Sittenwidrige Klauseln im Testament

Frage tatsächlich für eine Freundin:

Wenn in einem Testament die Klausel enthalten wäre, dass die Erbin einer Immobilie diese nur erbt, wenn sie in Folge auch x Jahre darin wohnt, wäre das eine Klausel, die anfechtbar wäre, z.B. wegen Sittenwidrigkeit?

Wenn es so wäre, wäre dann das ganze Testament hinfällig und es käme die gesetzliche Erbfolge zum Tragen, oder wäre nur die Klausel hinfällig? (Und die Erbin könnte die Immobilie erben ohne x Jahre darin zu wohnen.)

Gesetzt den Fall, die Erbin (der Immobilie) wäre sogar einverstanden mit der Klausel, aber eine andere Erbin, die bei diesem Erbgang massiv benachteiligt worden wäre, wollte diesen Punkt nutzen, um das gesamte Testament anzufechten, wie realistisch wäre das?

Es wurde „im Internet“ teilweise Widerspüchliches- oder nicht wirklich Verstandenes- dazu gefunden.

Der Freundin ist klar, dass spätestens, wenn der Erschein vorliegt und sie aktiv werden wollte ein Fachanwalt unabdingbar ist!

Grüße
987

Ich halte das nicht für sittenwidrig. Das ist eine „normale“ und zulässige Auflage. Man müsste die Fristlänge X aber kennen und sicher auch wer das eigentlich überwachen soll, der Erblasser ist ja tot. Eigentlich müsste ein Testamentvollstrecker eingesetzt sein.

Ein gesetzlicher Erbe mit so einer Auflage kann aber das Erbe ausschlagen und das Pflichtteil verlangen. Ist er sowieso einverstanden dann ist ja alles klar.

Ein anderer (gesetzlicher)Erbe hat halt das Nachsehen,aber so wollte es der Erblasser ja ausdrücklich geregelt haben. Demjenigen bleibt ja immer das Pflichtteil in Geld. was ggf. der Hauserbe aufbringen muss.

MfG
duck313

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Ich auch nicht, darum frage ich. Meine Freundin, die gar nicht doof ist in solchen Sachen, aber schon. Wahrscheinlich hat sie sich da in ihrer Empörung (die für mich aus nicht näher zu erläuternden Gründen sehr nachvollziehbar ist) verrannt.

Eine gute Frage.
Testamente unterliegen nicht den strengen Bedingungen wie zum Beispiel die AGB eines Versandhändlers.
„Bei der Frage, ob eine testamentarische Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, ist zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat. Sittenwidrigkeit kann daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt auch für Bedingungen.“

Und jetzt wird es wichtig:
„Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten.“

Eine Vorschrift, wo ich zu leben habe, ist ein ziemlich heftiger Eingriff in meine Freiheitsrechte. Hätte man lediglich vorgeschrieben, das Haus zu erhalten und nicht vor Ablauf einer Frist zu verkaufen: OK, würde ich akzeptieren.

Nun ist es deinem Fall aber doch gerade so, dass die vorgesehene Erbin gar nichts gegen die Bedingung einzuwenden hat.

Frau A will also klagen und sagen „Das ist eine vollkommen unzumutbare Bedingung, dass Frau B da noch 5 Jahre leben muss!“. Frau B sagt: „Nö, finde ich OK.“ Wo ist dann die Unzumutbarkeit?
Im Übrigen wäre bei Feststellung, dass die Bedingung sittenwidrig sei, lediglich die Bedingung nichtig.
Hätte die Feststellungsklage von A Erfolg, so wäre Frau B nach wie vor Erbin des Hauses, müsste dann aber nicht mehr die Bedingung erfolgen und da x Jahre leben.

Quellen:
https://openjur.de/u/2397423.html
https://www.olg-hamm.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilung_archiv/archiv/2023_Pressearchiv/13_23_PE_OLG_geerbtes-Hausverbot/index.php

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So fände ich das auch alles plausibel.

So sieht es Frau A auch, und irgendwo hat sie gefunden, ich habe es auch gesehen, finde es aber nicht mehr, dass auch MiterbInnen da Einspruch erheben können, nicht nur die von der Klausel betroffenen Erbin.
Interessieren würde mich, ob es ähnliche Fälle gibt, in denen Gerichte schon geurteilt haben.

Ausserdem haben wir gefunden:

" Das Testament ist von Anfang an nichtig, wenn es sittenwidrig ist oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ist das Testament nichtig, gilt die [gesetzliche Erbfolge]."

https://www.voegele-rechtsanwaelte.de/ratgeber/testament-erbvertrag/sittenwidriges-verbotenes-testament/#:~:text=Das%20Testament%20ist%20von%20Anfang%20an%20nichtig%2C%20wenn,darin%20getroffenen%20Verfügungen%20gegen%20die%20guten%20Sitten%20verstoßen.

In dem von mir gefundenen Urteil heißt es doch, dass eine sittenwidrige BEDINGUNG dazu führt, dass nur die Bedingung nichtig ist, der Rest aber anzuwenden ist.
Klagen kann jeder - aber die Folgen wären hier dieselben wie beim verlinkten Urteil. Die Auflage „du musst da wohnen“ entfiele, die Erbverteilung bliebe.

Das gesamte Testament ist ja nicht sittenwidrig, sondern es ginge nur um die eventuell unzumutbare Bedingung.
Würde das Testament an sich schon sittenwidrig sein - etwa weil der Heimbewohner sein ganzes Vermögen dem Pfleger vermacht hat, der immer so freundlich zu ihm war, dann ist auch das gesamte Testament nichtig.

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Ja, Du hast Recht.
Das habe ich jetzt auch an anderen Stellen so gefunden.
Man unterscheidet wohl zwischen grundsätzlich sittenwidrigen Testamenten und sittenwidrigen Klauseln. Ist so auch plausibler.
Danke für´s Mitgucken!

Da haben wir schon das erste Problem, da man nicht einzelne Gegenstände, sondern einen Anteil des Vermögens (Soll und Haben) erbt. Einzelne Gegenstände können nur als Vermächtnis direkt zugewiesen werden. Alternativ kann man eine Teilungsanordnung treffen, dass bei Verteilung der Vermögensanteile auf die Erben einzelne Gegenstände bevorzugt an einzelne Erben gehen sollen. D.h. hier wäre jetzt zunächst mal Auslegung erforderlich, was mit dem „Vererben einer Immobilie“ überhaupt gemeint sein soll? Das Gesetzt geht in § 2087 BGB davon aus, dass auch bei Verwendung des Begriffs „Erbe“ eine ausschließliche Zuwendung eines Gegenstands als Vermächtnis gemeint ist, wenn nicht andere Umstände hinzutreten. Ist der Gegenstand hingegen neben einem Erbteil genannt, kann es sich um ein Vorausvermächtnis handeln, das zusätzlich zum Erbanteil vorweg aus dem Erbe genommen werden und dem Begünstigten zugewendet werden soll, oder um die schon genannte Teilungsanordnung handeln, wonach im Rahmen der Verteilung des Nachlasses die Immobilie vorrangig an einen Erben zu übertragen ist, der dafür dann weniger vom restlichen Nachlass bekommt, um insgesamt auf sein Erbteil zu kommen.

Was die Auflage zur Wohnnutzung der Immobilie angeht, so können Auflagen recht frei bestimmt werden, solange sie nicht sittenwidrig sind. Klauseln, die einen Verkauf einer Immobilie ausschließen, sind oft anzutreffen und grundsätzlich zulässig. Auch bei einer eigenen Wohnnutzung hätte ich zunächst keine Bedenken. Im speziellen Fall ist die Auflage ohnehin unproblematisch, da die Erbin/Vermächtnisnehmerin bereit ist, diese zu erfüllen. Da kann dann ohnehin kein Dritter erfolgreich etwas gegen machen. Die Problemfälle sind genau anders herum diejenigen, bei denen ein so beschwerter Erbe nicht bereit ist, die Auflage zu erfüllen, und ein so genannter „Neiderbe“ dann die Hoffnung hat, aus der Nichtbefolgung der Auflage dahingehend Kapital schlagen zu können, dass sich die Verteilung der Erbmasse zu seinen Gunsten verändert, weil ein mit Auflage als Vermächtnis zugewandter Gegenstand dann wieder in die nach Quote zu verteilende Erbmasse fällt. Geht es allerdings ohnehin nur um eine Teilungsanordnung zwischen Erben, ändert sich da insoweit vermögensmäßig nichts, sondern wäre nur die vorrangige Zuweisung weg, die aber regelmäßig nicht dazu führt, dass der Neiderbe dann selsbt sofort Eigentümer werden kann, sondern die Geschichte dann in einer Zwangsversteigerung enden wird (in der der dann aber natürlich mitbieten kann).

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Damit wäre dieser Punkt vollkommen geklärt.

Das verstehe ich vielleicht nicht ganz oder auch gar nicht:

Im hypothetischen Fall gibt es keine nahen Verwandten, denen ein Pflichtteil zustünde.
Es gibt vor allem die (halbe) Immobilie und ein wenig Geld.
Es liegt noch kein Testament vor, das hat Frau B, die die „ganze halbe“ Immobilie der Verstorbenen bekommen soll in ihrem Besitz und die gemeinsame Mutter (der die andere Hälfte des Hauses gehört) von A und B hat Kenntnis davon, so kam es zu Informationen an Frau A.
Von der Korrektheit dieser Informationen ist im Großen und Ganzen auszugehen.

In diesem Testament ist festgelegt, dass Frau B die Immobilie bekommen (und darin leben) soll und das (relativ kleine) Vermögen zwischen den Schwestern und noch einer Person aufgeteilt werden soll.

Wie verstehe ich Deinen ersten Satz in diesem Zusammenhang?
Kann man so etwas gar nicht verfügen?

Das wäre die Antwort auf diese Frage?

Hintergrund der Geschichte wäre, dass Frau B die „Erbtante“ gepflegt hat und Frau A auch deswegen keine Einwände dagegen hat, dass Frau B die Immobilie bekommt, es aber erhebliche Verstrickungen im Vorfeld gegeben hat, z.B. dass Frau B einen großen Teil des Restvermögens vor dem Ableben der Erbtante genutzt hat, um die Immobilie für ihr künftiges darin Wohnen zu renovieren, ausserdem auch die gemeinsame Mutter dazu gebracht hat, zur Hälfte mit in die Renovierung zu investestieren.
Das wird als ungerecht empfunden- wofür ich volles Verständnis habe- nicht zuletzt dadurch, dass nur Frau B davon profitiert, auf der anderen Seite aber das zu erwartende Erbe von der Mutter aber im Vorfeld erheblich geschmälert hat.

Verfügen kann man viel. Stellt sich nur die Frage, wie dies dann mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist? In der erbrechtlichen Laiensicht geht es oft um konkrete Nachlassgegenstände und Personen, denen diese zugewiesen werden sollen. Dabei spielen insbesondere Immobilien eine große Rolle, aber auch Wertpapierdepots, Kraftfahrzeuge, Antiquitäten, Sammlungen, und nicht zuletzt Bankguthaben. Der Gesetzgeber geht hingegen - aus guten Gründen - von einem Erbrecht nach Quoten und bei mehreren Erben von einer Erbengemeinschaft aus, die sich dann dahingehend auseinanderzusetzen hat, wer zur Erfüllung seiner Quote welche Nachlassgegenstände oder Teile hiervon bzw. einen Gegenwert hierfür erhält. Das hat z.B. damit zu tun, dass es neben den zu verteilenden Nachlassgegenständen ggf. auch noch Forderungen/Schulden gegenüber Dritten gibt, die auch in den Nachlass fallen, und natürlich auszugleichen sind. Auch sind Nachlassgegenstände und deren Wert eine sehr volatile Geschichte. D.h. Das im Testament genannte Haus musste dann vor dem Tode für die Kosten einer Pflegeheim-Unterbringung verkauft werden, und das hiermit an sich besonders großzügig bedachte Kind würde dann leer ausgehen, während das Kind, das nur ein kleines Wertpapierdepot bekommen sollte, ggf. jetzt in Jubel ausbricht, weil einige Positionen darin gerade ein paar Tage vor Eintritt des Erbfalls massiv an Wert zugelegt haben.

Insoweit macht es also mehr Sinn, zunächst einmal das Erbe nach Bruchteilen aufzuteilen, dann die einzelnen Nachlassgegenstände zu bewerten, Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen, und dann zu schauen, wie man durch Verteilung der Nachlassgegenstände die Bruchteile erreichen kann. Notfalls eben auch durch Veräußerung von Nachlassgegenständen oder gegen Wertersatz. D.h. wenn jemand eine Immobilie im Wert von € 500.000,-- übernehmen will, die ihm zustehende Hälfte des Nachlasses aber nur € 400.000,-- wert ist, dann muss er eben dem anderen Erbe € 100.000,-- auf den Tisch legen, um die Immobilie übernehmen zu können.

Es gibt aber zwei Varianten, trotzdem dahin zu kommen, dass einzelne Personen tatsächlich einen konkreten Nachlassgegenstand erhalten. Einmal im Wege eines Vermächtnisses, das alleinstehend an eine Person ausgesetzt wird, die nicht Erbe wird. Dann wird z.B. zunächst mal das Auto an die liebe Nachbarin übergeben, bevor man dann den Rest bewertet und verteilt. Es kann auch ein Vorausvermächtnis für einen Erben ausgesetzt werden, der dann vorab einen Nachlasgegenstand bekommt, der nicht auf seinen Erbanteil angerechnet wird. Und schließlich kann man durch eine Teilungsanordnung erreichen, dass ganz normal nach Quote verteilt wird, aber einzelne Nachlassgegenstände hierbei einem Erben zugewiesen wird, der dann eben aus dem übrigen Nachlass weniger bekommt, um am Ende die gewüschte Quotelung zu erreichen.

Das Problem ist jetzt aber, dass diese Dinge nun mal nicht Allgemeinwissen sind, und viele Menschen daher Formulierungen wählen, bei denen nicht klar ist, was von den oben genannten Möglichkeiten eigentlich gemeint und gewünscht ist. Und dann geht es los mit gewissen gesetzlichen Auslegungsregelungen und weiterer Auslegung, wenn die nicht zum Ziel führen.

D.h. man müsste jetzt das gesamte Testament wirklich im Originalwortlaut kennen um zu sehen, oob die darin verwendeten Formulierungen eindeutig sind, und was sie konkret bedeuten, oder ob es hier der Auslegung bedarf, die von verschiedenen Leuten natürlich unterschiedlich erfolgen kann, was dann natürlich auch gerne zu Rechtsstreitigkeiten führt, die gerne mal dann auch über mehrere Instanzen gehen.

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Puh ist das kompliziert.Da bin ich froh, dass ich nur eine Tochter habe.
Natürlich muss das Testament abgewartet werden.
Einstweilen klopft man mit den Informationen, die man hat ,eventuelle Abwehrstrategien ab in der Hoffnung mit einer guten eigenen Strategie sich letztendlich ohne Gerichte einigen zu können.
Ich leite das weiter und danke Dir herzlich, dass Du Dich so fundiert zu der Sache geäussert hast!

PS: EIne Frage habe ich doch noch:
Wie „quotelt“ man, Gericht denn, wenn im Testament steht „Frau A soll die Immobilie und ein Drittel des Geldes bekommen und Frau B und C je ein Drittel des Geldes.“? (Und nicht "Frau A 90% und Frau B und C je 10% von allem.)

Das kommt ganz auf die Umstände des Einzelfalls an. Das macht die Sache ja so kompliziert. Im einfachsten Fall, wenn alle mit dieser Regelung einverstanden sind, interessiert sich kein Gericht dafür. Das wird nur dann tätig, wenn sich die Erben nicht einig werden können, wie man mit so einer Formulierung umgehen soll, und dann mindestens ein Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt wird, mit dem dann wenigstens ein Miterbe nicht einverstanden ist.

Das erste Problem einer solchen Testierung liegt schon darin, dass bei einer Verteilung von Haus und Geld (Bankguthaben+Bargeld) nicht klar ist, wer denn ggf. noch vorhandene Schulden/Verbindlichkeiten/Todesfallkosten wovon bezahlen muss. Dann ist nicht klar, was mit dem Rest des Nachlasses geschehen soll. Soll „Haus“ gleichbedeutend mit „Haus + Hausstand und allem, was sich im Haus befindet“ sein? Was gibt es sonst noch an Nachlassgegenständen? Gibt es ggf. gesetzliche Erben, die da Morgenluft wittern, und ggf. Ansprüche geltend machen können? Wenn es nur um geringen sonstigen Nachlass und geringe Verbindlichkeiten geht, sollte man hierfür außergerichtlich eine Lösung finden, damit die Kosten eines Verfahrens nicht den Wert einer solchen Geschichte überschreiten. Aber das setzt natürlich ausreichende Kompromissbereitschaft bei allen Beteiligten voraus.

Ein weiterer Block wären Fragen wie: Wie hat sich das Verhältnis des Wertes von Haus und Geld seit Errichtung des Testaments geändert? Hat die Erblasserin es gewollt, dass eine Änderung des Verhältnisses der Werte der Anteile im Todesfall unberücksichtigt bleiben sollte? Oder hat sie die Anteile damals mit voller Absicht so bestimmt, dass es ein bestimmtes Verhältnis geben sollte, welches jetzt nicht mehr besteht, von der Erblasserin aber gerade nicht gewollt war? …

Insoweit will ich mich da an keinen Spekulationen beteiligen, wenn nicht das vollständige Gesamtbild auf dem Tisch liegt.

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Noch einmal: Herzlichen Dank!
Ich habe alles weiter geleitet und von dort auch ein Danke!

Kompliziert ist das eigentlich nur, wenn man als Erblasser noch über den Tod hinaus seinen Nachkommen Vorschriften machen möchte. Wenn man die Nachkommen einfach wertschätzend behandelt, ihnen eigene Entscheidungen nicht verbieten will, dann hat man kein Problem.

Es gibt vielfach gute Gründe für differenziertere Nachlassgestaltungen als nur 1/2:1/2 o.ä. Das muss gar nichts mit „den Nachkommen Vorschriften machen“, zu tun haben. Aber selbst wenn: Wer seinen Nachlass regelt, bei dem es um Dinge geht, die man selbst geschaffen/ebenfalls mit bestimmter Erwartungshaltung/Vorgaben von seinen Vorfahren übernommen hat, der hat grundsätzlich auch das Recht, dass seine Vorstellungen zum weiteren Umgang damit umgesetzt werden, soweit er sich damit im Rahmen der Gesetze und Rechtsprechung bewegt. Natürlich muss man im Einzelfall sehen, ob/wie das alles dann praktisch funktionieren kann/inwieweit man damit vermeidbare Konflikte produziert/ob es nicht bessere Lösungen gibt, als die, die sich ein Erblasser zunächst vorgestellt hat/…

Aber wenn ich z.B. für die Übernahme eines Betriebs einen hierzu passende Berufsabschluss erwarte, dann sichert das nicht nur den Bestand eines Unternehmens, sondern sichert auch Arbeitsplätze, …

Und es ist auch grundsätzlich kein Hexenwerk, solche Themen so zu formulieren, dass hinterher jeder weiß, wo er dran ist. Allerdings eben nicht für Hinz und Kunz, sondern für Leute, die eine entsprechende Ausbildung und Berufserfahrung haben. Kommt doch auch keiner auf die Idee eine Herz-OP durchzuführen, der kein medizinisches Studium, … mitbringt.

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Vielen Dank für deinen qualifizierten Beitrag, Bernd-Thomas!

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Banales Beispiel, das in der Praxis in ähnlichen Konstellationen aber durchaus nicht selten ist:

Die potentielle Erbin Elfriede verfügt über ein Vermögen von etwa € 1 Mio., das zu etwa 45% aus einer Immobilie besteht, die zuletzt 1995 modernisiert wurde, als der gute Egon (zwischenzeitlich verblichener Ehemann) noch lebte. Weitere 40% machen die Sportwagen aus, die Emil seinerzeit sammelte und die gut erhalten, aber ungenutzt und ungeliebt in einer angemieteten Garage herumstehen. Die restlichen 15% bestehen aus Guthaben und Wertpapiere sowie ein bisschen Hausrat.

Die alleinstehende Tochter T1, die seit ihrem Auszug vor 27 Jahren in der Nähe eine Einzimmerwohnung bewohnt, hat sich in den letzten 5 Jahren rührend und eifrig um die Mutter gekümmert und dabei die eigene Karriere im Blumenfachhandel vernachlässigt. Tochter T2 ist vor 25 Jahren ins ferne Radevormwald gezogen, hat dort mit ihrem Mann ein Architektenhaus erworben und bezogen, bei dem (dem Haus, nicht dem Mann) nun auch langsam auch die ersten Reparaturen und Renovierungen fällig werden.

Tochter T1 möchte das Haus, in dem sie groß wurde, nach dem bald zu erwarteten Ableben der Mutter auch gerne bewohnen, braucht aber für ein paar Modernisierungen doch ein bisschen Geld, das sie nicht ansparen konnte. Tochter T2 geht die alte Bruchbude am Allerwertesten vorbei und braucht die Kohle für die eigene Bude. An den Sportwagen hängen beide genauso wenig wie an der jeweiligen Schwester.

Erbin Elfriede steht (natürlich) Tochter T1 am nächsten und kennt die Vorstellungen beider Töchter hinsichtlich der präferierten Vermögensflüsse nach ihrem Ableben sehr genau.

Möglichkeit A: sie lässt den Dingen ihren Lauf. Das Erbe fällt beiden Töchtern gemeinsam zu. T2 will die Hälfte des Erbes und zwar in bar. Auch wenn T1 gerne das Haus übernehmen würde, kann sie T2 nicht gleichzeitig auszahlen und das Haus renovieren. Kompromisse sind den Schwestern nicht möglich. Also läuft das ganze auf eine Teilungsversteigerung des Hauses hinaus. Daraus und aus der Veräußerung der Sportwagen werden jeweils 50% des Erbes an die Schwestern in Geld und Wertpapieren ausgekehrt.

Mit einem Testament könnte man das viel gezielter regeln. T1 bekommt als Vermächtnis das Haus, während T2 mit den Sportwagen beglückt wird. Der Rest lässt sich leicht so verteilen, dass am Ende beide 50% haben. Der Unterschied ist nur, dass T1 in ihrem Elternhaus alt werden kann, während sich T2 aus dem fernen Radevormwald mit dem Verkauf von in der Oldtimerhochburg Ostgroßefehn gelagerten Sportwagen befassen muss, bevor endlich das Dach der Designerhütte neu eingedeckt werden kann.

Elfriede wählt Variante 2 und verstirbt in Frieden und mit einem (klein wenig boshaften) Lächeln im Gesicht.