Hallo
- es gibt Studien, die z.B. die Notenvergabe untersucht
haben, und feststellen, dass die Lehrer einen
strukturellen (also über den jeweiligen subjektiven
hinausgehenden) Bias drin haben, also Schülern mit „höherer“
sozialer Herkunft für objektiv gleiche Leitungen (in der
Studie durch Anonymisierung kontrolliert) bessere Noten geben
als Schülern mit „niedrigerer“ Herkunft;Es gibt Studien, die belegen, dass die Polkappen nicht
abschmelzen.
Ich gebe zu, hier bin ich auch mehr als sekptisch, aber vielleicht erhalten wir einen Link zu diesen Studien.
Ich kann natürlich nur für meine eigene Schulzeit sprechen und
da gab es ab und an eine leichte Bevorzugung der Mädchen durch
weibliche Lehrkräfte.
Eine Benachteiligung von Migranten oder sozial schwachen
Schülern konnte ich nicht erkennen.
Ist aber natürlich nur meine persönliche Erfahrung.
Sehe ich ebenso.
„Fast die Hälfte aller deutschen Grundschüler erhält nach
der vierten Klasse eine falsche Schulempfehlung. Viel zu oft
wird nach sozialer Herkunft statt nach Leistung entschieden.
Dies geht aus dem Grundschulvergleich der Bundesländer hervor,
der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.“Allein das Thema „Schulempfehlung“ ist schon ein völlig
falscher Ansatz.
Wie will man einen 10-11-Jähringen dahingehend bewerten, ob er
geeignet ist, eine Akademische Ausbildung zu verfolgen?
Nun, es geht bei der Schulempfehlung nach er 4. Klasse nicht darum, ob das Kind später studieren kann, sondern ob es den Anforderungen der folgenden Schuljahre auf dem Gymnasium genügt.
Dennoch sind das lediglich Nuancen.
Generell kann jeder eine Hochschulreife erlangen und
studieren.
Ja, theoretisch, aber hier geht es eben um die Ursachenforschung für bestimmte Entwicklungen trotz Chancengleichheit. Und genau diese Ursache sollte erforscht werden. Die rein abstrakte Chancengleichheit, also insb. das Fehlen von Schul- und Studiengebühren hilft nicht weiter.
Es gibt auch vernünftige Schulen in Deutschland, wo die
Schüler so etwas nicht benötigen.
Aber es gibt keine freie Schulwahl und gerade in den jüngeren und für die Entwicklung entscheidenden Schuljahre wird man einer bestimmten Schule zugewiesen.
Ferner würde ich persönlich lieber in nachhilfe für mein Kind
investieren, als in Zigaretten, Alk und Alufelgen.
Richtig.
Hier ist bei den meisten noch ordentlich Potential vorhanden,
man darf nicht vergessen, dass Deutschland nicht nur aus Hartz
4 Empfängern besteht.
Richtig, sehe ich ebenso.
Und auch beim Studieren sind nicht die Studiengebühren das
Entscheidende, sondern die Lebenshaltungskosten;
wer wenig dazuverdienen muss, hat sicher weit bessere Chancen
als der, der die ganzen zulässigen 20 Wochenstunden arbeiten
muss;Das ist Unsinn. Meine Eltern haben Geld und ich habe mein
Studium weitestgehend selbst finanziert.
Wenn mal eine Prüfung schief ging, hatte dies höchstens mit
ungenügender Vorbereitung zu tun, nicht aber mit einer zu
hohen Arbeitsbelastung bzgl. der Erwirtschaftung der
Lebenshaltungskosten.
Also das sehe ich definitiv anders. Ich hatte das Glück, relativ wenig arbeiten zu müssen (2 Tage/Woche) und konnte mich so sehr auf das Studium konzentrieren und dieses in aller Kürze und mit Auszeichnung durchziehen. Bei fast allen Kommilitionen, die ihr Studium gänzlich selbst finanizert haben, hat dies so nicht geklappt. Sie hatten einfach weniger Zeit, die sie dafür aufbringen konnten (und es sind meist mehr als 20 Std.). Und man darf hier auch nicht vergessen, dass nicht jede freie Minute potentzielle Lernzeit ist. Wer einen 8 Std. Tag hinter sich hat, ist deutlich weniger aufnahmefähig als jemand, der sich morgens früh in die Bibliothek setzt.
Und finanzielle Möglichkeiten gaben mir immer Vorteile. Ich konnte alle Lehrbücher kaufen, die ich brauchte, und musste nicht auf das ärmliche Uniarsenal zurückgreifen (und so ein Buch kostetete häufig schon mal über 100 DM). Gerade bei Hausarbeiten gab mir das die Möglichkeit, mich in meiner kleinen Heimbibliothek voll auf die Lösung zu konzentrieren, anstatt mich mit anderen an der Uni um die Materialien schlagen zu müssen. Ich konnte für beide Examina Repetitorien besuchen, etc., etc. Hier gibt es wirklich erhebliche Unteschiede auch ohne (nennenswerte) Studiengebühren.
abgesehen davon werden sich viele aus ärmeren Verhältnissen
(selbst wenn sie es bis zum Abi gebracht haben) die Qual gar
nicht erst antun, zu arbeiten und zu studieren.Das ist dann wiederum deren Problem und deren freie
Entscheidung.
Grundsätzlich klingt das richtig. Aber die Frage ist eben wirklich die, ob die Entscheidung frei ist. Der Vorposter hat hier die entscheidenden Anmerkungen gebracht.
Natürlich hat der Student aus reichem Elternhaus manchmal mehr
Geld zur Verfügung, als derjenige aus einfacheren
Verhältnissen.
Eine „Hürde“ ist das m.E. jedoch nicht. Es gibt Bafög und die
Möglichkeit, zu arbeiten.
Studiengebühren sind vernachlässigbar.
Was will man denn noch??
Das ist grundsätzlich richtig. Aber Entscheidungsgründe und Willensstärken sind nun einmal auch das Produkt der Erfahrungen der vergangenen Jahre. So einfach ist es halt nicht.
über die sozialen Gründe haben wir bereits gesprochen.
Eigentlich nicht. Leider scheinen diese bei Dir gerade keine Rolle zu spielen, allein der Wille sei das entscheidende. Aber das wird dem Problem nicht gerecht.
Ich hatte als Schüler von Klassik keine Ahnung. Mein Vater
jedoch hört viel Klassik.
Und?
Man ist in der Schule, um eine vernünftige Allgemeinbildung zu
erhalten und nicht, um die privaten Interessen bestimmter
Gruppen zu befördern.
Und eben hier gibt es schon einmal große Motivationsprobleme. Der Mensch ist von Geburt an nicht zielstrebig und motiviert, eine gute Allgemeinbildung zu erhalten. Das ist ein Teil der Sozialisation und der Erziehung durch das Elternhaus und das Umfeld.
Die Akzeptanz der Bedeutung einer guten Allgemeinbildung und auch das eigene Interesse an einer solchen, ist bei Akademikerkinder gänzlich anders ausgeprägt als bei anderen Kindern. Sie bekommen dies von zu Haus aus mit, teils inhaltlich und teils durch das Bewusstsein, dass dies etwas gutes, erstebenswertes ist (damit sogar noch unabhängig von der Grundlage zu einer guten Ausbildung und einem guten Job).
Diese Kinder akzeptieren solche Lerninhalte viel leichter und sind viel einfacher zu motivieren, bzw. können sich selbst viel leichter motivieren als Kinder, die die Bedeutung von Allgemeinbildung und ihren Wert nie vermittelt bekommen haben.
Es ist richtig, dass es nicht darum geht, die privaten Interessen bestimmter Gruppen zu fördern, aber es ist entscheidend, dass Menschen auch die Motivation zur Bildung und bestimmten Lerninhalten vermittelt bekommen müssen. Wie gesagt, sie sind es nicht von Geburt an.
In Bayern kommt das.
Ferner hältm niemand die Eltern davon ab, so etwas zu
organisieren. Was geht den Staat die private Komponente der
Kinderaufzucht an?
Richtig. Hier können Eltern viel machen, sind aber oftmals daran nicht interessiert. Ein großes Problem.
Ich finde eben aus den genannten Gründen nicht, dass das
System undurchlässig ist, sondern dass die Leute, Eltern wie
Kinder, sich eben auch selbst um die Zukunft kümmern müssen.
Das ist gebildeteren leuten evtl. in Deutschland eher bewusst.
Richtig, und Bewusstsein fördert die Eigenmotivation und die Motivation der Kinder. Und hier haben wir genau einen entscheidenden Aspekt, warum der Zugang zu höheren Abschlüssen trotz abstrakter und finanzieller Chancengleichheit faktisch eben doch nicht gleich ist udn auch nicht allein vom Willen der Kinder abhängt. Es wird eben von Generation zu Generation weiter gegeben. Die Kinder der Familien dieser Schichten (das müssen tatsächlich keinesfalls Harz IV Empfänger sein) haben daher von Beginn an weniger Chancen, eine gute Bildung zu erhalten, weil sie deren Bedeutung und Wert nicht erfahren und so auch keinerlei Motivation hierzu entwickeln können. Sie bekommen von Anfang an anderer Ziele und Werte als erstrebenswert beigebracht (u.a. finanzielle, weshalb man auch so schnell wie möglich Geld verdienen will) und weisen daher bereits von Beginn der Schulzeit an weniger Chancen als Akademikerkinder auf, später einen guten Abschluss zu erreichen.
Das liegt aber an der staatlichen Vollkaskoversorgung.
In den USA z.B. ist es „Konsens“, dass nur eine gute
Ausbildung zum sozialen Aufstieg führen kann. Und wenn diese
im College-Sport stattfindet.
Dafür sparen alle Schichten einen großen Teil des
Familieneinkommens.
Das ist eigentlich nicht der entscheidende Punkt. Es ist zwar zutreffend, dass jedenfalls die Chancengleichheit zur Bildung in den USA deutlich besser ist als bei uns, das liegt aber insbesondere an einem gut organisierten, finanzierten und in langer Zeit gewachsenem Stipendiensystem. Die Bildungschancen der unteren Schichten werden hier sehr starkt vom Staat und den Universitäten selbst herbegeführt. Wer ist den USA guten Noten aufweist, kann sich sicher sein, dass er die gesamte Ausbildung bis zum Universitätsabschluss finanziert bekommt. Und wiederum liegt nicht nur daran, dass man die Kinder unterstützen will, sondern der Staat weiß selbst, dass er gut qualifizierte Menschen für das Wirtschaft, Forschung, Staat, etc. braucht und dass bei ungleichen Bildungschancen ein erhebliches Potential nicht genutzt werden kann.
In Deutschland ein Stipendium zu erhalten ist hingegen wie bei einer Lotterie.
Hinzu kommt dass, wie Du richtig sagst, das Bildungsbewusstsein dort ungleich größer ist. Und das stellt wieder eine bessere Chancengleichheit her, weil auch Kinder sozial schwacher Familien hier eine ungleich größere Motivation aufweisen. Dieses Bewusstsein bei uns zu haben, das wäre eine wichtige Aufgabe.
Der Deutsche muss alles vorgekaut bekommen und wenn das Kind
dann 30 ist und niy gelernt hat, außer Saufen auf Malle, dann
ist auch wieder der Staat schuld.
Nun, das ist natürlich sehr übertrieben. Aber wie gesagt ist es richtig, dass das Bewusstsein der Wichtigkeit von Bildung und Ausbildung auch bei uns geschaffen wird.
Diese fatal(istisch)e Grundhaltung lässt sich m.E. nur
aufbrechen, wenn der Staat dem Bürger wieder mehr Freiheit,
Rechte und Pflichten zugesteht.
Nun, wo dem Bürger hier Freiheit fehlt, ist mir nicht ganz klar (bitte nicht wieder die Geschwindigkeitsbeschränkungen ), bzw. sind mehr Pflichten denn nicht weniger Freiheit?
Das ist vielleicht doch etwas zu allgemein.
Das kann man auch während der Ausbildung gut machen.
Mir ging es gut als Schüler und Student. Ich ahbe eben viel
gearbeitet.Und deutlich mehr verdient, als ein Lehrling oder
junger Geselle.
Kein Problem.
Dann hast Du großes Glück gehabt, das Dir auch jeder gönnt. Aber meine Erfahrung ist die, dass meine Kommolitonen und Freunde, die allein auf das Abitur als Ausbildung zurück schauen konnten, in den typischen Studentenjobs sehr wenig Geld verdient haben.
Aber egal, so ist es nunmal im Studium.
Ohne Dir zu Nahe treten zu wollen: es interessiert eigentlich
niemanden, woher der nötige Wille kommt. Man braucht ihn halt.
Doch, genau das ist der alles entscheidende Aspekt. Menschen sind nicht von Natur aus mit diesem Willen ausgestattet. Und wer die Frage, ob wir nicht nur theoretische, sondern auch praktische Chancengleichheit haben wirklich beantworten und die Ursachen der tatsächlichen Ungleichheit erkennen und beheben will, der muss genau diese Frage stellen.
(Jetzt muss ich doch etwas schmunzeln, weil der Hinweis „Theorie und Praxis“ ja klassischer Weise umgekehrt von Dir kommt…)
Irgendwelche sozailswissenschaftlichen Analysen, weshalb das
System ja sooo ungerecht ist und somit kaum ein Arbeiterkind
in D eine Chance hat, finde ich eigentlich langweilig.
Dann stellt sich aber die Frage, warum im Forum Sozialwissenschaft Beiträge schreibst, bzw. ob Du die hier zugrunde liegende Frage wirklich diskutieren und beantworten willst.
Viel
interessanter finde ich, mit den zahlreichen Gegenbeispielen
in meinem Bekanntenkreis über Motivation und Erfolg zu
sprechen…
Ach ja, es ist schön, sich das Leben so einfach zu machen. Wer genug motiviert ist, hat auch Erfolg. Die Realität ist aber eine andere.
Ich wills mal so sagen. Ich denke, dass ich ebenso wie Du behaupten kann, dass ich zu den Gewinnern auf dem Bildungssektor gehöre. Ich habe wie schon gesagt, beide Examina und die Promotion in kurzer Zeit und mit Auszeichnung absolviert und ernte nun die jahrelange Investition durch einen interessanten und extrem gut bezahlten Job.
Aber: Ich weiß, dass ich verdammtes Glück gehabt habe.
Ich habe durch mein Elternhaus und mein Umfeld von Anfang an das Bewusstsein mitbekommen, dass Bildung nicht nur wichtig, sondern etwas gutes, erstrebenswertes ist. Das hat mir den Zugang zu dieser und die Ausbildung leicht gemacht. Ich war nie ein guter Schüler, weil ich vielmehr Sport und Parties im Kopf hatte. Aber mir war immer bewusst, wo die Grenzen sind, wann man sich hinsetzen muss und welches Ziel man nie aus den Augen verlieren darf.
Viele andere, mit denen ich zusammen in der Schule oder auch an der Uni war, hatten das nicht. Und das lag nicht daran, dass sie faul waren oder alles vorgekaut bekommen wollten. Sie haben einfach nie gelernt, sich ausreichend zu motivieren. Bei den meistens hats dann noch irgenwie mit dem Studium geklappt, aber das ist für mich schonmal ein Zeichen, wie unterschiedlich dei Chance von Menschen trotz gleichen Voraussetzungen sind.
Und noch viel größer ist das in anderen Schichten. Ich hatte immer Freunde aus allen sozialen Schichten. Und so habe ich sehr gut mitbekommen, wie unterschiedlich die Denkstrukturen dort sind. Es gibt (viele) Familien, da ist das Thema Studium einfach nicht existent. Frag mich nicht warum, aber allen ist klar, dass sie Realschule machen und dann hoffen, eine Lehrstelle zu finden.
Als eine Ex-Freundin von mir aus einer solchen Familie mal frage, ob in der Familie mal jemand studiert hätte, bekam sie zur Antwort „Nein, wir sind normale Leute“. Man muss nicht besonders einfallsreich sein um zu erkennen, wie schwierig es für solche Kinder ist, überhaupt auf ein Gymnasium zu gehen und sich dort selbst zu motivieren.
Es gibt Kinder, die lösen ganzen Familiendramen aus und ziehen den Zorn der Eltern oder auch der Freunde auf sich, wenn sie das Wort „Uni“ nur in den Mund nehmen. Sowas können wir uns einfach nicht vorstellen. Die haben nicht nur nicht gelernt, sich zu motivieren, die kämpfen sogar noch gegen ihr Umfeld.
Kurzum, die sozialen Einflüsse und das soziale Umfeld sind ganz einfach ein ganz entscheidender Faktor dafür, ob ein Mensch den Willen und die Motivation zu einer guten Ausbildung, insb. einem guten Studienabschluss aufbringen kann. Da reicht es einfach nicht aus sich hinzustellen und zu sagen: „Du musst halt die Motivation aufbringen“.
Man kann das natürlich sagen, wenn man die Existenz der derzeitigen tatsächlichen Chancengleichheit rechtfertigen will. Denn es ist richtig, dass wir in bestimmten Berufen Menschen mit entsprechender Motivation brauchen. Will man aber nicht nur theoretische, sondern auch faktische Chancengleichheit für alle Kinder herstellen, muss man bei diesen auch das Bewusstsein und somit die Motivation zur Bildung wecken.
Das passiert nicht mehr von selbst in den schwächeren Schichten, da die dortigen Sozialisierungssysteme eingefahren sind. Hier ist in der Tat der Staat gefragt. Weniger finanziell (obwohl wir ein gutes Stipendiensystem wirklich brauchen können) sondern dadurch, dass er den Wert der Bildung deutlicher in das Bewusstsein der Menschen bringt und somit Motivation erst einmal möglich macht.
Gruß
Dea