Strafvollzug

Liebe/-r Experte/-in,

erst mal danke, dass du hier deine dienste zur verfügung stellst. ich habe einen kleinen katalog an fragen für eine recherche für ein romanprojekt. es geht eigentlich um strukturelle auskunft, da der vollzug nur den rahmen der erzählung liefert.

da ich niemanden kenne, den ich dazu live befragen könnte und sich die personen der pressestellen und jva’s, die ich gefragt habe, dafür keine zeit nehmen, bitte ich hiermit um informationen, sofern es dir möglich ist. DANKE Im VORAUS. LG Oliver Unger

die fragen sind folgende:

es geht um die tat „verführung minderjähriger“

a) Wer hört sich vom Strafgefangenen die Schilderungen über persönliche Hintergründe und die Motive seiner Tat an: Ein Sozialtherapeut? Oder ein Psychologe?
b) Ist der mit dem Gefangenen allein bei den Sitzungen?
b) Kann ein solcher Therapeut oder Psychologe auch ein Gutachten schreiben?
c) Wenn ja, fließt davon etwas in die Verhandlung ein und hat es Einfluss auf das Urteil?

Der Strafgefangene in der Geschichte muss während der Zeit des Vollzugs, besser noch der U-Haft (oder wie auch immer), jedenfalls vor Vollstreckung eines Urteils, eine Begegnung mit seinem Opfer auf freier Flur haben können.

a) Das Wichtigste für die Geschichte ist, dass der Sozialarbeiter oder Therapeut unerlaubt diese Begegnung herbeiführt, ohne Vollzugsbeamten. In der Geschichte wird der Therapeut hinterher deshalb von dem Fall abgezogen. Wie wäre das zum Beispiel zu regeln?
Da ich mich gar nicht auskenne, kann ich jetzt auch nicht präzise nach etwas fragen, muss einfach ins Blaue hinein und später eventuell noch einmal nachfragen.
Ich hörte bereits von einer Leiterin einer JVA, dass Sexualverbrecher unter Umständen sowieso manchmal ihrer geregelten Arbeit nachgehen (nennt sich das „offener Vollzug“??). Wäre das auch während der U-Haft so? Und gilt das auch für Selbstständige? („U-Haft und Selbstständig“ wäre die Traumlösung und würde die Erzählung in meinem Sinne vereinfachen)

b) Wie läuft das denn dann ab? Wird der Straftäter zur Arbeit begleitet und dann wieder abgeholt?

c) Zu welchen Zeiten im Falle einer Selbstständigkeit? Und während der Arbeitszeit? Ist er da „unbeobachtet“?

b) Falls dem allem nicht so ist, wie wird ein solcher „Freigang“ organisiert/beantragt? Müsste ein Vollzugsbeamter evt. mit dem Therapeuten unter einer Decke stecken? (Wäre allerdings schon eine fast zu komplizierte Variante der Geschichte)

  1. Wie oft trifft sich der Pflichtverteidiger, wenn es ihn gibt, mit dem Angeklagten vor der Verhandlung? Was wird da in etwa abgeklärt?

  2. Welche Fragen werden vor Gericht gestellt:

a) dem Täter?
b) dem Opfer (ist es möglich, dass es anwesend ist?) ?
c) den Eltern des Opfers ?
d) Ist eine solche Verhandlung öffentlich?

Hallo POU,
nur einer erste kurze Mitteilung: zu einigen Punkten kann ich dir was sagen, bin aber zwei Tage verhindert. Nicht wundern, aber Antwort kommt. Versprochen. Deine Fragen kann man nicht mit wenigen Sätzen abhandeln, brauche daher etwas mehr Zeit, als ich heute habe. Bis denn
Werner

Lieber Herr Unger !!
Sie möchten wohl das ich Ihr Buch schreibe, bei all diesen Fragen ?? Ich werde versuchen, sie bestmöglich zu beantworten, obwohl ich selbst kein Sexualstrafzäter war bzw.bin und nur begrenztes Wissen in dieser Eichtung habe.Bei vielen Ihrer Fragen/Ansichten sind Sie ganz schön auf dem Holzweg.Also,mehrere Leute hören den Täter an.Das wären z.B. sein Rechtsanwalt (was nicht unbedingt ein Pflichtverteidiger sein muß),der Krimminalbeamte bei der Vernehmung des Täters, oft auch der Staatsanwalt und auf jedenfall ein psychologischer Gutachter.Sozialarbeiter und Therapeuten haben in dieser Phase der Anklage noch garnichts zu suchen, die kommen erst ins „Spiel“ wenn der Täter verurteilt, eingetütet (eingesperrt)ist und psychologisch behandelt wird, falls er eine solche Behandlung überhaupt mitmacht, das muß er nämlich nicht.In den meißten Fällen werden solche Leute auch nicht im Gefängnis sondern in der geschlossenen Psychiatrie eingewiesen.Aber weder im Strafvollzug noch in der geschlossenen Anstalt gibt es sowas wie Selbstständigkeit eines Täters.Die stehen in Deutschland alle unter Arbeitspflicht, solange genug Arbeitsplätze vorhanden sind und die Arbeit wird in Werkstätten innerhalb der Anstalt ausgeführt.Freigang für solche Leute gibt es soweit ich weiß garnicht.Die kommen aus ihrer Anstalt nicht raus.Vor allem müssen Sie unter U-Haft, Strafvollzug und offenem Vollzug unterscheiden, denn das sind 3 ganz verschiedene Dinge.In den Offenen Vollzug lässt man nur Ersttäter mit geringfügigen Straftaten wie z.B. Unterhaltsverweigerer, fahren ohne Führerschein usw, also Eierdiebe, die keine Gefahr für die Öffentlichkeit sind.Das der Täter Kontakt zu seinem Opfer bekommt ist eher die Ausnahme und geht nur mit beidseitigem Einverständnis.In dem Falle wären selbstverständlich Aufsichtsbeamte dabei.Der psychologische Gutachter ist natürlich bei den Gesprächen allein mit dem Täter, solange dieser nicht gemeingefährlich ist.Ein Gutachter schreibt übrigens immer ein Gutachten, wobei oft auch die Ansichten der sozialarbeiter und Vollzugspsychologen mit einbezogen werden können.Aus deren Einbringungen wird dann eine Prognose erstellt die festlegt, in welche Kathegorie der Täter eingestuft wird.Also gefährlich,therapierbar oder aussichtslos unheilbar (Rückfallgefahr).Das Gutachten fließt nicht nur in die Verhandlung mit ein, es wird extra dafür erstellt und hat nur bedingt Einfluss auf das Urteil.Sie sollten bei den Opfern auch unter Kleinkindern und Jugendlichen unterscheiden.Denn auch dies spielt eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung.Bei der Vollstreckung des Urteils befindet sich der Verurteilte (dann ist er ja kein Angeklagter mehr)bereits im Strafvollzug.In der Realität wird Ihre Romanfigur mit Sicherheit keinen Kontakt zu seinem Opfer bekommen und schon garnicht ausserhalb der Anstalt.Das würde wohl kein deutsches Gericht zulassen, jedenfalls nicht solange das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.Nach der Verurteilung liegt das im Ermessen aller Beteidigten, Richter, Staatsanwalt, behandelnder Psychiater (Gutachter) und letztendlich des Opfers.Während der U-Haft ist das völlig ausgeschlossen, da es den Prozess beeinflussen könnte.Nach der Verurteilung ist so ein Treffen in ganz seltenen Fällen möglich aber ziemlich unwahrscheinlich.Das ein Sozialarbeiter/in oder Therapeut/in unerlaubt ein solches Zusammentreffen ermöglicht ist Fiktion, denn das kann keine Einzelperson entscheiden.Es gibt für Ihre Geschichte die Möglichkeit, das sich die Therapeutin oder Psychologin in den Täter verliebt (was leider auch schon in der Realität vorgekommen ist)und dann Mittel und wege findet, dem Wunsch des Täters nachzukommen.Zur Arbeit des Täters im Vollzug ist folgendes zu sagen.Jeder Strafgefangene ist verpflichtet einer Arbeit innerhalb der Anstalt nachzugehen, soweit genügend Arbeitsplätze vorhanden sind.Nicht vergessen, „Offener Strafvollzug ist ganz was anderes, da würden Täter dieser Kathegorie niemals reinkommen“, da kommen nur Kleinkrimminelle und Ersttäter rein.Von Selbstständigkeit im Strafvollzug habe ich noch nie etwas gehört.Natürlich können die im begrenzten Maße ihre Geschäfte draußen von drinnen weiterführen.Das geht aber nur, wenn sie draußen eine Vertrauensperson haben, die das oder die Geschäfte für sie weiterführt.
Ich hoffe ich konnte Ihnen damit ein bißchen Aufschluss geben.Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie mich bitte an.Tel.Nr. 01522 1905 676 Herr Schulz (das bin ich).Beste Grüße und viel Erfolg.
PS.Innerhalb der Anstalt wird kein Straftäter zu seinem Arbeitsplatz begleitet.Die können sich hinter der Aussenmauer auf Gefängnisgelände frei bewegen.Während der Arbeitszeit werden Gefangene nur begrenzt/sporadisch durch den Werkstattleiter im Auge behalten, die meißte Zeit bleibt er unbeobachtet.Über Freigang bzw.offenen Vollzug entscheidet kein Therapeut oder Anstaltsangestellter sondern einzig und allein das Gericht.Chancen gleich Null.

okay. danke :smile:

sehr geehrter herr schulz

lieben dank. das ist schon mal großartig.

ich warte die antworten der anderen experten noch ab und es kann sein, dass ich mich tatsächlich noch melde. danke für diese möglichkeit.

ps: das buch ist schon geschrieben, jedoch stimmen, wie sie ja schon erkannt haben, die rechtlichen faktoren noch nicht :smile:

P.O.U.