Storytelling in der Consultingarbeit

Hallo,

ich bin *plopp* über die Möglichkeit gestolpert, mit Storytelling mehr € als erwartet zu verdienen, und lese grade als Einstieg
‚The Springboard‘ von Stephen Denning.

Also ergeben sich ein paar Fragen, da ich sozusagen Neuland für mich betrete:

  1. Gibt es auch in Europa einen Markt für Storytelling für Unternehmen, welche Agenturen arbeiten mit dem Konzept?
  2. Ist das Buch ein Tipp unter Experten, oder eher ein belächeltes Randphänomen? Ist der Nachfolger ‚Sqirrel Inc.‘ ähnlich aufgebaut bzw. empfehlenswert?
  3. Hat hier jemand schon Erfahrungen damit gemacht und ist gewillt, mir von seinen Erfahrungen damit zu berichten?

Danke im voraus!

MainBrain

Leicht off topic, Kritik.
Hi,

ich bin *plopp* über die Möglichkeit gestolpert, mit
Storytelling mehr € als erwartet zu verdienen,

und da bist du kein bischen misstrauisch?

Meiner persönlichen Meinung nach ist Story Telling lediglich ein weiteres Geisterschiff, welches kommt und wieder gehen wird, ohne dass Viele überhaupt etwas davon wahrnehmen.

Egal welche Methode ein Consultant einsetzt: Er braucht genügend einschlägige BETRIEBLICHE Erfahrung, um seine Trainingsinhalte mit realistischen betrieblichen Alltagsbeispielen füllen zu können.
Der „einfache Arbeiter“ merkt sehr schnell, ob es sich um einen Profi oder um einen Frischling handelt, dem man das Wichtigste eingehämmert hat.

Ich bin mit ziemlich vielen Qualitätswerkzeugen, einschliesslich des „soften“ Bereiches wenigstens teilweise vertraut, aber von Storytelling habe ich noch nie etwas gehört.
Nach einer kurzen Beschäftigung damit ist mir der Grund allerdings klar.

Das alles habe ich aus der Sicht als potentieller Kunde von Storytellern geschrieben.
Gruss,

konstruktive Kritik, Danke!
Hallo Helge,

ich bin von einer Agentur aus angesprochen worden. Die operieren weltweit, und haben in den US of A wohl ganz gute Erfolge mit Storytellern.
Nachdem ich mir das durch den Kopf (und Herz) gehen lassen hab, ob ich mir das a) zutraue und b) die Befähigungen dazu besitze bzw. diese erweitern möchte, und beides mit einem klaren ‚Ja!‘ beantworten kann, bilde ich mich also erstmal per Literatur und dann als Beobachter in Consultingsituationen weiter.

Drauf gekommen bin ich durch einen Kontakt als Klient für Lego-serious play. War seeehr interessant…

Egal welche Methode ein Consultant einsetzt: Er braucht
genügend einschlägige BETRIEBLICHE Erfahrung, um seine
Trainingsinhalte mit realistischen betrieblichen
Alltagsbeispielen füllen zu können.

Übrigens habe ich durch meine pädagogische Arbeit durchaus auch Beratungserfahrungen (Krisenmanagement mit Eltern, Jugendamt/Jugendhilfe, Gerichten, etc.).

Der „einfache Arbeiter“ merkt sehr schnell, ob es sich um
einen Profi oder um einen Frischling handelt, dem man das
Wichtigste eingehämmert hat.

Naja, von BWL habe ich nur wenig Ahnung, aber ich kann ‚aktiv zuhören‘ und auch zum Erzählen anregen und Erzählmethodik beibringen. Klappt jedenfalls prima mit meinen ‚normalen‘ Klienten.
Und den psychologischen Background bringe ich durch meine Ausbildung mit. Halte ich für eine gute Kombination.

Ich bin mit ziemlich vielen Qualitätswerkzeugen,
einschliesslich des „soften“ Bereiches wenigstens teilweise
vertraut, aber von Storytelling habe ich noch nie etwas
gehört.
Nach einer kurzen Beschäftigung damit ist mir der Grund
allerdings klar.

Das alles habe ich aus der Sicht als potentieller Kunde von
Storytellern geschrieben.

Vielen Dank für deine ehrliche Antwort. Meinen sicheren Job (unbefristet) werde ich dafür auf jeden Fall nicht an den Nagel hängen. Vorerst. :wink:

Märchenhafte und noch immer optimistische Grüße

MainBrain

Hallo MainBrain,

auch für mich ist Storytelling Neuland, werde es aber bei nächster Gelegenheit und nach gründlicher Vorbereitung in meine Flotte der „Geisterschiffe“ aufnehmen (wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahr).

Zu 1. Es gibt einen Markt für Organisationsberatung, für den Zuwächse prognostiziert werden. Wie die Berater arbeiten - mit strukturierten Interviews oder mit Storytelling - ist m. E. für marktanalytische Betrachtungen zweitrangagig. Ich wüsste auch nicht, wo derart differenzierte Marktdaten zu bekommen sind.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht - um Missverständnisse bei Lesern dieser Beiträge zu vermeiden - einflechten: Storytelling ist keine Variante von Märchenerzählen, sondern hat überwiegend etwas mit Zuhören zu tun. Und sie ist eigentlich weniger (oder: nicht nur) eine Methode, sondern eher eine Haltung (siehe unten).

Zu 2. Ich kenne das Buch nicht. Ich empfehle „Storytelling. Das Harun-al-Raschid-Prinzip“ von Frenzel, Müller und Sottong. Auf deren Homepage findest Du einige interessante Beiträge: www.sys-kom.de

Zu 3. „Offiziell“ nicht. Aber jeder von uns mit betrieblicher Erfahrung, der nicht nur in den „Salons“, sondern auch in den „Küchen“ verkehrt, hat Geschichten von den Mitarbeitenden gehört. Und genau daran knüpft diese Methode an. Nebenbei: auch in den Salons hört man natürlich spannende Geschichten, die einer Analyse würdig sind.

Dank an Helge für das wunderbare „Geisterschiff“. Ich stehe dem Methoden-Zoo auch skeptisch gegenüber. Aber Storytelling ist im Grunde - und etwas vereinfacht gesagt - nur eine Weiterentwicklung dessen, was unsere Vorfahren seit der Steinzeit (oder noch ein paar Steine weiter) praktizierten. Im günstigen Fall genossen die Erzähler dabei die Wertschätzung der Zuhörer, weil (lebens-) wichtige Erfahrungen und anwendbares Wissen weitergegeben wurde. Wertschätzung ist eine Haltung.

Ich wünsche Dir viel Spaß bei Deinen weiteren Recherchen und viel Erfolg in der Umsetzung.

Gruß,
Uli

Hallo Helge,

Meiner persönlichen Meinung nach ist Story Telling lediglich
ein weiteres Geisterschiff, welches kommt und wieder gehen
wird, ohne dass Viele überhaupt etwas davon wahrnehmen.

Vielen Dank für das „Geisterschiff“ - eine schöne Metapher für so manchen Methodenunsinn. Auch wenn ich in diesem Fall Deine Meinung nicht teile.
Es ist vielleicht auch gar nicht erforderlich, dass viele etwas davon wahrnehmen.

Gruß,
Uli

Halo liebe Wissenden,

ich bin immer gerne bereit meinen Horitzont zu erweitern.
Deshalb auch meine Frage:

Was ist Storytelling eigentlich?

Besten Dank für die Beantwortung meiner Frage.

Viele Grüße

Norbert

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Sehr hilfreich, danke!
Hallo Uli,

auch für mich ist Storytelling Neuland, werde es aber bei
nächster Gelegenheit und nach gründlicher Vorbereitung in
meine Flotte der „Geisterschiffe“ aufnehmen (wahrscheinlich
nicht mehr in diesem Jahr).

Da hat es der Helge ja schon richtig gemacht: Inhaltsvermittlung per Metapher. :wink:

Zu 1.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht - um Missverständnisse
bei Lesern dieser Beiträge zu vermeiden - einflechten:
Storytelling ist keine Variante von Märchenerzählen, sondern
hat überwiegend etwas mit Zuhören zu tun. Und sie ist
eigentlich weniger (oder: nicht nur) eine Methode, sondern
eher eine Haltung (siehe unten).

Ich halte es für wichtig, dabei anzumerken, dass dabei nicht Geschichten von außen eingebracht, sondern dass das firmeneigene Storypotential erschöpft werden soll. Und du hast recht, es ist keine Variante des Märchenerzählens, hat aber doch starke Übereinstimmungen: starke Bilder und Metaphern sollen geschaffen werden, um einen emotionalen Bezug zwischen z.B. Ware und Kunden zu erzeugen. Und gerade die Volksmärchen haben sehr starke archetypische Bilder, die ich nutzen kann.

Zu 2. Ich kenne das Buch nicht. Ich empfehle „Storytelling.
Das Harun-al-Raschid-Prinzip“ von Frenzel, Müller und Sottong.
Auf deren Homepage findest Du einige interessante Beiträge:

http://www.sys-kom.de

Klickbar gemacht. Das Buch werde ich mir holen. Danke für den Tip!

Zu 3. „Offiziell“ nicht. Aber jeder von uns mit betrieblicher
Erfahrung, der nicht nur in den „Salons“, sondern auch in den
„Küchen“ verkehrt, hat Geschichten von den Mitarbeitenden
gehört. Und genau daran knüpft diese Methode an. Nebenbei:
auch in den Salons hört man natürlich spannende Geschichten,
die einer Analyse würdig sind.

Kann gut sein, aber mir scheint,es ist das Potential der Linie, das eher vernachlässigt wird. Ist jedenfalls meine Erfahrung im Berufsleben.

Dank an Helge für das wunderbare „Geisterschiff“. Ich stehe
dem Methoden-Zoo auch skeptisch gegenüber. Aber Storytelling
ist im Grunde - und etwas vereinfacht gesagt - nur eine
Weiterentwicklung dessen, was unsere Vorfahren seit der
Steinzeit (oder noch ein paar Steine weiter) praktizierten. Im
günstigen Fall genossen die Erzähler dabei die Wertschätzung
der Zuhörer, weil (lebens-) wichtige Erfahrungen und
anwendbares Wissen weitergegeben wurde. Wertschätzung ist eine
Haltung.

Da hast du etwas sehr Wahres ausgedrückt. Aber auch heute gibt es Menschen, die sich als Erhalter mündlicher Erzähltradition sehen. Ich glaube aber auch, dass die Wertschätzung und Anerkennung daher kommt, komplizierte Sachverhalte weise und intelligent, auf jeden Fall aber auch humorvoll in einfache, für jeden verständliche Worte zu kleiden.
Das Wissen um die innere Wahrheit des Erzählten ist dann selbstverständlich.

Ich wünsche Dir viel Spaß bei Deinen weiteren Recherchen und
viel Erfolg in der Umsetzung.

Ich danke dir für deine guten Wünsche. Es soll dir dreimal vergolten werden.

Grüße zurück

Harald

Hallo Norbert,

zum besseren Verständnis müssen wir uns auf einige Voraussetzungen einigen.
Jeder Mensch hat im Kopf ein „Bild“ von dieser Welt und folglich auch von dem Unternehmen, in dem er tätig ist. Dieses „Bild“ (ich bleibe jetzt bei Unternehmen) ist nie vollständig. Das liegt u. a. daran, dass selten vollständige Informationen über irgendwelche Sachverhalte vorliegen, unsere Wahrnehmungsfähigkeit begrenzt ist und zudem noch das Gehirn (unbewusst) entscheidet, was uns bewusst wird und was nicht. Mit anderen Worten: unser „Bild“ im Kopf vom Unternehmen ist immer unvollständig, daher meist auch falsch, aber dennoch in der Regel gut brauchbar.
OK soweit?

Eine weitere Voraussetzung ist, dass ein Unternehmen nicht nur aus den offiziellen Strukturen besteht (Organigramme, dokumentierte Verfahren usw.). Neben dieser formalen Organisation gibt es auch die informelle. Dazu können wir die Unternehmenskultur, Normen, Werte und Leitbilder zählen. Diese Dinge sind den Mitarbeitenden zum Teil gar nicht bewusst. Nur ein neuer Mitarbeiter wundert sich manchmal, über „merkwürdige“ Regularien, Spielregeln und „Stammesbräuche“. Nach ca. sieben Monaten hat er diese auch „intus“ (wenn nicht, dann probt er vielleicht einen Aufstand oder verlässt das Unternehmen). Dieses Phänomen ist auch als „Betriebsblindheit“ oder „Tunnelblick“ bekannt.
OK soweit?

Weitere Annahmen: Wir stellen uns ein Unternehmen vor, in dem es irgendwelche Konflikte gibt: Projekte werden nicht rechtzeitig abgeschlossen, Kunden beklagen die Qualität der Dienstleistungen usw.
Die Geschäftsführung (GF) dieses Unternehmen beauftragt nun einen Berater (ich bleibe bei der männlichen Ausprägung, es könnte selbstverständlich auch eine Beraterin sein). Diesem schildert die GF das zu lösende Problem.
Nun, was ich oben über die unvollständigen Bilder im Kopf geschrieben habe, gilt auch für die GF und den Berater. Das ist keine gute Voraussetzung, um ein komplexes Problem zu lösen.

Jetzt zu Deiner Frage:
Ein erfahrener Berater weiß das alles. Er weiß auch, dass die GF auch ein Teil des Problems sein kann.
Im weiteren Verlauf wird der Berater die Mitarbeitenden entlang der Linie befragen, um die Ursachen des Konflikts zu ermitteln. Wenn er dabei einen vorbereiteten Fragebogen verwenden würde, dann würde er das mögliche Problemfeld einengen auf Dinge, die vorher in seinem Kopf waren. Die von ihm formulierten Fragen entsprächen dann dem, was er als „Bild“ im Kopf hat (angereichert durch das, was er von der GF erfahren hat). Das ist zwar manchem Berater nicht unangenehm, weil er bestimmt schon eine Lösung dafür auf Lager hat, die er dann verkaufen kann. Für das Unternehmen bringt das meist nicht viel.

Hier setzt nun „Storytelling“ als Erhebungs- und Analyseverfahren auf der Basis von Erzählungen an. Voraussetzung: strikte Anonymität. Der Berater bittet die Mitarbeitenden in Einzelgesprächen, die Geschichten zu erzählen, die sie im Unternehmen erlebt haben. Aus den vielen Einzelgeschichten und deren innere Logik entsteht dann ein neues „Bild“ vom Unternehmen. Es wird eine Menge Wissen über das Unternehmen transportiert. Es kommen Dinge zur Sprache, über die sonst wenig oder gar nicht gesprochen wird: heimliche Spielregeln, Tabus usw.

Nun kommt die Analysephase: Das ist ein aufwendiger, mehrphasiger Prozess mit Präsentation der Ergebnisse, den ich hier im Detail nicht schildern kann. Wir müssen davon ausgehen, dass der Berater über ein fundiertes Wissen, beispielsweise über Semantik und Unternehmenskulturern, verfügt, um Schlussfolgerungen ziehen zu können aus Aussagen, die für andere wie Banalitäten klingen mögen. Damit ist es dann möglich, bessere Anknüpfungspunkte für nachhaltige Problemlösungen zu finden.

Soweit zu meinem unvollständigen „Bild“ von der Sache. Storytelling wird auch noch zu anderen Zwecken eingesetzt (zum Beispiel im Marketing und zur Vorbereitung von Zukunftsprojekten), aber davon kann ich aufgrund fehlender Erfahrung mit gutem Gewissen nichts berichten. Ich hoffe dennoch, dass das Grundanliegen und das Prinzip von Storytelling deutlich geworden sind.

Gruß,
Uli

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Gute Zusammenfassung! * von mir.
Da hast du aber die Inhalte der pdf von sys-kom klasse zusammengefasst, Kompliment!

Ich hoffe dennoch, dass das Grundanliegen und das Prinzip von
Storytelling deutlich geworden sind.

Mir schon. Nette Ansätze, kann ich mit arbeiten.

So long

MainBrain