Sind Gesichtsrekonstruktionen nach einem Skelettkopf wahrheitsgetreu?

Hallo,

es gibt ja weltweit einige Leute, die aufgrund aufgefundener Skelettköpfe Gesichter rekonstuieren. Sie treiben erheblichen Aufwand dabei - ich habe Filmberichte dazu gesehen - und sie behaupten, das Ergebnis ihrer Arbeit sei echt, wahrheitsgetreu. Wenn man einen solchen Menschen vor seinem Tod gekannt hätte, müüsste man ihn in der so angefertigten Rekonstruktion wiedererkennen.

Ich würde das nie als geplante Täuschung, Scharlanterie oder ähnlich bezeichnen, denn die geben sich wirklich viel Mühe. Es dauert nicht nur Wochen, sondern Monate, bis solch eine Rekonstruktion fertig ist. Sogar von einem Neandertaler und von Ötzi gibt es angeblich wahrheitsgetreue Rekonstruktionen. Ötzi durfte man natürlich den Skelettkopf nicht entnehmen: Man hat ihn aber so oft von allen Seiten geröngt, tomografiert oder sonstnoch was, bis man der Meinung war, eine echte Rekonstruktion seines Schädels herstellen zu können. Auch die war im Fernsehen zu sehen.

Trotzdem habe ich das nie glauben können. Ich meine: Ein paar Fettpölsterchen hier, ein paar Falten dort, und sonst noch ein paar Kleinigkeiten, und schon sieht ein Gesicht völlig anders aus.

Leider gibt es aber keinen Fall, in dem das Gesicht eines Menschen nach dem Skelettkopf rekonstruiert worden wäre, von dem man noch zu Lebzeiten Bilder oder gar Filme angefertigt hat. Überprüfen kann man die Wahrheitgetreue also nicht.

Es hat in in den letzten Jahren aber zwei oder drei Berichte gegeben, dass man einem Menschen, dessen Geesicht durch Unfall, Krankheit oder Hundebisse verunstaltet war, das Gesicht eines Toten implantiert hat. In einem Fall war eine Frau so mutig, dass sie erlaubt, hat, ein Foto zu veröffentlichen, wie sie vorher aussah, und eins wie jetzt, nach der Gesichtsimplantation.

Leider habe ich mir die Fotos damals nicht kopiert, aber mir geht das immer mal wieder durch den Kopf. Es waren zwei völlig unterschiedliche Gesichter. Wenn man die Frau vorher gekannt hätte und nachher auf der Straße wiedergetroffen hätte, man hätte sie nie erkannt.

Bei einer Gesichtstranslantation wird aber nur die Gesichtshaut implantiert, nichts anderes. Wenn also ein Skelettschädel, über dem eine Haut rekonstruiert wird, nur eine einzige Möglichkeit ergeben würde, wie der Mensch ausgesehen hat - was ja die Rekonstrukteure behaupten, die viel Geld mit ihrer Arbeit verdienen - müsste ein Mensch, dem eine von einem anderen Menschen stammende Gesichtshaut überzogen wird, genauso aussehen wie vorher.
Dass das aber nicht der Fall ist, ist das nicht der Beweis dafür, dass die Behauptung der Rekonstrukteure unzutreffend ist?

Schade. Wenn ich den Namen und die Adresse der Frau kennen würde, die so mutig war, die zwei genannten Fotos von sich veröffentichen zu lassen: Sie wäre sicher auch so mutig, ihren Skelettschädel, so rekonstruieren zu lassen, wie man das bei Ötzi getan hat, und diesen dann einem Gesichtsreplikator zur Verfügung zu stellen, der nie zuvor ein Foto von ihr gesehen hat.
Ich wäre gespannt, ob das Ergebnis, das er dann veröffentlicht, ihrem wirklichen früheren Gesicht entspricht, oder ihrem jetzigen. Ich vermute, keins von beiden wird zutreffen.

Oder kann jemand begründen, warum ich mit der Behauptung unrecht habe?

Grüße
Carsten

Hi.

Nein, das wird niemand können. Ich denke, solche forensische Darstellungen dienen eher einer ungefähren Darstellung. Obwohl es auch schon recht genaue Treffer gab.

Solche Fälle gibt’s mehr als zwei oder drei. Vorher-Nachher-Fotos sind z.B. verfügbar von Isabelle Dinoire, https://www.bbc.com/news/magazine-20493572
Connie Culp, http://www.cleveland19.com/story/10316569/connie-culp-life-before-and-after/
und Dallas Wiens, http://i.imgur.com/4Gy62oF.jpg, bei dem wohl tatsächlich nur Haut verpflanzt wurde.
Hier heißt es, er wird zu 60% wie er selbst und zu 40% wie der Spender aussehen. Wenn es also hier schon nicht möglich ist, eine „genaue“ Rekonstruktion hinzukriegen, wird’s mit nur einem Schädel erst recht nicht möglich sein.
MacGyver (ab 19:25) hat’s natürlich trotzdem geschafft - und das zum Nulltarif :wink:

Gruß,

Kannitverstan

anhand der Gesichtsform, die Abnutzungen des Knochen an den hmm wie heißen die Stellen mit den Muskeln noch mal, kann man annähernd ein gesicht aufbauen, aber wirklich nur annähnernd.

Erinnere mich vor vielen vielen Jahren dazu bei Nano (schaute ich damals täglich) einen bericht dazu gesehen zu haben. Dort wurde Testweise ein Modell an den führenden Konstrukteure welt weit gesandt, ohne weiter angaben. In Asien war das Gesicht Asiatisch gepägt, in europa Europäisch in der USA mehr Afrikanisch in (Quatsch Amerikanisch) und in Afrika Afrikanisch.

Die Grundform war aber wohl gleich, die Fett und anders Gewebe kann man halt nicht wissen, nur wie ausgeprägt die Muskeln waren.

Bei der Plastischen Chirougie ist es etwas anders, da gibt es in der Regel ja noch Bilder von den Betroffenen.

Das nennt sich forensische Gesichtsrekonstruktion.

Du kannst nur eine annäherende Ähnlichkeit erwarten, es gibt Punkte, die gut belegt sind:

Ergebnisse: Grundlage der forensischen Gesichtsweichteilrekonstruktion
an menschlichen Schädeln ist die Kenntnis definierbarer Weichteile über
bestimmten Knochenpunkten. Die Weichteildicken wurden durch verschiedene
Messungen an Lebenden und Verstorbenen ermittelt.

Siehe auch hier: https://www.aerzteblatt.de/archiv/55414/Forensische-Gesichtsrekonstruktion-Identifizierung-bei-Skelettfunden

Und auch individuelle Sachen - wie z. B. die Haarlänge. Würde mein Schädel mit langen Haaren rekonstruiert, würde mich sicherlich niemand wiedererkennen - weil ich noch nie im Leben lange Haare hatte. Es braucht nicht viel Veränderung um den Normalmenschen zu täuschen.

Ein 100% zutreffendes Bild wird man nicht erhalten, allerdings ein annäherndes. Ein Phantombild ist übrigens noch ungenauer :wink:

Andere Baustelle. Das fällt unter plastische Chirurgie.

Ist es so, dass nur die Haut übergestreift wird (klingt irgendwie gruselig)? Auch mit dem Unterhautgewebe wird etwas passieren bzw. es sicherlich teilweise wieder hergestellt werden müssen. Dazu noch evtl. Narbenbildung im Unterhautgewebe und Schwellungen. Das alles zusammen wird sicherlich das vorherige Bild verfälschen.

Dieses Verfahren wird regelmäßig überbewertet, und hat den massiven Nachteil, dass sich ein eigentlich nur zur Verdeutlichung nachweisbarer Einzelmerkmale erstelltes Modell dann in seiner Gesamtheit beim Betrachter dahingehend verfestigt, dass er gerade nicht mehr auf die umgesetzten konkreten Merkmale achtet, sondern das Gesamtbild dann zum Ausgangspunkt eines Vergleichs oder einer Identifizierung verwendet.

Nicht schlimm, wenn es nicht um die konkrete Person, sondern nur um eine „mögliche“ Person aufgrund nachweiser Einzelmerkmale handelt, irreführend, wenn man hierüber eine konkrete Person identifizieren will. D.h. Ötzi als typischen Vertreter eines Menschen aus seiner Zeit an seinem Ort darzustellen, ist OK, aufgrund einer solchen Rekonstruktion ein unbekanntes Mordopfer identifizieren trägt das hohe Risiko, dass überall da, wo mangels nachweisbarer Einzelmerkmale und gegebener Bandbreiten „Kreativität“ gefordert ist, die Rekonstruktion eher ablenkt, und sich mögliche Zeugen dann aufgrund der Rekonstruktion nicht melden, die angesichts einer textlichen Beschreibung der Merkmale ggf. eine Ähnlichkeit erkannt hätten. Daher nutzt man diese Methode auch eher als „letzte Hoffnung“, und veröffentlicht die Bilder erst, wenn sich auf anderem Wege keine brauchbaren Hinweise ergeben haben.

Dabei klingen die Bandbreiten, innerhalb derer man sich bewegt, jede für sich genommen gar nicht so dramatisch. Aber wenn mehrere falsche Entscheidungen dabei zusammen kommen, dann kann dies ein Gesicht schon ganz massiv verändern. D.h. wenn man z.B. die Dicke des Gewebes an Kinn und Stirn mit einem Durchschnittswert annimmt, die tatsächlich gesuchte Person hier aber Maximalwerte hatte, und umgekehrt statt der Durchschnittswerte auf den Wangenknochen eher Minimalwerte besaß, dann ist die Rekonstruktion schon deutlich runder als das tatsächlich eher langgezogene Gesicht des Gesuchten. Im Nasen- und Ohrenbereich spielen zudem Knorpel eine wichtige Rolle, die am bloßen Schädel dann fehlen, und die viel dazu beitragen, wie Nase und Ohren konkret geformt sind. Natürlich versucht man möglichst viele Ableitungen aus konkret nachweisbaren Merkmalen zu machen, aber in der Kombination der verbleibenden Ungewissheiten und geforderter Kreativität ist immer noch so viel Spiel drin, dass so eine Rekonstruktion ziemlich am Ziel vorbei schießen kann.

Interessant, aber sind leider nur teilweise Fotos bei. Eine Frau hat ja eine gewisse Ähnlichkeit, aber die andere ist die, an die ich mich erinnere, die sieht schrecklich und völlig anders aus.