Hallo Kate,
Bei geistig behinderten Kindern halte ich ein dauerhaft
gemeinsames Lernen für schwierig. Das geht vielleicht in Kunst
und Drama, aber im normalen Unterricht hätte es für beide
Seiten, denke ich, nur Nachteile.
das kann ich mir auch vorstellen.
Gerade schwer geistig behinderte oder mehrfachbehinderte Schüler lernen ja in der Schule auch Dinge, die mit dem normalen Schulstoff wenig zu tun haben (wie zieht man sich selbst an, wie benutzt man Besteck, wie funktioniert Körperpflege, wie orientiert man sich in der Stadt etc.) - das würde bedeuten:
a) Doch wieder kein gemeinsamer Unterricht - oder andersrum, das Erlernen dieser Fähigkeiten bleibt den behinderten Schülern versagt, sprich, letztendlich weniger Alltagsfähigkeit.
b) Kennen sich Lehrer oder andere Betreuungspersonen, die evl. alle fünf Jahre ein Kind mit einer bestimmten Behinderung haben, wirklich genug aus? Gerade an Schulen mit sehr geringem Einzugsgebiet (z.B. dörfliche oder kleinstädtische Schulen) dürfte es aufgrund der Anzahl potentieller Schüler nur alle paar Jahre mal vorkommen, dass z.B. ein Kind, das am Rollator läuft und mit 14 Jahren auf dem Stand eines Zweijährigen ist* , eingeschult wird. Auch wesentlich „mildere“ Formen von geistiger/seelischer Behinderung dürften wohl kaum so häufig vorkommen, dass dann jeder Lehrer weiß, wie er am besten mit einem Kind mit Down-Syndrom, mit besonderen Wahrnehmungsproblemen (hiermit meine ich nicht Seh- oder Hörbehinderung, sondern z.B. Autismus, wodurch ein Kind, das mit all den Geräuschen und anderen Eindrücken (Pause, Freistunden, aber auch normaler Unterricht) hemmungslos überfordert ist und sich nicht mehr konzentrieren kann bzw. „aggressiv“ wirkt), mit schwerer Epilepsie etc. umgehen soll.
Kurz und gut:
Ich bin der Meinung, zusammen lernen wenn möglich (gerade bei körperlicher Behinderung sicher meist möglich und oft eigentlich auch nötig, da z.B. viele rollstuhlgeeignete oder für Schüler mit Hör- oder Sehbehinderung geeignete Schulen nur Hauptschulabschluss anbieten und Realschul- oder Gymnasiumsbesuch meist nur an (seltenen) Internaten möglich ist), aber nicht „um alles in der Welt“ Schüler zusammen beschulen, die ganz unterschiedliche Lehrpläne haben.
Bei Lernbehinderung/ geistiger Behinderung sollte ferner auf die Fähigkeiten, nicht auf die Diagnose geschaut werden - wie ich mitbekommen habe, ist es teils arg schwierig, ein Kind in die normale Grundschule eingeschult zu bekommen, wenn es bereits eine entsprechende Diagnose hat, ungeachtet der tatsächlichen Fähigkeiten.
*(Der genannte Jugendliche ist nicht hypothetisch, sondern es handelt sich hier um den Sohn einer Bekannten.
Seine Fortschritte der letzten drei Jahre waren: Selbstständig sich hinsetzen, ohne Stütze sitzen und wieder aufstehen und am Rollator weiterlaufen; selbst Kleinigkeiten zu Essen greifen und zum Mund führen; durch Gesten grundlegende Bedürfnisse und Gefühle kommunizieren (etwa 8 Gesten, davon kann er 6 verschiedene gut); beim Ankleiden etwas behilflich sein. Für ihn sind das große Fortschritte, man merkt dass es ihm gut tut, dies zu können - besonders die Kommunikation - aber diese Fortschritte hätte er an einer „gemischten“ Schule sicher nicht gemacht, da er wohl stattdessen in Unterricht gesessen wäre, aus dem er nichts mitgenommen hätte.)
Viele Grüße,
Nina