taten/Tatzusammenhänge (also der mehrfache Missbrauch desselben Opfers) Einzelfälle, auch wenn es ggf. zu mehreren solchen Einzelfällen über die Jahre kommt. Ein nicht unerheblicher Teil der Taten passiert aus einer konkreten Situation/Gelegenheit heraus, in der der Täter, der sich sonst „im Griff hat“, die Kontrolle über sich selbst verliert. Und das Risiko/die Chance in solche Situationen zu geraten, ist natürlich in den passenden Branchen höher, womit sich der Kreis wieder schließt.
Auch darf man nicht vergessen, dass gerade Seelsorger (egal welcher Konfession) natürlich viel mit Menschen in Ausnahmesituationen zu tun haben, in denen es dann oft schwer fällt, die an sich notwendige professionelle Distanz zu wahren. Und wenn man erst mal - ob gewollt oder nur weil es sich dann so ergeben hat - auf einer emotionalen Ebene angekommen ist, wird es dann natürlich - gerade bei entsprechender Prädisposition - um so gefährlicher.