Spiralarme in Galaxien stabil?

Hallo,

ich habe in einem Simulationsprogramm die Möglichkeit, hunderte von Massen mit einer einer von mir bestimmten Anfangsgeschwindigkeit um ein gemeinsames Zentrum kreisen zu lassen. Die Punkte ziehen sich alle gegenseitig nach den Regeln der Gravitation an, ähnlich wie es auch in einem Planetensystem oder einer Galaxie der Fall sein dürfte. (Die Simulation arbeitet allerdings ausschließlich zweidimensional. Man schaut am Bildschirm quasi von oben auf eine flache Galaxie.)

Bei bestimmten Anfangsbedingungen bilden sich nach kurzer Zeit Spiralarme aus. Diese verschwinden aber sofort wieder, reißen auseinander oder stürzen ins Zentrum.

Wenn die Simulation doch aber über die Gravitationsformel die Teilchenwege berechnet, wie ist denn das mit den Galaxien in der Realität? Kann man annehmen, dass die Spiralarme ebenfalls nur eine Zeitlang existieren und dann auseinanderreißen? Wenn das so wäre, müssten dann nicht alle beobachtbaren Spiralgalaxien ein ähnliches Alter haben (jetzt mal ohne Berücksichtigung der Zeit die das Licht bis zu uns braucht), eben weil sie Spiralarme ausgebildet haben, die noch nicht zerrissen sind?

Oder gibt es in Galaxien noch etwas anderes als die Gravitationskraft, das die Arme zusammenhält?

Danke für Hiweise.
Anja

Hallo.

Wenn die Simulation doch aber über die Gravitationsformel die
Teilchenwege berechnet, wie ist denn das mit den Galaxien in
der Realität?

Das soll dir der Meister selbst erzählen:

http://www.br-online.de/cgi-bin/ravi?v=alpha/centaur…

Oder gibt es in Galaxien noch etwas anderes als die
Gravitationskraft, das die Arme zusammenhält?

Nein.

Gruß
Oliver

Hi,

die Spiralarme in den Galaxien kommen nicht dadurch zustande, daß sich Sterne dort zusammenschieben und dann später wieder auseinander. Sondern die Spiralarme sind Gebiete mit einer erhöhten Rate der Sternentstehung. Es ist sozusagen eine Art „Feuerwelle“. Die Spirale zeigt sogar entgegen der Drehrichtung.

Gruß
Moriarty

Oder gibt es in Galaxien noch etwas anderes als die
Gravitationskraft, das die Arme zusammenhält?

Hallo Anja,

da Du mir weiter unten recht nett geantwortet hast, will ich versuchen auch Dir eine klare Antwort zu geben.

Und die lautet Jein.

Dies hängt eben damit zusammen, dass Dein Problem schon Astronomen vor über 60 Jahren auffiel. Daher wurde -und niemand weiß bis heute was es wirklich ist- dunkle Materie postuliert.

Diese dunkle Materie bewirkt auf wundersame (aber gravitative Weise), dass die äußeren Regionen von Galaxien sehr viel schneller um das Galaxiezentrum rotieren, als es der Fall wäre, wenn man ur die sichtbare Materie berücksichtigte.

Meint: Genügend dunkle Materie im Sonnensystem vorrausgesetzt … bewegte sich Jupiter beispielsweise ähnlich schnell um die Sonne wie die Erde.

Sofern also bleiben auch die Spiralarme von Galaxien erhalten.

Hallo Anja !

Im Januar 2006 gabs einen ausführlichen Artikel im Spektrum der Wissenschaft über die neuesten Erkenntnisse zu den Spiralarmen:

Galaktische Wellen

Die prachtvollen Formen der Galaxien entstehen durch komplexes Wechselspiel zwischen den Umlaufbahnen der Sterne und dem interstellaren Gas.

Von Françoise Combes

Die ästhetische Eleganz einer Spiralgalaxie gehört zu dem Schönsten, was die Astronomie zu bieten hat. Ein klassisches Beispiel ist M51 im Sternbild Jagdhunde: Diese Galaxie ähnelt einem gigantischen Wirbel, weshalb Astronomen ihr neben der nüchternen Katalognummer auch einen Eigennamen verpasst haben - „Whirlpool“. Ihre hellsten Sterne reihen sich entlang der ausgeprägten Spiralarme auf wie Perlen an einer Schnur. Dunkle Staubschwaden, die neben diesen Lichterketten verlaufen, verraten die Anwesenheit interstellarer Materie, aus der Sterne entstehen. In M51 wie auch in vielen anderen Galaxien setzen die Spiralarme an einem zentralen Ring aus Sternen an. In den meisten Sternsystemen beginnen die Spiralarme jedoch an einer balkenförmigen Struktur. Eine solche Balkenspirale ähnelt einem rotierenden Rasensprenger, bei dem das Wasser zunächst durch ein gerades Rohr fließt, bevor es dann im rechten Winkel dazu ausströmt.

[…]

Wenn du willst kann ich dir den Artikel als PDF zuschicken (ca. 300 KB)

mfg
Christof

MOD: Restzitat aus Urheberschutzgründen entfernt.

Hallo nochmal !

MOD: Restzitat aus Urheberschutzgründen entfernt.

Wegen des Urheberrechtsschutzes hier also nur eine Zusammenfassung des Artikels:

Alle Spiralgalaxien, ob mit oder ohne Balken, rotieren, d.h. die Sterne umkreisen das galaktische Zentrum in mehr oder weniger regelmässigen Bahnen. Allerdings umrkeisen die Sterne das Zentrum nicht gebunden wie bei einer Scheibe, sondern jeder Stern für sich umkreist es mit einer Geschwindigkeit, die vom Abstand zum Zentrum abhängt. So hat unsere Sonne, die etwa 30.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt ist, dieses seit ihrem Entstehen vor etwa 5 Milliarden Jahren etwa 20 Mal umrundet, während Sterne in grösserer Zentrumsnähe dies in dieser Zeit viele teusend Male getan haben.

Daraus folgt, dass Balken und Spiralarme keine festen Gebilde sein können sondern sich ständig verändern.
Deshhalb fragen sich Astronomen schon lange, was denn die Spiralgalaxien stabilisieren könnte.
In den 1960er Jahren kam dann die Theorie der Dichtewellen auf: Balken und Spiralarme sind Wellen erhöhter Dichte, in denen Sterne wie in einem Verkehrsstau dichter zusammenrücken. Sterne gelangen in diese Wellen hinein und wieder hinaus, genau wie Autos am hinteren und vorderen Ende eines Verkehrsstaus.

Die Welle entsteht durch das Zusammenspiel aller Sternumlaufbahnen um das Zentrum der Galaxie, die, im Gegensatz zu einem Planetensystem, kein dominierendes Massenzentrum hat, und die daher eher rosetten- als ellipsenförmig sind.
Wenn sich viele oder gar alle Ellipsen gleich schnell drehen bildet sich eine Welle aus: In einer Balkenwelle sind die Ellipsenachsen gleich ausgerichtet, wodurch entlang ihrer Hauptachse eine Region erhöhter Dichte entsteht, in einer Spiralwelle sind die Umlaufbahnen zunehmend gegeneinander verdreht, hier verläuft die Region erhöhter Dichte entlang einer gekrümmten Linie.

Die Ursache, die die Bahnen dazu bringen, sich synchron zu bewegen, ist eine spontane Gravitationsinstabilität: da die Schwerkraft hier keine feste äußere Kraft ist, sondern von den Sternen selbst hervorgerufen wird, beginnen sie, sich gegenseitig zu beeinflussen, und es gibt eine Rückkopplung in der die Wellen sich selbst verstärken. Der Vorgang beginnt, sobald die Sternenorbits zufällig gleich orientiert sind. (Diese Rückkoppelung ist natürlich ein komplexes System und die Beschreibung würde den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen, ich verweise daher auf den vollständigen Artikel.)

Des weiteren kommt dazu, dass mit dieser Theorie der Dichtewellen zwar die Entstehung der Strukturen erklärt werden konnte, nicht aber, wie diese stabil bleiben können, denn nach der Theorie müssten sie schnell zerfallen weil die Wellen duch Stossprozesse mit dem interstellaren Gas ständig Energie verlieren. Irgend ein Mechanismus muss ihnen also ständig wieder Energie zuführen. Doch trotz verschiedenster Modellvarianten gelang es den Astronomen nicht, dieses Rätsel zu lösen. Erst als man das Gas selbst in den Modellen berücksichtigte, gelang es, ein halbwegs konsistentes Bild zu erhalten. Damit lieferte die Theorie erstmals ein Erklärung für die Staubbänder, die am vorderen Ende der Spiralarme auftreten.

Wegen der Kollisionen bewegt sich das Gas aber nicht in Phase mit den wellenerzeugenden Sternen sondern fällt innerhalb etwa einer Milliarde Jahre, also nur weniger Umdrehungen des Balkens, in Richtung des galaktischen Zentrums. Auf diese Weise lieferten die Wellen daher erstmals auch eine Erklärung für die anhaltend grosse Sternentstehungsrate im galaktischen Zentrum und für das Rätsel des Materienachschubs für die zentralen schwarzen Löcher.

Allerdings lieferte die Theorie auch eine Überraschung: die Form der Galaxien ist gar nicht so stabil wie bisher gedacht, vielmahr verändern sie sich innerhalb jahrmilliardenlanger Zyklen: indem das Gas in Richtung Zentrum zum Balken fällt, bewirkt die Menge an angesammelter Masse, dass dieser sich auflöst. Dadurch strömt das Gas wieder nach aussen, was wiederum bewirkt, dass der Balken sich wieder neu bildet. Zitat: „Galaxien entstehen also offenbar nicht in einer bestimmten, für alle Zeiten festgelegten Form. Sie durchlaufen vielmehr eine permanente Metamorphose. Wenn drei Viertel aller Galaxien einen Balken zeigen, so bedeutet dies, dass eine typische Galaxie drei Viertel ihrer Zeit eine solche Struktur aufweisen muss. In dieser Zeit hindert der Balken frisches Gas am Eindringen in die Zentralregion der Galaxie. Das Gas sammelt sich dann in den Außenbereichen an. Erst nach dem Zerfall des Balkens strömt es nach innen und verjüngt die Galaxie.“

mfg
Christof

P.S.: Wie gesagt, den vollständigen Artikel kann ich gerne als PDF zuschicken, das widerspricht nicht den Urheberrechtsgesetzen :wink: