http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/erfolggeld/ar…
Steuererklärung 2004
Teure Überraschung für Alleinerziehende
Wenn auf der Lohnsteuerkarte fürs kommende Jahr plötzlich Steuerklasse Eins statt Zwei prangt, heißt es zahlen: Mehr Lohnsteuer und womöglich eine Nachforderung bei der nächsten Steuererklärung.
Das böse Erwachen kommt spätestens mit der Einkommensteuererklärung. Viele Alleinerziehende wurden dieses Jahr in der falschen Steuerklasse versteuert.
Seit Anfang dieses Jahres haben nur noch Mütter oder Väter, die mit ihren Kindern alleine im Haushalt leben, einen Anspruch auf den jährlichen Entlastungsbetrag von 1300 Euro, der schon in die Steuerklasse Zwei eingerechnet ist. Wer als Elternteil mit einem Partner zusammenlebt, muss dagegen in die Steuerklasse Eins und verliert den Steuervorteil.
Doch diese Gesetzesänderung kam Ende 2003 zu spät: Die Gemeinden konnten nicht rechtzeitig reagieren. Bei vielen blieb für dieses Jahr daher die günstigere Klasse Zwei auf der Lohnsteuerkarte stehen, obwohl ihnen der Entlastungsbetrag gar nicht mehr zusteht.
» Bei einem mittleren Verdienst können das schon mehrere hundert Euro sein. «
Sie haben dadurch zu wenig Einkommensteuer bezahlt und müssen beim nächsten Steuerbescheid mit Nachforderungen rechnen. „Bei einem mittleren Verdienst können das schon mehrere hundert Euro sein“, sagt Edith Schwab vom Bundesverband der Alleinerziehenden (VAMV).
Doch mit der Nachzahlung ist es nicht getan. Wer ab Januar in der Steuerklasse Eins versteuert wird, zahlt auch noch mehr Lohnsteuer. „Da kommt dann alles zusammen“, sagt Hans-Joachim Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler in Berlin.
Dreimal nachgebessert
Bislang stand allen Alleinerziehenden ein jährlicher Haushaltsfreibetrag in Höhe von 2340 Euro zur Verfügung. In einem Urteil von 1998 hat das Bundesverfassungsgericht darin jedoch eine Benachteiligung von Ehepaaren mit Kindern festgestellt, da der Steuervorteil für diese nicht galt. „Das Bundesverfassungsgericht wollte aber nicht, dass Alleinerziehende den Haushaltsfreibetrag verlieren“, sagt Schwab. Theoretisch hätte der Gesetzgeber den Freibetrag auch Verheirateten geben können.
Stattdessen wollte die Regierung den Steuervorteil zunächst komplett streichen. Inzwischen gibt es ihn als „Entlastungsbetrag“ immerhin noch für Mütter oder Väter, die mit ihrem Kind allein leben. „Da wurde dreimal nachgebessert. Inzwischen sind viele Alleinerziehende wieder in die Steuerklasse Zwei gerutscht. So wurde die Altersgrenze der zu berücksichtigenden Kinder vom 18. auf das 27. Lebensjahr heraufgesetzt. Es ist auch nicht mehr schädlich, wenn weitere über 18 Jahre alte Kinder, die studieren oder noch zur Schule gehen, mit im Haushalt wohnen“, sagt Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler.
» Die Unterscheidung in echte und unechte Alleinerziehende ist lächerlich. «
Doch wer mit einem Partner zusammenwohnt, muss auf den Entlastungsbetrag verzichten. „Die Unterscheidung in echte und unechte Alleinerziehende ist lächerlich“, sagt Edith Schwab. „Ein Partner ändert ja nichts an der Belastung.“
„Das ist eine Gratwanderung“, sagt Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler. „Wenn der Entlastungsbetrag auch für Alleinerziehende mit Partner gelten würde, stellt sich wieder die Frage der Benachteiligung der Ehe.“ Für ihn wäre es die beste Lösung, den steuerlichen Abzug von Kinderbetreuungskosten spürbar zu verbessern.
Doch mit dem erzwungenen Wechsel in die Steuerklasse Eins werden nun unverheiratete Mütter und Väter, die mit einem Partner zusammenleben, wie Singles ohne Kinder besteuert. „Das ist selbst dann der Fall, wenn sie drei oder vier Kinder haben“, sagt Schwab. „Es ist auch egal, ob der Partner vielleicht selbst anderweitig unterhaltspflichtig ist. Das wird nicht geprüft.“
» Unverheiratete Paare mit Kind sind gegenüber Ehepaaren schlechter gestellt. Sie haben keinerlei Steuervorteil. «
Während Ehepaare mit oder ohne Kind noch vom Ehegatten-Splitting profitieren, schauen nichtverheiratete Eltern, die zusammen wohnen, in die Röhre. „Unverheiratete Paare mit Kind sind gegenüber Ehepaaren schlechter gestellt. Sie haben keinerlei Steuervorteil“, sagt Schwab.
Für beide gilt, dass sie Kindergeld oder den Kinderfreibetrag erhalten. Allerdings stehen diese Beträge grundsätzlich jedem Elternteil zur Hälfte zu. „Bei Alleinerziehenden kann es sein, dass sie im Ergebnis nur das halbe Kindergeld haben, während Ehepaare den ganzen Betrag bekommen“, sagt Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler. „Weil der Elternteil, der Unterhalt zahlt, auch das halbe Kindergeld anrechnen darf.“
Doch auch wer den Entlastungsbetrag erhält, steht nicht mehr so gut da wie mit dem ehemaligen Haushaltsfreibetrag, der um 1000 Euro höher lag. „Alleinerziehende sind gegenüber früher schlechter gestellt. Sie haben Einschnitte hinnehmen müssen“, sagt Vanscheidt.
Schwab vom VAMV hält die Streichung des Haushaltsfreibetrags für verfassungswidrig. „Im Steuerrecht gilt ja, dass sich die Höhe der Steuer nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu richten hat. Und ein Single ist leistungsfähiger als ein Elternteil mit einem Kind im Haushalt. Da ist der Aufwand, zum Beispiel für Kleider oder Schulmaterialien einfach höher.“
Ihr Verband unterstützt eine Musterklage gegen die Streichung des Haushaltsfreibetrags, die beim Finanzgericht München eingereicht wurde. Betroffene müssen sich nun aber nicht selbst durch alle Instanzen klagen. Es reicht, gegen den Steuerbescheid Einspruch zu erheben. Sollte die Musterklage Erfolg haben, müssten die Finanzämter die Bescheide dann noch einmal prüfen.
Wie viele Alleinerziehende die günstigere Steuerklasse Zwei verlieren, vermag man beim Bundesfinanzministerium nicht zu sagen. Dort hat man versucht, auszuführen, wann ein Steuerpflichtiger ein „echter“ Alleinerziehender ist. So darf er „keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden“. Das wird aber „grundsätzlich bei jeder Art von Wohngemeinschaften“ vermutet. Edith Schwab vom VAMV kann sich nicht vorstellen, dass bei WGs gleich der Steuervorteil gestrichen wird: „Eine WG muss ja wohl zulässig sein“, meint die Rechtsanwältin.
Beim Bundesfinanzministerium heißt es dazu, im Zweifelsfall müsse man eben beim Finanzamt nachfragen. Wer „glaubhaft darlegt“, dass er nicht in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, könne sich die günstigere Steuerklasse zurückholen. „Das wird in der Praxis Probleme aufwerfen“ befürchtet Hans-Joachim Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler.
Wer weder auf den Ämtern diskutieren noch mehr Lohnsteuer zahlen möchte, kann dann nur noch seinen Status ändern: Beim Bund der Steuerzahler weiß man von vielen Betroffenen, die in der Zwischenzeit geheiratet haben oder eine Heirat in Erwägung ziehen.