Hallo Siboniwe,
St. Kilian als Schutzpatron der Winzer ist eine mW auf die Weinregion Franken beschränkte lokale Spezialität. Die zum einen etwas damit zu tun hat, dass der legendäre erste Bischof Würzburgs in dieser Region der wichtigste Heilige ist und zum anderen vermutlich damit, dass der Kilianstag am 8. Juli normalerweise ziemlich genau mit dem Ende der Rebblüte zusammenfällt. Wenn die bis dahin ohne größere Unfälle (Durchrieseln wegen Regen oder Hagelschlag) verlaufen ist, „schenkt St. Kilian viel Trauben“. Da St. Kilian das Patrozinium des Würzburger Doms hat, wurde an seinem Festtag überdies kostenlos Wein ausgeschenkt - eine für Winzer wie Weintrinker durchaus erfreuliche Verbindung von Heiligem und Wein …
Was nun freilich nicht erklärt, wie ausgerechnet Bensheim in der Weinregion Bergstraße zu einem Brunnen mit den zitierten Versen kommt. Im Kurmainzischen hielt man sich schon korrekt an den offiziellen Beauftragen St. Urban. Meine persönliche Vermutung ist, dass der Schöpfer des Lammertsbrunnens (der heute existierende ist freilich nur eine Replik aus dem Jahr 1989) Franz Heinrich Metzendorf (1866 - 1923) weniger vom offiziellen Heiligenkalender als von Victor von Scheffels ‚Frankenlied‘ inspiriert war:
Bald hebt sich auch das Herbsten an,
die Kelter harrt des Weines.
Der Winzer Schutzherr Kilian
beschert uns etwas Feines
Das Liedchen war zu Metzendorfs Zeiten auch außerhalb Frankens ein vor allem unter Studenten verbreiteter Gassenhauer und fand sich in jedem besseren Kantusprügel. Nebenbei angemerkt - in und um Bensheim hat Metzendorf sehenswerteres hinterlassen als den Lammertsbrunnen - in dieser Broschüre ist er nicht einmal verzeichnet. Bei frühherbstlichem Wetter ist die dort beschriebene Strecke eine Wallfahrt wert, die dann am besten mit einer Huldigung eines anderen Heiligen abgeschlossen wird - namentlich dem Bensheimer Paulus. Wobei es natürlich ein Kirchberg oder ein Schönberger Herrnwingert mindestens genauso gut tut …
Freundliche Grüße,
Ralf