Klang(körper)/ ‚spinnerte Puristen‘
Hallo,
ich kenne tatsächlich keinen Musiker (außer verstiegenen Liebhabern oder Hammerklavier-Spezialisten), der sich ein Hammerklavier privat anschaffen würde. Im Gegensatz zu einem Cembalo (das zwar auch ständige Stimmung braucht - ein Cembalist lernt im Grunde das Stimmen seines Instruments gleich mit) ist bei einem Hammerklavier die Tonerzeugung und damit der Klang kaum anders als bei einem modernen Klavier. Es ist im Grunde ein altes Klavier, das einfach ein bisschen „weniger“ kann als ein modernes. Für eine Spezialisierung auf das Instrument ist das Hammerklavier wohl einfach nicht anders genug als ein modernes, aber in seiner Pflege unglaublich aufwändiger.
Ist das wirklich nur was für verstiegene Liebhaber, die selbst
stimmen oder sich das dauernd leisten können?
ich schätze, ja.
Ich habe jetzt zwar nicht viel zu Deiner Frage beizutragen, möchte aber nochmal eingehen auf den unten aufgekommenen Satz, Menschen mit Abneigung zu Digitalklavieren seien „spinnerte Puristen“.
Wertlegung auf ein Instrument mit mitschwingendem Klangkörper hat nichts mit Purismus zu tun und ist schon gar nicht spinnert. Nicht jeder Laie braucht unbedingt ein mechanisches Klavier, aber es für jeden wichtig, für den Klavierspielen ein bisschen hinausgeht als über das Treffen richtiger Töne, für jeden, für den Klavier ein Instrument ist, das greifbare, in der Luft schwingende Töne und durch spezielle Anschlagstechniken tatsächlcih gestaltbare Klänge produziert.
Ein mechanisches Klavier hat nun einmal einen ganzen Klangkörper aus Holz, der bei jedem Ton schwingt. Bei einem mechanischen KLavier kann man Töne unter seinen Fingern und Armen formen. Auch Anfänger können das. Viele Leute, die zuhause ein hochwertiges digitales Klavier haben, haben ein anderes, lebendigeres, „wärmeres“ Gefühl, wenn sie auf einem (halbwegs guten) mechanischen Klavier spielen.
Ich tu mich schwer, zu begreifen, warum man heute so viel Wert legt auf qualitativ hochwertigstes Heim-Audiozeug, aber bei einem Instrument, wo man den Ton selber gestaltet, Imitation gut genug ist. Auch würde keiner auf die Idee kommen, einem Geiger für seine normalen Stücke oder Übungen eine E-Geige in die Hand zu drücken mit dem Satz „sind doch alle Saiten drauf, und laut und leise geht auch, also reicht doch.“
Klavierklang wird nicht so unmittelbar produziert wie der anderer Instrumente. Aber er WIRD produziert, eigenhändig, und das geht in seiner gesamten Fülle nur auf Instrumenten mit schwingendem Klangkörper.
Und ja, ich kenne die guten neuen Digitalpianos. Ich weiß, dass sie zu etlichem in der Lage sind und auch sehr echt klingen können. Bei einer Aufnahme würde es mir auch u.U. schwerfallen, ihren Klang von dem eines mechanischen zu unterscheiden. Aber das Spielgefühl ist in keinster Weise das gleiche.
Und ein Digitalpiano einem mechanischen vorzuziehen mit dem Argument des (angebliche teuren und umständlichen) Stimmens, ist wirklcih seltsam. Wenn es um den Transport geht oder um Aufnahmemöglichkeiten, dann ok, aber das Stimmen kostet einmal aller 3-5 Jahre 70 Euro. Das ist echt nicht viel.