Diese Frage muss man mit einem deutlichen JA, NEIN und VIELLEICHT beantworten.
Deswegen, weil es so viele unterschiedliche Vorstellungen von den Göttern oder dem einen Gott gibt, wie Menschen, die daran glauben – eher sogar mehr.
Fangen wir an mit den heidnischen Göttern, dem Polytheismus:
Im Polytheismus gibt es folgende Vorstellungen von Göttern:
- Götter sind personalisierte Naturkräfte, oder
- Götter sind menschliche Archetypen, oder
- Götter sind in Mythen beschriebene moralische Leitbilder.
Siehe dazu den vorchristlichen Philosophen Cicero: Cicero, Marcus Tullius, Ursula Blank-Sangmeister, und Klaus Thraede. 1995. De natura deorum = Über das Wesen der Götter: Lateinisch/Deutsch . Stuttgart: P. Reclam jun.
Im alten (wie auch neuem) Heidentum koexistierten alle drei Vorstellungen nebeneinander. Es gab darüber auch keinen Streit, jeder verehrte die Götter, wie er wollte, und welche er wollte. Der Gegenstand der Verehrung war die Natur. Man spricht daher sowohl von Naturreligionen als auch Erfahrungsreligionen. Das Meer war launisch und unberechenbar, es konnte Leben nehmen und geben. Das war keine Frage des Glaubens, sondern eine Frage der Erfahrung. Wer zur See fuhr, konnte das am eigenen Leib erfahren. Ein Gott wie Poseidon wurde zwar als fischschuppiger Mensch mit einem Dreizack (einem Ausdruck seiner Macht) dargestellt, dabei handelte es sich jedoch um ein Symbol. Ein Symbol deutet auf etwas, es ist aber nicht dasselbe. So wie der Buchstabe A für den Laut steht, den wir damit assoziieren, steht die Versinnbildlichung Poseidons für die Kräfte des Meeres. Der Buchstabe A klingt nicht wie der Laut A, da er eine visuelle Darstellung ist und keine akustische. Eine Poseidonstatue ist nicht Poseidon, auch wenn später die Christen genau dies den Heiden vorwerfen sollten.
Wenn man einem alten Griechen vorgeschlagen hätte, den Olymp zu besteigen, um Zeus zu begegnen, hätte der den Kopf geschüttelt und einen für verrückt gehalten. Die Darstellung der Götter erfolgte in Mythen, also erfundenen Geschichten, die eine moralische Botschaft transportieren sollten. Mythen wörtlich zu nehmen und zu meinen, Zeus spaziere auf zwei Beinen auf dem Olymp, hielt man für Volksaberglauben. Zumindest nannten die Gebildeten das so. Aberglauben damals hatte die Bedeutung von: übertriebene Frömmigkeit.
Wenn man einen Heiden fragt, ob er an die Götter glaubt, so würde er antworten mit: „Nein, ich opfere ihnen“. Das Opfer war das öffentliche Bekenntnis zu einem Gott, damit machte man für andere deutlich, welchen moralischen Prinzipien man folgte. Man opfert also einem moralischem Leitbild, um damit anderen zu sagen, wofür man steht, wofür man bereit ist, etwas zu wegzugeben, was einem so wert und teuer ist. Man gibt nicht etwas weg für etwas, was einem nichts wert ist.
Das Wort Religion kommt von Sorgfalt oder Eifer und meinte damals die sorgfältige Einhaltung des Rituals. So definiert es Cicero, nicht ohne zu bemerken, dass die manchmal übliche Ableitung von „Rückbindung“ in der lateinischen Grammatik überhaupt keinen Sinn ergibt. Laktanz popularisierte dann später die falsche Bedeutung gegen den alten Lateiner Cicero, obwohl oder weil die Kenntnisse von Laktanz über lateinische Grammatik schwer zu wünschen übrig ließen.
Dass Heidentum baute stark auf gemeinschaftlichen Ritualen auf, um so die Gruppenzusammenhaltung zu fördern. Es gibt weder menschliche Individuen noch Gesellschaften ohne Rituale, das ist der Hauptgrund dafür, dass Religionen so allgegenwärtig erscheinen. Denn die organisierten Religionen okkupierten als erstes die Rituale für sich.
In diesen Ritualen wurden auch Götter verehrt, oft individuell.
Man muss dazu folgendes bedenken: Es ist uns angeboren, physikalische Prozesse zu mentalisieren, d. h., so zu tun, als ob Objekte menschliche und soziale Eigenschaften hätten. Wer morgens sein Auto beschimpft, weil es nicht anspringt, oder zu einem Computer „doofer Computer“ sagt, weil er wieder mal abgestürzt ist, begeht genau das. Es ist uns auch angeboren, zwischen unbelebten Objekten und willentlichen Agenten zu unterscheiden, schon kleine Kinder wissen, dass es einen Unterschied macht, ob man einen Ball oder eine Katze tritt. Aber die Grenzen sind nicht klar definiert, man muss die Anwesenheit eines willentlichen Agenten schon wahrnehmen können, bevor man ihn sieht. Ist die Bewegung des Grases auf den Wind zurückzuführen, oder auf einen umherschleichenden Tiger? Lieber geht man auf Nummer sicher, denn wenn man den Tiger sieht, ist es schon zu spät. Wir sind die Nachkommen derer, die lieber zehn Fehlalarme in Kauf nahmen als einmal fälschlicherweise anzunehmen, dass da kein Raubtier lauert. Dasselbe gilt analog auch für mögliche Beute.
Von daher haben wir eine angeborene Überempfindlichkeit bei der Entdeckung willentlicher Agenten in der Natur. Selbst 100 Fehlalarme haben nicht die drastischen Konsequenzen wie eine einmal verpasste Anwesenheit eines Raubtieres.
Die Menschen entdeckten und spürten also überall in der Natur die Anwesenheit willentlicher Agenten, selbst da, wo keine waren. Zusammen mit der Tendenz zur Mentalisierung haben wir damit die Grundprinzipien, die zu den Göttern führen.
Außerdem konnte man mit der Anwesenheit von Göttern Dinge erklären, die ansonsten unerklärlich waren. Alles, was man sich nicht erklären kann, macht den Menschen Angst. Selbst eine völlig falsche Erklärung hat eine beruhigende Wirkung, anders als keine Erklärung. Und: Wenn Götter soziale Wesen sind ähnlich wie wir, dann kann man sie vielleicht auch ähnlich überzeugen wie andere Menschen. Damit gewinnt man scheinbare Kontrolle über natürliche Ereignisse, und selbst eine scheinbare Kontrolle dämpft die Angst vor Kontrollverlust erheblich deutlicher als keine Kontrolle.
Wenn man alles kombiniert, die Überempfindlichkeit beim Aufspüren willentlicher Agenten, die Suche nach Erklärungen für das Unerklärliche, die Reduzierung der Angst vor dem Unerklärlichen und die scheinbare Gewinnung von Kontrolle über eine unkontrollierbare Natur, dann sieht es so aus, dass die Erfindung von Göttern ein unausweichlicher kultureller Prozess ist. Kurz, es hätte nicht anders kommen können.
Man muss dazu noch wissen, dass sich unsere Intelligenz nicht bei der Bewältigung praktischer Probleme entwickelt hat. Wäre dem so, gäbe es erheblich mehr intelligente Spezies auf diesem Planeten als bloß uns. Unsere Intelligenz hat sich in sozialen Interaktionen entwickelt, weil wir mehr als andere Spezies auf Kooperation angewiesen sind. Auch spielt die sexuelle Selektion eine erhebliche Rolle, Frauen bevorzugen noch heute eher klügere Männer.
Wen wir also mit der Natur sozial interagieren könnten, hätte das erhebliche Vorteile. Und wer einen Hammer hat, für den sieht die ganze Welt aus wie ein Nagel. Sprich, seine Intelligenz hat, um damit soziale Interaktionen bewältigen zu können, für den ist die ganze Welt eine einzige soziale Interaktion.
Wir können es noch heute sehen, wenn wir die Frage stellen: Woher kommt das Universum? Die korrekte Antwort auf die Frage ist: WIR wissen es nicht. Keiner weiß es, keiner kann es nach derzeitigem Stand der Erkenntnis wissen. Was ist die einfachste Antwort auf diese Frage? Gott erschuf die Welt. Damit haben wir die Erklärung des Unerklärlichen, und die meisten merken nicht einmal, um was für eine Pseudo-Erklärung es sich dabei handelt. Damit ist die Welt mentalisiert, wir haben einen über soziale Interaktion und Rituale ansprechbaren Erzeuger, was die Angst vor Kontrollverlust dämpft. Entweder, alles folgt einem ganz tollen Plan, der letztlich zum Guten führt, was auch immer Schlimmes auf dem Weg dahin passieren mag, oder man kann den Planer über Gebete dazu bringen (überreden), diesen Plan zu eigenen Gunsten abzuändern.
Götter sind also die logische Folge einer unverstandenen, unerklärten Welt und den daraus resultierenden Ängsten vor Kontrollverlust. Daher lautet die Antwort auf die Frage ganz klar JA. Genauer nachlesen kann man das hier: Boyer, Pascal, und Ulrich Enderwitz. 2009. Und Mensch schuf Gott . Stuttgart: Klett-Cotta.
Man kann die Frage aber auch anders verstehen. Nämlich, ist die Existenz von Gott oder Göttern logisch plausibel? Das hängt aber stark davon ab, nach welchem Gott oder Göttern man fragt. Nehme ich die heidnische Möglichkeit, dass Götter in Mythen beschriebene moralische Leitbilder sind, ist die Antwort auch ein klares JA: Mythen gibt es, und sie beschreiben genau das. Zur Erklärung der Natur taugen sie jedoch nicht, das haben aber schon die alten Griechen in Ansätzen erkannt. Führte man Sonnenfinsternisse zunächst auf „die Launen der Götter“ zurück, so wies Thales von Milet nach, dass man sie aufgrund natürlicher Abläufe vorhersagen kann. Mit jedem Stück Erkenntnis verringern sich die Lücken, in die man noch Götter stopfen könnte, die man als eine Art Erklärung verwenden kann. Nicht, dass wir je dazu kämen, alle unsere Erkenntnislücken zu stopfen, da ist immer noch Raum genug für den einen oder anderen Lückenbüßergott. Daran wird sich nichts ändern, solange Menschen es für sinnvoll halten, das Unerklärliche (Naturereignis) mit dem Unerklärten (irgendeinem Gott) pseudo-erklären zu wollen. Weil selbst eine Pseudo-Erklärung die Angst dämpft, oder eine völlig falsche Erklärung, statt keiner.
Wenn wir nämlich nach echten Erklärungen suchen, bei denen das Unerklärte auf das bekanntermaßen Erklärte zurückgeführt wird, dann scheiden alle Götter und alles Übersinnliche und Übernatürliche automatisch aus dem Erklärungsprozess aus. Das nennt man dann „Wissenschaft“, weil sie echtes Wissen schafft und Pseudoerklärungen meidet.
Demgegenüber steht die Sucht nach einfachen (wenn auch falschen) Erklärungen, um die Angst zu vermeiden. Es sind die Wünsche, die hier eine Form der „Erkenntnis“ antreibt, die nichts zu erkennen braucht oder kann. Diese Sucht, dass die Welt so sei, wie wir sie uns wünschen, treibt die Religionen an und beschert ihnen ein fettes Geschäftsfeld, bei dem man seine Schafe scheren kann, die dann auch noch dankbar dafür sind, dass man ihnen die Wolle über die Augen gezogen hat.
Mal überlegen: Im Jahre 2021 (Quelle: https://de.statista.com/themen/1415/pharmaindustrie-in-deutschland/) macht die gesamte deutsche Pharmaindustrie einen Umsatz von 53,6 Milliarden Euro. davon waren 26,55 Milliarden Euro die Bruttowertschöpfung, also ganz grob der Gewinn vor Steuern. Im selben Jahr machten die beiden großen Kirchen einen Gewinn von 11 Milliarden Euro (Kirchensteuer) plus 19 Milliarden Euro staatliche Subventionen – alles ganz ohne Steuern. Von diesen rund 30 Milliarden Euro investierte man in etwa 2 Milliarden Euro in wohltätige Projekte, damit man behaupten könne, man täte soviel Gutes. Dagegen stehen übrigens die 3 Milliarden Euro, auf die der Staat verzichtet, weil man die Kirchensteuer von der Steuer absetzen kann.
Kurz, ohne etwas anderes zu produzieren als leere Worte, garniert mit sinnlosen Ritualen, machen die Kirchen erheblich mehr Gewinn als alle wegen ihrer Gier so vielgescholtenen Pharmakonzerne zusammengenommen!
Mit Gott wird also, geschäftlich überaus erfolgreich, die Wunscherfüllung der Leute bedient, was sie mehr kostet als alle verkauften Tabletten zusammengenommen. Spendung von Trost in einer trostlos erscheinenden Welt ist „Big Business“.
Wer da nachfragt, ob Götter irgendwie logisch seien, der könnte mit dieser Frage ein schönes Geschäftsmodell zerstören. Nur wird das nicht passieren, insofern ist die Frage gesellschaftlich gesehen irrelevant, ebenso alle Antworten.
Wenn es trotzdem interessiert, hier eine ganz kurze Antwort: Gott oder Götter müssen nicht logisch sein, es reicht, wenn man an sie glaubt. Dazu muss man diesen Glauben kleinen Kindern einpflanzen und dann später verhindern, dass sie intellektuell in der Lage sind, deren Existenz zu hinterfragen. Das macht man mit dem bewährten Mittel der Immunisierung gegen Kritik. D. h., wenn man schon nicht beweisen kann, dass irgendein Gott existiert, kann man damit wenigstens verhindern, dass seine Existenz widerlegt wird. Alle esoterischen Theorien, jeder okkulte Quatsch, alle Formen politischer Ideologie, aller astrologische Humbug, jeder homöopathische Unfug, lässt sich leicht gegen jede Form der Kritik immunisieren.
Der Gott es Monotheismus ist das am Sorgfältigsten gegen Kritik immunisierte ideologische Konstrukt, das je erfunden wurde.
Es gibt keinen logischen Trick, der nicht benutzt wird, um zu verhindern, dass man Gott widerlegen kann (früher auch physische Drohungen wie Lebendbestattung im Feuer). Den Gegensatz dazu bildet die Wissenschaft, die keine Aussagen akzeptiert, die nicht widerlegbar sind. Widerlegbarkeit ist der Kern der Wissenschaft, Unwiderlegbarkeit der Kern aller Ideologien.
Es ist einfach, eine Aussage gegen Kritik zu immunisieren, Solange die Leute nicht begreifen, welche Konsequenzen es für diese Aussage hat, wird man immer zu hören bekommen: „Ja, Du kannst ja auch nicht beweisen, dass dies falsch ist“. Richtig. Unsinn kann man nicht widerlegen, und nur reiner Unsinn hat es nötig, sich hinter unwiderlegbaren Aussagen zu verschanzen.
Kritikimmune Aussagen haben folgende Eigenschaften:
- Wenn man deren Wahrheit darauf zurückführt, dass man sie nicht widerlegen kann, sollte man wissen, dass auch das genaue logische Gegenteil der Aussage die Kritikimmunität automatisch erbt. Wenn man also A akzeptiert (A sei eine kritikimmune Behauptung), weil sie nicht widerlegbar ist, müsste man automatisch auf das genaue logische Gegenteil, Nicht A, ebenso akzeptieren, weil das auch nicht widerlegbar ist. Nur kann man nicht beides gleichzeitig, deswegen sind allgemein unwiderlegbare Aussagen vollkommen wertlos.
- Eine kritikimmune Behauptung kann keinen Bezug zu einer logisch möglichen Realität haben. Weil jedes reale Faktum könnte eine Aussage widerlegen, also in einen logischen Widerspruch dazu geraten.
- Selbst eine vollkommen falsche Aussage ist sehr viel mehr wert als eine kritikimmune Behauptung. Weil man aus einer falschen Aussage noch etwas lernen kann, nämlich, wie es nicht ist, und eventuell sogar warum, und es besser machen kann. Bei einer kritikimmunen Aussage ist Endstation, man wird nie etwas daraus lernen können.
- Sogar eine ausgemachte Lüge hat mehr Bezug zur Realität als jede gegen Kritik immunisierte Behauptung. Man könnte sagen, alle Lügen der Welt sind wertvoller als eine beliebige kritikimmune Behauptung.
- Der philosophische Fachausdruck für eine kritikimmune Behauptung lautet Bullshit. Siehe Frankfurt, Harry G., und Michael Bischoff. 2013. Bullshit . 5 Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Der Philosoph Harry Frankfurt formulierte dies in Anlehnung Nietzsche so:
Der Bullshit ist ein größerer Feind der Wahrheit als die Lüge.
Gott mag noch so logisch klingen, ihm fehlt jeder Bezug zu einer logisch möglichen Realität, Und dann lautet damit die Antwort auf die Frage: Ganz klar NEIN. Es geht im Glauben aber eben nicht um Logik, sondern darum seine eigenen Wünsche zu bedienen. Dazu nehmen die Menschen auch jede nur erdenkliche Unlogik in Kauf.