Sozialer Status wird auf Kinder übertragen

Hallo

ich bin mir nicht sicher ob dass das richtige Forum ist, dennoch stelle ich mal meine Frage:

Gibt es eine wissenschaftliche Untersuchung die die Aussage belegt dass der Soziale und geistige Stand des Umfeldes eines Kindes richtungsweisend für einen Signifikanten Teil dieser Kinder ist.

Ich bin der Meinung dass z.B. die Mehrheit der Kinder welche in extremen sozialschwachen Umfeldern aufwachsen aus diesen nicht heraus kommen.
Oder das Scheidungskinder oder Kinder von Alleinerziehenden Müttern die Lebensabschnittspartner häufig wechseln ebenfalls keine langfristgen Beziehungen haben.
Signifikant ist bei mir mehr als 50%.

Oder ist meine Denkweise durch Vorurteile geprägt und verwaschen von der Tatsache dass die zukunftigen Partnerschaften kurzlebiger werden. Der Trend ohnehin schon geprägt davon ist.
Dass die soziale Kluft zwischen Arm und Reich seit einiger Zeit am wachsen ist.

Kann man belegen das ein soziales Umfeld einen derartig prägt.

Ich beziehe meine aktuelle Meinung aus der Erfahrung in meinem Leben.
Swohl persönlicher wie auch aus dem Bekanntheitsgrad.

Kann man das nachlesen?

Danke

Dani

Hi,

ich finde das folgende sagt schon einiges aus:
„Bonn/Berlin – 83 Prozent gegen 23 Prozent. So deutlich liest sich das Ergebnis der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes http://www.studentenwerke.de, wenn es um die Sozialauswahl des deutschen Hochschulsystems geht. Demnach sind 83 von 100 Studienanfängern Kindern von Akademikern, lediglich 23 kommen aus einem Arbeiterhaushalt. „Bei solchen Zahlen kann man nicht mehr von gerechten Bildungschancen sprechen“, mahnt Tobias Janßen,“

Es müssen also gar nicht mal allzu krasse soziale Unterschiede sein um in manchen Bereichen signifikante Unterschiede festzustellen.

Gruss
P.

Hallo Daniel

http://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_news_652_17_83…

immerhin zu einem Teilaspekt der Sache.

Gruss
Mike

Hallo!

Ich bin der Meinung dass z.B. die Mehrheit der Kinder welche
in extremen sozialschwachen Umfeldern aufwachsen aus diesen
nicht heraus kommen.

Diese These unterstützen mehrere Studien, z.B. die Pisa-Studie. Andere Studien unser 3-gliedriges Schulsystem betreffend besagen auch, dass die Chancen eines Kindes, das Akademiker als Eltern hat, auf ein Gymnasium zu gehen und auch die Universität zu besuchen um ein beträchtliches höher sind als die Chancen eines Arbeiterkindes dasselbe zu erreichen.

Das hat zum einen natürlich finanzielle Ursachen. Aber wichtiger in diesem Zusammenhang ist es, dass das Kind in einer Familie, in der die Eltern eine hohe Bildung haben, die besseren Vorraussetzungen haben und mehr Unterstützung für die Schule und das Lernen allgemein bekommen. Das fängt bei der Hilfe für Hausaufgaben an, geht über das Engagement der Eltern in der Schule bis hin zum Vorhandensein von Büchern im Elternhaus (Ein Kind, das zu Hause Zugriff auf Lexika und andere Bücher hat, hat bessere Chancen als ein Kind in dessen Elternhaus es nur die BLÖD-Zeitung gibt).

Es wird ja auch nicht umsonst grade stark über Kinderarmut diskutiert. Wenn ein Kind schlechte Bildungschancen hat, wird das Kind mit höherer Wahrscheinlichkeit dem Staat irgendwann viel Geld kosten (Sucht/Therapie/Krankheit, Kriminalität/Gefängnis, Arbeitslosigkeit).
Kurz gefasst: Kinder von Hartz4-Empfängern werden häufig auch Hartz4-Empfänger; Kinder von Akademikern werden häufig auch Akademiker.

Oder das Scheidungskinder oder Kinder von Alleinerziehenden
Müttern die Lebensabschnittspartner häufig wechseln ebenfalls
keine langfristgen Beziehungen haben.
Signifikant ist bei mir mehr als 50%.

Diese These kann ich nicht bestätigen. Einige Thesen/Vorurteile, von denen viele Denken, dass sie Gültigkeit haben, stimmen nämlich nicht. Die Kinder von Alleinerziehenden haben keine schlechteren Bildungschancen als Kinder aus intakten Familien.
Ich wüsste deshalb nicht, warum Scheidungskinder oder Kinder von Alleinerziehenden keine langfristigen Beziehungen haben sollten.

Es stimmt zwar, dass Kinder, die Gewalt in der Familie erlebt haben, auch selbst häufig gewalttätig werden. Viele andere Vorurteile stimmen aber nicht. Ich bin mit der bundesdeutschen Scheidungsstatistik zwar nicht vertraut, aber ich denke, dass die Scheidungsrate bei Akademikern nicht „signifikant“ niedriger/höher ist als bei Arbeitslosen oder Arbeitern.

Oder ist meine Denkweise durch Vorurteile geprägt und
verwaschen von der Tatsache dass die zukunftigen
Partnerschaften kurzlebiger werden. Der Trend ohnehin schon
geprägt davon ist.

So scheint es mir.

Kann man das nachlesen?

Entweder in Auswertungen zur PISA-Studie oder Studien zum 3-gliedrigen Schulsystem nachlesen oder speziell diese Frage nochmal unter Erziehungswissenschaften: Uni&Schule stellen. Jeder Lehrer wird dir dazu was sagen können, denke ich.

Danke

Bitte

LG, biggi

Hi,
hier auch noch ein Artikel in diesem Zusammenhang:
http://www.zeit.de/2007/35/Aufsteiger
LG,
NOrah

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,

ich bin zwar kein Sozialwissenschaftler, aber ich glaube, dass es daran liegt, dass den Kindern in diesen extrem schwachen sozialen Verhältnissen diese Lebensweise von kleinauf von den Eltern vorgelebt wird.

Da sehe ich Familien, in denen der 12 jährige (!!!) Sohn gemeinsam mit dem Papa seine Zigaretten + Flasche Bier verdrückt, und das noch auf offener Straße.
Da sah ich Kinder, die ihre Eltern nach der Schule vor dem Supermarkt „abholten“, wo diese den Vormittag bei hochprozentigem in „gemütlicher“ Runde verbracht haben.

Die Kinder sehen von Anfang an, wie der Staat die Eltern überall unterstützt und dass es immer auch noch für Bier und Zigaretten reicht, auch wenn weder Mama noch Papa einer geregelten Arbeit nachgehen.
Bildung ist in solchen Schichten nicht salonfähig, das merkt man am Vokabular, das benutzt wird, wenn diese Leute untereinander kommunizieren. Da das Elternhaus meist den prägendsten Einfluss auf Kinder und ihre spätere Entwicklung hat, ist dort den Kindern von Anfang an die Chance, sich aus diesen Verhältnissen später rauszubewegen, verbaut. Sie übernehmen das, was ihnen die Eltern vorleben.

Dieser Post stützt sich auf Beobachtungen, die ich über bestimmt 10 Jahre hinweg in verschiedenen Stadtteilen meiner Stadt gemacht habe.

Gruß
Frank

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Danke
Danke für die vielen Hinweise.

gibt es eventuell eine Untersuchung von Menschen die aus Ihrer „Klasse“ flüchten konnten? Welche Beweggründe sie hatten.
Ich denke es wird wohl keine Untersuchung geben, da diese wohl recht schwer zu erstellen ist.

Dennoch wird mir klar das meine Meinung bestätigt ist, auch wenn ich objektive Ursachen für diesen Kreislauf nicht kenne.

Danke für diese Links.

Dani

Hi!

ich finde das folgende sagt schon einiges aus:
"Bonn/Berlin – 83 Prozent gegen 23 Prozent. So deutlich liest
sich das Ergebnis der 18. Sozialerhebung des Deutschen
Studentenwerkes http://www.studentenwerke.de, wenn es um die
Sozialauswahl des deutschen Hochschulsystems geht. Demnach
sind 83 von 100 Studienanfängern Kindern von Akademikern,
lediglich 23 kommen aus einem Arbeiterhaushalt.

…womit wir bei 106 von 100 Kindern wären…

„Bei solchen
Zahlen kann man nicht mehr von gerechten Bildungschancen
sprechen“, mahnt Tobias Janßen,"

Das stimmt wohl.
Auch Kinder von kademikern müssen sich die Fähigkeit zur Prozentrechnung selbst erarbeiten… :wink:

Es müssen also gar nicht mal allzu krasse soziale Unterschiede
sein um in manchen Bereichen signifikante Unterschiede
festzustellen.

Ich kann diesen Schluß nur bedingt nachvollziehen bzw. nur bedingt erkennen, wo das Problem liegen soll.

Das deutsche Bildungssystem bietet einen ausgesprochen gerechten Zugang zur höheren Bildung.
Vernachlässigbare Studiengebühren, Hochschulen in allen großen und sehr vielen kleinen Städten, finanzielle Unterstützung zum Lebensunterhalt Studierender.

Wenn nun die Eltern ihre Kinder nicht motivieren und die Kinder auch sich slebst nicht motivieren können, so ist das nicht der Fehler des Staates oder der Gesellschaft im Allgemeinen, sondern der Eltern und Kinder.

Wer heute noch denkt, eine Familie könne über 4 Generationen gemütlich von Sozialhilfe leben und Bildung wäre überflüssig, wird schon morgen eines Besseren belehrt werden.

Ich persönlich hatte übrigens einige, ca. 40%, Studienkollegen aus Nicht-Akademiker-Familien.
Hier war der Wille und die Motivation vorhanden, etwas zu tun, sich zu entwickeln.
Wer dies nicht hat, hat eben Pech gehabt. Egal aus welchem Elternhaus er stammt.

Grüße,

Mathias

Hallo Frank,

wobei man das ganze natürlich auch ans andere Ende stellen kann:
Die obere Mittelklasse bzw. Oberklasse reproduziert sich mit ähnlichen Mechanismen ebenfalls:
Da werden die Kinder mit hohem finanziellen Aufwand in „Pressen“ gesteckt, damit der notwendige Abschluss erreicht wird. Papa kennt sicher den einen oder anderen, der den ersten, natürlich interessanten Job sichert. Bei diesem reüssiert man wunderbar, da ab dem Einstieg etwas erhöhtes Mittelmaß, großes Selbstbewußtsein und anerzogenes gutes Benehmen für das Weiterkommen reicht. Dass man mit dem Geld von Papi früh im Ausland war, stört ebenfalls nicht dabei.
Das Erbe ist großzügig, so dass das mittlerweile erreichte überdurchschnittliche Einkommen eigentlich unnötig ist (und damit zur weiteren Erhöhung des Status dienen kann).
Man trifft sich mit seinen Kumpeln im Golfclub oder beim Segeln …

Gut, wenn man dazugehört:wink:

Grüße
Jürgen

Hallo Daniel,

hier noch mal mein Lieblingsaufreger von 2004.
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Es spielen sicherlich mehrere Aspekte eine Rolle. Aber ein Aspekt ist ein selektives Schulsystem, welches den sozialen Status der Eltern berücksichtigt und schon im zarten Alter von 10/11 die Weichen dafür stellt, ob ein Kind später studiert.

Gruß
Carlos

Hi,

ich finde das folgende sagt schon einiges aus:
"Bonn/Berlin – 83 Prozent gegen 23 Prozent. So deutlich liest
sich das Ergebnis der 18. Sozialerhebung des Deutschen
Studentenwerkes http://www.studentenwerke.de, wenn es um die
Sozialauswahl des deutschen Hochschulsystems geht. Demnach
sind 83 von 100 Studienanfängern Kindern von Akademikern,
lediglich 23 kommen aus einem Arbeiterhaushalt.

…womit wir bei 106 von 100 Kindern wären…

nein, vermutlich ist es ein Schreibfehler, und muss „studieren“ heißen:
„bei der Verteilung von Bildungschancen gibt es eine soziale Polarisierung. 83 von 100 Akademiker-Kindern studierenden, aber nur 23 von 100 Kindern aus Familien ohne akademische Tradition.“

83% der Akademiker-Kinder
und
23% der Nicht-Akademiker-Kinder

da kann nichts addiert werden, weil ja jeweils 83& von 100%
und 23% von 100% …

Hier ein Link zu einem schönen, komprimierten, aber umfassenden Text von Rainer Geißler, dessen Bücher zur Sozialstruktur Deutschlands (einschließlich der Bildungschancen) Standardwerke sind:
http://www.home.uni-osnabrueck.de/kgilgen/lv-lit/bil…

Auszug:
_"Die Kinder der Ungelernten stellen nach wie vor die stark benachteiligten Schlusslichter im Bildungswettlauf dar. Für sie ist die Hauptschule weiterhin die Regelschule geblieben, und nur eine Minderheit unter ihnen besucht ein Gymnasium. Nur jedes 50. Kind eines Ungelernten beginnt mit einem Universitätsstudium im Vergleich zu 82 Prozent der Kinder von Freiberuflern (Ärzten, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern etc.); die universitären Studienchancen der Letztgenannten sind also um das 41fache höher als diejenigen der Kinder von Ungelernten.

Die schichttypischen Effekte bei der Erweiterung der Bildungschancen lassen sich auch an folgendem Beispiel gut erkennen: Arbeiterkinder haben in den neunziger Jahren ein Jahrhunderthoch an universitären Studienchancen erreicht; sieben von hundert beginnen ein Universitätsstudium – noch nie studierte ein so hoher Anteil von ihnen an Universitäten wie heute. Dennoch nehmen sich ihre Studienchancen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ausgesprochen bescheiden aus. Kinder aus anderen Gruppen konnten ihre Chancen innerhalb kurzer Zeit um mehr als sieben Prozentpunkte steigern, Beamtenkinder zum Beispiel von 33 Prozent im Jahr 1986 auf 48 Prozent im Jahr 1991; das ist eine Steigerungsrate, die mehr als das Doppelte der Studienchancen von Arbeiterkindern insgesamt ausmacht._

VG
F

Hallo Daniel!

Toll, dass ich gerade deine Frage hier entdeckt habe, denn genau das:

Oder dass Scheidungskinder oder Kinder von alleinerziehenden
Müttern, die Lebensabschnittspartner häufig wechseln, ebenfalls
keine langfristgen Beziehungen haben.

trug ich auch als Gedanken mit mir rum, in www zu posten (um Wahrscheinlichkeiten abzuleiten :smile:).

Denn es deckt sich völlig mit den Beobachtungen in meinem Bekannten-/Freundeskreis.
Mehr noch: Die Kinder, deren Eltern schon seit vielen Jahren eine liebevolle Beziehung führen, haben oft selbst, trotz ihres jungen Alters (um die 20), bereits langjährige, gut funktionierende Beziehungen.

Die Hintergründe, warum

die Mehrheit der Kinder, welche in extremen sozialschwachen Umfeldern aufwachsen,
aus diesen nicht heraus kommen

sind (sehr kurz zusammengefasst und um nur einige zu nennen):
* sozial schwach = Armut = keine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (keine Geburtstagsfeier, kein Fußballverein, kein Kino, keine Süßigkeiten, keine Ausflüge, etc)
* Oft Schwierigkeiten innerhalb der Familie (mangelnde Konfliktlösungsstrategien, Armut belastet (auch) die Seele, häufig Fehlen eines korrigierend eingreifenden Umfeldes bzw. Mangel an Hilfe, etc.)
* Wiederholung von dem, was ich als Kind erlebt habe.
etc.

Da diese Zusammenhänge ja wissenschaftlich erforscht und dokumentiert wurden, müssen auch Untersuchungen darüber vorliegen.
(Du kannst dich also vom Joch des Vorurteils freiwaschen!)

Grüße, jeanne

soziale Mobilität
Hi,

gibt es eventuell eine Untersuchung von Menschen die aus Ihrer
„Klasse“ flüchten konnten?

es gibt massenhaft Analyse zur sozialen Mobilität, das ist ein Klassiker der soziologischen und sozialstrukturanalytischen Forschung;

übrigens kann man heute nicht so ohne weiteres einfach von „Klassenstrukturen“ oder gar - wie Du unten - von „Kreislauf“ sprechen, das ist bei aller sozialen Bildungsungleichheit schlichtweg falsch;

aus dem gleichen Link wie unten bei meiner Antwort an Matthias:
„Von der enormen Ausweitung der Bildungschancen profitieren durchaus die Kinder aus allen Schichten, allerdings in unterschiedlicher Weise (vgl. die Tabellen links und unten). Während die Arbeiterkinder die Realschulen inzwischen genauso häufig besuchen wie Kinder aus der gesellschaftlichen Mitte, kam die Expansion der Gymnasien und Hochschulen vor allem den Kindern aus mittleren Schichten (mittlere Angestellte und Beamte, Landwirte, Selbständige ohne Hochschulabschluss) zugute. Diese konnten ihren Abstand zu den sehr guten und nur noch beschränkt steigerungsfähigen Bildungschancen der Kinder aus Akademikerfamilien verringern. Auch die Kinder von Facharbeitern und unteren Dienstleistungsschichten besuchen heute häufiger als früher Gymnasien und Hochschulen“
http://www.home.uni-osnabrueck.de/kgilgen/lv-lit/bil…

insgesamt ein schöner Text zum Nachlesen; noch ein schöner in diesem Zusammenhang - wenn auch schon älter - ist etwa der hier:
http://wwwstud.uni-leipzig.de/~soz96jtv/kein.htm

ach ja, vielleicht auch interessant im Anschluss an den ersten Link bezüglich der gesteigerten Bildungschancen für die unteren Schichten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrstuhleffekt#Fahrstu…

Übrigens: fast alle Antworten in diesem Fred sind eigentlich nur auf den Aspekt der „sozialen Mobilität“ eingegangen, und in diesem Punkt ist Deine These aus dem Ursprungsposting ja durchaus auch korrekt; mit der anderen These, dass Scheidungskinder häufiger den Lebenspartner wechseln würden, hat das nix zu tun, ob diese korrekt ist, da bin ich mir nicht so sicher, weiß es aber spontan auch nicht, jedenfalls ist das eine gänzlich andere Form von „Milieueffekt“ als die Bildungs-Geschichte hier; man kann also nicht von letzterem auf eine Art „umfassenden Milieu-Effekt“ schließen; nur als kleine Sicherheitskautel gesagt.

VG
Franz

http://www.workingcs.anarhija.org/index.php/Hauptseite
:wink:)

Hi!

ich finde das folgende sagt schon einiges aus:
"Bonn/Berlin – 83 Prozent gegen 23 Prozent. So deutlich liest
sich das Ergebnis der 18. Sozialerhebung des Deutschen
Studentenwerkes http://www.studentenwerke.de, wenn es um die
Sozialauswahl des deutschen Hochschulsystems geht. Demnach
sind 83 von 100 Studienanfängern Kindern von Akademikern,
lediglich 23 kommen aus einem Arbeiterhaushalt.

…womit wir bei 106 von 100 Kindern wären…

nein, vermutlich ist es ein Schreibfehler, und muss
„studieren“ heißen:
„bei der Verteilung von Bildungschancen gibt es eine
soziale Polarisierung. 83 von 100 Akademiker-Kindern
studierenden, aber nur 23 von 100 Kindern aus
Familien ohne akademische Tradition.“

83% der Akademiker-Kinder
und
23% der Nicht-Akademiker-Kinder

da kann nichts addiert werden, weil ja jeweils 83& von 100%
und 23% von 100% …

Ich als Akademiker-Kind und Akademiker lese eben genau…

Hier ein Link zu einem schönen, komprimierten, aber
umfassenden Text von Rainer Geißler, dessen Bücher zur
Sozialstruktur Deutschlands (einschließlich der
Bildungschancen) Standardwerke sind:
http://www.home.uni-osnabrueck.de/kgilgen/lv-lit/bil…

Auszug:
"Die Kinder der Ungelernten stellen nach wie vor die stark
benachteiligten Schlusslichter im Bildungswettlauf dar. Für
sie ist die Hauptschule weiterhin die Regelschule geblieben,
und nur eine Minderheit unter ihnen besucht ein Gymnasium. Nur
jedes 50. Kind eines Ungelernten beginnt mit einem
Universitätsstudium im Vergleich zu 82 Prozent der Kinder von
Freiberuflern (Ärzten, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern
etc.); die universitären Studienchancen der Letztgenannten
sind also um das 41fache höher als diejenigen der Kinder von
Ungelernten.

Ich habe ein Problem mit dem Umkehrschluß im letzten Satz des Absatzes.
Die Chancen sind für alle gleich. Nur nutzen viele es eben nicht.
Das liegt m.E. eben nicht an unserem „undurchlässigen Kastensystem“, sondern an der sehr häufig mangelnden Motivation von Eltern und Kindern, an der eigenen Situation etwas zu ändern.
Dafür kann niemand etwas, außer die Betroffenen selbst.

Die schichttypischen Effekte bei der Erweiterung der
Bildungschancen lassen sich auch an folgendem Beispiel gut
erkennen: Arbeiterkinder haben in den neunziger Jahren ein
Jahrhunderthoch an universitären Studienchancen erreicht;
sieben von hundert beginnen ein Universitätsstudium – noch nie
studierte ein so hoher Anteil von ihnen an Universitäten wie
heute. Dennoch nehmen sich ihre Studienchancen im Vergleich zu
anderen Berufsgruppen ausgesprochen bescheiden aus. Kinder aus
anderen Gruppen konnten ihre Chancen innerhalb kurzer Zeit um
mehr als sieben Prozentpunkte steigern, Beamtenkinder zum
Beispiel von 33 Prozent im Jahr 1986 auf 48 Prozent im Jahr
1991; das ist eine Steigerungsrate, die mehr als das Doppelte
der Studienchancen von Arbeiterkindern insgesamt ausmacht.

Wie gesagt, der Begriff „Studienchancen“ ist hier fehl am Platze.
Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

Grüße,

Mathias

Hi,

gehört denn die richtige Motivation nicht mit zu den Bildungschancen dazu ? Ein Kind das nicht richtig gefördert wird, hat nunmal nicht die gleichen Bildungschancen wie eines, dass richtig gefördert und motiviert wird.

Wer daran Schuld ist und wer da was tun kann ist erst mal ein anderes Thema. (War auch nicht die Fragestellung.) Jetzt kann man natürlich noch darüber streiten, was man genau unter Bildungschancen versteht. Eigentlich ist das aber offtopic.
Darum zurück zur Fragestellung. Anscheinend ist es wirklich so, dass ein Großteil der Kinder den Bildungsstatus ihrer Eltern „erben“.

Gruss
P.

Hi!

gehört denn die richtige Motivation nicht mit zu den
Bildungschancen dazu ? Ein Kind das nicht richtig gefördert
wird, hat nunmal nicht die gleichen Bildungschancen wie eines,
dass richtig gefördert und motiviert wird.

Ich unterstelle zwei Arten von Motivation:

  • Motivation, die vom Elternhaus vermittelt wird
  • Eigenmotivation.

Letztere ist deutlich wichtiger und kann auch elternunabhängig sehr stark sein.

Mich stört generell die Tendenz, für gewisse Entwicklung die Schuld bei externen Punkten zu sehen, anstatt zunächst einmal beim betroffenen selbst zu hinterfragen.

Wer daran Schuld ist und wer da was tun kann ist erst mal ein
anderes Thema. (War auch nicht die Fragestellung.) Jetzt kann
man natürlich noch darüber streiten, was man genau unter
Bildungschancen versteht. Eigentlich ist das aber offtopic.

Finde ich keineswegs.
Man muss doch die Begriffe definieren, welche man diskutiert…

Darum zurück zur Fragestellung. Anscheinend ist es wirklich
so, dass ein Großteil der Kinder den Bildungsstatus ihrer
Eltern „erben“.

„Annehmen“ gefällt mir besser. Sie entscheiden, nicht die Eltern.

Grüße,

Mathias

Hi,

nein, vermutlich ist es ein Schreibfehler, und muss
„studieren“ heißen:
„bei der Verteilung von Bildungschancen gibt es eine
soziale Polarisierung. 83 von 100 Akademiker-Kindern
studierenden, aber nur 23 von 100 Kindern aus
Familien ohne akademische Tradition.“

83% der Akademiker-Kinder
und
23% der Nicht-Akademiker-Kinder

da kann nichts addiert werden, weil ja jeweils 83& von 100%
und 23% von 100% …

Ich als Akademiker-Kind und Akademiker lese eben genau…

Ich als Nicht-Akademiker-Kind und Akademiker lese eben genau und achte dazu auch noch auf den Sinn des Gelesenen … *gg*
(war nur ein Witz)

http://www.home.uni-osnabrueck.de/kgilgen/lv-lit/bil…

Ich habe ein Problem mit dem Umkehrschluß im letzten Satz des
Absatzes.
Die Chancen sind für alle gleich. Nur nutzen viele es eben
nicht.
Das liegt m.E. eben nicht an unserem „undurchlässigen
Kastensystem“, sondern an der sehr häufig mangelnden
Motivation von Eltern und Kindern, an der eigenen Situation
etwas zu ändern.
Dafür kann niemand etwas, außer die Betroffenen selbst.

Wie gesagt, der Begriff „Studienchancen“ ist hier fehl am
Platze.
Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

Ja und Nein;

  1. es gibt Studien, die z.B. die Notenvergabe untersucht haben, und feststellen, dass die Lehrer einen strukturellen (also über den jeweiligen subjektiven hinausgehenden) Bias drin haben, also Schülern mit „höherer“ sozialer Herkunft für objektiv gleiche Leitungen (in der Studie durch Anonymisierung kontrolliert) bessere Noten geben als Schülern mit „niedrigerer“ Herkunft;
    das gleiche gilt übrigens auch für Nicht-Migranten gegenüber Migranten und für Mädels gegenüber Jungs;
    letzteres dringt desöfteren in die Presse vor und ist deshalb leichter verlinkbar, ersteres musst Du mir einfach mal glauben:
    "selbst bei gleichen Leistungen würden Mädchen besser benotet als Jungen, stellte der Bildungsforscher fest. Offenbar würden Mädchen für ihr Wohlverhalten oder ihre Angepasstheit mit besseren Noten belohnt. Bos kritisierte außerdem die Auswahl der Literatur im Deutschunterricht: „Vielleicht werden zu viele Texte gelesen, die nicht den Interessen von zehnjährigen Jungen entsprechen.“
    http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,383709,00…

(neben der Lehrer-Benachteiligung wurde in dem Text auch noch der Inhalt des Unterrichts als eine weitere Quelle systematischer Benachteiligung bestimmter Gruppen angesprochen, der nichts mit dem „Willen“ zu tun hat.)

Noch deutlicher ist dieser Effekt übrigens meiner Erinnerung nach bei den Empfehlungen für den Besuch weiterführender Schulen in einigen Bundesländern, wo ganz deutlich die Herkunft der Eltern ein sehr großes Gewicht hat.

„Fast die Hälfte aller deutschen Grundschüler erhält nach der vierten Klasse eine falsche Schulempfehlung. Viel zu oft wird nach sozialer Herkunft statt nach Leistung entschieden. Dies geht aus dem Grundschulvergleich der Bundesländer hervor, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.“

http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/?id=5…

Aber auch für die Versetzung gibt es solche Daten, wenn man googelt.

Das alles hat mit dem „Willen“ und auch mit der „Mentalität der Eltern“ erst mal gar nichts zu tun.

Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

  1. Auch das finde ich nicht ganz korrekt, denn so Dinge wie Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht, etc. haben durchaus eine sehr „nennenswerte Höhe“, was das Geld anbelangt;
    und gerade die Nachhilfeförderung nimmt heute immer mehr zu …

Und auch beim Studieren sind nicht die Studiengebühren das Entscheidende, sondern die Lebenshaltungskosten;
wer wenig dazuverdienen muss, hat sicher weit bessere Chancen als der, der die ganzen zulässigen 20 Wochenstunden arbeiten muss;
abgesehen davon werden sich viele aus ärmeren Verhältnissen (selbst wenn sie es bis zum Abi gebracht haben) die Qual gar nicht erst antun, zu arbeiten und zu studieren.

Das hat also auch nicht nur mit dem „Willen“ zu tun, auch wenn es stimmt, dass jeder, der unbedingt will, es irgendwie schon schafft, wenn er seinen Lebensstandard auf BaföG-Niveau einschränkt; dennoch bleibt dies eine Hürde, die ganz klar entlang der sozialen Herkunft verläuft, und darum geht das Thema hier ja.

  1. Wir schreiben hier in der Rubrik „Sozialwissenschaften“, und die Sozialwissenschaften bleiben nie beim „freien Willen“ stehen, sondern ihnen geht es um die Ursachen dieses „Willens“;

wenn also z.B die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beamtenkind studieren wird um ein Vielfaches höher ist als die, dass ein Arbeiterkind studieren wird, dann hat das nicht individuelle Gründe, sondern soziale und politische Gründe:

die bestehenden sozio-ökonomischen und Milieu-Unterschiede werden vom Unterrichtsinhalt (ganz plattes Beispiel: warum in Musik klassische Musik unterrichten, und nicht HipHop, worin sich auch der Arbeitersohn auskennt und interessiert?), von den nicht vorhandenen Förderungsstrukturen (kostenloser Nachhilfeunterricht, Ganztagsschulen, etc.), vor allem aber vom frühen Selektionsalter des deutschen Bildungssystems (nach der vierten Klassen entscheiden grundsätzlich die Eltern, da hat das Kind noch wenig „Eigenwillen“) sowie den wenig geförderten Möglichkeiten des zweiten Bildungswegs (die diesen „Eigenwillen“ unterstützen würden) aufgegriffen und damit verstärkt;

Ergebnis sind eben die bekannten Zahlen, die in diesem Fred so rumgeistern;
anders gesagt: das Bildungssystem vergrößert systematisch die bestehenden Unterschiede der Herkunft, die selbst gar nicht so groß wären, denn das das Kind lernen soll, Erfolg haben soll und möglichst viel verdienen soll ist (noch?) Grundkonsens quer über alle Schichten.

Zu all dem kommt bei Kindern schwächerer sozialer Herkunft natürlich vor allem auch der „Wille“, möglichst frühzeitig eigenes Geld zu verdienen, um sich das leisten zu können, was anderen durchs Taschengeld möglich ist, etcpp.

Kurzum: das mit dem „Willen“ stimmt schon, aber wenn man genauer hinschaut, dann erkennt man auf der Ebene der Gründe dieses Willens halt wieder viele sozio-ökonomische Ursachen, so dass sich mit dem „Willen“ selbst zumindest soziologisch nicht viel erklären lässt (im politischen Diskurs hat natürlich der „Wille“ einen viel größeren Stellenwert als im wissenschaftlichen Diskurs, wo er halt immer auf seine Ursachen hin befragt wird).

Viele Grüße
Franz

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Hi!

nein, vermutlich ist es ein Schreibfehler, und muss
„studieren“ heißen:
„bei der Verteilung von Bildungschancen gibt es eine
soziale Polarisierung. 83 von 100 Akademiker-Kindern
studierenden, aber nur 23 von 100 Kindern aus
Familien ohne akademische Tradition.“

83% der Akademiker-Kinder
und
23% der Nicht-Akademiker-Kinder

da kann nichts addiert werden, weil ja jeweils 83& von 100%
und 23% von 100% …

Ich als Akademiker-Kind und Akademiker lese eben genau…

Ich als Nicht-Akademiker-Kind und Akademiker lese eben genau
und achte dazu auch noch auf den Sinn des Gelesenen … *gg*
(war nur ein Witz)

Aber, aber, ich, äh, habe doch auch auf den Sinn geachtet. Ich habe ihn sogar elementarmathematisch überprüft…

http://www.home.uni-osnabrueck.de/kgilgen/lv-lit/bil…

Ich habe ein Problem mit dem Umkehrschluß im letzten Satz des
Absatzes.
Die Chancen sind für alle gleich. Nur nutzen viele es eben
nicht.
Das liegt m.E. eben nicht an unserem „undurchlässigen
Kastensystem“, sondern an der sehr häufig mangelnden
Motivation von Eltern und Kindern, an der eigenen Situation
etwas zu ändern.
Dafür kann niemand etwas, außer die Betroffenen selbst.

Wie gesagt, der Begriff „Studienchancen“ ist hier fehl am
Platze.
Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

Ja und Nein;

  1. es gibt Studien, die z.B. die Notenvergabe untersucht
    haben, und feststellen, dass die Lehrer einen
    strukturellen (also über den jeweiligen subjektiven
    hinausgehenden) Bias drin haben, also Schülern mit „höherer“
    sozialer Herkunft für objektiv gleiche Leitungen (in der
    Studie durch Anonymisierung kontrolliert) bessere Noten geben
    als Schülern mit „niedrigerer“ Herkunft;

Es gibt Studien, die belegen, dass die Polkappen nicht abschmelzen.

das gleiche gilt übrigens auch für Nicht-Migranten gegenüber
Migranten und für Mädels gegenüber Jungs;
letzteres dringt desöfteren in die Presse vor und ist deshalb
leichter verlinkbar, ersteres musst Du mir einfach mal
glauben:

Ich kann natürlich nur für meine eigene Schulzeit sprechen und da gab es ab und an eine leichte Bevorzugung der Mädchen durch weibliche Lehrkräfte.
Eine Benachteiligung von Migranten oder sozial schwachen Schülern konnte ich nicht erkennen.
Ist aber natürlich nur meine persönliche Erfahrung.

"selbst bei gleichen Leistungen würden Mädchen besser
benotet als Jungen, stellte der Bildungsforscher fest.
Offenbar würden Mädchen für ihr Wohlverhalten oder ihre
Angepasstheit mit besseren Noten belohnt. Bos kritisierte
außerdem die Auswahl der Literatur im Deutschunterricht:
„Vielleicht werden zu viele Texte gelesen, die nicht den
Interessen von zehnjährigen Jungen entsprechen.“

http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,383709,00…

Außer „Death of a salesman“ und die Liedtexte von diesem kiffenden 70er Franzosen interessierte mich kaum ein Buch, das in der Schule gelsen worden ist. War doch alles sehr linkslastig bei uns.

(neben der Lehrer-Benachteiligung wurde in dem Text auch noch
der Inhalt des Unterrichts als eine weitere Quelle
systematischer Benachteiligung bestimmter Gruppen
angesprochen, der nichts mit dem „Willen“ zu tun hat.)

Noch deutlicher ist dieser Effekt übrigens meiner Erinnerung
nach bei den Empfehlungen für den Besuch weiterführender
Schulen in einigen Bundesländern, wo ganz deutlich die
Herkunft der Eltern ein sehr großes Gewicht hat.

Ich finde das interessant.
Wie findet ein Lehrer das eigentlich heraus?

„Fast die Hälfte aller deutschen Grundschüler erhält nach
der vierten Klasse eine falsche Schulempfehlung. Viel zu oft
wird nach sozialer Herkunft statt nach Leistung entschieden.
Dies geht aus dem Grundschulvergleich der Bundesländer hervor,
der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.“

Allein das Thema „Schulempfehlung“ ist schon ein völlig falscher Ansatz.
Wie will man einen 10-11-Jähringen dahingehend bewerten, ob er geeignet ist, eine Akademische Ausbildung zu verfolgen?

http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/?id=5…

Aber auch für die Versetzung gibt es solche Daten, wenn man
googelt.

Das alles hat mit dem „Willen“ und auch mit der „Mentalität
der Eltern“ erst mal gar nichts zu tun.

Einverstanden.

Dennoch sind das lediglich Nuancen.
Generell kann jeder eine Hochschulreife erlangen und studieren.
Vielleicht nicht Medizin oder ähnliche NC-Fächer. Das habe ich aber aus freien Stücken auch nicht getan.

Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

  1. Auch das finde ich nicht ganz korrekt, denn so Dinge wie
    Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht, etc. haben
    durchaus eine sehr „nennenswerte Höhe“, was das Geld
    anbelangt;
    und gerade die Nachhilfeförderung nimmt heute immer mehr zu

Es gibt auch vernünftige Schulen in Deutschland, wo die Schüler so etwas nicht benötigen.
Ferner würde ich persönlich lieber in nachhilfe für mein Kind investieren, als in Zigaretten, Alk und Alufelgen.
Hier ist bei den meisten noch ordentlich Potential vorhanden, man darf nicht vergessen, dass Deutschland nicht nur aus Hartz 4 Empfängern besteht.

Und auch beim Studieren sind nicht die Studiengebühren das
Entscheidende, sondern die Lebenshaltungskosten;
wer wenig dazuverdienen muss, hat sicher weit bessere Chancen
als der, der die ganzen zulässigen 20 Wochenstunden arbeiten
muss;

Das ist Unsinn. Meine Eltern haben Geld und ich habe mein Studium weitestgehend selbst finanziert.
Wenn mal eine Prüfung schief ging, hatte dies höchstens mit ungenügender Vorbereitung zu tun, nicht aber mit einer zu hohen Arbeitsbelastung bzgl. der Erwirtschaftung der Lebenshaltungskosten.

abgesehen davon werden sich viele aus ärmeren Verhältnissen
(selbst wenn sie es bis zum Abi gebracht haben) die Qual gar
nicht erst antun, zu arbeiten und zu studieren.

Das ist dann wiederum deren Problem und deren freie Entscheidung.

Das hat also auch nicht nur mit dem „Willen“ zu tun,
auch wenn es stimmt, dass jeder, der unbedingt will, es
irgendwie schon schafft, wenn er seinen Lebensstandard auf
BaföG-Niveau einschränkt; dennoch bleibt dies eine Hürde, die
ganz klar entlang der sozialen Herkunft verläuft, und darum
geht das Thema hier ja.

Natürlich hat der Student aus reichem Elternhaus manchmal mehr Geld zur Verfügung, als derjenige aus einfacheren Verhältnissen.
Eine „Hürde“ ist das m.E. jedoch nicht. Es gibt Bafög und die Möglichkeit, zu arbeiten.
Studiengebühren sind vernachlässigbar.
Was will man denn noch??

  1. Wir schreiben hier in der Rubrik „Sozialwissenschaften“,
    und die Sozialwissenschaften bleiben nie beim „freien Willen“
    stehen, sondern ihnen geht es um die Ursachen dieses
    „Willens“;

wenn also z.B die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beamtenkind
studieren wird um ein Vielfaches höher ist als die, dass ein
Arbeiterkind studieren wird, dann hat das nicht
individuelle Gründe, sondern soziale und
politische Gründe:

über die sozialen Gründe haben wir bereits gesprochen.
Wo liegen die politischen?

die bestehenden sozio-ökonomischen und Milieu-Unterschiede
werden vom Unterrichtsinhalt (ganz plattes Beispiel: warum in
Musik klassische Musik unterrichten, und nicht HipHop, worin
sich auch der Arbeitersohn auskennt und interessiert?),

Ich hatte als Schüler von Klassik keine Ahnung. Mein Vater jedoch hört viel Klassik.
Und?
Man ist in der Schule, um eine vernünftige Allgemeinbildung zu erhalten und nicht, um die privaten Interessen bestimmter Gruppen zu befördern.

von
den nicht vorhandenen Förderungsstrukturen (kostenloser
Nachhilfeunterricht, Ganztagsschulen, etc.),

In Bayern kommt das.
Ferner hältm niemand die Eltern davon ab, so etwas zu organisieren. Was geht den Staat die private Komponente der Kinderaufzucht an?

vor allem aber
vom frühen Selektionsalter des deutschen Bildungssystems (nach
der vierten Klassen entscheiden grundsätzlich die Eltern, da
hat das Kind noch wenig „Eigenwillen“)

Einverstanden, hier sehe ich auch ein Problem. Lösbar z.B. durch Orientierungsstufen.

sowie den wenig
geförderten Möglichkeiten des zweiten Bildungswegs (die diesen
„Eigenwillen“ unterstützen würden) aufgegriffen und damit
verstärkt;

Was wäre hier D.E. an zusätzl. Förderung sinnvoll?

Ergebnis sind eben die bekannten Zahlen, die in diesem Fred so
rumgeistern;
anders gesagt: das Bildungssystem vergrößert
systematisch die bestehenden Unterschiede der Herkunft,
die selbst gar nicht so groß wären, denn das das Kind lernen
soll, Erfolg haben soll und möglichst viel verdienen soll ist
(noch?) Grundkonsens quer über alle Schichten.

Ich finde eben aus den genannten Gründen nicht, dass das System undurchlässig ist, sondern dass die Leute, Eltern wie Kinder, sich eben auch selbst um die Zukunft kümmern müssen.
Das ist gebildeteren leuten evtl. in Deutschland eher bewusst. Das liegt aber an der staatlichen Vollkaskoversorgung.
In den USA z.B. ist es „Konsens“, dass nur eine gute Ausbildung zum sozialen Aufstieg führen kann. Und wenn diese im College-Sport stattfindet.
Dafür sparen alle Schichten einen großen Teil des Familieneinkommens.
Der Deutsche muss alles vorgekaut bekommen und wenn das Kind dann 30 ist und niy gelernt hat, außer Saufen auf Malle, dann ist auch wieder der Staat schuld.
Diese fatal(istisch)e Grundhaltung lässt sich m.E. nur aufbrechen, wenn der Staat dem Bürger wieder mehr Freiheit, Rechte und Pflichten zugesteht.
Dann muss er wieder selbst denken und merkt evtl., dass Globalisierung nicht nur billuige koreanische Autos bedeutet, sondern eben auch höhere Ansprüche an die Ausbildung von Arbeitnehmern.

Zu all dem kommt bei Kindern schwächerer sozialer Herkunft
natürlich vor allem auch der „Wille“, möglichst frühzeitig
eigenes Geld zu verdienen, um sich das leisten zu können, was
anderen durchs Taschengeld möglich ist, etcpp.

Das kann man auch während der Ausbildung gut machen.
Mir ging es gut als Schüler und Student. Ich ahbe eben viel gearbeitet.Und deutlich mehr verdient, als ein Lehrling oder junger Geselle.
Kein Problem.

Kurzum: das mit dem „Willen“ stimmt schon, aber wenn man
genauer hinschaut, dann erkennt man auf der Ebene der
Gründe dieses Willens halt wieder viele
sozio-ökonomische Ursachen, so dass sich mit dem „Willen“
selbst zumindest soziologisch nicht viel erklären lässt (im
politischen Diskurs hat natürlich der „Wille“ einen viel
größeren Stellenwert als im wissenschaftlichen Diskurs, wo er
halt immer auf seine Ursachen hin befragt wird).

Ohne Dir zu Nahe treten zu wollen: es interessiert eigentlich niemanden, woher der nötige Wille kommt. Man braucht ihn halt. Irgendwelche sozailswissenschaftlichen Analysen, weshalb das System ja sooo ungerecht ist und somit kaum ein Arbeiterkind in D eine Chance hat, finde ich eigentlich langweilig. Viel interessanter finde ich, mit den zahlreichen Gegenbeispielen in meinem Bekanntenkreis über Motivation und Erfolg zu sprechen…

Grüße,

Mathias

Hi Mathias,
selten hab ich was zu meckern wenn ich dich irgendwo lese.
Aber hierzu:

Wie gesagt, der Begriff „Studienchancen“ ist hier fehl am
Platze.
Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

möchte ich dir mal sagen:
Ganz klar, der Wille ist wichtig; und zwar vom Kind selbst
als auch von Elternseite. ABER: Wenn ich mir anguck, was von
meinen Kids an Material und sonstigen kostenpflichtigen Dingen
verlangt wird, was Schule betrifft (sonst fliegen die Kids
von der Schule, wenn sie sich das nicht leisten können), dann
wird mir jedesmal übel. Der Lehrmittelgutschein, den ich
bekomme, deckt noch nicht mal einen Bruchteil der Kosten der
Bücher, die die Kids brauchen. Ganz zu schweigen von sonstigem
Material. Kosten für Arbeitsgemeinschaften, Pflicht-/Wahlfächer,
Nachmittags"untericht", Studien-/Klassenfahrten muss auch
bezahlt werden. Das ganze müssen die Eltern zahlen, es gibt
keinen Sonderbedarfbetrag vom Amt (bei Hartz4). Somit ist ganz
klar, dass es eine echte Finanzfrage ist, ob Kinder von Hartz4-
Empfängern ne höhere Schullaufbahn bewältigen können. Sollte
sich ein „Gönner“ finden, der das Kind finanziell unterstützen
würde, so müsste die Familie das beim Amt angeben, als Zusatz-
Einkommen, welches sofort auf das normale H4-Geld angerechnet
würde.
Daraus ergibt sich, dass Eltern von lernwilligen Kindern in der
Art bestraft werden, dass sie vom normalen Regelsatz die Kosten
des Mehrbedarfs selbst zahlen müssen. Bei einem Kind ist das, wenn
auch schon schwer, fast nicht zu schaffen. Wenn aber mehr als ein
Kind ne weiterführende Schule besuchen will, so wirds schon fast
kriminell (weil ja vom persönlichen Bedarf bezahlt werden muss)
was bei Haupt/Sonderschule kaum anfällt und somit im wahrsten
Sinne des Wortes vom Mund abgespart werden muss oder man besorgt
sich das Geld auf (meist) illegale Weise.
Es ist ja schon bekannt, dass der normale Regelsatz nicht wirklich
ausreicht. Wenn jetzt noch Zusatzkosten für Schule dazu kommen,
dann ist es praktisch unmöglich, das zu schaffen: also keine
weiterführende Schule (Realschule, Gymnasium, Integrierte Gesamt-
schule) oder illegal finanziert.
Ohne weiterführende Schule kein Weg zu einem Studium…
Somit ergibt sich: Wenn die Eltern vorher nicht das Geld hatten,
um die Kosten zu tragen, dann kann das Kind einfach nicht studiern
(wenn nix Geld für Schulsachen dann kein Abi).
Wie man es als Eltern macht, man tut es mit ungutem Gefühl.

Grüße,
Mathias

LG
D.

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HI1

selten hab ich was zu meckern wenn ich dich irgendwo lese.

Danke, das ehrt mich.

Aber hierzu:

Wie gesagt, der Begriff „Studienchancen“ ist hier fehl am
Platze.
Die Chance hat hierzulande jeder, denn wir haben weder
Schulgeld noch Studiengebühren in nennenswerter Höhe.
Somit müsste es „Studienwille“ heissen.

möchte ich dir mal sagen:
Ganz klar, der Wille ist wichtig; und zwar vom Kind selbst
als auch von Elternseite. ABER: Wenn ich mir anguck, was von
meinen Kids an Material und sonstigen kostenpflichtigen Dingen
verlangt wird, was Schule betrifft (sonst fliegen die Kids
von der Schule, wenn sie sich das nicht leisten können), dann
wird mir jedesmal übel. Der Lehrmittelgutschein, den ich
bekomme, deckt noch nicht mal einen Bruchteil der Kosten der
Bücher, die die Kids brauchen. Ganz zu schweigen von sonstigem
Material. Kosten für Arbeitsgemeinschaften,
Pflicht-/Wahlfächer,
Nachmittags"untericht",

Wieviel ist das denn genau pro Kind und Schuljahr?
100-200 Euro?

Man muss sich, wie ich ja schon desöfteren schrieb, davon verabschieden, dass der Staat sich um alles kümmert.
Die Schulen sind kostenlos. Das ist doch schon mal was.

Studien-/Klassenfahrten muss auch
bezahlt werden.

Bei uns waren das zwei Klassenfahrten in 13 Jahren.

Das ganze müssen die Eltern zahlen, es gibt
keinen Sonderbedarfbetrag vom Amt (bei Hartz4). Somit ist ganz
klar, dass es eine echte Finanzfrage ist, ob Kinder von
Hartz4-
Empfängern ne höhere Schullaufbahn bewältigen können.

Wie gesagt, das sehe ich nicht so. Es muss nur die Fokussierung klar sein.
Klar ist das nicht leicht. Aber es ist möglich.
Zumal ein Kind ab 14 einen nebenjob ausüben und sich zumindest ums Taschengeld selbst kümmern kann.

Sollte
sich ein „Gönner“ finden, der das Kind finanziell unterstützen
würde, so müsste die Familie das beim Amt angeben, als Zusatz-
Einkommen, welches sofort auf das normale H4-Geld angerechnet
würde.
Daraus ergibt sich, dass Eltern von lernwilligen Kindern in
der
Art bestraft werden, dass sie vom normalen Regelsatz die
Kosten
des Mehrbedarfs selbst zahlen müssen. Bei einem Kind ist das,
wenn
auch schon schwer, fast nicht zu schaffen. Wenn aber mehr als
ein
Kind ne weiterführende Schule besuchen will, so wirds schon
fast
kriminell (weil ja vom persönlichen Bedarf bezahlt werden
muss)
was bei Haupt/Sonderschule kaum anfällt und somit im wahrsten
Sinne des Wortes vom Mund abgespart werden muss oder man
besorgt
sich das Geld auf (meist) illegale Weise.

Wie wäre es mit einer stichhaltigen Beispielkalkulation hierzu?

Es ist ja schon bekannt, dass der normale Regelsatz nicht
wirklich
ausreicht. Wenn jetzt noch Zusatzkosten für Schule dazu
kommen,
dann ist es praktisch unmöglich, das zu schaffen: also keine
weiterführende Schule (Realschule, Gymnasium, Integrierte
Gesamt-
schule) oder illegal finanziert.
Ohne weiterführende Schule kein Weg zu einem Studium…
Somit ergibt sich: Wenn die Eltern vorher nicht das Geld
hatten,
um die Kosten zu tragen, dann kann das Kind einfach nicht
studiern
(wenn nix Geld für Schulsachen dann kein Abi).
Wie man es als Eltern macht, man tut es mit ungutem Gefühl.

Abgesehen davon, dass die 77% der Eltern von Kindern aus Nichtakademiker-Haushalten, die nicht studieren, nur zu einem geringen Prozentsatz von Hartz 4 leben, gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten, Beihilfen u.s.w.

Wenn jemand sein Kind auf eine höhere Schule schicken möchte, ist das möglich.

Grüße,

Mathias