Strafrechtstatbestand?

Hallo,

ob mir wohl jemand mit einer Rechtsauskunft weiter helfen kann?

Es geht um eine Notiz in einer Monatszeitschrift vom Oktober 2012 zu einem Medizinthema, der Bewertung des PSA-Screenings zur Früherkennung des Prostatakrebses. Unstrittig ist, dass durch die Bestimmung des PSE-Blutserumspiegels (Prostata-spezifischen Antigens) sehr viele Prostata-Tumore rechtzeitig erkannt werden, während in der Vergangenheit die Patienten beim Einsetzen von Beschwerden zu spät und deshalb oft mit Todesfolge in eine medizinische Versorgung gelangten. Nun wird aber geargwöhnt, durch die daraufhin stattfindenden medizinischen Maßnahmen würden im Endergebnis statistisch keine Sterbefälle vermieden sondern den Patienten nur Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität zugefügt.

Diese Kritik ist in der jüngeren Vergangenheit von verschiedenen Medien (sowohl TV-Magazinen als auch Print-Medien) als z.T. massive, polemische Kritik an der Urologie vorgebracht worden (eine Art „Uro-Bashing“).

Andererseits gibt es zur Frage der Vermeidung von Todesfällen durch ein PSA-Screening jetzt eine vor 11 Jahren begonnene Studie mit 180000 Probanden aus mehreren europäischen Ländern, sicher die wichtigste bisher durchgeführte, veröffentlicht im renommierten „New England Journal of Medicine“. Sie ergibt eine Erfolgsquote von (nach Korrektur) 29 %, was von Ärzten durchweg als recht respektabel bewertet wird. Zur Überprüfung der beiden Gruppen der Studie, der PSA-gescreenten und der Kontrollgruppe, wird auch die Gesamtsterblichkeit betrachtet: Würde sie sich zwischen den beiden Gruppen signifikant unterscheiden, so würde das die Studie in Zweifel ziehen.

Die beiden Raten sind im Ergebnis *ähnlich*, d.h. in der gescreenten Gruppe sterben (praktisch) genau so viele Männer weniger wie Sterbefälle infolge Prostatakrebs vermieden werden.

Unglücklicherweise unterläuft den Autoren der Studie nun die Unachtsamkeit, am Ende nochmal kurz anzumerken, das Screening hätte „keinen Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit.“ Auf dieses Statement stürzen sich nun die Verfasser des Artikels in der Zeitschrift, sagen (sinngemäß): „Das PSA-Screening ist nutzlos“ und empfehlen ihren Lesern, wie in der Vergangenheit erst zum Arzt zu gehen, wenn sie Beschwerden verspüren, also wenn es zu spät ist.

Dies wird in Leserzuschriften ebenso wie von mir als vollkommen verantwortungsloses „Schicken der betroffenen Männer in der Tod“ bewertet. Deshalb möchte ich nach anwaltlicher Prüfung der Erfolgsaussichten wenn möglich Strafanzeige erstatten.

Erfüllt eine solche irreführende Publikation einen Straftatbestand?

Hallo.

Nein. Mir ist kein Straftatbestand ersichtlich. Die Interpretation der Studie ist von der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit sicherlich grundgesetzlich geschützt.
Abgesehen davon: Würde man gegen sämtliche irreführenden Publikationen (unabhängig von deren Konsequenzen) strafrechtlich vorgehen wollen, bräuchten Sie vermutlich Millionen von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern.
Aber wie gesagt, ich sehe hier keine strafrechtliche Relevanz.

Grüße, Steffen

Hallo,

diese Anfrage ist eher für einen Spezialisten im Medizinrecht oder zumindest mit medizinischen Hintergrund anhängig. Wichtig hier wäre die Abbildung des gesamten Beitrages um feststelle zu können welchen Charakter der eigentliche Beitrag darstellt und welche Qualifikation der Verfasser selbst hat. (die Quelle bzw. Quellenangabe)
Ansonsten müsste die Redaktion selbst mit einer Gegendarstellung konfrontiert werden um die Möglichkeit zu haben diese zu Vergleich um eine eventuelle Klarstellung zu veröffentlichen. Ob ein Straftatbestand vorliegt lässt sich so aus meiner Sicht nicht klar sagen. Daher bitte jemand mit speziellen Kenntnissen in der Materie.

Mit freundlichenGrüßen

I.Wagner

Hallo,

Sie schreiben selber in Ihrer Anfrage „Deshalb möchte ich nach anwaltlicher Prüfung der Erfolgsaussichten wenn möglich Strafanzeige erstatten.“ Ihre komplizierte Anfrage kann sicherlich nur ein Anwalt mit Spezialwissen aus dem Bereich Medizin beantworten. Da ich das nicht bin, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen.

M.f.G. Paul H.

Hallo roterstein,

ob solche „irreführende Publikationen“ einen Straftatbestand erfüllen?
Das kann ich nicht sagen, ich kann nur die Möglichkeiten aufzeigen wann unter welchen Umständen es so wäre.
Denn ich darf mir hier nicht anmaßen über eine Äusserung eines Autors eine Würdigung seiner Gedankenwelt zu vollziehen. Dies obliegt einzig und allein der Staatwanwaltschaft.

Welche Straftatbestände kämen überhaupt in Betracht? Wenn dann nur solche gegen die körperliche Unversehrtheit, also Leib und Leben.
Und bei JEDER Straftat ist der Kausalitätsgrundsatz Bedingung. Die Tat und der Schaden müssen also ursächlich zusammenhängen.
Weiterhin zählt Wissen und Wollen des Täters.
Der Täter muss also über ein Unrechtsbewusstsein verfügen, also wissen und wollen eine körperliche Schädigung hervorzurufen.
Und zum Schluss muss ein Erfolg eintreten, vorher bleibt es beim Versuch.
Noch ist durch ein Nicht-Screening kein Erfolg eingetreten, also hätten wir wenn überhaupt nur einen Versuch.
Doch eine versuchte vorsätzliche Körperverletzung bedingt eben auch den Vorsatz, Menschen, in diesem Fall, nicht am Screening teilnehmen zu lassen, um sie körperlich zu schädigen. Diesen Vorsatz muss der Bekanntgebende dieser Äusserung zumindest bedingt haben. Bei direktem Vorsatz muss er diese Äusserung nur und ausschliesslich deswegen getan haben, um jemanden zu schädigen.
Bei bedingtem Vorsatz muss es ihm bewusst, aber egal sein, jemand durch seine Äusserung zu schädigen.

Wenn Fachleute über Krebstherapien und deren Früherkennung publizieren und aufgrund widersprüchlicher Meinungen, die sie der Öffentlichkeit bekannt geben, und sogar eine Empfehlung aussprechen, ist nachzuweisen, ob der die Äusserung Tätigende ursächlich durch seine Äusserung einen Erfolg absichtlich herbeiführen will.

Nochmal klardeutsch: Er muss sich also vorgenommen haben jemandem weh zu tun und nur aus diesem Grund diese Äusserung gemacht zu haben.
Also muss der Autor Leute in den Tod schicken WOLLEN!!!
Nur dann handelt es sich um einen direkten Vorsatz!!!

Bei bedingtem Vorsatz, dass es ihm bewusst aber egal ist, muss der Autor über diese Möglichkeit nachgedacht haben und zum Schluss gekommen sein, dass es ihn nicht interessiert, also billigend in Kauf zu nehmen, wenn jemand durch seine Äusserung zu Schaden kommt.

Alles andere wäre fahrlässig, ob einfach oder grob sei dahingestellt. Da jedoch wie erwähnt noch kein Erfolg eingetreten ist greift wenn überhaupt nur ein Versuch. Und eine versuchte fahrlässige Straftat gibt es nicht.

Hoffe geholfen zu haben,
Misterle

Tut mir leid, das weiß ich nicht.

Hallo,

die mir mögliche Antwort steht schon in der Anfrage: „nach anwaltlicher Prüfung der Erfolgsaussichten.“ Das muss ein Volljurist prüfen.

Die Autoren der Studie haben angemerkt, das Screening hätte „keinen Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit.“ Wie soll jemand bestraft werden, der seine Argumentation auf diesem Fazit aufbaut? Ganz schwierig!

Gruß
polos

Hallo,

ein Straftatbestand wird mit dieser Publikation nicht verwirklicht. Eine Strafanzeige lohnt sich nicht. Ein Leserbrief und Aufklärung im Bekanntenkreis dürften bei weitem effektiver sein.

Kurz gesagt: Die Sache ist ein Ärgernis, aber keine Straftat.

Viele Grüße
OpiWahn

Lieber Fragensteller,

um ehrlich zu sein habe ich nicht ganz verstanden, welche Rolle die Gesamtsterblichkeit spielt, wieso die Autoren falsche Schlüsse aus der eigenen Studie ziehen und was genau sie den Verfassern des Artikels vorwerfen.

Vorläufig schätze ich die Lage wie folgt ein:

Man könnte meinen, dass die Publikation einen Straftat gegen das Leben (§211 - §222 StGB) darstellt. Ein etwaiger Zusammenhang mit einem Todesfall wäre aber vom Ursachenzusammenhang so weit von der Publikation entfernt, dass eine Straftat gegen das Leben ausscheidet.

Schließlich könnte auch eine Beleidigungsstraftat (§185 - §200 StGB) dadurch in Frage kommen, dass der Verfasser des Artikels mit seinen Äußerungen den Autor der Studie beleidigt. Dazu müsste er aber tatsächlich etwas falsches verbreitet haben. Wenn der Autor selbst Fehler macht, kann es nicht die Schuld des Verfassers des Artikels sein.
Außerdem müsste der Verfasser des Artikels Vorsatz auf die Verwirklichung eines Beleidigungstatbestandes haben.

Weitere Straftatbestände sind, meiner Ansicht nach, nicht ersichtlich.

Vielleicht wird ein Anwalt noch etwas finden, aber ich denke, dass es spätestens am Vorsatz scheitern wird.

Und selbst wenn der Verfasser einen Straftatbestand verwirklicht hätte, es ist immer noch fraglich, ob ein Staatsanwalt deswegen Klage erheben würde.

Für Rückfragen stehe ich zur Verfügung.
Wenn Sie mit meiner Antwort zufrieden sind, freue ich mich über eine gute Bewertung.

Grüße
Elitebook

Ganz klares NEIN.

Gruß Peter

Hallo,

Klare Antwort: Nein.

Das Strafrecht ist ultima ratio und für so etwas nicht zuständig.

Grüße,
Sebastian S.

Es tut mir leid.
Ich kann Ihnen dabei nicht helfen.

Schlicht nein! Es ist voll und ganz und zweifelsfrei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Darüber hinaus kann ich Sie wohl beruhigen. Ich selbst bin sehr wissenschaftshörig und habe genau die von Ihnen beschriebenen Berichte im Fernsehen gesehen - und gehe aber selbst jedes Jahr zum PSA-Test. Ich denke, dass sich nur wenige Menschen durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse davon abhalten lassen werden. Aber in der Tat werden auch viele Menschen beunruhigt. So hatte ich aufgrund eines „wenig aussagekräftigen“ Darmkrebstest mit einem schlechen Wert eine beunruhigende Zeit, die ich erst durch eine Darmspiegelung, die kein Ergebnis erbrachte, beenden konnte. Es gibt da sicher noch andere, sehr viel beeinträchtigendere „Kliniklaufbahnen“ aufgrund von fälschlich diagnostizierten Problemen, die nicht existierten.
Gruß
Michael

Hallo,
dies fällt unter die freie wissenschaftliche Meinungsäußerung und erfüllt den von Ihnen genannten Straftatbestand nicht!!!
Grüße,
strucki

Das Thema ist rechtlich gesehen sicher interessant aber aus meiner Sicht eher aussichtslos, weil die Gesamtwürdigung zu abstrakt ist. Letztlich kann ja jeder entscheiden, ob er überhaupt zum Arzt geht und Vorsorge betreibt oder wartet, bis was passiert oder es zu spät ist… Sorry, aber da kann Dir wohl nur ein echter Fachanwalt helfen!